Dorian Hunter 41 - Horror-Serie - Ernst Vlcek - E-Book

Dorian Hunter 41 - Horror-Serie E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Daponde konnte den Angreifer nicht genau erkennen. Der Schmerz machte ihn blind und taub. Er hatte das Gefühl, dass er mitsamt dem Quipu durch die Luft segelte - nein, schwebte. Ja, er schwebte, und als er auf den Boden aufprallte, war ihm, als tauchte er in die Fluten eines Gewässers ein; ein Meer aus rotem Wasser, das aus seinem Arm quoll, der plötzlich wie ein abgetrennter Stumpf aussah. Krallen durchschnitten die in Blut getauchte Sphäre, wirbelten Daponde wieder empor und schleuderten ihn wie ein Spielzeug davon.
Obwohl er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, klammerte er sich instinktiv an das Quipu wie an einen rettenden Strohhalm. Und auf einmal wusste er, was das alles zu bedeuten hatte. Er war auf dem richtigen Weg gewesen, die Inka-Prinzessin von ihren Alpträumen zu erlösen. Aber auf irgendeine unerklärliche Art war er selbst in diesen Alptraum geraten, und das hatte tödliche Folgen für ihn.
Das schattenhafte Ding mit den furchtbaren Krallen zerriss ihn förmlich in der Luft ...

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

DIE MONSTER AUS DER GEISTERSTADT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

mystery-press

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Mark Freier

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9196-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Auf Schloss Lethian an der österreichisch-slowenischen Grenze gerät der Reporter Dorian Hunter in ein Abenteuer, das seinen Verstand übersteigt. Die acht Männer, die seine Frau Lilian und ihn begleiten, sind seine Brüder – gezeugt in einer einzigen Nacht, als die Gräfin von Lethian, selbst eine Hexe, sich mit dem Teufel Asmodi vereinigte! Dorians Brüder nehmen die Offenbarung euphorisch auf. Nur Dorian will sein Schicksal nicht akzeptieren. Er tötet seine Mutter und eröffnet die Jagd auf seine Brüder. Danach steckt er das Schloss in Brand und flieht mit seiner Frau. Aber Lilian hat bei der Begegnung mit den Dämonen den Verstand verloren. Übergangsweise bringt Dorian sie in einer Wiener Privatklinik unter, die auf die Behandlung psychischer Störungen spezialisiert ist – und begegnet kurz darauf der jungen Hexe Coco Zamis, die von ihrer Familie den Auftrag erhalten hat, Dorian zu töten. Doch Coco verliebt sich in den Dämonenkiller und wechselt die Seiten, wodurch sie nicht nur ihre magischen Fähigkeiten verliert, sondern darüber hinaus aus der Schwarzen Familie ausgestoßen wird.

Coco wie auch Dorian sind nun gleichzeitig Jäger und Gejagte, denn Dorian hat sich geschworen, seine Brüder, die das Feuer auf Schloss Lethian offenbar allesamt überlebt haben, zur Strecke zu bringen. In London tötet er Roberto Copello, nachdem dieser den Secret-Service-Agenten Donald Chapman auf Puppengröße geschrumpft hat. Mit Hilfe des Secret Service gründet Dorian die »Inquisitionsabteilung«, der nicht nur er selbst, sondern auch Coco und der Puppenmann Chapman fortan angehören. Ein weiteres »inoffizielles« Mitglied ist der geheimnisvolle Hermaphrodit Phillip, dessen Adoptiveltern von Dämonen getötet wurden. Zum Hauptquartier der Inquisitionsabteilung wird die Jugendstilvilla in der Baring Road, in der Phillip aufgewachsen ist, doch gleichzeitig stöbert Dorian Hunter weiter in der Bibliothek seines alten Reihenhauses in der Abraham Road nach Hinweisen auf dämonische Umtriebe – und stößt auf das Tagebuch des Barons Nicolas de Conde, der auf dem Eulenberg nahe Nancy im Jahr 1484 seine Seele dem Teufel verkaufte. De Conde bereute, wurde zum Hexenjäger und Mitautor des »Hexenhammers« und starb als angeblicher Ketzer. Der Fluch erfüllte sich. Seither wird de Condes Seele nach jedem Tod in einem neuen Körper wiedergeboren – und tatsächlich gelingt es ihm als Dorian Hunter, nicht nur sieben seiner Brüder, sondern schließlich auch seinen Vater Asmodi zu vernichten!

