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Schwester Nancy beugte sich über sie. »Gleich ist es vorbei, Miss Zamis.«
Coco konnte sich den Beschwörungen kaum mehr entziehen. Die schweißnassen Hände gegen ihren Leib gepresst, rollte sie sich zusammen. Es lag ein Knistern in der Luft, ein Raunen und Wispern, das immer eindringlicher wurde.
»Schlafe tief, im Namen des Magus ... Magus ist bei dir ...«
Eine grazile Hand schwebte durch die Luft, mit Fingern wie Schlangen, und entzündete die schwarzen Kerzen. In der Dunkelheit erglühten fanatische Augen. Angespannte Gesichter formten sich.
»Hier wird das Kind geboren. Wir setzen es ins Leben.«
»Das Kind. Das Kind!«, echote ein wispernder Chor.
»Hier wird es geboren. Für Magus geboren. Geboren, um zu sterben. Das Kind ...«
»Das Kind, das Kind. Das Kind! MAGUS’ KIND!«
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Was bisher geschah
DAS KIND DER HEXE
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
mystery-press
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Mark Freier
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9895-3
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Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen. Unterstützung in seinem Kampf erhält er zunächst durch den englischen Secret Service, der auf Hunters Wirken hin die Inquisitionsabteilung gründete.
Bald kommt Dorian jedoch seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren.
Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten. Er jagt die Dämonen auf eigene Faust, und als die Erfolge ausbleiben, gerät Trevor Sullivan, der Leiter der Inquisitionsabteilung, unter Druck. Die Abteilung wird aufgelöst.
Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld: die junge Hexe Coco Zamis, die früher selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; weiterhin der Hermaphrodit Phillip, der weder Mann noch Frau ist und dessen hellseherische Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen – sowie die Ex-Mitarbeiter des Secret Service Marvin Cohen und Donald Chapman. Letzterer wurde bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft.
Trotz der Rückschläge gelingt es Dorian, Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie, zu vernichten. Doch mit Olivaro steht schon ein Nachfolger bereit, der in der Vergangenheit keinerlei Skrupel hatte, sogar mit Dorian zusammenzuarbeiten, wenn es seinen eigenen Interessen diente.
So hat Olivaro auch Coco Zamis auf seine Seite gezwungen und präsentiert sie als neue Gefährtin, die sein Kind unter dem Herzen trage. Doch das Kind stammt von Dorian Hunter! Um Coco zu retten, folgt Dorian Coco und Olivaro nach Rabaul auf Neubritannien, wo das Oberhaupt der Schwarzen Familie das Seeungeheuer Tangaroa auf die Menschheit loslässt. Die Machtdemonstration misslingt, sodass Dorian und Coco wohlbehalten nach London zurückkehren. Olivaro muss seine Niederlage anerkennen und tritt als Oberhaupt der Schwarzen Familie zurück. Aber die Gefahr für Dorians und Cocos Kind ist damit noch nicht vorüber ...
DAS KIND DER HEXE
von Ernst Vlcek
Die Hexe hielt noch im Schlaf den Kopf der enthaupteten Schlange fest. Der Daumen presste sich gegen den Giftzahn, und auf seiner Kuppe perlte ein Tropfen des tödlichen Giftes. Sie lag mit leicht gegrätschten Beinen auf dem schwarzen Inlett. Nackt. Das andere Leinentuch, das weiße mit dem großen Blutfleck, spannte sich wie ein Baldachin über das Bett. Der Brustkorb mit den alten, schlaffen Brüsten hob und senkte sich, während sie schwer und seufzend amtete. Betäubt durch die berauschenden Kräuterdämpfe, rief sie in ihren Träumen nach IHM.
Schon seit Wochen vollführte sie tagtäglich das gleiche Ritual, auf dass er sie erhörte. Bei Einbruch der Dunkelheit öffnete sie das Fenster ihres Schlafzimmers, kochte Kräuter und schöpfte den Sud in Opferschalen, die sie aufs Fensterbrett stellte und über ihr Schlafzimmer verteilte. Alles nach dem ewig gleichen vorbestimmten Ritual. Und sie entzündete Räucherstäbchen, die sie, jeweils eine Handspanne voneinander entfernt, in einer Reihe vom Fenster bis zu ihrer Schlafstätte aufstellte.
