Dreamjumper - Mirko Tomio - E-Book

Dreamjumper E-Book

Mirko Tomio

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Beschreibung

Es war doch nur ein Traum, oder? Ein grausamer Familienmord ereignet sich im Bundesstaat Nebraska. Wenige Wochen später erhält der 15 jährige Taylor Turner in Deutschland eine Gabe, die es ihm ermöglicht in fremde Träume zu springen, sie zu manipulieren und zu kontrollieren. Auf seinen Abenteuern erfährt er viele Geheimnisse seiner Familie und Mitmenschen. Doch alles Aufregende bringt auch Gefahren mit sich, so dass die Traumwelt und die Wirklichkeit miteinander verschmelzen. Während das Böse auf den Teenager aufmerksam wird, findet Taylor heraus, dass er sich erst am Anfang einer langen Reise befindet… Die Jagd beginnt…

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Seitenzahl: 519

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Ähnliche


Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Danksagung

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Danksagung

Angaben zum Autor

Mirko Tomio wurde 1981 im gemütlichen Eifelstädtchen Prüm geboren und wuchs zweisprachig auf. Er lebt seit 2010 in Bitburg und ist seit 2012 glücklich verheiratet. Seine Leidenschaft zum Schreiben entdeckte er dank langjähriger Brieffreundschaften in diversen Kuraufenthalten. In einem Internat absolvierte er die Lehre zum Bürokaufmann und schrieb viele kleine Kurzgeschichten über den Alltag der Jugendlichen. In seiner Freizeit joggt er, sitzt stundenlang am Rechner oder schaut gerne Filme.

Mirko Tomio

DREAMJUMPER

Lass sie nicht in deine Träume

Fantasy - Thriller

Impressum

Copyright © 2016, Mirko Tomio, Peter-Quirin-Straße 6, 54655 Kyllburg

Veröffentlicht durch neopubli GmbH, Berlin

Autorenporträt © by Mirko Tomio

Cover - Schriftgestaltung © by Mirko Tomio

Das Coverbild stammte von Cappan / 123rf.com

facebook.com/mirkotomioautor

Alle Namen in diesem Buch sind frei erfunden.

Gleichlautendes ist rein zufällig

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Für Natalia

Kapitel 1

»Was war das?«, flüsterte Linda und saß mit hämmernden Herzen aufrecht im Bett. Sie hatte geschlafen und ein Geräusch, das aus dem Flur kam, riss sie aus ihren Träumen. Durch den fahlen Lichtstrahl, den der Vollmond in dieser Nacht durch den braunen Gardinenschlitz warf, erkannte sie nur schemenhaft die Schlafzimmereinrichtung.

Erneut hörte sie das Geräusch, das einem mechanischen Quietschen glich, gefolgt von einem Knarzen. Ihr Mund war trocken und sie schluckte schwerfällig. Panisch rüttelte sie an Toms Schulter und zischte leise: »Schatz! Wach auf, da ist jemand im Haus!«

Tom blinzelte. Sie wiederholte flüsternd, was sie gesagt hatte und hörte nicht auf, an seinem Arm zu zerren. Er schaltete das Nachttischlämpchen an und rieb sich grummelnd den Schlaf aus den Augen.

Der Blick im Gesicht seiner Frau sprach Bände. Er bückte sich und griff nach dem Baseballschläger aus Eschenholz, der für solche Fälle unter dem Bett lag. Bis jetzt kam der Holzschläger gegen Einbrecher noch nie zum Einsatz. Tom nahm sein Handy vom Nachttisch und gab es Linda.

»Hier, Liebling. Wähl im Notfall die Cops. Ich geh raus!«

Er zog seine alten Turnschuhe an. Barfuß wollte er einem vermeintlichen Einbrecher nicht hinterherjagen.

»Sei bitte vorsichtig, Schatz!«, bat sie ihn und strich nervös über die Handytastatur. In seinem markanten Gesicht formte sich ein Lächeln, das ihr zu verstehen gab, er täte nichts, was seine Familie oder ihn in Gefahr bringen würde. Ebenso wusste sie, dass ihr kampferprobter Air Force Pilot nicht tatenlos in eine Ecke kauern und auf die Polizei warten würde.

Tom atmete tief durch, schlich zur angelehnten Schlafzimmertür und spähte durch den Türschlitz. Der Flur war dunkel. Es gab für ihn keinerlei Anzeichen für einen ungebetenen Besuch. Der Mann sah kurz zu seiner Frau und zuckte mit den Schultern.

Linda gab ihm mit einem Wedeln zu verstehen, er möge trotzdem nachsehen. Tom überlegte, ob sie nicht ihren Stubentiger Muffin gehört habe. Dieser schlich öfter nachts herum auf der Suche nach essbarem, wenn sein Napf leer gefuttert war. Durch die Katzenklappe in der Hintertür, die zum Garten führte, konnte er nach Belieben ein- und ausgehen.

Jetzt hörte Tom das Knarren und Quietschen auch. Diese Geräusche konnten weder vom Kater noch von seinem Sohn stammen. Eine Welle der Besorgnis durchspülte sein Gehirn. Die Familie war Toms Ein und Alles. Linda war hier bei ihm in Sicherheit, aber der kleine Benny…

Sein Herz riss vor Aufregung fast aus der Verankerung und die Halsschlagader trat aus ansteigender Wut stärker hervor. Seine leicht behaarte Brust unter dem aufgeknöpften Oberteil des Pyjamas schwoll an.

Den durchtrainierten Körper verdankte er dem jahrelangen harten Training bei der amerikanischen Luftwaffe. Im Schnelldurchlauf überlegte Tom, wie viele finstere Typen im Haus rumschnüffeln konnten. Er vermutete Drei. In der Regel wurde ein Einbruch dieser Art zu dritt verübt. Er verspürte keine Angst vor einer Konfrontation, nur vor dem was geschähe, wenn ihm selbst was zustieße.

Was ist, wenn sie Knarren bei sich tragen? Ein gezielter Treffer reicht. Benny ist erst neun. Er braucht seinen Dad! Und Linda? Sie müsste zukünftig Selbstgespräche an meinem Grab führen. Nein! An sowas darf ich nicht denken.

Tom schüttelte den Kopf, um die penetranten Äußerungen seines Gehirns loszuwerden. Er klammerte sich noch fester an den Schläger und die Handknöchel traten weiß hervor. Egal wie viele es waren, er würde seine Familie verteidigen.

Die Dreckskerle sollen es bereuen, dass sie sich überhaupt trauen, bei uns einzubrechen. Zuerst bekommen sie einen gezielten Hieb auf die Knie. Erst auf das eine, dann das andere. So können sie nicht mehr flüchten und werden sich noch Wochen-, Monate-, jahrelang daran erinnern, in dieser Nacht den Fehler begangen zu haben, meine Familie in Angst und Schrecken versetzt zu haben. Gewalt erzeugt Gegengewalt und sie haben damit angefangen, als sie in mein Haus einbrachen. Das fällt alles unter Notwehr.

Der Familienvater atmete erneut durch, konzentrierte sich und zog vorsichtig die Zimmertür auf. Er lugte um den Türrahmen herum und schluckte gequält. Eine in schwarz gehüllte Gestalt stand vor der Flurkommode und versuchte an den Inhalt zu gelangen.

Die Entfernung zu ihr waren knapp zehn Meter. Tom erkannte, dass sie über einen Kopf kleiner war als er.

»Halt! Stehenbleiben!«, schallte es aus Toms Kehle. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er sah, wie die Gestalt zusammenzuckte und der Kopf sich zu ihm drehte. Beeindruckt vom schwingenden Baseballschläger flüchtete sie in Richtung Kinderzimmer.

»Gott, was habe ich getan?!«, sagte Tom geschockt.