In der Folge zerfällt die Inquisitionsabteilung – während Asmodis Nachfolger Olivaro durch eine Finte Coco an seine Seite zwingt, um seine Machtposition innerhalb der Schwarzen Familie auszubauen. Dorian wiederum kann nicht einmal um seine Gefährtin kämpfen, denn er befindet sich im südamerikanischen Dschungel, wo er auf der Suche nach Jeff Parker den Schatten seiner eigenen Vergangenheit begegnet …

DIE MONSTER AUS DER GEISTERSTADT

von Ernst Vlcek

Von irgendwoher aus dem Dschungel ertönte die schaurige Kakophonie der Brüllaffen, als Jean Daponde die Tempelanlagen der Inka-Stadt Manoa betrat.

Er hatte es eigentlich noch immer nicht recht fassen können, dass er sich im sagenumwobenen El Dorado befand. So phantastisch die Geschichte war, die Dorian Hunter ihnen aufgetischt hatte – Jean Daponde war an einem ganz anderen Phänomen interessiert. Er wollte das Rätsel der schlafenden Inka-Prinzessin ergründen. Und er glaubte, dass er sich auf dem richtigen Weg befand.

Seine Gefährten hatten sich bei dem Gebäude, in dem sie Quartier bezogen hatten, zu einer Lagebesprechung zusammengefunden. Sie berieten, wie sie bei der Schatzsuche vorgehen sollten. Jean Daponde ließ das Gold, das irgendwo in den Gewölben von Manoa verborgen sein mochte, kalt. Das Quipu, das Dorian Hunter ihm zur Entschlüsselung überlassen hatte, über die Schulter geworfen, marschierte er zielstrebig auf das Tor des dreißig Meter hohen Sonnentempels zu.

1. Kapitel

Es erinnerte ihn mit seinen vielen Steinreliefs irgendwie an das berühmte Sonnentor am Titicacasee, obwohl sich die dargestellten Szenen grundlegend voneinander unterschieden.

Als er nun noch wenige Schritte von dem stufenförmig angeordneten Pyramidentempel entfernt war, traten aus dem Inneren vier Priester durch das Tor ins Freie. An ihrer Kleidung erkannte der Inka-Forscher sie sofort als Angehörige der Kaste der Opferpriester. Er schauderte, als er sich unwillkürlich fragte, wie viele Menschen von ihnen schon geopfert worden waren. Doch mit dem Tod des Dämons war hoffentlich auch das sinnlose Morden vorüber. Seitdem legten die Opferpriester sogar eine überraschende Unterwürfigkeit an den Tag.

Huica, der Wortführer der Priester, kniete plötzlich vor Daponde nieder, senkte demütig das Haupt, und sagte in altertümlichem Spanisch: »Seid gnädig, Konquistadoren, und stört nicht den heiligen Schlaf der Prinzessin Machu Picchu!«

Daponde hatte nicht vor, sich auf Diskussionen einzulassen, sondern wollte von seiner Autorität Gebrauch machen, um ans Ziel zu kommen. Von Dorian Hunter und im Umgang mit den Inkas hatte er deren Sprache ein wenig gelernt, so dass er sich leidlich mit ihnen verständigen konnte.

»Gebt den Weg frei!«, verlangte er barsch.

Die Priester zögerten. Huica erhob sich langsam. In seinem Gesicht zuckte es. Er schien noch einen Einwand vorbringen zu wollen, doch als er Dapondes entschlossenen Blick sah, wusste er, dass jede Widerrede zwecklos war. Die Priester zogen sich in den heiligen Bezirk zurück, wo ihre Unterkünfte lagen.

Daponde sah ihnen nach, bis sie seinen Blicken entschwunden waren, dann betrat er das Innere des Sonnentempels, in dem die schlafende Machu Picchu aufgebahrt war.

Es gab nur einen einzigen Raum, der verhältnismäßig schmucklos war. Er wurde von einem halben Dutzend Fackeln erhellt. An der einen Wand hing die unvermeidliche Sonnenscheibe aus purem Gold. Aber sie war das einzig Wertvolle. Die sonst üblichen Ziergegenstände, die die Inkas den von ihnen verehrten Toten beistellten, fehlten; es gab nicht einmal Vasen, Krüge oder Schalen aus Porzellan.

In der Mitte stand ein grob behauener Steinquader, der zwölf Fuß lang, sechs Fuß breit und drei Fuß hoch war. Der Stein war vom getrockneten Blut der Opfer dunkel gefärbt; das Blut klebte in zentimeterdicken Schichten darauf und bildete Klumpen, die wie Wucherungen aussahen.