Damit ER am Duft der dämonischen Gerüche den Weg zu ihr finde! Als sie mit ihren Vorbereitungen so weit gekommen war, hatte sie unter Beschwörungen jeden Abend eine Schlange oder eine Kröte geköpft. Doch das alles war ohne Erfolg geblieben. ER war nicht gekommen. ER hatte den Weg zu seiner gehorsamen und hörigen Dienerin nicht gefunden. Geduldig und voller Erwartung hatte sie weiterhin ihre Opfer dargebracht, den schwarzen Altar – aus den Beckenknochen einer Jungfrau – geschmückt. Sie hatte all ihre Träume nur IHM gewidmet.
ER würde bestimmt wiederkommen. Das fühlte sie mit jeder Faser ihres verbrauchten, runzeligen Körpers. Und wenn ER da war, würde ihr Körper wieder in Schönheit erblühen. Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust der Hexe. Ihr Körper erschauerte. Aber nicht etwa unter der Kälte, die mit dem Nebel durchs Fenster eindrang. O nein, der Traum hatte ihr etwas mitgeteilt. Sie hatte Zeichen gesehen, Leuchtfeuer des Teuflischen, die ihr zu verstehen gaben, dass heute die Nacht der Nächte sein würde. Nach wochenlanger Abwesenheit würde ER endlich wieder den Weg zu ihr finden.
Vor dem offenen Fenster wirbelten die Nebel unruhiger als zuvor, drangen in den Raum ein, der mit schwarzem Stoff ausgeschlagen war. Das Feuer der schwarzen Kerzen begann zu flackern. Die Räucherstäbchen verbogen sich wie Wachs in großer Hitze, zerflossen, wurden zu bizarren Klumpen. Und da – aus dem Nebel tauchte ein Schemen auf. Eine Gestalt, wie ein Bock durch die Luft springend und tanzend wie ein Faun. Die Stille der Nacht wurde von schallendem Gelächter durchbrochen. Es kam von weit her, direkt aus der Unterwelt, und war doch wiederum ganz nahe. Es war das gemeine, lüsterne Lachen eines Satyrs. Die Gestalt hatte sich verdichtet, doch ihre Konturen blieben verschwommen. ER war da!
Die Hexe bäumte sich auf, ihre Hände krallten sich um den Schlangenschädel.
ER stieg durch das Fenster, setzte einen Fuß vor den anderen. Jeder Schritt brachte ihn von einem Räucherstäbchen zum anderen. Er hob eine Opferschale mit dem Gebräu aus Hexenkräutern hoch und schlürfte schmatzend, so dass es durch das ganze Haus hallte.
Und jeder Schritt von ihm ließ den Raum erbeben. Um seine Schultern schwebten die Dämpfe der Räucherstäbchen wie ein wallender Umhang, und sie erstrahlten in einem grünlichen Licht. Er atmete tiefe Schwärze, und die Schwärze hüllte die Hexe ein wie der Arm eines Riesen. Und sein Kuss war Gewalt. Seine Stimme ein Grollen.
»Margarita ...«
Magus, Magus, Magus! Warum hast du mich verstoßen? Mein Leben war ohne Inhalt, schrecklicher als die Kälte des Todes, eine Kette von Entsagungen.
»Margarita Voisin. Ich vergesse meine Dienerinnen nie, wenn sie mir die Treue bewahren. Und du bliebst mir treu. Ich habe deine Opfer nicht übersehen, doch war es mir versagt, sie anzunehmen. Jetzt bin ich da, und du gehörst wieder mir.«
Die Hexe spürte, dass eine lange nicht mehr gekannte Kraft ihren Körper durchströmte. Sie fühlte sich schweben, durch die Ewigkeit taumeln, und sie suchte nach Halt. Ihre Hände verfingen sich in seinen Haaren. Und auf einmal war ihr, als spüre sie unter den borstigen, stacheligen Strähnen ein zweites Gesicht auf dem Hinterkopf.