»Ruf die Polizei, Linda. Ruf sie!«, brüllte er und sprintete dem Einbrecher hinterher. Auf Toms Stirn bildeten sich tiefe Falten. Obwohl die kleine Gestalt langsamer, als er war, verschwand sie in Bennys Zimmer.

Jede Sekunde zählte.

Tom riss die Tür auf und sprang mit erhobenem Prügel ins Zimmer. Er schaltete die Deckenlampe an und sah, vom Licht geblendet, für zwei Sekunden erst mal nichts. Doch es gab keine Spur von dem Einbrecher.

Sein erster Blick galt dem Kinderbett, in dem der kleine Benny schlief. Das Gesicht des Jungen drehte sich vom Licht weg und vergrub sich ins Kissen. Toms Adrenalinspiegel war für einen kurzen Moment im Sinkflug.

Sofort schnellte dieser wieder nach oben, als er das Feuerwehrspielzeugauto umgekippt neben Bennys Bett auf dem Boden sah. Das Blaulicht war an. Die Gestalt war darüber gestolpert und hatte das Spielzeug eingeschaltet.

Wo zur Hölle hast du dich verkrochen? Ich krieg dich, dachte Tom und lief zum Fenster. Es war verriegelt, im Wandschrank befand sich auch niemand und unter dem Bett lagen nur ein paar Turnschuhe, ein Twister-Spiel, zwei Baseballs und schmutzige Socken.

Sein Blick huschte im Zimmer herum, ständig in der Angst, gleich könnte die schwarze Gestalt ihn doch noch überrumpeln, oder seine Komplizen kämen ins Zimmer gestürmt oder vergriffen sich an Linda.

»Ich versteh es nicht, der Mistkerl ist doch hier rein …« sagte Tom fassungslos und fuhr sich mit der Hand durch seine kurzen blonden Haare. Im gleichen Moment richtete sich Benny auf. Verschlafen sah er seinen Vater an und fragte: »Daddy?«

Tom kratzte sich am Kopf.

»Ich dachte… geht’s dir gut, kleiner Mann? Magst du heute Nacht bei Mami und Daddy schlafen?«

»Ja, okay, ich… hab was ganz Komisches geträumt.« Der Junge rieb sich den Schlaf aus den Augen. Tom versuchte, seinen Sohn zu beruhigen, und setzte sich neben ihn.

»Hast du geträumt, du wirfst drei Slider hintereinander?« Tom versuchte zu lächeln. Sein Sohn spielte im Jugend-Baseballverein von Omaha den Pitcher und es machte ihm großen Spaß.

»Nein, Daddy. Das war es nicht.« Tom wuschelte ihm durch das kurze Haar.

»Es war nur ein Traum Benny, keine Sorge! Komm, wir gehen zu Mami.« Der kleine Junge war jetzt wach und konnte nicht mehr allein einschlafen oder allein bleiben. Seine Eltern lasen ihm abends vor dem Schlafengehen des Öfteren was vor. Dabei saß ein Elternteil neben ihm auf dem Bett, damit er die Wörter mitlesen und von Satz zu Satz müder werden konnte.

Tom verstand die Welt nicht mehr. Über zwanzig Jahre war er im Dienst der Air Force angestellt. Für auftretende Probleme konnte er immer Lösungen finden, aber so ratlos wie heute war er schon lange nicht mehr gewesen. Er wollte um jeden Preis den Kerl in die Finger bekommen.

Der Einbrecher hatte ihn an der Nase herumgeführt. Sie verließen das Kinderzimmer und gingen den oberen Flur entlang. Dabei achtete Tom darauf, dass Benny nicht an der Seite des Treppengeländers entlang lief. Als der kleine Junge zu seiner Mutter ins Bett krabbelte, drückte Linda ihn an sich und bekam glasige Augen. Sie küsste ihn mehrmals auf die Stirn.

Tom lehnte den Baseballschläger gegen den Nachttisch und zog seinen Morgenmantel an. Nachdenklich starrte er auf den Boden. Ihn wurmte es, dass fremde Leute in sein Haus eingebrochen waren. Zumal es nicht sein Haus war, sondern Lindas. Sie hatte das Einfamilienhaus vor einiger Zeit geerbt. Bis zur heutigen Nacht hatten sie sich hier wohl und sicher gefühlt.

»Was ist passiert?«, fragte sie.

»Die Polizei ist gleich da! Wo ist der Einbrecher? Was hast du vor?«

Tom massierte mit Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken und antwortete:

»Ich weiß nicht wohin der Mistkerl abgehauen ist. Er… war in Bennys Zimmer gelaufen und plötzlich… war er weg! Einfach verschwunden und… ich muss wissen, ob er oder noch weitere Einbrecher im Haus sind! Außerdem, was soll ich den Cops erzählen? Die halten mich doch für bekloppt!« Linda wollte gerade was sagen, da hörten sie die Polizeisirenen und durch die Gardinenschlitze drang bläuliches Flackern.

»Was ist los, Mami? Ist das die Polizei?«, fragte Benny vorwitzig und gähnte.

»Pscht! Schlaf weiter, Liebling. Schlaf jetzt, mein kleiner Schatz!« Sie strich sanft über Bennys Wange, während er langsam einschlief.

»Tom, ich muss dir unbedingt…« Tom gab ihr einen Kuss auf den Mund, schnappte sich den Baseballschläger und band sich beim Hinausgehen den Mantel zu. Er lief die Treppe nach unten und schaltete im Vorbeigehen alle Lichter an. Im Erdgeschoss angekommen fühlte er sich sicher, stellte den Baseballschläger in die Ecke und öffnete den Beamten die Tür.

Für die nächste Stunde glich das Haus einem Bahnhof. Überall waren Polizeibeamte. Sie nahmen jede Menge Fingerabdrücke, im Flur, an den Fenstergriffen, an den Türen und im Kinderzimmer. Sie drehten alles auf links. Der Suchtrupp ließ keinen Raum aus. Linda saß im Bett und hatte sich ebenfalls kurz vor Eintreffen der Polizei ihren Morgenmantel angezogen.

Sie beobachte Benny, wie er unruhig schlief. Der kleine Junge drehte seinen Kopf nach links und rechts. Trotz Lindas Anwesenheit suchten die Beamten auch das Schlafzimmer ab. Nachdem sie nichts Verdächtiges fanden, ließen sie die zwei wieder allein. Zwei Officer untersuchten den Dachboden, zwei weitere den Keller. Parallel durchforsteten vier Gesetzeshüter den Garten und die Nachbargrundstücke. Beim Durchleuchten der Hundehütte vom Nachbarshund wurde ein Officer fast gebissen. Außer den anfänglichen Versuchen, die Flurkommode aufzuhebeln, fand die Polizei keine verwertbare Spur eines Einbruchs.

»Wie oft noch, Inspector?!«, stöhnte Tom. »Ich sagte Ihnen doch, ich bin ins Zimmer meines Sohnes gesprungen und der Kerl war weg, spurlos verschwunden. Keine Ahnung, wie er entkommen konnte, aber ich habe mir diesen Mistkerl nicht eingebildet. Meine Frau und ich haben ihn gehört und ich habe ihn gesehen und Sie haben verdammt noch mal den Beweis an unserer Kommode!«

Vor seinem inneren Auge ließ Tom die Jagd erneut ablaufen. Die Hände schwitzten bei der bloßen Vorstellung, der Einbrecher liefe noch frei herum und könnte jederzeit wiederkommen und sich holen, was er gesucht hatte. Er rieb sie sich nervös am Mantel trocken.

