Dorian Hunter 96 - Ernst Vlcek - E-Book

Dorian Hunter 96 E-Book

Ernst Vlcek

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Beschreibung

Dorian Hunter schrie in Todesangst.
Er klammerte sich instinktiv an den Ys-Spiegel, den er wie ein Amulett um den Hals trug; er klammerte sich daran wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm, denn er war seine letzte Rettung. Wenn er diesem Inferno überhaupt noch entrinnen konnte, dann nur mit Hilfe des Spiegels. Hatte er damit nicht auch Luguri in die Flucht gejagt? Diesen Erzdämon aus ferner Vergangenheit, der in der Gestalt eines zottigen Scheusals das »Atlantic Palace Hotel« in seine Gewalt gebracht hatte?
Dorian vermutete, dass die Macht des Spiegels Luguris Einfluss gebrochen hatte. Dennoch glaubte er in diesen Sekunden an den sicheren Tod. Er schrie seine Angst hinaus, und der Laut brach sich an der Spiegelfläche und kam als vielfaches Echo zurück. Dabei sah er vor sich die Reflexion seines verzerrten Antlitzes, unter dessen Haut es rot und blau zu glühen begann.


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Inhalt

Cover

Was bisher geschah

DIE TOTEN STEHEN AUF

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

mystery-press

Vorschau

Impressum

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen gewidmet, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es dem »Dämonenkiller«, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Dorian seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Teufel, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um für seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen blieben ungeschoren. Als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, ging seine Seele in den nächsten Körper über. So ging es fort bis in die Gegenwart. Dorian Hunter begreift, dass es seine Aufgabe ist, de Condes Verfehlungen zu sühnen und die Dämonen zu vernichten.

In der Folge beginnt Dorian die Dämonen zu jagen – doch diese schlagen zurück und zersetzen die »Inquisitionsabteilung« des Secret Service, der Dorian vorübergehend unterstützt hat. Der ehemalige Leiter der Inquisitionsabteilung, Trevor Sullivan, gründet in der Londoner Jugendstilvilla in der Baring Road die Agentur Mystery Press, die Nachrichten über dämonische Aktivitäten aus aller Welt sammelt. Hunter bleibt als zweiter Rückzugsort das Castillo Basajaun in Andorra, in dem er seine Mitstreiter um sich sammelt: die Hexe Coco Zamis, die selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor; den Hermaphroditen Phillip, dessen Fähigkeiten ihn zu einem lebenden Orakel machen, sowie Ex-Secret-Service-Agent Donald Chapman, der bei einer dämonischen Attacke auf Zwergengröße geschrumpft wurde.

Beinahe wird die schwangere Coco Zamis ein Opfer der Machtkämpfe innerhalb der Schwarzen Familie, doch nach einer Flucht um den halben Erdball bringt Coco ihr Kind sicher zur Welt – und versteckt es an einem Ort, den sie selbst vor Dorian geheimhält. Cocos Vorsicht ist berechtigt, da bald eine neue, »alte« Gegnerin auftaucht: Hekate, die Fürstin der Finsternis, wurde von Dorian einst in seinem vierten Leben als Michele da Mosto verraten, sodass ihre frühere Liebe sich in glühenden Hass verwandelt hat.

Die Erinnerung an seine Existenz als da Mosto veranlasst Dorian, nach der Mumie des Dreimalgrößten Hermes Trismegistos zu forschen. Im Golf von Morbihan stößt er auf die versunkenen Stadt Ys und birgt aus ihr einen Handspiegel, dem unheimliche Kräfte innewohnen. Der Spiegel scheint mit seinem jeweiligen Besitzer eine Art Beziehung einzugehen, ihm Lebensenergie zu entziehen. Aber Dorian ist auf den Spiegel angewiesen – er stellte die einzig wirksame Möglichkeit dar, das New Yorker »Atlantic Palace Hotel« aus dem Bann des Erzdämons Luguri zu befreien ...

DIE TOTEN STEHEN AUF

von Ernst Vlcek

Dorian Hunter schrie in Todesangst. Er klammerte sich instinktiv an den Ys-Spiegel, den er wie ein Amulett um den Hals trug; er klammerte sich daran wie ein Ertrinkender an einen Strohhalm, denn er war seine letzte Rettung. Wenn er diesem Inferno überhaupt noch entrinnen konnte, dann nur mithilfe des Spiegels. Hatte er damit nicht auch Luguri in die Flucht gejagt? Diesen Erzdämon aus ferner Vergangenheit, der in der Gestalt eines zottigen Scheusals das »Atlantic Palace Hotel« in seine Gewalt gebracht hatte?

