Dorian Hunter 122 - Earl Warren - E-Book

Dorian Hunter 122 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Langsam zog der Untote die Hand zurück und ließ den Dolch los, der noch immer zwischen den Rippen des Skeletts steckte.
Die Schlange zischte wieder. Der Untote beachtete sie nicht. Langsam verließ er die Grabkammer. Draußen vor der Tür leuchtete nun Fackelschein. Eine Gruppe von Untoten, in rote Kapuzenumhänge gekleidet, wartete. Zwei hatten Fackeln in den Händen, ein Dritter hielt einen Umhang bereit.
Der Untote, der einmal der Barde Bhairava gewesen war, ging zu ihnen, als würde er gerufen. Ein anderer Untoter zog ihm den Kapuzenumhang über.
Bhairava sah nun genauso aus wie die anderen Untoten. Er trat in ihre Schar, als hätte er schon immer dazugehört. Mit dröhnendem Widerhall fiel das Tor der Grabkammer zu. Das Zischen der Riesenschlange war nur noch ganz schwach zu vernehmen ...


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DER DIAMANTENDOLCH

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

Als Rückzugsort in seinem Kampf bleibt Dorian neben der Jugendstilvilla in der Baring Road in London noch das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt – darunter die ehemalige Hexe Coco Zamis, die aus Liebe zu Dorian die Seiten gewechselt hat. Kurz nach der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes Martin versteckt Coco diesen zum Schutz vor den Dämonen an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält.

Bald darauf veranlassen die Erinnerungen an seine Existenz als Michele da Mosto Dorian, nach der Mumie des Hermes Trismegistos zu forschen. Er findet jedoch »nur« den Steinzeitmenschen Unga, der Hermon einst gedient hat und der sich nach seinem Erwachen schnell den Gegebenheiten der Gegenwart anpasst. Auf Island gewinnt Dorian den Kampf um das Erbe des Hermes Trismegistos.

Kurz darauf erwachen in Dorian Erinnerungen an sein fünftes Leben. Als Samurai Tomotada war er damals im Auftrag des Januskopfes Olivaros aktiv, der in der Gegenwart kurzzeitig als Oberhaupt der Schwarzen Familie agierte. Olivaros Nach-Nachfolger, der Erzdämon Luguri, unternimmt derweil alles, um den Bayerischen Wald in eine Brutstätte des Bösen zu verwandeln, wird aber von Coco und Dorian zurückgeschlagen. Im Tempel des Hermes Trismegistos erhält Dorian einen Hinweis auf das Wirken von Janusköpfen in Indien. Coco und er müssen jedoch Olivaro folgen, der von »Psychos« in das irische Dorf Cranasloe gebracht wurde. Aus diesem Grund folgen Unga und der Puppenmann Donald Chapman der indischen Spur und geraten in die Auseinandersetzung zwischen zwei rivalisierenden Sekten. Während die parapsychisch begabten Padmas dem Padmasambhawa Bodhisattwa folgen, der im Lotos geboren wurde, dienen die Chakras offenbar den Janusköpfen. Aber wer ist der Padmasambhawa Bodhisattwa wirklich, und welches Ziel verfolgt er?

DER DIAMANTENDOLCH

von Earl Warren

Dies ist die Geschichte von Bhairava, dem Geschichtenerzähler, dem Barden und Spielmann. Es ist eine Geschichte, die er selber erlebte, die letzte seines Lebens. Bhairava erschien seinem Sohn Gopal einige Wochen nach den geschilderten Ereignissen im Traum und verkündete ihm diese seine letzte Geschichte.

Bhairava hatte zeit seines Lebens einen guten Namen als Barde gehabt. An allen Königshöfen Indiens war er gern gesehen, und er galt als ein König unter den Geschichtenerzählern. Aber diese seine letzte Geschichte, die er wirklich erlebte, ist fantastischer, grausiger und dramatischer als alle, die er sich ausdenken konnte.

Es geschah im Jahre 1253 nach der Geburt des westlichen Religionsstifters Christus, 1.813 Jahre nach der des großen Gautama Buddha, des Erleuchteten.

Bhairava, der Geschichtenerzähler, hatte den Hof des Königs De‍vadatta in Aurangabad aufgesucht. Devadatta war ein launischer, jähzorniger Herrscher, der später von dem Chola-König Gupta Ras besiegt und geköpft wurde. Es störte ihn, dass der Geschichtenerzähler bei den Frauen seines Harems zu viel Anklang fand.