»Hören Sie, Mister Collin!«, sagte der leitende Inspector Brad Landon im ruhigen Ton und kontrollierte die Fotos, die seine Kollegen vom Inhalt der Kommode erstellt hatten. Auf dem Display wurde direkt das aktuelle Datum, der 22.09.2009 eingeblendet.

»Meine Männer haben jetzt alles nötige getan. Wir haben keinerlei Einbruchsmerkmale feststellen können. Lediglich das abgesplitterte Holz an der Kommode beweist, dass sich hier drin ein Einbrecher aufgehalten haben muss. Bis jetzt konnten wir im Haus nichts Verdächtiges finden. Draußen suchen meine Männer noch!«

»Was wollte der Kerl von uns?«, fragte Tom und fuhr sich mit beiden Händen durch seine blonden Haare.

»Wir haben hier zu Hause kein Geld rumliegen! In der Kommode liegen doch nur ein paar Dokumente und unsere Reisepässe!«

»Vermutlich erhoffte sich der Einbrecher in der verschlossenen Kommode etwas Verwertbares zu finden. Geld, Schmuck oder so was in der Art.«

Der Inspector gab die Digitalkamera einem vorbeilaufenden Cop. Dann blätterte er durch die Reisepässe und schrieb sich Notizen. Als alle Dokumente und Pässe wieder in der Schublade lagen, schob er diese langsam zu. Die Kommode war schon alt und es quietschte beim Zuschieben. Er rüttelte an ihr und sie knarzte.

»Hm … also … wenn er die Schublade irgendwie hätte öffnen können, hätte auf jeden Fall das Herausziehen Lärm verursacht und Sie drei geweckt! Sehen Sie, ich rüttele an der verschlossenen Schublade und sie macht Lärm. Haben Sie und Ihre Frau diese Geräusche gehört?«

Tom starrte nachdenklich auf die Kommode und nickte nur. Landon tippte mit dem Kugelschreiber auf seinem Blöckchen herum.

»Seien Sie froh, dass alles noch mal gut gegangen ist. Ihre Familie ist wohlauf und den Einbrecher werden wir finden. Wir kümmern uns drum. Ich habe selbst eine kleine Tochter und nehme solche Einsätze ernst!«

Die Polizei wurde nicht fündig. Trotz der Unterstützung eines Hubschraubers konnte im Umkreis des Hauses nichts Verdächtiges gefunden werden. Als endlich der Letzte in Uniform gegangen war, schloss Tom die Tür und schnappte sich seinen Schläger. Er lief nach oben, positionierte den Holzprügel auf den Nachttisch, zog den Morgenmantel aus und legte sich zu Frau und Kind.

Benny schlief friedlich. Aber Linda träumte schlecht. Falten legten sich in ihr hübsches Gesicht und unter den Lidern zuckten ihre Augen nach links und rechts. Er strich ihr eine verirrte schwarze Strähne vom Gesicht hinters Ohr und betrachtete sie für einen Moment. Er schloss seine Augen und schlief ein.

Draußen unterhielten sich die Beamten kurz und stiegen dann in ihre Streifenwagen. Sie waren insgesamt mit drei Fahrzeugen aufgefahren.

Die Blaulichter warfen ihre Schatten an die Häuserfassaden. Aufgeweckte Nachbarn hatten aus ihren Fenstern und Verandas das Aufgebot der Polizei beobachtet und trotteten wieder zurück in ihre Betten. Dieser nächtliche Fall war für die Beamten mysteriös.

»Was hältst du davon, Bottisaldt?«, fragte der Inspector seinen Kollegen, der auf dem Beifahrersitz saß.

»Schon komisch.«, antwortete er und klickte durch die aufgenommen Bilder der Digitalkamera.

»Wir fanden nichts. Als wäre das Schwein einfach so durch die Wände gegangen. Die Türen und Fenster waren alle intakt. Nicht mal am Dach waren Spuren, seien es Fenster oder Ausstiegsluke. Die Hunde hatten auch keinen Anhaltspunkt. Sie irrten wie blöd über die Grundstücke. Keine Andeutung einer verwertbaren Spur.«

Der Inspector zündete sich eine Zigarette an und aschte aus dem Fenster.

Das Funkgerät knarzte und die Zentrale wollte sich erkundigen, ob der Trupp immer noch vor Ort war. Bottisaldt schnappte sich das Funkgerät und antwortete: »Ja, Brittany, wir sind immer noch am Haus in der Leavenworthstreet. Sind hier jetzt fertig! Over!«

Nachdem Bottisaldt das Funkgerät wieder in die Halterung zurücksteckte, sagte er zum Inspector: »Ich hab trotzdem ein mulmiges Gefühl.« Landon schrieb zu seiner letzten Notiz noch eine Uhrzeit und erwiderte: »Besser so, als kurz vor zwölf noch einen Mordfall zu bearbeiten. Schon kurios. Ich weiß nicht, was ich von Collins Aussage halten soll. Du weißt ja, für meine Tochter würde ich auch alles daran setzen, dass ihr kein Haar gekrümmt wird, aber hier können wir jetzt nichts mehr tun.«

»Ich weiß nicht was ich tun würde, wenn jemand Hand an meine Familie legen würde«, äußerte sich Bottisaldt und schlug sich mit der linken Faust in seine flache Rechte. Landon nickte.

»Harding und Loid haben sich bereit erklärt, noch bis sechs Uhr vor dem Haus Posten zu beziehen, falls der Einbrecher zurückkommen sollte. Ich hoffe, für die Collins, er kommt nicht. Die Frau von Collin hatte völlig verstört geguckt, die Arme. Aber mal ganz unter uns, die Collin-Lady hat schon was an sich oder?«

»Stimmt, Landon. Tolle Figur und hübsches Gesicht. Wie alt ist sie doch gleich?«

Landon blätterte durch seine Notizen, tippte mit dem Kugelschreiber auf das Blatt und antwortete: »Hier steht es. Achtunddreißig…«

Sie hörten aus dem Haus jemanden brüllen: »Schatz, oh mein Gott! Was pass… Nein! Aaaargh!«

Der Schrei zerriss die Stille der Nacht. Landon und Bottisaldt sahen sich entgeistert an und riefen wie aus einem Munde: »Das war Collin!«

Sie sprangen aus ihrem Wagen und liefen mit gezogenen Waffen zum Haus zurück. Die Kollegen in den anderen Fahrzeugen, die durch die geschlossenen Scheiben den Schrei nicht gehört hatten, allerdings die anderen beiden quer über den Rasen zur Tür rennen sahen, fassten alle den gleichen Entschluss und sprangen aus ihrem Streifenwagen hinaus.

»Wir haben den Mann schreien gehört«, rief Bottisaldt den Kollegen zu und auch der letzte Officer zog jetzt seine Waffe aus dem Halfter. Eine Handvoll umstellte das Haus und zwei Beamte brachen die Haustür auf. Drei Cops stürmten den unteren Flur. Immer mit der Pistole im Anschlag. Officer Bottisaldt und Landon hielten ihre Waffe gegen die obere Etage.

Sie hörten erneut zuerst den Mann und das Kind schreien, poltern, dann herrschte Stille. Der Inspector brüllte nach oben:

»Halt! Keine Bewegung, das Haus ist umstellt! Kommen Sie mit erhobenen Händen raus!«

Bottisaldt war unerwartet schneller als Landon und lief die Treppe nach oben. Mit dieser Kurzschlussreaktion hatte Landon nicht gerechnet und versuchte, trotz seinem Übergewicht dem Kollegen hinterher zu eilen und stolperte über eine Stufe.