Und auf diesem Sockel lag Machu Picchu. Sie sah wie eine Schlafende aus – und sie schlief wohl auch tatsächlich. Es war bisher nicht gelungen, sie zu wecken. Der Biologe James Rogard hatte sie untersucht. Ihr Puls schlug nicht, und als er ihr einen Spiegel vor Mund und Nase hielt, beschlug dieser nicht; sie schien nicht zu atmen. Dennoch war auch der Biologe überzeugt, dass sie nicht tot war.

Der Dämon hatte sie in diesen Zustand versetzt. Deshalb verblüffte es alle Eingeweihten – und besonders Dorian Hunter –, dass sie nach seinem Tod nicht aufgewacht war. Nur Jean Daponde wunderte sich nicht. Er hatte das Quipu auf seiner Schulter so weit entziffert, dass er es für den Zustand der Inka-Prinzessin verantwortlich machte.

Das Quipu barg aber noch Geheimnisse, die er bislang nicht gelöst hatte. Verschiedene Anzeichen wiesen auf einen Zauber hin, der weit über den Tod des Dämons hinausreichte. Und einige Knoten deuteten auch auf einen Jahrhunderte währenden magischen Kalender hin. Konnte das bedeuten, dass die Vergangenheit mit der Gegenwart untrennbar war? So wie die Knotenschnüre des Quipu?

Machu Picchu war schön. Jean Daponde hatte schon immer gewusst, dass die Inkas ein edles Volk waren. Aber der Anblick der lebenden Inka-Prinzessin – wenngleich sie scheintot war – raubte ihm förmlich den Atem.

Sie war klein, nicht einmal einen Meter sechzig groß, und hatte eine knabenhafte Figur mit kleinen, harten Brüsten – Daponde zog beschämt seine Hand schnell wieder zurück – und einem schmalen Becken. Ihr Gesicht hatte den rötlichen Teint, war aber nicht so breitflächig wie das anderer Inkas. Ihre etwas zu groß geratene Nase war geradezu klassisch-griechisch. Ihr schwarzes, bis zu den Hüften reichendes Haar war über den Stein ausgebreitet und strahlenförmig angeordnet, als sollten dadurch die Sonnenstrahlen symbolisiert werden. Selbst im Schlaf erinnerte sie an eine kampfbereite Wildkatze. Das bemalte Hüfttuch hatte sich vorn etwas geteilt, so dass er ihre makellosen Beine bis über die Knie hoch sehen konnte.

Daponde leckte sich unwillkürlich die Lippen. Wenn sie nun die Augen aufgeschlagen, ihr Busen sich gehoben und gesenkt hätte – wie begehrenswert wäre sie dann erst für ihn gewesen. Er wischte den Gedanken hinweg.

»Ich werde dich aus deinem Schlaf wecken, kleine Machu Picchu«, murmelte er und breitete das Quipu auf ihrem Körper aus.

Hatte es nicht gerade in ihrem Gesicht gezuckt? Hatte die Berührung mit dem Quipu nicht eine Reaktion bei der Schlafenden hervorgerufen?

Daponde breitete die mehr als zwanzig verschiedenfarbigen Knotenschnüre über den kalten Körper der Inka-Prinzessin. Ja – ihr Körper war kalt, und auch die Luft war kalt, als würde der Leib alle Wärme in sich aufsaugen.

Irgendwo hinter ihm war ein Geräusch. Er drehte sich gehetzt um, sah aber nichts. Es hatte sich so angehört, als würden sich die Steinquader, aus denen der Sonnentempel gebaut war, verschieben; als würden Steine gegeneinander reiben.

Vielleicht brachte er den Tempel zum Einstürzen, wenn er mit dem Quipu manipulierte? Daponde belächelte seine närrische Angst. Und doch war er sicher, dass hier Kräfte am Werk waren, die vorerst vielleicht noch schlummerten, die aber mit dem menschlichen Verstand nicht zu begreifen waren. Schon gar nicht mit einem wissenschaftlich geschulten Verstand.

»Ich weiß, wie ich dich wecken kann, kleine Prinzessin«, flüsterte der Franzose. »Mit Hilfe dieses Quipu werde ich dich von dem Fluch befreien.«

Er nahm eine rotgefärbte Schnur zwischen die Finger, rieb vorsichtig über die Knotenkette und öffnete blitzschnell den untersten Knoten der Schnur. Der Körper Machu Picchus zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Jean Daponde hielt den Atem an. Er war auf dem richtigen Weg; er war dabei, das Geheimnis des Quipu zu enträtseln.