1. Kapitel

Ein paar intrigante Höflinge streuten Gerüchte aus, Bhairava wäre nicht nur zum Geschichtenerzählen im königlichen Harem gewesen. Bhairava wurde gewarnt und flüchtete. Er hatte keine Lust, zur Unterhaltung des Königs und der Höflinge in die Tigergrube geworfen zu werden. Genau das geschah nämlich mit Leuten, die dem Herrscher unangenehm aufgefallen waren.

Bhairava flüchtete bei Nacht und Nebel. Es war die Regenzeit. Ein wolkenbruchartiger Wasserguss entzog ihn den Blicken seiner Verfolger und verwischte seine Spuren.

Bhairava wanderte nordwärts. Er wollte nach Ajanta, dessen Rajah er kannte, und der ihn schätzte.

Bhairava besaß nur das, was er auf dem Leib trug. Er ernährte sich von Beeren und dem, was er in den Dörfern erbetteln konnte. Geschichten zu erzählen und sich zum Lohn dafür Kupfermünzen in seine Tonschale werfen zu lassen, wagte er nicht. Er wusste, dass die Häscher des Königs Devadatta noch hinter ihm her waren. Bhairava war an ein bequemes Leben gewöhnt gewesen. Bei der Wanderung über die heißen, staubigen Straßen und durch den schwülen Dschungel machte er einiges mit.

Er wurde mutlos und verfluchte sich selbst und die Götter von Brahma bis Krishna.

Bevor er Ajanta erreichte, verirrte er sich auch noch im Dschungel. Er hatte Hunger und Durst und war müde, weil er nachts wegen der umherstreifenden wilden Tiere kaum ein Auge zutun konnte.

Am Abend des dritten Tages, nachdem er sich verirrt hatte, fand Bhairava einen Ruinentempel im Dschungel. Er war von grünen Ranken überwuchert, und Büsche und kleine Mango- und Papayabäume wuchsen auf den Mauern. Der Tempel war alt. Er stand auf einem Mauersockel und hatte ein sich verjüngendes Stufendach mit einer Kuppel an der Spitze. Ein stufenförmiger Anbau war hinten an den Tempel angefügt. Auf dem Tempeldach befanden sich zahlreiche verwitterte Figuren, die alle ein schreckliches Aussehen hatten. Die Säulen und Wände trugen Ornamente, ohne Ausnahme grausige oder kriegerische Darstellungen.

Die Sonne versank hinter den Dschungelbäumen, der Himmel glühte rot, und unter den hohen Urwaldbäumen war es schon düster.

Bhairava fand, dass er am besten in dem kleinen Tempelanbau übernachten sollte. Dort musste es eine Kammer geben, deren Tür er verschließen konnte. Dann würde er seit ein paar Tagen endlich einmal wieder tief, fest und ohne Angst schlafen können. Der Barde, der nur einen Lendenschurz und einen Turban trug wie die Armen des Landes, ging zu dem Tempelanbau.

Ein modriger Geruch ging von dem alten, zerfallenden Bauwerk aus. Bhairava stieg die Treppenstufen hoch, deren Kanten schon abgebröckelt waren und auf denen Gräser wuchsen. Er fühlte sich unbehaglich. Der Tempel hatte eine seltsame und unheimliche Ausstrahlung, die er deutlich spüren konnte. Es ging etwas Drohendes von ihm aus. Bhairava überlegte, ob er nicht umkehren sollte. Er schaute zum Rand des Dschungels und zögerte. Da sah er eine Bewegung, und gleich darauf hörte er Gebrüll.

Der Geschichtenerzähler erstarrte. Vielleicht vierzig Meter von sich entfernt sah er einen riesigen Königstiger. Die Bestie starrte ihn an, und die schrägen, grünen Augen funkelten im Dämmerlicht. Ein Fauchen kam aus dem halb geöffneten Rachen. Der Schwanz des Tigers peitschte hin und her. Unter dem rötlich-gelben, schwarz gestreiften Fell spannten sich die Muskeln zum Sprung.

Bhairava wusste, dass der Tiger mit zwei, drei Sprüngen bei ihm sein konnte. Einen Angstschrei ausstoßend, lief er in den Tempelanbau. Eine mit Eisenbändern beschlagene Tür hing schräg in den Angeln.

Der Geschichtenerzähler lief durch den kurzen Flur darauf zu und riss die Tür auf. Er flüchtete in eine geräumige Kammer und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Die Augen geschlossen, stemmte er sich, in Todesangst und am ganzen Körper zitternd, dagegen.

Vor dem Tempelanbau fauchte und brüllte der Tiger. Jeden Moment erwartete Bhairava den Anprall des schweren, muskelstrotzenden Körpers.