»Bottisaldt, verdammt!«, rief der Inspector, aber sein Kollege war bereits oben angekommen und verschwand rechts um die Ecke. Der Officer wusste von der vorherigen Hausdurchsuchung, dass das Schlafzimmer in der ersten Etage im rechten Flügel lag. Am Ende des Flures befand sich das Elternschlafzimmer links. Es war für ihn nicht schwer, herauszufinden, woher die gequälten Rufe stammten. Mit einem kräftigen Tritt trat er die angelehnte Tür auf und stand mit gezogener Schusswaffe im Türrahmen.

Ein eisenhaltiger Geruch stieg ihm sofort in die Nase. Er starrte auf die Eheleute Collin, die in einer riesigen Blutlache im Bett lagen. Für den Officer, der noch nicht viele heikle Einsätze bewältigt hatte, war das ein verstörender Anblick.

Die Frau, grausam aufgeschlitzt, regte sich nicht mehr. Ihre Augen standen weit offen und starrten an die Decke. Der Mann röchelte noch. Er spuckte Blut, versuchte etwas, zu sagen, was der Officer nicht verstand. Das Kind saß auf dem Bett, im Gesicht hatte es Blutspritzer und starrte den Cop an.

Der Junge hielt einen blutverschmierten Zettel. Bottisaldt bekam einen faden Geschmack im Mund. Er betrat den Raum und wollte sich dem Mann nähern. Mister Collin sah von seinem Sohn weg und konnte gerade noch mit letzter Kraft den Arm heben, um den Officer etwas zu signalisieren. Dann erstarrte sein Blick.

Bottisaldt drehte sich und sah den Baseballschläger auf sich zukommen. Ein intensiver Schmerz folgte und es wurde ihm schwarz vor Augen. Den Sturz zu Boden fühlte er, als wäre dieser weit, weit weg.

Leere umgab den Officer. Er hörte ein Flüstern. Woher es kam, konnte er nicht zuordnen. Es war eine fremde Sprache. Dann wurde der Beamte bewusstlos. Einen Augenblick später tauchte der Inspector auf und hatte weitere zwei Officer im Rücken stehen.

Landon sah als erster die Gräueltat auf dem Bett und stolperte fast über den niedergeschlagenen Kollegen. Er und seine Mannschaft waren ratlos.

Vater und Mutter abgeschlachtet, der kleine Junge saß mittendrin und Bottisaldt am Boden. Ein Cop rief per Funkgerät den Notarzt, der andere kontrollierte, ob der Mörder noch im Raum war und der Inspector checkte Bottisaldts Vitalwerte.

Landon machte sich Vorwürfe, dass er Tom Collin nicht geglaubt hatte. Das war ein Fehler gewesen. Landon spürte bei seinem Kollegen einen äußerst niedrigen Puls. Es gelang ihm nicht, ihn anzusprechen.

»Warum Bottisaldt? Warum hast du dich nicht an den Verhaltenskodex in solchen Situationen gehalten? Ich war nicht so schnell. Ich hätte dir Rückendeckung gegeben! Verdammt, Mernnad! Komm zu dir, mein Freund! Wo bleibt der verdammte Notarzt? Wach auf, Junge. Oh nein … was … scheiße, Blut …«

Unter Bottisaldts Kopf hatte sich eine Blutlache gebildet, das bereits von den Fasern des Teppichbodens aufgesogen wurde. Was geschah hier?

Von draußen hatten sie das Haus umstellt. Drinnen postierten sich in allen Etagen Polizisten. Die Fenster im Schlafzimmer waren immer noch unversehrt. Für die Eltern kam jede Hilfe zu spät. Auf dem Zettel, den der kleine Junge hielt, stand mit Blut geschrieben:

Ihr wollt mich kriegen? Träumt weiter!

Kapitel 2

Weit weg vom Bundesstaat Nebraska auf einem anderen Kontinent, sah Taylor Turner seine Angebetete am Strand stehen. Das Wasser peitschte um die Füße des Mädchens. Die Wellen warfen weißschäumende Kämme.

Sie trug ein weißes Seidentuch um ihren Körper. Ihre blonde, lange Mähne wehte im Wind. Wegen der Sonne musste sie sich die flache Hand über die Augen halten. Er winkte ihr zu und sie winkte ihn mit ihrer freien Hand herbei. Taylor glaubte seinen Augen kaum. Er sah sich um, ob die Geste wahrhaftig ihm galt.

Als der Teenager sich sicher war, näherte er sich. Das kalte Wasser überspülte jetzt auch seine Füße und Taylor war kurz überrascht, wie intensiv die Berührung vom kühlen Nass war. Der Junge brachte kaum ein Wort über seine Lippen, als er ihr gegenüberstand.

Sein Herzschlag erhöhte sich und er spürte, wie in ihm ein Feuerwerk der Euphorie entfachte. Taylor war sich nicht mehr im Klaren, ob es die Sonne war, oder ihr umwerfendes Antlitz, das ihn blendete. Obwohl er seinen Mund öffnete und die Zunge und Stimmbänder sich bewegten, bekam er kein Wort heraus.

Sie hingegen öffnete ihre Lippen und sagte mit einem Augenzwinkern: »Ich habe auf dich gewartet. Hier ist es doch wunderschön, oder?«

Taylor wollte zustimmen, schaffte es jedoch nur, schweigend zu nicken. Sein Mund war trocken. Er fand sie so hübsch, doch Taylor konnte es sich nicht nehmen, kurz um sich herum zu schauen. Nur er und seine Traumfrau Annabell. Wie sie da stand! Immer noch die eine Hand schützend über ihren saphirblauen Augen, mit dem zauberhaften Wimpernaufschlag. Es roch nach Pfirsich. Entweder war es ihr Shampoo oder ihr Parfüm. Was es auch war, es war betörend.

Er sah seine Chance. Niemand war hier an diesem weißen Strand, um ihm dazwischen zu funken, also tat er es. Er lächelte ihr zu, streichelte mit seiner Hand über ihre linke Wange und spürte, wie weich sich die Haut anfühlte. Dann küsste er sie auf ihre zarten Lippen.

Den Kuss nahm er vor Aufregung nicht wirklich wahr, doch eine Gänsehaut breitete sich auf seinen ganzen Körper aus. Annabell nahm wieder einen kleinen Abstand von ihm. Also wollte er sich ihr erneut nähern. Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen und zwinkerte ihm ein weiteres Mal zu, dann entknotete sie ihr Seidentuch.

Taylor schluckte vor Aufregung. Er spürte, wie sein Herz anfing, frenetisch zu pochen. Der Junge wunderte sich, warum auf einmal so eine starke Meeresbrise auffrischte, die das Tuch so vor ihm hin wehen ließ und die Sicht auf ihre Vollkommenheit versperrte. Sie hielt es gerade so mit ihren Fingern fest. Er wollte es zur Seite schlagen und sie in ihrer Makellosigkeit betrachten, da wurde er von der Realität – in diesem Fall von seinem Wecker – aus den Träumen gerissen.

Taylor lag in seinem Bett. Nicht mehr irgendwo auf der Welt an einem verlassenen weißen Strand mit seiner Angebeteten. Er war allein und ohne das Mädchen aus den Träumen.

Nachdem der Teenager den Wecker ausgeschaltet und sein Nachttischlämpchen angeknipst hatte, warf er einen hektischen Blick durchs Zimmer. Anstatt dem Mädchen, sah er nur einen Schreibtisch, der mit seinem Computer, Schulbüchern, zerrissenem Geschenkpapier und dem Inhalt davon überladen war. An den Wänden und an der Decke hingen Luftballons und Luftschlangen. Auf dem Boden lag noch Konfetti. Hier war kein Strand, keine Annabell. Beides war weit weg in seinen Träumen. Doch selbst dort fiel es ihm schwer, sie für sich zu gewinnen.