Der Magus fauchte und schüttelte seinen mächtigen Körper, und ihre haltsuchenden Hände wurden fortgeschleudert. Noch lange stampfte er wütend mit den Beinen und äußerte seinen Groll in einem Donner, der sie erbeben ließ:
Magus, Magus, nicht erzürnen will ich dich, sondern dich entzücken und dir hörig sein!
Die Hexe spürte, dass seine Wut verrauchte wie der Dampf der Opferschalen. Der Magus beruhigte sich wieder unter ihrer beschwörenden, besänftigenden Stimme. Es gelang ihr, seine Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was sie ihm zu bieten hatte ... ihre Seele. Sie war sein. Er konnte damit spielen, wie es ihm beliebte. Und er nahm sie in sich auf wie ein Sterblicher den Atem.
»Seit ich zuletzt bei dir war, hat sich viel zugetragen in dieser Welt und in der anderen. Es gab für mich Niederlage und Triumph, Voisin. Den Triumph habe ich ausgekostet, die Niederlage aber nicht vergessen.«
Magus – nimm mich als Werkzeug deiner Rache!
»Wie klug du bist, Voisin. Ha, du bist mir mehr wert als alle Schwarzblütigen, die mir Treue schworen und mich dann feige verrieten. Ich wollte einst Macht über die Sterblichen und meine dämonischen Brüder. Ich wollte herrschen. Doch werde ich mich mit der Macht allein begnügen, Schicksal spielen, ohne Herrscher zu sein. Und du wirst meinen Willen ausführen, Voisin.«
Sage mir, was ich zu tun habe, Magus!
»Es ist nicht viel. Nein, nein, du hast nur eine Kleinigkeit zu tun. Die Hauptaufgabe fällt einem anderen zu – einem, der über uns allen steht. Der mir Freund und Feind zugleich ist. Dem ich viel geopfert habe, den ich aber nie ganz befriedigen konnte. Denn er ist unersättlich in seiner grenzenlosen Gier. Er ist der ständige Begleiter eines jeden, und selbst ich muss mich vor ihm hüten. Er ist auch jetzt hinter mir – hinter dir, Voisin. Wenn er mir über die Schulter blickt, dann heißt es sich vorsehen! In diesem Augenblick noch mein Verbündeter, kann er im nächsten schon mein Widersacher sein. Er ist – unberechenbar. Und doch liebe ich ihn in dieser Zeit. Denn er wird ernten, was ich säe. Errätst du, wen ich meine, Voisin?
Du hast Angst, geschätzte Hexe? Ja, ich gestehe sie dir zu. Denn er könnte auch Geschmack an dir finden, Voisin. Auch du bist vor ihm nicht gefeit, denn, wie gesagt, er ist unberechenbar. Wenn man mit ihm spielt, dann weiß man nie, wie es endet. Und doch hat das Spiel mit ihm einen unbeschreiblichen Reiz, den ich nicht missen möchte. Und sooft er auch mein Gegner war, ich lasse ihn dennoch leben – den Tod.«
Die Hexe spürte, dass sie von einer unheimlichen Kälte erfasst wurde. Ein Hauch des Todes strich über sie hinweg, der sie ahnen ließ, wie das Danach sein würde. Aber dann war alles wieder vorbei. Sie spürte erneut eine unbändige Kraft, die ihren schönen jungen Körper durchströmte, zu dem ihr Magus verholfen hatte. Vergessen war die Todesahnung. Sie klammerte sich fester noch als zuvor an ihren Meister und Beschützer, dessen Macht einzig und allein sie vor den Zugriff der kalten Knochenhand bewahren konnte.
Die unirdische Stimme ihres Meisters bekam etwas Schwärmerisches, als er ihr seinen Willen kundtat.
»Ich habe einen Fluch ausgesprochen, Voisin, der einen bestimmten Kreis von Personen betrifft. Es sind alles Sterbliche, wenngleich es einige aus dem Kreis der Schwarzblütigen ebenfalls verdient hätten, darin aufgenommen zu werden. Aber ich habe Zeit und werde mich ihnen später widmen. Auch du gehörst in den Kreis der Verdammten, Voisin, und dein Schicksal ist so ungewiss wie das der anderen. Ich liebe es, mich selbst zu überraschen, denn die Existenz eines Wesens, das alles Zukünftige selbst vorher zu bestimmen vermag – abgesehen von der Stunde, in der der unersättliche Tod es holt – eine solche Existenz ist schal.