Dorian vermutete, dass die Macht des Spiegels Luguris Einfluss gebrochen hatte. Dennoch glaubte er in diesen Sekunden an den sicheren Tod. Er schrie seine Angst hinaus, und der Laut brach sich an der Spiegelfläche und kam als vielfaches Echo zurück. Dabei sah er vor sich die Reflexion seines verzerrten Antlitzes, unter dessen Haut es rot und blau zu glühen begann.

Plötzlich war seine Gesichtstätowierung zu sehen. Er schrie wieder – diesmal vor Entsetzen –, als er das Spiegelbild seiner eigenen entstellten Fratze sah.

1. Kapitel

Die magischen Ornamente, die schon etliche Dämonen gebannt hatten, verschmolzen mit den unbekannten Symbolen auf der leicht erhabenen Spiegelfläche. Und während Dorian im Ys-Spiegel sein Abbild sah, konnte er gleichzeitig hindurchblicken.

Hinter der Spiegelfläche lag eine andere Welt. Er sah einen Raum, der in einem grünlichen Licht strahlte. Die Wände, der Boden und die Decke bestanden aus Steinquadern. Dieser Ort versprach ihm Ruhe und Geborgenheit. Er konnte die Rettung sein.

Fort von hier, dachte der Dämonenkiller. Und der Spiegel übersetzte seine Gedanken in jene unbekannte Sprache, die nur der Besitzer des Ys-Spiegels beherrschte, wenn er sie auch nicht verstand. Wir müssen von hier weg, bevor wir unter den Trümmern des einstürzenden Hochhauses begraben werden.

Das dachte er, und er sagte etwas in der vergessenen Sprache.

Die Decke bekam plötzlich Sprünge. Ein Betonträger neigte sich zur Seite. Und dann begannen Trümmer herabzuregnen. Eine blutüberströmte Gestalt in der Kleidung eines Zimmermädchens versuchte verzweifelt, zu entkommen, aber ein Betonklotz begrub sie unter sich.

Dorian sah durch die Spiegelfläche wieder das Bild des grün leuchtenden Raumes. Dorthin müssen wir!, war sein einziger Gedanke.

Aber schon im nächsten Augenblick befand er sich erneut unter der sich neigenden Betondecke.

Irgendwo tauchte kurz und schemenhaft die Gestalt Magnus Gunnarssons auf. Er schrie etwas, das Dorian aber wegen des Lärms nicht verstehen konnte. Unga lag mit gebrochenen Gliedern in der Tiefe. Gunnarsson, verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau haltend, versuchte, einem einstürzenden Betonpfeiler auszuweichen.

Auf einmal hörte sich Dorian wieder in der fremden Sprache sprechen. Es war ein Hilferuf an die unerklärlichen Mächte, die in dem Spiegel wohnten. Und er hielt sich den Ys-Spiegel vors Gesicht. Er sah darin die Tätowierung, aber das Stigma erschreckte ihn nicht mehr.

Die Tätowierung verblasste. Der Lärm verstummte. Stille kehrte ein. Das Chaos war vorbei.

Eingekeilt in die Trümmer des Hochhauses, aber unverletzt, ließ der Dämonenkiller die Ruhe auf sich einwirken.

Er war gerettet.

»Hunter?«

Das war die Stimme von Magnus Gunnarsson.

»Hier!«, sagte Dorian apathisch. Er fühlte sich schwach. »Helfen Sie mir, Magnus!«

Die schlanke Gestalt des Isländers tauchte vor ihm auf. Er rutschte eine Schutthalde herunter und reichte Dorian die Hand.

»Sind Sie unverletzt?«, erkundigte sich Gunnarsson mehr interessiert als mitfühlend. Er war schon ein eiskalter Bursche.

»Das wird sich gleich herausstellen«, erwiderte Dorian.

Mit der Hilfe des Isländers kam er frei. Er verspürte nur ein leichtes Stechen in der Leistengegend.

»Ich bin so weit in Ordnung«, stellte Dorian fest und schüttelte ungläubig den Kopf. »Dass wir das überlebt haben!«

Gunnarsson verzog spöttisch den Mund.

»Sie glauben doch nicht an ein Wunder, Dorian?« Er deutete auf den Ys-Spiegel, der um Dorians Hals baumelte. »Danken Sie lieber Ihrem Amulett. Für mich besteht kein Zweifel, dass uns der Spiegel gerettet hat. Er hat uns aus dem gefährlichen Gebiet gebracht.«

Dorian blickte sich ungläubig um. »Liegen wir denn nicht unter den Trümmern des eingestürzten Hochhauses?«

Soviel er sehen konnte, waren das die Betonplatten und -träger des Hotels. Vereinzelt sah er Teile zertrümmerter Möbelstücke. Dort lag eine zerbrochene Puppe, daneben ragte die steife Hand des Zimmermädchens aus dem Schutt.