Seit ungefähr einem Monat träumte er kontinuierlich das Gleiche. Immer mit ihr, ständig waren sie allein und immer stand er kurz davor, einen Schritt weiter zu gehen. Heute war es ihm gelungen, sie zu küssen. Ihm wäre es lieber gewesen, wieder einzuschlafen und erneut von ihr zu träumen. Er sah auf seinen Radiowecker.

Das Display war wegen einer Geburtstagskarte, die durch seinen Schlag auf den Wecker völlig zerknautscht war, versperrt. Er zog die Karte auseinander und las den bunten Aufdruck: alles Gute zum 15. Geburtstag.

Die zwanzig Euro, die darin klebten, zog er heraus, die Karte verschwand in der Schublade und den Schein legte er auf den Nachttisch. Die Uhrzeit auf der LCD-Anzeige vom Radiowecker zeigte halb sieben. Taylor schürzte die Lippen und blies genervt Luft aus. Er nahm es erneut hin, dass das vorhin Erlebte nur ein Traum gewesen war, und stand auf. Am Wandkalender mit getunten Autobildern schob er auf dem Oktoberblatt das rote Kästchen von der Siebenundzwanzig ein Feld weiter und verließ das Zimmer.

Taylor besuchte die Hauptschule im Eifelstädtchen Prüm. Er war ein Jugendlicher mit einer schlanken Statur. Hin und wieder hielt er sich mit Laufen fit oder trainierte im Zimmer. Er spielte keinen Fußball, allerdings sagte er zu einer Partie Tischkicker nie nein.

Der Teenager war in der Kleinstadt geboren und aufgewachsen. Gelegentlich las er in den Zeitungen von kleinen Drogenfunden bei Polizeikontrollen an der deutsch-belgischen Grenze und Prügeleien von Besoffenen in den Kirmesnächten.

Durch die Geschichte der Stadt verirrten sich viele Touristen nach Prüm. Die einen, um die Sandalenreliquien von Jesus Christus in der Basilika zu fotografieren, die anderen um den Weg zum Explosionskrater oberhalb von Prüm zu umwandern. Beides kannte Taylor durch einige Jahre als Messdiener und Wanderungen mit der Schulklasse.

Es gefiel ihm, hier zu wohnen. Jeder kannte hier jeden und Geheimnisse, egal welcher Natur, blieben nie lange verborgen. In dieser Stadt konnte man nachts um drei Uhr aus der Kneipe nach Hause schlendern oder, je nach Gemütszustand, torkeln, ohne Angst zu haben überfallen zu werden. Natürlich kannte Taylor das nur vom Hörensagen. Ihm selbst war es verboten, solange er minderjährig war, sich in Prümer Kneipen aufzuhalten.

In diesem Luftkurort brauchte Taylors Lieblings Mini-Fast Food Imbiss keine Angst zu haben, von den Franchise-Riesen verdrängt zu werden. Das Lokal besaß eine treue Gästeklientel und die Stadt mit über fünftausend Seelen bot für die Konzernriesen zu wenig Einwohner. Hier gab es wie vielerorts arme und reiche Menschen. Doch selbst die Reichen merkten, wie klein und unbeholfen sie waren, wenn die Sonne am Tag so stand, dass die über sechzig Meter hohen Zwillingstürme der Basilika ihre mächtigen Schatten auf das Stadtzentrum warfen.

Es war der Morgen nach Taylors Feier. Er stand im Bad und begutachtete sich. Die dunklen wuscheligen Haare hatte er auf jeden Fall von seinem Vater geerbt. Trotz Kämmen sahen sie immer zerzaust aus. Während er sich einen Streifen Zahnpasta auf die Bürste strich, erinnerte er sich an den gestrigen Tag.

Von den Eltern hatte er zwei Wochen vorher die Einwilligung bekommen Freunde einzuladen. Sein Vater erlaubte ihm, bis zehn Uhr zu feiern. Sie durften sich im Wohnzimmer und in Taylors Zimmer aufhalten. Fast dachte er, der Abend würde zum Fiasko werden, als sein Kumpel Tim aus Versehen die Lieblingstasse seines Vaters, mit der Zahl ‚35‘, von der Tischkante stieß. Taylor hatte für einen kurzen Moment gedacht, so wie die Tasse in tausend Scherben zerschellte, so würde auch die Party zerspringen doch… sein Vater George linste nur über seinen Brillenrand und sagte: »Naja, immerhin hat sie sieben Jahre gehalten!« Das war alles. Keine Szene, kein Partysprengen. Für einen kurzen Moment dachte Taylor da: Cool, Dad! Danke.

Taylor war kein Einzelkind. Seine Schwester, Meggy, war ein Jahr jünger als er. Sie hielt sich von der Party fern. Meggy schenkte ihm ein Buch mit dem Titel: Wie werde ich meinen Bruder los? Sie grinste frech und verschwand für den Rest des Abends auf ihrem Zimmer.

»Wollte dich deine Schwester damit ärgern?«, fragte ihn sein Kumpel David, der in seine Parallelklasse ging.

»Mag sein! Weißt du, wenn man meine Schwester richtig ärgern will, muss man sie nur Magdalena rufen.«

»Wieso? Sie heißt doch Meggy, oder nicht?«

»Das ist die Kurzform, aber in ihrem Kinderausweis steht Magdalena. Wenn meine Schwester was verbockt hat, dann schimpft meine Mutter immer und ruft wütend Magdaleeena. Da flippt die blöde Kuh immer aus! Der Name würde so altbacken klingen!« Taylor grinste boshaft und warf das Buch auf den Wohnzimmertisch.

»Ihr versteht euch nicht so gut, oder?«, fragte ihn David und tippte auf ein Foto im Regal, das die Familie am Weihnachtsbaum zeigte.

»Das passt schon. Auf dem Schulhof gehen wir uns aus dem Weg und hier zu Hause verstehen wir uns meistens.«

»Ich finde deine Schwester ganz hübsch. Vor allem ihre braunen Locken, obwohl sie hier ja schwarz sind!«

»Das Foto ist zwei Jahre alt, da war sie auf einem Experimentiertrip. Sie färbte ihre Haare bei einer Freundin ohne die Einwilligung von Mom und dafür bekam sie eine Woche Hausarrest.«

»Ihre schwarzen Augen erinnern mich an Kohlestücke.«

»Stell das Bild wieder zurück, David!«, sagte Taylor im ernsten Ton und wollte nicht mehr über seine Schwester reden. »Ich glaub, Tim läutet das nächste Geburtstagspiel ein!« Mit diesen Worten beendete Taylor das Gespräch und ging zurück zu den anderen. Taylors Feier verlief mit verschiedenen Spielen lustig und ohne Alkohol.

Seine Mutter hatte für den Abend eine Fruchtbowle zubereitet, bekam selber von den Feierlichkeiten nichts mit. Sie musste als Mediengrafikerin früh raus und ging daher zeitig zu Bett.

Mit der Morgentoilette war Taylor mittlerweile fertig. Er frühstückte alleine. Meistens war er der Letzte, der das Haus verließ. Meggy war eine Frühaufsteherin. Sie traf sich mit einer Freundin und lief dann mit ihr zur Schule. Sein Vater war wie seine Mutter schon früh auf der Arbeit.

Taylor warf das Geschirr in die Spüle, schnappte sich die Schulsachen und verließ das Haus. Als er noch etwas verschlafen die Hillstraße hochging, dachte er nur noch an seinem Traum.

Annabell ging in dieselbe Klasse wie er. Sie saß in der hinteren Reihe direkt hinter ihm. Manchmal unterhielt er sich mit ihr über den Schulstoff. In der Pause war sie meist in der Gruppe unterwegs. Taylor hatte es da schwer ein persönliches Gespräch zu beginnen.