Aber der Tiger kam nicht in den Tempelanbau. Offenbar war ihm das Gebäude aus irgendwelchen Gründen nicht geheuer.

Nach ein paar Minuten atmete Bhairava ein wenig auf. Sein Herz hämmerte nicht mehr gar so sehr. Er schöpfte wieder ein bisschen Hoffnung.

Der Tiger kratzte draußen an den Tempelmauern. Er fauchte und winselte nun. Bhairava hoffte, dass er bald weiterziehen und sich eine andere Beute suchen würde.

»Großer Shiva!«, flüsterte er. »Rette mich vor diesem Untier! Ich verspreche dir auch, dass ich ein anderes, besseres Leben anfange und deine Gebote achte. Ganz bestimmt werde ich das tun. Aber schaff mir nur diesen Tiger vom Hals und hilf mir aus dem Dschungel und dem Machtbereich des grausamen Königs Devadatta heraus! Wenn du außerdem dafür sorgen könntest, dass ich möglichst gleich morgen auf Menschen stoße und endlich etwas Ordentliches zwischen die Zähne bekomme, wäre mir das auch sehr recht.«

Bhairava dachte sich, dass Shiva gleich ganze Sachen machen könnte, wenn er schon etwas für ihn tat.

Der Tiger hatte aufgehört, an den Mauern zu kratzen. Bhairava atmete aus tiefstem Herzen auf. Er wischte sich den Angstschweiß von der Stirn.

Jetzt erst sah er sich in dem Raum um, in den er geraten war. Ein neuer Schrecken erwartete ihn. Seine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt, und er sah seine Umgebung deutlich.

Fünf Gestalten saßen reglos im Kreis auf dem Boden, im Lotossitz, die Augen geschlossen. Wie Bhairava selbst, trugen auch sie nur Lendenschurze und Turbane. Es handelte sich um fünf so hagere und sehnige Männer, dass man jeden Muskel unter ihrer Haut erkennen konnte. Es waren Sannyasin, Asketen, heilige Männer, denen besondere Kräfte zugeschrieben wurden.

Während Bhairava sie beobachtete, bewegten sie sich um keinen Zoll und zuckten mit keiner Wimper, so waren sie in Meditation versunken.

Bhairava wartete eine ganze Zeit. Dann stemmte er einen Holzpfahl gegen die Tür, den er an der Wand hatte liegen sehen. Zögernd näherte er sich den fünf Asketen und räusperte sich.

»Ein wilder Tiger hat mich hierher getrieben«, sagte er. »Ich hätte mir sonst nie erlaubt, eure Versenkung zu stören.«

Die fünf Asketen antworteten nicht und regten sich nicht.

»Mein Name ist Bhairava. Ich bin ein Barde.«

Wieder erhielt er keine Antwort. Es war, als befänden sich die Asketen in einer anderen Welt oder als wäre er für sie weniger als eine Fliege, die sie ansummte.

Bhairava zog sich zurück. Die starre Ruhe der Asketen hatte etwas Unheimliches. Der Geschichtenerzähler bekam es wieder mit der Angst zu tun. Zu seinem Repertoire gehörten ein paar Anekdoten, was mit vorwitzigen Leuten geschehen war, die es gewagt hatten, heilige Männer in ihrer Meditation zu stören. Bhairava überlegte, was diese fünf Asketen wohl mitten im Dschungel machten und wozu sie sich in diesem Tempel befanden.

Seinen ganzen Mut zusammennehmend, näherte er sich erneut einem der Asketen und berührte ihn. Der Körper des Sannyasins war nicht kalt, aber kühl. Bhairava wagte es sogar, seine Hände anzufassen. Zuerst glaubte er, der Asket hätte überhaupt keinen Pulsschlag mehr, dann aber spürte er das Pochen. Es waren nicht mehr als drei, vier Pulsschläge in der Minute. Die Asketen hatten ihre Körperfunktionen fast zum Stillstand gebracht.

Bhairava war nun noch unheimlicher zumute. Die Meditation der Asketen musste einem bestimmten Zweck dienen, den er nicht ergründen konnte. Nach der Art der Meditation musste es sich um etwas von großer Bedeutung handeln.

Bhairava würde eine schlimme Strafe ereilen, wenn er die Asketen störte oder weiter mit seiner Anwesenheit belästigte, davon war er überzeugt.

Außer der Tür, die er verrammelt hatte, gab es noch zwei weitere in dem recht großen Raum. Bhairava ging zu der einen hin, die ins Innere des großen Tempels führen musste. Jetzt wollte er wissen, um was für einen Tempel es sich handelte, ob er einer guten oder einer furchtbaren Gottheit geweiht war.