»Kommen Sie mit!«, forderte der Isländer ihn auf.

Dorian verstaute den Spiegel unter seinem zerschlissenen Hemd und folgte Magnus Gunnarsson, der sich durch einen Spalt zwischen zwei Betonklötzen zwängte.

Auf einmal erinnerte sich Dorian des Cro Magnons.

»Unga!«, entfuhr es ihm. »Ich habe gesehen, wie er mit gebrochenen Gliedern in der Tiefe gelegen ist. Wir müssen nach ihm suchen.«

Gunnarsson gab keine Antwort. Er war durch den Spalt verschwunden. Als Dorian ihm gefolgt war, fand er sich in einem Gewölbe wieder, dessen Wände grünlich leuchteten. Die Luft roch modrig. Der Boden war glitschig. Die Wände glänzten vor Nässe. Irgendwo tropfte Wasser.

»Dieser Raum gehört wohl nicht zum ›Atlantic Palace Hotel‹«, meinte Gunnarsson spöttisch. »Damit dürfte klar sein, dass wir an einen anderen Ort versetzt wurden.«

»Aber – wo sind wir?«, fragte Dorian.

Er blickte sich um. Hinter ihm lag der Schutthaufen.

»Wo wir uns befinden, kann ich Ihnen leider nicht sagen«, meinte Gunnarsson, »aber ich ahne, wie wir hierher gekommen sind. Ich vermute, dass Sie im Augenblick der höchsten Not unbewusst die Kräfte des Spiegels mobilisiert haben und uns dadurch retteten. Eine andere Erklärung habe ich nicht.«

Dorian nickte. Auch er hatte irgendwie den Eindruck gehabt, dass in seiner größten Todesangst eine Art geistige Verbindung zwischen ihm und dem Ys-Spiegel entstanden war. Erklären konnte er sich diesen Vorgang jedoch nicht. Er erinnerte sich nur daran, dieses grün leuchtende Gewölbe durch den Spiegel gesehen zu haben.

»Wir werden schon noch herausfinden, wo wir uns hier befinden«, sagte Gunnarsson. »Am besten, wir erkunden sofort die nähere Umgebung.«

Dorian wollte widersprechen, doch ein Geräusch in seinem Rücken hinderte ihn daran. Er fuhr herum. Das Scharren kam aus der Richtung des Trümmerfeldes. Schutt kam in Bewegung. Einige Brocken rollten den Hang herunter. Dann tauchte zwischen den Trümmern eine große, blutüberströmte Hand auf.

»Unga!«, rief Dorian erschrocken. Aber als Antwort kam nur ein lang gezogenes Stöhnen.

Der Dämonenkiller eilte herbei und stürmte die Schutthalde hoch. Mit den bloßen Händen schaufelte er den Schutt beiseite, bis er den zu der Hand gehörenden Arm freigelegt hatte. Dahinter wurde das Gesicht des Cro Magnons sichtbar. Es war mit Staub und Blut besudelt. Die Schmutzschicht zerteilten Schweißperlen. In Ungas Gesicht zuckte es.

»Wir befreien dich, Unga«, versprach Dorian. Und über die Schulter rief er dem Isländer zu: »Helfen Sie mir, Unga zu bergen, Magnus!«

Als Dorian Ungas Arm berührte, schrie dieser unterdrückt auf.

»Alles gebrochen«, brachte der Cro Magnon mit bebenden Lippen hervor.

Der Isländer hatte sich langsam und mit schlurfenden Schritten genähert. Jetzt blickte er unbewegt auf den vor Schmerz stöhnenden Cro Magnon hinunter.

»Was stehen Sie so untätig da?«, herrschte Dorian ihn an. »Wir müssen Unga befreien.«

»Ich überlege«, sagte Magnus Gunnarsson nachdenklich.

»Was gibt es da noch zu überlegen?«, erregte sich der Dämonenkiller. »Wir müssen Unga helfen.«

»Wirklich?« Der Isländer hob eine Braue. »Überlegen Sie doch mal, Dorian! In seinem Zustand wäre Unga für uns nur hinderlich. Mit gebrochenen Gliedern kann er uns überhaupt nichts nützen.«

»Ich stufe ihn nicht nach seiner Nützlichkeit ein«, fuhr Dorian ihn an.

