Dorian Hunter 94 - Earl Warren - E-Book

Dorian Hunter 94 E-Book

Earl Warren

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Beschreibung

Hekates Hand zitterte. Sie sah den großen Mann an, der am anderen Ende des langen Tisches stand, ihr gegenüber. Er war groß, und sein Kopf wirkte wie ein Totenschädel. Seine schwarze Kleidung betonte die Blässe seines Gesichtes noch.
Erweckt Luguri!, hatte er gesagt. Es ist höchste Zeit, dass der große Dämon aus seinem Grab geholt wird.
Luguri - ein Name, der bei den Dämonen einen besonderen Ruf hatte. Luguri galt als der Urvater der schwarzen Magie, als erfolgreicher Gegenspieler des Hermes Trismegistos, des Magus der weißen Magie. Und jetzt sollte er geweckt werden. Hekate, die Herrin der Finsternis, erbebte. War es schon so weit gekommen ...?

Hekates Position innerhalb der Schwarzen Familie wird schwächer und schwächer - zu groß sind die Erfolge des Dämonenkillers, hinter dem nicht wenige Dämonen den Dreimalgrößten Hermes Trismegistos vermuten. Doch Luguris Erweckung wäre ein Schritt, der auch Hekate in größte Gefahr bringen würde ...


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Seitenzahl: 148

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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DIE BRÄUTE DES HENKERS

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen zu jagen – doch diese schlagen zurück und zersetzen die »Inquisitionsabteilung« des Secret Service, der Dorian vorübergehend unterstützt hat. Der ehemalige Leiter der Inquisitionsabteilung, Trevor Sullivan, gründet die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt nur sein engstes Umfeld in der Jugendstilvilla in der Londoner Baring Road: die Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; der Hermaphrodit Phillip, dessen Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie ein Ex-Mitarbeiter des Secret Service namens Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Beinahe wird die schwangere Coco Zamis ein Opfer der Machtkämpfe innerhalb der Schwarzen Familie, doch nach einer Flucht um den halben Erdball bringt Coco ihr Kind in London sicher zur Welt – und versteckt es an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält. Cocos Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate, die Fürstin der Finsternis, wurde von Dorian einst in seinem vierten Leben als Michele da Mosto verraten, sodass ihre frühere Liebe sich in glühenden Hass verwandelt hat.

Die Erinnerung an seine Existenz als da Mosto veranlasst Dorian, nach der Mumie des Dreimalgrößten Hermes Trismegistos zu forschen, der sich mit seinem Wissen als Hilfe im Kampf gegen die Schwarze Familie und insbesondere Hekate entpuppen könnte. Im Golf von Morbihan stößt Dorian auf die versunkenen Stadt Ys und birgt aus ihr einen Zauberspiegel. Kurz darauf erscheint die Hexe Ys-Dahut, die Dorian gerade noch zurückschlagen kann. Doch es scheint, als sei sie nur die Vorhut gewesen für eine noch größere Bedrohung aus der Vergangenheit: den Erzdämon Luguri ...

DIE BRÄUTE DES HENKERS

von Earl Warren

Hekates Hand zitterte. Sie sah den großen Mann an, der am anderen Ende des langen Tisches stand, ihr gegenüber. Er war groß, und sein Kopf wirkte wie ein Totenschädel. Seine schwarze Kleidung betonte die Blässe seines Gesichtes noch.

Der Mann begegnete Hekates Blick mit Entschlossenheit. Seine Worte schienen in dem hohen altertümlichen Saal nachzuhallen. Jeder hatte sie gehört.

Erweckt Luguri!, hatte er gesagt. Es ist höchste Zeit, dass der große Dämon aus seinem Grab geholt wird.

Luguri – ein Name, der bei den Dämonen einen besonderen Ruf hatte. Luguri galt als der Urvater der schwarzen Magie, als erfolgreicher Gegenspieler des Hermes Trismegistos, des Magus der weißen Magie. Luguri war noch einer von den alten Dämonen, die meist im Kreis der Schwarzen Familie nur flüsternd erwähnt wurden. Er schlief seit vielen, vielen Jahrhunderten.

Und jetzt sollte er geweckt werden.

Hekate, die Herrin der Finsternis, erbebte. War es schon so weit gekommen?

1. Kapitel

Ihr Blick schweifte über die Dämonen im Saal. Es waren hundert, die zu beiden Seiten des langen Tisches saßen. Jeder von ihnen vertrat mehr oder weniger mächtige Sippen und Interessengruppen.