Der Kreis der Verdammten ist groß. Es gehören dazu viele, die mir dienen wollen wie du, Voisin. Und es gehört eine Sterbliche dazu, die mich verschmähte. Dann ist da ein Mann, dem ich einiges verdanke, der aber meinen Dank nicht will und ein erbärmliches Dasein im Unglück ewigem Glück vorzieht. Er soll es bekommen – grenzenloses Leid und Unglück. Er wird hilflos zusehen müssen, wie der Tod, der jetzt schon über dem Kreis der Verdammten schwebt, wahllos zuschlägt. Und ich werde mich daran ergötzen, wie sie fallen, einer nach dem anderen. Es wird ein bitteres Sterben sein, Voisin. Der besondere Reiz für mich ist, dass ich selbst nicht weiß, welcher Verdammte zu welchem Zeitpunkt an die Reihe kommt. Ich habe nur die Saat ausgeworfen, ernten wird der unberechenbare Tod.
Nur eines habe ich verfügt: Es wird ein Kind geboren, und das möchte ich haben. Und es muss an einem bestimmten Tag geboren werden, zu einer bestimmten Stunde und an einem vorbestimmten Ort. Nur wenn sich das erfüllt, bekomme ich mein Opfer. Du bist dazu ausersehen, es mir zu überreichen, Voisin. Somit liegt es auch an dir, zu bestimmen, wo und wann unser Verbündeter und Widersacher mit seiner Sense ernten wird. Denke stets daran, Voisin, ihr seid alle verflucht. Nur indem ihr das Böse sät, könnt ihr der Verdammnis entrinnen. Es wird ein faszinierendes Schauspiel sein, wenn sie alle versuchen werden, ihrem zugedachten Schicksal zu entrinnen. In diesem Sinne also, Voisin: Es lebe der Tod!«
Coco erwachte durch die Bewegung in ihrem Leib. Sie öffnete die Augen. Draußen dämmerte der neue Morgen. Es war diesig und trübe. Die Bäume im Park der Jugendstilvilla waren längst kahl. Ihre Äste reckten sich wie die Arme von Ungeheuern aus dem Nebel. Es war ein kalter, unfreundlicher Oktobertag.
Vor dem Grau des Fenstervierecks hob sich die Silhouette einer Gestalt ab. Dort stand Dorian und rauchte. Die Glut seiner Zigarette leuchtete auf. Er stieß hörbar den Atem aus und hüllte sich in Qualm. Ein Bild der Trostlosigkeit. Dorian blickte kurz zu ihr. Sie stellte sich schlafend. Dann starrte er wieder in die nasskalte Morgendämmerung hinaus.
Coco zuckte unwillkürlich zusammen, als wieder das Leben in ihr mit Füßen und Fäusten gegen ihren Leib trommelte. Und sie hörte die lautlose Stimme aus ihr.
So kalt und eng ... So eng ... Will hinaus ...
Es wird bald geschehen. Nur Geduld, mein Kleines. In wenigen Tagen schon ist deine Zeit gekommen, dachte sie.
Und dann?, fragte die schwache, ängstliche Stimme in ihr. Wie wird es sein? Wie sieht es außerhalb der Enge aus? Ich möchte es wissen.
Du wirst es früh genug erfahren, dachte sie für ihr Kind. Und für sich allein: Du wirst noch früh genug die Schrecken dieser Welt kennenlernen. Und dann wirst du mich vielleicht verfluchen, weil ich dir den Schutz meines Körpers nicht länger gewährt habe. Aber so sehr sie sich auch bemühte, ihre Ängste zu unterdrücken, ihre sorgenvollen Gedanken für sich zu behalten, das Ungeborene spürte die Vibration ihrer Emotionen. Coco bekam einen leichten Krampf, als sich das Kind in ihrem Körper fester zusammenrollte, seine Gliedmaßen an den unfertigen Körper presste.