Wieder öffnete er mit zitternden Fingern einen Knoten. Diesmal einen fünffachen. Ein seltsamer Laut entrang sich der Kehle des Mädchens. Daponde wertete das als erstes Anzeichen dafür, dass sie im Aufwachen begriffen war.

Minuten später hatte er alle Knoten der roten Schnur gelöst. In Machu Picchu kam jetzt Leben. Ihr Körper machte langsame Schlangenbewegungen. Ihre Körpermitte rotierte wie bei einer Bauchtänzerin. Ihre geschlossenen Lider zuckten.

»Öffne die Augen, Machu Picchu!«, sagte der kleine Franzose beschwörend.

Ihm war plötzlich heiß. Schweiß perlte über sein Gesicht und glitzerte wie Tau in seinem Bart.

Das Inka-Mädchen warf sich herum. Ihre Arme zuckten, und dabei knackten ihre Gelenke, als wären sie eingerostet gewesen. Dann streckte sie die Arme steif in die Luft. Wieder kam ein seltsamer Ton über ihre Lippen. Wollte sie etwas sagen? Ihre makellose Haut bekam plötzlich Flecke, die sich bläulich verfärbten. Was bedeutete das?

Daponde hatte aus den Knotenschnüren herausgelesen, dass ein langer Traum für den Schlaf der Inka-Prinzessin verantwortlich war. Wovon träumte sie jetzt? Sie warf den Kopf hin und her und schnitt Grimassen, als hätte sie furchtbare Alpträume.

»Ich werde dich …« Daponde unterbrach sich, als er wieder das Mahlen gegeneinander reibender Felsquader vernahm. Der Tempel schien in seinen Grundfesten zu erbeben, als ob übernatürliche Kräfte an dem wuchtigen Bauwerk rüttelten.

Machu Picchu bäumte sich auf. Sie schnellte hoch und sackte dann wieder kraftlos zurück. Dann lag sie entspannt da, bis Daponde den nächsten Knoten löste.

Da erhielt er plötzlich einen Schlag gegen eine Schulter. Der Schlag traf ihn mit solcher Wucht, dass Daponde sich um seine eigene Achse drehte, und bevor er noch stehenbleiben konnte, wurde er von Neuem getroffen. Diesmal prallte ein dunkler Schatten wie eine Gewitterwolke gegen seine Brust, hob ihn vom Boden hoch und schleuderte ihn durch die Luft.

Daponde konnte den Angreifer nicht genau erkennen. Der Schmerz machte ihn blind und taub. Er hatte das Gefühl, dass er mitsamt dem Quipu durch die Luft segelte – nein, schwebte. Ja, er schwebte, und als er auf den Boden aufprallte, war ihm, als tauchte er in die Fluten eines Gewässers ein; ein Meer aus rotem Wasser, das aus seinem Arm quoll, der plötzlich wie ein abgetrennter Stumpf aussah. Krallen durchschnitten die in Blut getauchte Sphäre, wirbelten Daponde wieder empor und schleuderten ihn wie ein Spielzeug davon.

Obwohl er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte, klammerte er sich instinktiv an das Quipu wie an einen rettenden Strohhalm. Und auf einmal wusste er, was das alles zu bedeuten hatte. Er war auf dem richtigen Weg gewesen, die Inka-Prinzessin von ihren Alpträumen zu erlösen. Aber auf irgendeine unerklärliche Art war er selbst in diesen Alptraum geraten, und das hatte tödliche Folgen für ihn.

Das schattenhafte Ding mit den furchtbaren Krallen zerriss ihn förmlich in der Luft.

Der gespenstische Schrei ließ sie erstarren. Er kam nicht aus dem Dschungel, sondern aus der Inka-Stadt – vom Sonnentempel. Der Schrei war so durchdringend, dass er selbst das Gekreische der Brüllaffen übertönte.

Arturo Pesce hatte gerade vorgeschlagen: »Nehmen wir uns die Inkas vor. Es wäre doch gelacht, wenn wir sie nicht zum Sprechen bringen könnten.«

»Kommt nicht in Frage«, lehnte Dorian Hunter ab.

Alle anderen stimmten ihm zu.