Es war nicht einfach, die einzelnen Machtkonstellationen bis ins Detail zu durchschauen. Doch eines erkannte Hekate klar: Ihre Macht zerbröckelte. Noch wagten die Dämonen es nicht, offen gegen ihre Herrschaft zu rebellieren oder gar einen Gegenkandidaten vorzustellen. Deshalb wollten sie Luguri. Jeden anderen hätte Hekate kraft ihrer magischen Fähigkeiten vernichten können. Doch ihn nicht. Es war ein geschickter Schachzug, wie Hekate anerkannte. Wer mochte dafür verantwortlich sein?

Jener Sprecher mit dem Totenkopf, der Sympathisanten selbst im Kreis ihrer engsten Anhänger hatte, gewiss nicht. Er war nur ein Strohmann, hinter dem andere standen. Innerlich bebte er mehr als Hekate, denn er wusste ihren starren Gesichtsausdruck und das Funkeln ihrer grünen Augen richtig zu deuten. Doch die magischen Kräfte stärkerer Dämonen ließen ihn Hekate gegenüber entschlossen auftreten.

Hekate schaute den listigen Olivaro an, den Dämon der Zwietracht mit den zwei Gesichtern. Er zeigte sein harmloses, ausdrucksloses Alltagsgesicht. Auch er war einer von Hekates Gegenspielern, aber es gab noch viele andere.

Plötzlich war die Herrin der Finsternis entmutigt. Sie konnte nicht alle vernichten.

Wäre die Gegenseite einig gewesen, längst hätte man sie vom Thron der Herrin der Finsternis gestürzt.

Hekate trank einen Schluck von dem leichten roten Wein im Pokal. Sie hatte sich jetzt so weit in der Gewalt, dass man das Zittern ihrer Hand nicht mehr bemerkte. Hekate konnte es sich nicht erlauben, eine Schwäche zu zeigen. Hier in dem verrufenen Schloss im Er-Rif-Gebirge in der Nähe von Tanger waren die Abgesandten aller bedeutenden Gruppen der Schwarzen Familie versammelt.

»Ihr seid euch klar darüber, was es heißt, Luguri zu wecken?«, fragte Hekate nun. »Er ist anders als wir. Furchtbarer, grausamer, unberechenbarer. Es ist nicht abzusehen, was geschehen wird, wenn der Erzdämon dem Leben wiedergegeben wird.«

Der Sprecher schloss die Augen. Es war, als würde er auf geistigem Weg Anweisungen erhalten, was er zu sagen hatte.

»Was geschehen wird, wenn Luguri nicht eingreift, ist klar zu erkennen«, antwortete er. »Hermes Trismegistos, der sagenhafte Magus der weißen Magie, führt den Kampf gegen uns. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. Die Schwarze Familie hat schwere Niederlagen erlitten. Der Alte des Schreckens ist nicht mehr. In München wurden viele Dämonen, darunter einige illustre Persönlichkeiten aus unserem Kreis, von Magnus Gunnarsson und Dorian Hunter vernichtet. Auch dahinter steckte Hermes Trismegistos, wenn es nicht gar so ist, dass der Isländer Gunnarsson mit dem Magus identisch oder eine seiner Erscheinungsformen ist. Die Unterwelt von Kreta, dein ureigenstes Reich, erhabene Hekate, ist ein Trümmerfeld. Soll ich noch mehr aufzählen, Herrin der Finsternis? Luguri muss herbei, sonst ist die Schwarze Familie dem Untergang geweiht.«

Die Dämonen murmelten erregt.

Hekate schaute auf die schwarzen Samtvorhänge vor den hohen Fensternischen, die jeden Schimmer Tageslicht ausschlossen. Schwarze Kerzen brannten an den drei Kronleuchtern über den Häuptern der Anwesenden.

Es war ein Konzil der Dämonen, das Hekate einberufen hatte. Drei Tage berieten sie nun schon, doch jetzt erst war die Gegenpartei mit ihrem Vorschlag herausgerückt.

Hekate saß auf einem Thronsessel, dessen Armlehnen in geschnitzten Löwenköpfen endeten. Sie trug ein grünes, tief ausgeschnittenes Kleid und ein Diadem auf dem roten, bis über die Schultern fallenden Haar. Hekate war schön.

Unter den Dämonen im Saal gab es Schreckensgestalten und andere, die wie recht normale Menschen erschienen. Jeder gab sich, wie es ihm beliebte. Eine Medusa saß neben einem kahlköpfigen, dicken Mann mittleren Alters. Er hätte ein Bankangestellter sein können, wäre da nicht ab und zu ein Glühen in seinen Augen gewesen, oder hätten sich nicht die Umrisse eines magischen Kreises manchmal auf seinem Kopf gezeigt.