Annabell war ein Jahr älter als er. Vielleicht war sie sitzen geblieben oder ein Jahr später eingeschult worden. Er war noch nicht dazu gekommen, sie darüber auszufragen. Des Öfteren bekam er unfreiwillig die Gespräche zwischen Annabell und ihrer Banknachbarin mit. Obwohl sie sich gedämpft unterhielten, spitze Taylor die Ohren und konnte immer alles mithören.

Wie auch an diesem Morgen saß er auf seinem Platz und horchte dem Gespräch hinter seinem Rücken: »…Schon wieder ihr beide? Und was ist dieses Mal passiert?«, bohrte ihre Freundin.

»Das verrate ich dir besser, wenn wir unter uns sind. Nicht jetzt! Später, Lisa, in der großen Pause.« Lisa schüttelte den Kopf und erwiderte: »Ne, geht nicht! Ich muss ins Sekretariat was klären.«

»Gut, dann wenn wir Sport haben. Wir bleiben länger in der Umkleide und dann ...«

»Annabell! Hier vorne spielt die Musik«, unterbrach sie ihr Klassenlehrer, Herr Schwarz, »Lisa, für dich gilt das Gleiche! Wenn ich noch einen Ton von euch höre, schreibt mir jeder von euch zwei Seiten ‚Mein Benehmen‘. Hab ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

Annabell und Lisa nickten synchron. Herr Schwarz war ein sympathischer verständnisvoller Klassenlehrer. Er mochte es jedoch nicht, wenn man seinen Unterricht störte. Die Schüler hatten bei ihm Deutsch, Geschichte und Sozialkunde.

Annabell nahm ihren Stift und schrieb die Sätze, von der Tafel ab. Lisa hingegen zückte aus ihrem Stiftetui einen kleinen Schminkspiegel und kramte aus ihrem Auge eine Wimper. Lisa war nicht so zielstrebig wie ihre Freundin. Dafür konnte ihr sportlich keiner in der Klasse das Wasser reichen. Zu Hause machte sie viermal in der Woche Fight-Aerobic. Nach der Schule strebte sie, sofern die Noten es zuließen, eine Ausbildung zur Immobilienmaklerin an. Lisa schrieb Annabell einen kleinen Zettel auf dem das Wort ‚abgemacht‘ stand und schob es heimlich auf ihr Heft. Annabell lächelte und die Freundinnen verfolgten weiter den Unterricht.

Taylor konnte sich nicht auf den Unterrichtsstoff konzentrieren.

Ich muss wissen, was sie meint, verdammt.

Als die Schulstunde sich dem Ende neigte und der Klassenlehrer hinausging, nahm Taylor seinen Banknachbarn Tim zur Seite und flüsterte: »Hör mal, du musst mir bei einer Sache helfen, Alter! Du hast dich schon mal unbemerkt in der Mädchenumkleide aufgehalten, stimmt`s?«

»Ja und?« Tim grinste und beobachtete wie Annabell und Lisa gerade zu einer Freundin an einen anderen Tisch gingen. Tim sah Taylor an und hob die Augenbrauen.

»Aha, willst du die Mädels in ihren Höschen sehen?« Taylor boxte ihn ruppig auf die Schulter und konterte:

»Red kein Quatsch, Penner! Es geht um was anderes und ...«

»Autsch, okay, okay! Ich helf dir. Apropos, bevor ich es vergesse. Sorry nochmal, dass ich die Kaffeetasse deines Vaters geschrottet habe. War er echt nicht sauer? Ich hatte die Peilung, er würde nur Coolness vorspielen, um dich nicht blöd dastehen zu lassen.«

»Nein, das hat mich auch gewundert. Mein Dad hat sich echt korrekt verhalten!«

Tim warf erneut einen Blick zu Annabell und Lisa und fragte: »Jetzt sag schon, Taylor. Was willst du bei den Weibern? Wenn du mich fragst, die Mädels hier in der Klasse interessieren mich nicht. Weißt du, wen ich scharf finde? Ich verrat es dir. Melanie Franke. Oh ja!«

»Die ist ein ganz anderes Kaliber. An der beißt du dir die Zähne aus, Tim! Außerdem ist sie seit der Sache damals im Hallenbad bestimmt noch zickig auf uns!«

»Vielleicht auf dich, ich hab mich vor ein paar Tagen wegen der Sache damals bei ihr entschuldigt. Sie ist nicht so arrogant, wie du denkst. Stell dir vor, ich hab ihr nicht andauernd auf die Möpse gestarrt, sondern in ihre blauen Augen.«

»Das mag ja sein, trotzdem ist sie älter als du! Meinst du, die interessiert sich für einen Jüngeren?«

»Abwarten, wir kamen auf Tattoos zu sprechen und haben uns geschworen, wenn wir alt genug sind, lassen wir uns was Cooles stechen. Außerdem steht sie auch auf schnelle Autos. Jetzt sag endlich, was du von den Mädels willst!«

Annabell und Lisa huschten zurück auf ihre Plätze und im Raum wurde es wieder still. Der Mathelehrer Herr Fleischer kam herein. Taylor flüsterte Tim zu: »Erklärungen später.«

Für den Teenager waren Mathestunden die Qualvollsten auf dem Stundenplan. Er hatte in diesem Fach Schwierigkeiten mitzukommen. Mit kleinen Skizzen am Heftrand und Aufgaben rechnen, deren Lösung nicht mit dem Ergebnis an der Tafel übereinstimmten, kämpfte sich Taylor durch die langsam rinnende Zeit.

Als auch diese zwei Schulstunden sich dem Ende neigten, hatten sie noch eine viertel Stunde Pause. In der Zeit war Tim bei seinen Kumpels aus der Parallelklasse, so wurde Taylor nicht mit Fragen bombardiert, worauf er nicht antworten wollte.

Als die Schüler nach der Pause zurück zur Klasse kamen, schloss der Sportlehrer ihnen die Tür auf. Schnell packten sie ihre Sachen zusammen und verließen wieder den Raum. Die komplexe Architektur des Gebäudes verwirrte viele Schüler am Anfang. Hier Gänge, dort Treppen und woanders Treppenhäuser, die nur im Notfall genutzt werden durften.

Tim nahm Taylor mit. Sie huschten durch den Notausgang und liefen zwei Stockwerke hinunter. So waren sie viel schneller unten als ihre Kameraden, die den offiziellen Treppenweg nahmen. Dort angekommen, liefen sie in Richtung Turnhalle. Es wimmelte in den Korridoren nur so von Schülern. So war es den beiden Jungs ein Leichtes, sich unter die anderen zu mischen. Sie kamen an den Werkstätten für Holzarbeiten und anderen Räumen für diverse Arbeitsgemeinschaften der Schüler vorbei. Sie hatten eine Minute Vorsprung.

Als sie im leeren Mädchen-Umkleideraum ankamen, roch es nach abgestandenem Schweiß, vermischt mit diversen Deodorants. »Okay, wir haben keine Zeit mehr. Schnell, wir verstecken uns. Ich muss wissen, was Annabell Lisa erzählen will. Deswegen musst du mir helfen, Tim!«

»Okay, ich finde das hier spannender als den Sportunterricht beim Perentus.«

Die Jungs versteckten sich in der Besenkammer. Hier standen Putzeimer, Lappen, Reinigungsmittel, die penetrant rochen, und eine Bodenwischmaschine. Sie mussten darauf vertrauen, dass die Mädchen dort nicht zufällig reinschauten. Zum Glück waren die Jungs schlank und verfügten über genug Platz in dem kleinen Räumchen.

»Ich hasse zwar den Gestank und die Enge in diesem Raum«, sagte Tim, während er die Tür schloss, »aber ich liebe die Lüftungsschlitze in der Holztür. Da sieht man alles, Alter!«

Sie hatten sich Logenplätze ergattert. Es dauerte nicht lange, da drängelten sich die Schülerinnen in den Umkleideraum. Taylors Puls stieg und er sah Schweißperlen auf Tims Stirn laufen.