Der Geschichtenerzähler öffnete die Tür. Ein dunkler Gang gähnte ihm entgegen. Bhairava musste sich vorwärtstasten, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

Der Gedanke an das, was in der Finsternis auf ihn lauern mochte, ließ ihm die Haare unter dem Turban zu Berge stehen. Aber er ging trotzdem weiter. Er dachte nicht darüber nach, und so kam er auch nicht darauf, dass es ein innerer Zwang war, der ihn vorwärtstrieb.

Im Dunkeln kam er an Türen vorbei und an Quergängen. Dann stand er in der großen Tempelhalle, in der ein düsteres Dämmerlicht herrschte.

Die Tempelhalle war völlig leer. Zu beiden Seiten gab es Säulengänge. Durch das Hauptportal hallten die Laute des Dschungels herein. Bhairava hätte sich sagen müssen, dass auch der Königstiger durch den großen Haupteingang hätte hereinkommen können. Aber er dachte nicht daran. Wie der Magnet die Nadel, so zog auch ihn eine starke Kraft an, eine Kraft, die nicht von dieser Welt war.

Bhairava schaute sich um und sah die Treppe, die nach unten führte. Im Hintergrund des Tempels gab es einen schmalen Gang in einer Nische, die früher einmal durch ein Tor versperrt gewesen war. Vor langer Zeit war das Tor eingeschlagen worden, die Reste lagen noch auf dem Boden.

Bhairava stieg die Treppe hinunter. Sein Herz pochte dumpf. Es war kühl unten. Die Kälte kroch in seine Glieder. Seine Rechte krampfte sich um den Wanderstab.

Dann kam Bhairava in einen Vorraum, der von einem düsteren Zwielicht, dessen Ursprung man nicht erkennen konnte, erhellt wurde. Er stand vor einem metallenen Tor mit Ziselierungen und Ornamenten.

In Bhairavas Ohren brauste das Blut, und es war ihm, als hörte er ferne Stimmen und manchmal ein Zischen. Er schwankte wie ein Betrunkener.

An jedem Torflügel befand sich ein schwerer bronzener Türklopfer. Kaum noch bei Sinnen packte Bhairava einen Türklopfer und schlug damit dreimal gegen das Tor. Die Schläge dröhnten in den Gewölben unter dem Dschungeltempel. Knarrend öffnete sich ein Torflügel. Ein kalter Hauch, in den sich Verwesungsgeruch mischte, schlug Bhairava entgegen.

Er stand vor einer Grabkammer. In ihr war es heller als in dem Vorraum – fast taghell. Säulen flankierten das Tor. Auf einem Steinpodest, mehr im Hintergrund des Raumes als in der Mitte, lag ein menschliches Skelett von beachtlicher Größe. Zwischen den Rippen steckte ein Dolch mit einem riesigen Diamanten am Knauf. Im Hintergrund sah man die Statue einer großen, grünen Schlange. Sie war groß genug, um einen ausgewachsenen Mann in der Umklammerung zu zermalmen. Am Hinterkopf hatte sie fünf spornartige Auswüchse, und ihre Augen funkelten gelb. Sie wurden aber von dem Diamanten überstrahlt.

Bhairava starrte die seltsam schaurige Szenerie an. Der Zwang, sich dem Steinpodest zu nähern, überdeckte alles andere. Bhairava hatte an sich Angst. Seine Vernunft und sein Selbsterhaltungstrieb ermahnten ihn, so schnell wie möglich zu fliehen. Aber er konnte nicht. Schritt um Schritt näherte er sich dem Steinblock mit dem Skelett darauf.

Die gelben Schlangenaugen funkelten ihn an. Er hatte keinen eigenen Willen mehr. Die Schlange riss nun das Maul auf, und ein lautes Zischen kam aus ihrem Rachen.

Bhairava bemerkte, dass die Schlange, die er für eine Statue gehalten hatte, lebte. Diese Erkenntnis konnte ihn nicht mehr erschrecken. Magisch angezogen streckte er die Hand nach dem kostbaren Dolch mit dem funkelnden Diamanten am Griff aus.

Wieder zischte die Schlange. Bhairava ergriff den Dolchgriff, dessen Diamant ihn fast blendete, so unerträglich hell strahlte er jetzt.

Der Barde wollte den Dolch an sich nehmen. Da durchzuckte ihn ein furchtbarer Schlag. Flüssiges Feuer schien durch seine Adern zu strömen. Jeder Nerv, jede Faser seines Körpers zuckte vor Schmerzen.