Hekate hob eine Hand, und das Gerede und Gemurmel verstummte. »Ich sage, es ist zu gefährlich, Luguri aufzuwecken aus dem Schlaf, in den er sich selber vor vielen Zeitaltern versetzt hat. Es gibt Dinge, die man besser ruhen lässt.«

»Dann sag uns, was du als Alternative unternehmen willst!«, sagte der Totenköpfige. »Wie gedenkst du, Hermes Trismegistos zu vernichten, Herrin der Finsternis?«

»Es gibt sehr wohl noch Unklarheiten und Zweifel darüber, ob wir es wirklich mit dem dreimalgrößten Hermes zu tun haben«, entgegnete Hekate. »Zumindest gibt es keine Anzeichen dafür, dass er selber schon einmal eingegriffen hat.«

Das war den Dämonen nun doch zu viel. Ein Tumult brach aus.

»Freilich kämpft Hermes Trismegistos gegen uns!«, rief ein Vampir. »Er hält sich im Hintergrund, aber sein Wirken ist unverkennbar.«

»Deshalb brauchen wir ja Luguri, weil der Dreimalgrößte bisher anscheinend noch nicht selbst aufgetreten ist«, sagte ein geschmeidiger Schwarzer, ein Werleopard aus Somalia. »Was bisher geschehen ist, war aber schon schlimm genug. Wenn Hermes Trismegistos erst selbst in Erscheinung tritt, wird uns das alles indessen wie ein harmloses Vorspiel erscheinen.«

Hekate studierte die Reaktionen der Anwesenden. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sie nachgeben musste. Sie konnte sich nicht weigern, den Erzdämon dem Leben wiederzugeben, Luguri, dessen Name allein schon sie hatte erzittern lassen.

»Es soll geschehen«, sagte die Herrin der Finsternis, als die heftige Reaktion abgeklungen war. »Wenn ihr Luguris Erweckung wollt, dann lasst uns ans Werk gehen. Ich bin zwar keineswegs davon überzeugt, dass tatsächlich Hermes Trismegistos hinter den Aktionen gegen uns steckt, aber niemand soll mir vorwerfen können, ich würde die Schwarze Familie gefährden.«

Hekate hatte die Entscheidung gefällt. Sie wurde beifällig aufgenommen. Verschiedene Dämonen nickten und äußerten sich befriedigt.

Olivaro verzog keine Miene. Ihm war ziemlich als Einzigem nichts anzumerken.

Der Totenköpfige aber erhob sich wieder und deutete mit dem Zeigefinger auf Hekate. »Du gibst also zu, dass du selber keine Mittel mehr findest, den Attacken unserer Feinde zu begegnen!«, rief er. Und leiser fügte er hinzu: »Du bist nicht imstande, die Aufrechterhaltung der Schwarzen Familie zu gewährleisten, Hekate. Unsere dämonische Hierarchie ist bedroht. Unter deiner Herrschaft können feindliche Kräfte uns aufsplittern und das Chaos herbeiführen. Dann werden die Schwarzblütigen in kleine und kleinste Gruppen zerfallen und zu geeinten Aktionen nicht mehr fähig sein, wie es in Urzeiten gewesen ist. Die Dämonen werden sich gegenseitig ausrotten und schwächen.«

Hekate flammte auf. Eine feurige Röte überzog ihr Gesicht und ihren ganzen Körper. Sie strahlte eine innere Glut aus, die die in ihrer Nähe sitzenden Dämonen zurückweichen ließ.

Der Totenköpfige war zu weit gegangen. Das konnte Hekate nicht hinnehmen. Der große schwarz gekleidete Dämon merkte gleich, wie es stand. Sein Blick irrte über die beiden Reihen der Anwesenden. Er versuchte den zu erkennen, der ihm mit seiner magischen Kraft die verhängnisvollen Worte einsuggeriert hatte. Aber es gelang ihm nicht.

Hekates Züge erstarrten gleichsam. Ein geisterhaftes blaues Leuchten umgab ihr Gesicht.

»Komm her!«, befahl sie dem Totenköpfigen.

Langsam trat der Dämon näher. Er wehrte sich, aber Hekate zog ihn an wie ein Magnet. Er musste kommen.

Dann stand er vor ihr.