Während sich die Mädchen umzogen, berieten sie sich in Kosmetikfragen, manche lästerten über andere Schüler und Lehrer ab. Sie schnatterten über Liebeskummer, Schwärmereien, private Probleme in der Familie und Besprechung der Wochenendplanung. Nach einigen Minuten verließ ein Großteil der Mädchen den Raum Richtung Sporthalle.

Jetzt waren nur noch Annabell und Lisa dort und eine gemeinsame Freundin.

»Hey, wollt ihr Wurzeln schlagen? Kommt endlich, sonst meckert der alte Perentus noch.«

Annabell erwiderte: »Ja gleich, Jasmin. Sag dem Alten bitte, wir kommen ein paar Minuten später. Frauensache oder so was. Sag es ihm, wenn er allein steht. Die anderen sollen es nicht mitbekommen!«

Jasmin sah sie skeptisch an und antwortete: »Na, wenn du meinst. Sag mal, Annabell, wann kommt die nächste Schülerzeitung raus? Die Themen, die ihr bringt, sind echt geil!«

Annabell lächelte stolz und antwortete: »Nächste Woche! Cool, dass sie dir gefällt!«

»Du kannst echt gut schreiben. Solltest Journalistin werden. So, ich geh jetzt, sonst kriegen wir drei noch Ärger. Beeilt euch!«

Als sie sich alleine wähnten, moserte Lisa: »Ich kann die Zicke nicht ab, aber in dem Punkt hat sie recht. Du und die Medien, das ist dein Ding. So, jetzt sag schon, warum so geheimnisvoll, Anna?«

Annabell senkte die Stimme und begann zu erzählen. Taylor und Tim verstanden kein Wort.

»Verdammt, Tim«, flüsterte er, »ich hör nichts. Wir müssen näher ran!«

Tim nickte still und öffnete langsam die angelehnte Tür von der Besenkammer. Sie schlichen geschützt von den Schränken so nah heran, bis nur noch eine Spindreihe zwischen ihnen stand.

Sie mussten auf Zehenspitzen gehen, damit das Quietschen ihrer Schuhe sie nicht verrieten. Taylor ertappte sich, wie er laut atmete und zügelte, seine Atmung, indem er Luft nahm und leise durch die Nase ausatmete.

»…und du hast es nicht geschafft, dich zu wehren, Süße? Was echt? Wie … romantisch und … irgendwie unheimlich, oder?«

Lisa sah Annabells besorgte Miene und strich ihr behutsam über ihre Schulter.

»Es war anfangs schön, aber nachher … also, ich weiß nicht. Obwohl es nur ein Traum war, kam ich mir beobachtet vor! Ich kann dir nicht sagen, ob es ein Traum oder eher ein Albtraum war. Bitte versprich mir, dass du das für dich behältst!«

Lisa nahm Annabells Hände. Sie fühlten sich kälter an als ihre.

»Du kannst dich auf mich verlassen, es bleibt unter uns. Außerdem, mach dich nicht zu sehr verrückt. Es war ja nur ein Traum! Komm, wir gehen zu den anderen!«

Sie standen auf und verließen den Raum. Tim sah Taylor an und hob die Schultern.

»Was sollte denn das? Wolltest du den Käse mitbekommen? Ich raff da echt nichts, Alter! Ich habe keine Peilung, worüber die zwei gelabert haben, du etwa?«

Taylor war sich nicht sicher, jedoch plagte ihn eine Vermutung. Er ließ sich nichts anmerken.

»Dachte echt, es ging um was anderes. Trotzdem danke, Tim.«

»Na ja, scheiß drauf. Ich konnte einige Mädels in Unterwäsche sehen, Jasmin hat echt geile ...«

»Dachte, du stehst auf die Franke?«

»Ja, klar! Der kann von den Weibern hier keine das Wasser reichen! Aber trotzdem, hast du Jas ...«

»Komm jetzt!«, unterbrach ihn Taylor und Tim folgte ihm. Taylor war froh, Annabell nicht nackt gesehen zu haben. Natürlich hätte ihn das gereizt, allerdings sollte dies unter anderen Bedingungen geschehen. Sein größter Wunsch wäre, sie kämen zusammen und alles andere würde sich ergeben.

Da Jasmin den Sportlehrer immer noch in ein Gespräch verwickelt hatte und er eine Notiz ins Klassenbuch schrieb, bemerkte Herr Perentus nicht, wie die zwei Jungs zu den anderen liefen.

Kapitel 3

Am Abend saß Taylor in seinem Zimmer und zockte an der Spielekonsole. Nachdem er am Nachmittag damit beschäftigt gewesen war, die halbe Wohnung von den Überresten seiner Geburtstagsfeier zu befreien, hatte er für sich entschieden, dass er eine Belohnung verdient hatte.

Er steckte die ‚Super Mario Kart‘ Kassette in die Konsole und bevor das SNES-Logo verschwand, schaltete er das Gerät wieder aus. In Gedanken verloren, was Annabell geträumt haben könnte, legte er eine CD in seine alte Playstation und begann ‚Rally Cross‘ zu spielen.

Während sein Geländewagen auf matschigen Untergrund den Anschluss der anderen drei Gegner verlor, starrte Taylor auf eins der Regale, welches über dem Fernseher hing. Dort stand ein Klassenfoto vom letzten Jahr.

Die Ungewissheit über Annabells Gefühlswelt zermürbte ihn. Genervt warf er den Controller in sein Regalfach und schaltete die Stromleiste aus. Es dauerte keine zehn Minuten und Taylor lag im Bett und sah gedankenverloren an die Decke.

Hat sie von mir geträumt oder von dem Penner aus der Paraklasse?

Unruhig wälzte er sich im Bett hin und her. Er wusste nicht, wie müde er war. Keine Minute später übermannte ihn der Schlaf. Er begann zu träumen. Er schwebte knapp unter der Decke seines Zimmers und sah sich selbst im Bett liegen. Um ihn herum war es still. Ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam ihn. Er vollführte Schwimmbewegungen, aber es gab kein Vorankommen.

Auf einmal sah er vor seinen Augen einen grellen weißbläulichen Lichtblitz und als er die Lider öffnete, stand er wieder am weißen Strand. Wie in den vorherigen Träumen trug seine Angebetete nur ihr weißes Seidentuch und winkte ihn herbei.

Es ist nur ein Traum! Es ist mein Traum, also kann ich tun und lassen, was ich will.

Taylor näherte sich ihr.

Traum oder nicht, es fühlt sich so intensiv an, wie sie mich anguckt. Warum zittere ich am ganzen Körper? Wieso ist hier so eine Bullenhitze? Fuck! Was ist los mit mir?

Sie standen sich gegenüber und er legte seine Hand auf ihre Wange. Seine Lippen waren spröde, bis er sie auf ihre drückte. Ihre Gesichter entfernten sich einige Zentimeter.

Verdammt tut das gut. Sie… schmeckt irgendwie nach…

Taylor dachte den Gedanken nicht zu Ende und küsste sie erneut. In Taylors Körper kribbelte es wie eine Horde roter Ameisen, die wütend seine Haut von innen attackierten. Er wollte ihr das Tuch, das ihre Blöße bedeckte, ausziehen.

Gleichzeitig sah er auf einer Sanddüne eine dunkle Gestalt. Sie stand weit entfernt, dennoch hörte er, wie sie flüsterte: »Weiter, weiter!«

Die Stimme klang dunkel und bestimmend. Taylor blinzelte einmal, da war sie verschwunden. Wie aus dem Nichts stand die geheimnisvolle Gestalt jetzt direkt neben ihm. Taylor wollte schreien, aber er war zu paralysiert.