Und die lautlose Stimme wurde noch ängstlicher.
Was lauert dort hinter der Wärme? Es ist dunkel und groß und drohend. Ich habe Angst. Eine schwarze Wolke ist über uns und drückt auf mich. Sie macht alles noch enger. Und sie ist so kalt. Jetzt kommt sie näher. Es – wird kälter. Sie lastet so schwer. Du musst mir beistehen, Mutter. Mutter, beschütze mich!
Die schwarze Wolke!
Coco hatte diesen Ausdruck für das drohende Unheil geprägt, das über ihnen schwebte. Schon als sie mit ihrem Ungeborenen zum ersten Mal in Gedankenkontakt getreten war, hatte es über eine Schwärze geklagt, die nach ihm griff. Das Kind hatte mit seinem Urinstinkt schneller als sie mit ihren magischen Fähigkeiten erkannt, dass Olivaro einen unheilvollen Fluch auf sie geladen hatte.
Aber Coco versuchte, ihr Kind zu beruhigen, indem sie sagte: »Das ist nur eine schwarze Wolke. Sie zieht schnell wieder vorbei.«
Doch die schwarze Wolke blieb, überschattete ihr Leben. Wann würde die Wolke das Gewitter über ihnen entladen, das sie in sich trug? Du hast nichts zu befürchten, besänftigte Coco ihr Ungeborenes. Ich sorge dafür, dass alles gut wird.
Die Gedanken des Kindes wurden ruhiger. Coco fühlte, dass es sich in ihrem Leib entspannte. Es war eingeschlafen. Coco spürte einen Luftzug. Durch die geschlossenen Lider bemerkte sie eine Bewegung. Sie hielt die Augen weiterhin geschlossen. Dorian beugte sich über sie – von ihm ging der widerwärtige Geruch kalten Rauchs aus. Sein Atem wurde ihr unerträglich.
Er küsste sie zaghaft auf die Stirn. »Warum verstellst du dich, Coco? Ich weiß, dass du wach bist. Ich möchte mit dir reden.«
Sie schlug die Augen auf. Er saß am Bettrand. In seinen grünen Augen spiegelten sich die knorrigen Äste der Bäume, wie Tentakel, die sich auf sie zuschlängelten ...
»Worüber?«
»Über ihn.« Er strich mit der Hand zärtlich über die Bettdecke, die sich über ihrem gewölbten Leib spannte.
»Wieso glaubst du, dass es ein Junge wird?«
»Du müsstest es eigentlich wissen, Coco«, meinte er mit einem leisen Lächeln.
Sie erwiderte es nicht. »Das ist doch nicht von Bedeutung.«
»Natürlich nicht.« Sein Gesicht wurde sofort ernst, verfinsterte sich. »Wir haben über die Dinge von Bedeutung noch nicht gesprochen, Coco. Weil du mir immer ausgewichen bist. Aber meinst du nicht, dass es an der Zeit ist, uns über das Schicksal unseres Kindes Gedanken zu machen?«
Sie drückte seine Hand.
»Glaubst du, ich könnte noch an etwas anderes denken?« Als er den Mund öffnete, um etwas zu sagen, legte sie ihm schnell den Finger auf die Lippen. »Ich weiß so gut wie du, dass Olivaro uns keine Ruhe lassen wird. Er will seine Rache, das steht fest. Und er weiß, dass er uns am härtesten trifft, wenn er unserem Kind etwas antut. Das alles habe ich längst schon bedacht.«
»Aber warum willst du dann nicht mit mir darüber sprechen?«
»Ich möchte dich damit nicht belasten.«
»Es ist auch mein Kind!«, sagte er aggressiver, als er beabsichtigt hatte.
Sie nickte. »Es ist unser beider Kind. Ich weiß, wie sehr es uns beide verbindet. Aber ich möchte nicht, dass du wegen ihm sein Leben änderst. Du sollst bleiben, wie du bist. Vertraue mir, Dorian! Ich bewältige die Probleme allein. Du hast im Augenblick Sorgen genug. Werde erst einmal damit fertig.«