»Das ist ein Konzil«, sagte Hekate sanft. »Jeder kann seine Meinung zu den anstehenden Problemen äußern. Dazu sind wir hier. Aber das gibt keinem das Recht, die Herrin der Finsternis zu schmähen.«

»Ich – ich wollte nicht ... Es war nicht meine Absicht ...«

»Beim Schwarzen Thron, du hast es getan! Elender Wurm, dafür sollst du büßen! Noch bin ich die Herrin der Finsternis, und niemand darf es wagen, sich gegen mich zu erheben. Nicht mit Worten und nicht mit Taten.«

»Vergebt mir, erhabene Hekate! Ich war verblendet! Nicht ich wollte diese Worte sagen.«

Hekates Stimme klang sanft wie das Schnurren einer Katze. »Wer hat dir die Worte eingegeben, Rocco, mein Freund? So ist doch dein Name, oder? Man nennt dich auch den Teufel von Sizilien.«

»Der bin ich, große Herrin. Jemand – etwas – beeinflusste mich. Ich – ich kann nichts Näheres sagen. Ich weiß selbst nichts. Die Worte waren da. Ich musste sie sprechen. Aber nie hätte ich es gewagt ...«

»Wer, Rocco? Nenne den Namen oder trage die Schuld!«

»Ich weiß ihn nicht. Gnade! Erbarmen! Bring mich nicht um, Hekate!«

Die Herrin der Finsternis lächelte nur kalt. »Steck deine Hände in die Löwenrachen! Ich will eine Probe machen.«

Rocco gehorchte zitternd. Er glaubte, Hekate wollte überprüfen, ob er die Wahrheit sagte. Wenn sie feststellte, dass jene aufrührerischen Worte nicht von ihm stammten, würde er vielleicht davonkommen.

Seine Hände passten genau in die aufgerissenen hölzernen Löwenrachen. Er steckte sie hinein.

Hekates Rechte fuhr wie eine Kralle auf sein Gesicht zu und zerkratzte seine rechte Gesichtshälfte. Zugleich schrie die Herrin der Finsternis ein Wort; es war eine Beschwörung.

Die hölzernen Löwenrachen schnappten zu. Rocco brüllte auf, als ihm die Hände abgebissen wurden. Er fiel auf die Knie, die rechte Gesichtshälfte von einem Feuermal entstellt. Blut tropfte auf den purpurroten Teppich.

Hekate stand hoch aufgerichtet über dem wimmernden Dämon. Sie murmelte Beschwörungen, und ihre Finger beschrieben Zeichen in der Luft. Rocco schrumpfte zu einer grotesken Gestalt. Ein Buckel wuchs ihm; der Oberkörper krümmte sich unter der Last. Rocco war noch gerade anderthalb Meter groß. Seine Beine hatten verschiedene Länge. Die Mund- und Kinnpartie verwandelte sich in einen Wolfsrachen und eine Hasenscharte.

Der Freak stürzte wimmernd zu Boden.

»Das soll deine Strafe sein«, sagte Hekate. »Du bist aus der Schwarzen Familie ausgestoßen. Wer mit dir paktiert, auch nur ein freundliches Wort an dich richtet oder dir in irgendeiner Weise hilft, soll in Acht und Bann verfallen. Bringt ihn weg und versorgt ihn!«

An der Tür standen zwei Wächter, Untote mit grünlich leuchtenden Gesichtern, Brustpanzern, wehenden Helmbüschen und Hellebarden. Sie eilten nun herbei und schleiften den jammernden, stöhnenden Freak weg. Die Tür wurde aufgestoßen. Die drei verschwanden. Zurück blieben eine Blutlache, eine Blutspur und die Betroffenheit auf den Gesichtern der Anwesenden. Die grausame Bestrafung an sich störte sie nicht. Aber sie wussten, dass Hekate immer noch unnachsichtig durchgriff und sie sich nichts erlauben durften. Sie war die Herrin und ließ es sie fühlen. Nur Olivaros zweites Gesicht, am Hinterkopf unter seinem Haar verborgen, grinste teuflisch.

Man würde es Hekate nicht verzeihen, dass sie bei einem Konzil den Sprecher der Gegenseite zum Freak gemacht hatte. Die Angst würde ihre Gegner fester zusammenschweißen.

Olivaro hätte sich gern die Hände gerieben, aber er war viel zu klug, um so etwas Plumpes zu tun.

»Vor heute Abend noch, bevor unser gemeinsamer Sabbat stattfindet, werden wir in allen Einzelheiten klären, wie Luguri erweckt werden soll«, sagte Hekate. »Ich gebe euch Luguri, aber vergesst nicht, wer auf dem Schwarzen Thron sitzt! Ich bin es, nicht er!«

Hekate ging als Erste hinaus. Hinter sich hörte sie Stimmen. Sie verstand den Namen Luguri und spürte etwas in ihrem dämonischen Herzen: Einem anderen gegenüber hätte sie es nie zugegeben, aber sie wusste, dass es Angst war. Angst vor Luguri.