Bhairava brüllte auf. Dann wurde sein Brüllen zu einem unterdrückten Stöhnen. Sein Körper wurde hin und her geschüttelt.

Ein Blitz zuckte auf und hüllte Bhairava für Sekundenbruchteile ein. Als das grelle Licht erlosch, hatte Bhairava sich verändert. Er war zu einem Untoten geworden, einem Monster. Sein Körper war mumifiziert, und er trug einen Totenkopf auf den Schultern.

Langsam zog der Untote die Hand zurück und ließ den Dolch los, der noch immer zwischen den Rippen des Skeletts steckte.

Die Schlange zischte wieder. Der Untote beachtete sie nicht. Langsam verließ er die Grabkammer. Draußen vor der Tür leuchtete nun Fackelschein. Eine Gruppe von Untoten, in rote Kapuzenumhänge gekleidet, wartete. Zwei hatten Fackeln in den Händen, ein Dritter hielt einen Umhang bereit.

Der Untote, der einmal der Barde Bhairava gewesen war, ging zu ihnen, als würde er gerufen. Ein anderer Untoter zog ihm den Kapuzenumhang über.

Bhairava sah nun genauso aus wie die anderen Untoten. Er trat in ihre Schar, als hätte er schon immer dazugehört. Mit dröhnendem Widerhall fiel das Tor der Grabkammer zu. Das Zischen der Riesenschlange war nur noch ganz schwach zu vernehmen.

Die Gruppe der Untoten formierte sich, und die Gestalten mit den roten Kapuzen und Umhängen stiegen die gewundene Treppe hinauf. Sie nahmen jenen mit, der als Mensch Bhairava geheißen hatte und nun einer der Ihren war.

Unga stöhnte im Schlaf und wälzte sich hin und her. Er knirschte mit den Zähnen und trat gegen den unteren Teil des Bettes.

Don Chapman war aus dem Schlaf aufgeschreckt und beobachtete ihn. Er hütete sich, in die Nähe des Cro Magnon zu kommen. Eine unbedachte Bewegung, ein schlaftrunkener Schlag, und der Zwergmann war nicht mehr.

Es war drei Uhr morgens. Sie befanden sich im Gasthof und Hotel »Ashoka« in Manmad, Mittelindien. Don Chapman hatte die Nachttischlampe angeknipst. Wegen seiner Länge von zwei Metern schlief Unga quer im Bett.

Jetzt endlich erwachte er und schaute um sich. Don sah den Ausdruck tiefen Kummers auf seinem Gesicht. Er wusste, wovon Unga geträumt hatte. Drei Tage war es erst her. Die Wunde war noch frisch.

»Du hast von Manjushri geträumt, Unga«, sagte der Zwergmann. »Du musst darüber hinwegkommen. Wir haben eine Aufgabe zu erfüllen. Dorian Hunter und die anderen Gefährten vertrauen auf uns.«

Unga, der Cro Magnon, der Diener des Hermes Trismegistos, war zehntausend Jahre alt. Er hatte viel gesehen und erlebt in verschiedenen Zeitaltern der Weltgeschichte. Aber der Tod Manjushris schmerzte ihn sehr.

Don Chapman konnte ihm nicht helfen. Unga musste selbst damit fertig werden.

»Schlaf jetzt!«, sagte Don Chapman. »Du hast die letzten Tage kaum etwas gegessen. Du brauchst deine Kraft. In wenigen Stunden brechen wir nach Ajanta auf, wo wir Colonel Bixby wieder treffen sollen. Dort geht etwas vor, und wir werden hektische Tage erleben.«

Unga nickte nur.

Der dreißig Zentimeter große Don Chapman löschte das Licht mit der Zugschnur über dem Bett und legte sich ans obere Ende unter das Moskitonetz. Er deckte sich mit dem Kopfkissen zu.

Unga konnte nicht schlafen. Seine Gedanken schweiften zurück, und er nahm Abschied von Manjushri. Der Cro Magnon hatte schon oft Abschied genommen, von vielen Dingen, aber diesmal fiel es ihm schwerer als sonst. Unga wollte die kurze Zeit mit Manjushri als ein schönes Geschenk in seiner Erinnerung behalten, als etwas, was zu schön und zu kostbar gewesen war, um auf dieser Welt von Dauer sein zu können.

Er war in einen Halbschlaf gesunken, als er wieder aufschreckte. Er glaubte, eine flüsternde Stimme zu hören. Leise und eindringlich rief sie in die Dunkelheit des Zimmers hinein.