Pesce grinste auf seine widerwärtige Art und meinte: »Wie wäre es dann mit der Inka-Prinzessin? Mit ein paar Leibesübungen könnte ich ihre Träume erotisch gestalten und …«

Der Schrei brachte ihn zum Verstummen. Es war der Schrei eines Menschen in höchster Todesnot; der Schrei eines von namenlosem Grauen Geschüttelten. Er ging durch Mark und Bein, und er klang deshalb so besonders grausig, da er immer wieder abbrach, als ob sein Urheber seine Kräfte sammeln müsste, um dann seine Qual erneut in die Welt hinauszubrüllen.

Dorian fasste sich als Erster. »Das kommt vom Sonnentempel.« Er ließ seinen Blick über die Umstehenden schweifen. »Nur Daponde fehlt.«

»Ich habe ihn vorhin mit dem Quipu zu den Tempelanlagen schleichen sehen«, meldete David Astor, der Missionar.

Dorian hatte sich schon in Bewegung gesetzt. Er rannte, als sei der Teufel hinter ihm her. Als er das Tor in der Mauer der Tempelanlagen erreichte, prallte er zurück, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis gerannt.

Der Anblick, der sich ihm bot, war selbst für den Dämonenkiller zu viel. Er fasste sich aber sofort und lief weiter. Als er die sterblichen Überreste Dapondes erreichte, hörte er hinter sich jemanden würgen, und dann übergab sich derjenige hemmungslos.

Daponde war nur noch ein unförmiger, blutbesudelter Fleischklumpen. Mit der Rechten hielt der Inka-Spezialist immer noch das Quipu umklammert. Seltsamerweise hatte keine der Knotenschnüre auch nur einen Blutspritzer abbekommen.

Dorian war benommen.

»Hunter«, kam es da kaum verständlich über die Lippen des Sterbenden. »Das Quipu – geleitet Machu Picchu durch ihre Alpträume. Ungeheuer … schreckliche Gefahr. Ich … wollte sie wecken, aber da … erwischte es mich. Nehmen Sie … Quipu. Es droht Gefahr. Wecken Sie …«

Jean Daponde starb, bevor er den Satz vollenden konnte.

Dorian sah, wie Jeff Parker Sacheen umarmte. Parkers Gesicht war kreidebleich geworden.

Arturo Pesce stand regungslos gegen eine Wand gelehnt und hatte die Augen geschlossen.

David Astor schlüpfte aus seiner Kutte und breitete sie über die sterblichen Überreste Jean Dapondes. »Wer kann diese abscheuliche Tat begangen haben?«, fragte er und blickte zu den Gebäuden, wo einige Inka-Priester aufgetaucht waren.

Dorian hob das Quipu auf und entdeckte, dass einige Knoten geöffnet waren. Er blickte zum Eingang des Tempels hinüber.

Jean Daponde musste die volle Wahrheit erkannt haben, war aber nicht mehr in der Lage gewesen, mehr als einige Andeutungen zu machen.

Dorian schritt wie in Trance auf den Tempel zu. Das Quipu lastete wie ein zentnerschweres Gewicht in seiner Hand. Er stieg automatisch die Stufen zum Eingang hinauf und betrat das Innere des Tempels.

Als sich seine Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah er, dass die Inka-Prinzessin friedlich auf dem Steinsockel lag. Ihm war nur, als hätte sie ihre Lage etwas verändert, aber sicher war er sich nicht.

Draußen kreischte Arturo Pesce: »Sucht nicht lange nach den Schuldigen! Da habt ihr sie! Die Spanier werden schon gewusst haben, warum sie die Inkas ausrotteten. Diese scheinheiligen Bestien haben Daponde auf dem Gewissen.«

Neben Dorian tauchte ein Schatten auf. Es war der Opferpriester Huica. Sein Gesicht war ausdruckslos wie immer, nur seine Blicke wanderten unruhig umher – von Dorian zu der schlafenden Machu Picchu, über das Quipu und zurück zu Dorian.

Er erwiderte den Blick.

Da sank der Opferpriester auf die Knie und bat in altertümlichem Spanisch: »Lasst die Prinzessin im heiligen Schlaf ruhen, Konquistadoren! Weckt nicht die Schrecken ihrer Träume!«

Dorian nickte leicht mit dem Kopf, dann wandte er sich ab und ging ins Freie.

Der Tempelhof zeigte drei große Blutlachen, so als hätte eine ungeheure Macht Daponde immer wieder zu Boden geschleudert.