»Gut, gut«, sagte der Isländer beschwichtigend. »Dann betrachten wir das Problem eben von einer anderen Warte aus. Erinnern Sie sich daran, was ich Ihnen gesagt habe, Dorian? Wir drei liegen miteinander im Wettstreit. Wir haben alle drei dasselbe Ziel. Doch nur einer kann als Sieger hervorgehen. Unga ist Ihr Konkurrent – ebenso der meine. Wenn Unga ausgeschaltet ist, ist bereits eine Vorentscheidung gefallen. Es heißt dann nur noch: Sie oder ich.«

»Was für ein eiskalter Hund Sie sind!«, sagte Dorian wütend. Er zitterte am ganzen Körper. »In Ordnung, Magnus. Wenn Sie Unga im Stich lassen wollen, dann können Sie auch nicht mehr auf mich zählen. Schauen Sie zu, wie Sie allein zurechtkommen!«

Magnus Gunnarsson schüttelte bedauernd den Kopf. »Was für ein sentimentaler Narr Sie sind, Dorian! Entweder Sie haben noch nicht erkannt, worum es uns eigentlich geht, oder Sie sind eben ein Weichling. Wie dem auch ist, ich ersehe daraus, dass Sie für mich kein ernsthafter Konkurrent sind.«

»Halten Sie den Mund!«, erwiderte Dorian gereizt. »Wenn Sie Unga nicht helfen wollen, dann verschwinden Sie endlich! Wir werden auch ohne Sie auskommen.«

Gunnarsson seufzte. »Eben nicht. Solange wir hier festsitzen, sind wir aufeinander angewiesen.« Er stieß Dorian an. »Gehen Sie beiseite! Ich werde sehen, was ich für Unga tun kann.«

Dorian machte dem Isländer Platz, blieb aber so nahe bei ihm, dass er ihm über die Schulter blicken und sehen konnte, was er mit Unga anstellte. Der Isländer machte kreisende Bewegungen über Ungas ausgestrecktem Arm und murmelte irgendetwas dazu. Zwischendurch sagte er: »Der Arm ist mehrfach gebrochen. Ich werde versuchen, ihn zu heilen.«

Dorian presste die Lippen aufeinander. Er wusste schon längst, dass Magnus Gunnarsson die weiße Magie wie kein anderer beherrschte, und dennoch hätte er Unga hier liegen und umkommen lassen, ohne einen Finger für ihn zu rühren. Was für ein gefühlskalter Mensch Gunnarsson doch war!

Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Dorian ihn für Hermes Trismegistos gehalten. Doch je mehr er mit Gunnarsson zu tun bekam, je besser er sein Wesen kennenlernte, desto absurder fand er diesen Gedanken. Der Isländer konnte nie und nimmer der Dreimalgrößte sein. Aber wer war er dann? War Gunnarsson wie Dorian nur ein Sucher, der nach der Macht des Steins der Weisen strebte?

Dorian schreckte aus seinen Gedanken hoch. Sie hatten ihn so sehr abgelenkt, dass er überhaupt nicht mitbekommen hatte, was Gunnarsson mit Unga angestellt hatte.

Jetzt erhob sich der Isländer und sagte zu dem Cro Magnon: »Haben Sie noch Schmerzen, Unga?«

»Nein«, sagte der Cro Magnon.

»Spüren Sie die alte Tatkraft in Ihrem Körper?«

»Ja.«

»Dann stehen Sie auf!«

Dorian sah erleichtert, wie sich der Cro Magnon regte. Seine zweite Hand erschien. Er stützte sich mit beiden Händen auf und zog seinen Körper nach vorn. Seine Kleider waren schmutzig und hingen in Fetzen an seinem Leib.

Der Dämonenkiller atmete auf, als der Cro Magnon in voller Lebensgröße zwischen den Trümmern auftauchte. Doch dann bewegte Unga die Arme, und Dorian wurde blass.

Unga gab einen heiseren Wutschrei von sich, als er erkannte, dass seine Arme verkrüppelt waren. Wenn er sie bewegte, sah das erschreckend grotesk aus. Der linke Arm stand fast im rechten Winkel vom Körper ab. Deutlich waren noch die vier Bruchstellen des Oberarmes zu erkennen. Sein Ellenbogengelenk war verdreht, die Handfläche zeigte ständig nach außen.

Und der rechte Arm sah noch übler aus.

An den sechs Bruchstellen schienen die Knochen ineinander verkeilt, sodass der Arm eine bizarre Form hatte; und wenn Unga ihn bewegte, so krachte es in den Bruchstellen. Diese Verkrüppelung machte es ihm unmöglich, die rechte Hand auch nur bis in Brusthöhe zu heben, und wenn er nach vorn greifen wollte, ruckte sein Unterarm nach hinten.