Coco Zamis bebte vor mühsam unterdrückter Wut.

»Das hat er nicht getan!«, sagte sie. »So weit ist Dorian nicht gegangen, nachdem ich ihn ausdrücklich gebeten habe, Tirso im Kampf gegen die Dämonen aus dem Spiel zu lassen.«

Ira Marginter hob die Schultern. Die blonde Kölnerin sprach in der Bibliothek im ersten Stock des Castillo Basajaun mit Coco. Es war Oktober. Draußen stürmte es. Der Wind ließ die Fensterläden klappern.

»Ich habe nur die Tatsachen geschildert, Coco«, sagte Ira Marginter. »Dorian Hunter und Abi Flindt sind sofort wieder abgereist, nachdem sie gerade erst mit Hideyoshi Hojo von London zurückgekommen waren. Sie haben den Zyklopenjungen Tirso mitgenommen.«

»Aber er ist noch ein Kind!«, rief Coco. »Er ist nicht einmal zehn Jahre alt. Die Grausamkeiten des Kampfes gegen die Dämonen können seiner kindlichen Seele den schwersten Schaden zufügen. Ich habe Dorian das alles erklärt, und er hat mir zugestimmt. Wie kommt er jetzt dazu, Tirso einfach mitzunehmen? Was hat er gesagt? Er muss doch eine Erklärung abgegeben haben?«

»Dorian gab sich verschlossen und ablehnend«, erklärte die blonde Ira. »Er hat gesagt, dass er mit Magnus Gunnarsson zusammen einen großen Schlag gegen die Dämonen führen will. Dazu braucht er Tirsos übersinnliche Fähigkeiten und die Hilfe von Abi Flindt.«

Coco trat ans Butzenscheibenfenster und schaute in den düsteren Nachmittag hinaus. Sie sah in den Innenhof des Castillo Basajaun. Der Burgfried in seiner Mitte überragte alle anderen Gebäude. In der Mitte des 16. Jahrhunderts errichtet, grau und nur wenig verwittert, schien er für die Ewigkeit gebaut.

Trotz des Kaminfeuers war es kühl in der Bibliothek, und es zog aus verschiedenen Richtungen.

»Magnus Gunnarsson!«, sagte Coco. »Das hätte ich mir denken können.«

Sie hatte eine Abneigung gegen den geheimnisvollen Isländer gefasst, nachdem sie anfänglich sehr beeindruckt von ihm gewesen war.

Gunnarsson, Magier, Astrologe, prominente Persönlichkeit und Weltmann, war ihr zu undurchsichtig, zu geheimnisvoll und vielschichtig. Er gab vor, ein entschiedener Gegner der Dämonen und ihrer Schwarzen Familie zu sein. Doch mitunter ging er mit solcher Grausamkeit vor, dass Coco zwischen seinen Methoden und denen der Schwarzblütigen keinen Unterschied mehr sah. War Gunnarsson nur ein krasser Anhänger der These, dass der Zweck die Mittel heiligte, oder verrieten seine Praktiken seine wahre Natur?

Coco Zamis überlegte. Ira Marginter sah nur ihren Rücken und den Kopf mit den langen schwarzen Haaren. Ira, die sonst nicht leicht zu beeindrucken war, hatte Respekt vor der geheimnisumwitterten schönen Frau mit den grünen Augen.

Die Besatzung des Castillo Basajaun, zu der auch Ira Marginter gehörte, wusste nicht bis in die letzten Einzelheiten über Dorian Hunter und Coco Zamis Bescheid. Die Leute waren darüber informiert, dass Dämonen und Mächte der Finsternis bekämpft wurden. Aber sie waren noch Anfänger im Kampf gegen die Dämonen; man hätte ihnen nicht alles anvertrauen können.

Coco spürte einen Stich in ihrem Herzen. Sie war von Dorian enttäuscht. Da hatte sie geglaubt, ihn zu kennen und mit ihm zu harmonieren, und jetzt tat er das. Magnus Gunnarsson übte einen schlechten Einfluss auf ihn aus; davon war Coco überzeugt. Dorian strebte nach dem Stein der Weisen, der ihn zum mächtigsten Menschen der Erde machen sollte. Wollte er diese Macht vielleicht gar zu privaten Zwecken missbrauchen, statt sie im Kampf gegen die Dämonen zu nutzen?

Zweifel kamen Coco, Zweifel, die sie zwar schnell unterdrückte, die sie aber nicht mehr ganz verlassen würden. Sie musste zur Stelle sein und nötigenfalls eingreifen – in das, was Dorian Hunter mit Magnus Gunnarsson zu tun beabsichtigte.