Dorian bebte vor Zorn. Als er den Isländer ansah, begegnete ihm dieser mit kühlem Blick und hob nur die Schultern.

»Ich habe mein Bestes getan«, meinte er.

Unga gab wieder einen Wutschrei von sich und machte Anstalten, sich auf den Isländer zu stürzen, aber seine verkrüppelten Arme gehorchten ihm nicht, taten immer das Gegenteil von dem, was er wollte.

»Das haben Sie mit Absicht getan, Gunnarsson!«, heulte Unga auf. »Sie haben meine Armbrüche schlecht verheilen lassen, um mich auszuschalten. Aber das werden Sie mir büßen.«

Der Isländer blieb unbeeindruckt. »Ich verstehe Ihre Erregung, aber Sie tun mir unrecht.« Er wandte sich Dorian zu. »Mit Ihnen kann man sicher vernünftiger reden. Erklären Sie diesem Steinzeitmenschen, dass weiße Magie unter dem Einfluss von schwarzer Magie nicht voll wirksam werden kann!«

Dorian wurde hellhörig. »Wollen Sie damit sagen, dass wir uns hier im Einflussbereich der schwarzen Magie befinden?«

»Genau das«, antwortete Magnus Gunnarsson. »Es hat uns in ein Dämonennest verschlagen. Wir müssen mit einigen unangenehmen Überraschungen rechnen.«

Dorian runzelte die Stirn. »Wenn das so ist, dann können wir doch nicht den Ys-Spiegel für diese Ortsversetzung verantwortlich machen.«

»Diese Ansicht teile ich nicht«, erwiderte der Isländer in seiner überheblichen Art. »Als die Kräfte des Spiegels wirksam wurden, war auch noch Luguris Einfluss vorhanden. Ich vermute, dass dadurch eine Konstellation entstand, die uns an einen Ort brachte, der mit Luguri in Zusammenhang steht.«

»Das klingt plausibel.« Dorian nickte zustimmend.

»Es ist besser, wir machen, dass wir von hier fortkommen«, erklärte der Dämonenkiller. »Denn sicher ist man bereits auf unser Erscheinen aufmerksam geworden.«

Unga versuchte, Magnus Gunnarsson zwischen die verkrüppelten Arme zu bekommen, doch der Isländer konnte rechtzeitig ausweichen.

»Sagen Sie Ihrem steinzeitlichen Freund, dass er solche Attacken gefälligst unterlassen soll!«, verlangte der Isländer von Dorian. »Wir sind nämlich mehr denn je aufeinander angewiesen. Und ich hoffe, dass er auf Sie hört.«

»Unga, heb dir deine Rache für später auf!«, ermahnte Dorian den Cro Magnon. »Solange wir Magnus das Gegenteil nicht beweisen können, müssen wir glauben, dass er deine Arme nicht absichtlich verkrüppelt hat.«

»Ich weiß es besser«, sagte Unga grollend. »Er wollte mich auf diese Weise völlig hilflos machen.«

»Unga!«

Der Cro Magnon winkte mit einer seltsam unnatürlich wirkenden Armbewegung ab. »Schon gut. Ich bin friedlich.«

»Aghmur!«

Das Ding begann sich zu rühren.

»Aghmur!«

Die Stimme klang vertraut. Die Erinnerung, diese Stimme früher schon gehört zu haben, flackerte kurz in dem Ding auf. Doch noch immer hing es wie leblos an der Decke; nur in seinem Kern begann es sich zu regen.

»Aghmur!«

Das Ding hatte einen Impuls empfangen, der seine Lebensgeister weckte. Erst dieser Impuls hatte ihm die Fähigkeit zurückgegeben, die vertraute Stimme zu vernehmen; und so erwachte das fladenartige Ding langsam zum Leben, und damit erwachte auch sein Heißhunger und verdrängte alle anderen Empfindungen.

Wie lange hatte das Ding schon keine Nahrung mehr zu sich genommen! Es musste eine Ewigkeit her sein, dass ihm sein Herr und Meister, dem die vertraute Stimme gehörte, Nahrung zugeführt hatte.

»Aghmur!«

War damit er gemeint? Ja, das war sein Name. Er wurde gerufen und hatte den verlockenden Impuls empfangen, den das Wesen an der Seite seines Meisters aussandte. Es war ein Lebensimpuls, und Leben bedeutete für Aghmur Nahrung.

Das Ding an der Decke zeigte nun auch äußerlich erste Anzeichen von Leben. Aghmurs Körper begann zu pulsieren. Damit bekam er seine Sehfähigkeit zurück.