Sie war in Schwarz gehüllt und ihr Gesicht war unter einer Kapuze verborgen.

Sie flüsterte Taylor ins Ohr: »Weiiiteeer! Taaaylooor!«

Jetzt zuckte der Teenager, als wären seine Glieder aus der Starre erwacht. Annabell starrte ihn mit großen Augen an, sie begriff nicht, was vor sich ging. Als Taylor seinen Kopf in die Richtung drehte, aus der die Stimme kam, traf ihn wieder ein Lichtblitz. Einen Augenblick später stand er auf einem Teppich. Er spürte Flokati unter seinen Füßen. So einen Vorleger hatte er auch in seinem Zimmer, aber er erkannte schemenhaft andere Möbel. Die Tür befand sich auf der anderen Seite. Das Bett war kleiner als seins. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt.

Wo bin ich hier? Man sieht sehr wenig. Was für ein Licht kommt da durch das Fenster? Mondlicht oder ist das der Schein einer Straßenlaterne? Wer liegt da im Bett … Nein! Das kann nicht sein! Wie ist das möglich?

Ihn traf fast der Schlag. Für einen kurzen Moment hörte er auf zu atmen. Im Bett vor ihm ruhte seine heimliche Liebe und zeigte sich halb zugedeckt. Sie trug einen gelben Satin-Pyjama mit Knöpfen. Der Stoff glänzte im Licht, wenn sie sich bewegte. Er wandte sein Blick von ihr ab, um sich im Zimmer zu orientieren. Jetzt erkannte er auf einer Kommode einige Aufstellfotos. Er hielt die Bilder ins Licht. Auf einem war ein kleines Mädchen auf einem Fahrrad. Das sah ihr ähnlich. Auf einem anderem, da war sie so groß wie jetzt, kniete sie vor einem weihnachtlich geschmückten Tannenbaum und hielt stolz ihr Geschenk in die Höhe.

Taylor sah wieder zu ihr rüber.

Was zum Teufel geht hier ab? Was und vor allem wie kam ich hierher?

Der Teenager hielt sich die Hand vor dem Mund und atmete leise hindurch.

Träum ich noch, oder was? Sie sieht so süß aus und … hier riecht es echt verführerisch nach Pfirsich. Genau wie in meinem Traum mit ihr. Wie kann…

Er musste sich zusammenreißen. Annabell drehte sich im Bett auf die andere Seite, vom Fenster weg. Taylor sah, wie ihre Pupillen unter den geschlossenen Augenlidern im rasanten Tempo hin und her huschten. Er fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Ein Blick an sich hinunter, verriet ihm, zu seinem Bedauern, dass er nur Boxershorts trug. So war er vorhin zu Bett gegangen und jetzt stand er hier vor Annabells Bett, in Shorts.

Das schlafende Mädchen drehte den Kopf von links nach rechts. Sie erweckte den Eindruck, dass sie immer noch am Träumen wäre. Taylor versuchte sich ein Bild von seiner ungünstigen Lage zu machen. Er zog mit zwei Fingern vorsichtig die Lamellen der blauen Jalousie nach unten und sah aus dem Fenster. Zu seinem Unglück lag ihr Zimmer nicht im Erdgeschoss. Er schlich langsam zur Zimmertür, warf noch einen Blick auf sie und verließ geräuschlos den Raum. Im Flur bewegte er sich so leise wie möglich zur Treppe.

Hoffentlich hat Annabells Familie keinen Köter. Das wäre echt übel.

Das Gefühl, einen Presslufthammer in der Brust zu haben, störte ihn gewaltig. Er schlich an einer dunklen altmodischen Kommode vorbei. Die Treppe mit einem glatten Holzgeländer war ihm wohlgesonnen und knarrte nur einmal, als er die letzte Stufe betrat. Er schlich weiter durch den unteren Flur.

Er hörte Schritte, das Licht ging erst oben an, dann wurde der untere Flur beleuchtet.

Oh, Kacke, kacke, kacke. Was mach ich jetzt?

Hektisch sah sich Taylor um. So schnell er konnte, hastete er leise in den nächstgelegenen Raum.

Das Wohnzimmer!

Er duckte sich hinter einem breiten Ohrensessel und lugte vorsichtig in den beleuchteten Flur. Taylor konnte von dort durch den Flur bis in die Küche gucken. Annabells Vater ging dorthin, schaltete das Licht an, kratze sich am Bauch und nahm aus einem Hängeschrank ein Glas heraus. Er schüttete sich Wasser hinein, trank es in einem Zug leer und Taylor hörte, wie er aufstieß. Daraufhin stellte der Mann das Glas in die Spüle, löschte alle Lichter und verschwand nach oben.

Taylor atmete tief durch, verließ sein Versteck und schlich zur Haustür.

Jackpot, der Schlüssel steckt!

Er schloss sie auf, öffnete sie und verließ das Haus. Sofort blies ein eiskalter Wind um seinen Körper. Er schüttelte sich und rieb sich die Oberarme. Die Tür musste er zuziehen, damit sie ins Schloss fiel. Der kurz auftretende Knall musste den Vater gewarnt haben, bevor er erneut die Tür zum Schlafzimmer schloss. Denn im Hausflur schaltete sich wieder das Licht an. Taylor konnte sich hinter einer Hecke im Vorgarten verstecken und sah wie sich hinter der Glasfront der Eingangstür etwas bewegte. Die Haustür wurde geöffnet. Annabells Vater schaltete das Licht an, das einen Teil des Hofes und die Wiese mit Helligkeit flutete. Man sah seinen mürrischen schlaftrunkenen Blick, der nach beiden Seiten ging.

Bitte, bitte find mich nicht! Ich bin nicht da! Du siehst mich nicht. Hoffentlich… sieht mich auch kein Fußgänger.

Taylor beobachtete mit schnellen Atemzügen wie Annabells Vater ein Schulterzucken von sich gab und wieder im Haus verschwand. Die Flutlichtanlage wurde gelöscht und kurz darauf leuchtete auch kein Licht mehr im Flur. Der Nachtwanderer traute sich aus seinem Versteck aus Ästen und Blättern und sah sich in der Gegend um, um sich zu orientieren. Er war im so genannten Blumenviertel der Stadt gelandet.

Hier standen die richtig prächtigen Häuser von reichen Familien. Hier lebten Rechtsanwälte, Ärzte und Unternehmer der Kleinstadt Tür an Tür oder Grundstück an Grundstück. Es war für den Außenstehenden ungewiss, ob die Häuser den Bewohnern gehörten oder der Bank.

Die wohlhabende Gegend stampfte man nach und nach aus dem Boden. Wo vor einem Vierteljahrhundert noch Kühe auf saftigen Wiesen grasten und Wanderpfade für Menschen Erholungsmöglichkeiten boten, stand jetzt eine noble Wohngegend. Eines Tages würde Taylor hier genauso wohnen wollen, aber nicht jetzt. Jetzt fühlte er sich fehl am Platz. Zumal er ohne Klamotten herumlief.

Taylor rechnete sich aus, dass er eine volle Viertelstunde im Laufschritt benötigen würde, bis er wieder zu Hause wäre. Der frostige Wind blies unerbittlich und ein kontinuierliches Zittern begleitete seinen Lauf. Er verschränkte die Arme, um den Brustkorb vor einer Erfrierung zu schützen. Er lief die lange Wandalbertstraße entlang. Gerade als er an seiner Hauptschule vorbeikam, sie vermittelte einen düsteren Eindruck, wenn kein Licht dort brannte, hörte er von irgendwoher undefinierbares Gelalle.

Schnell sprang er hinter eine Hecke. Als die nächtlichen Abenteurer, die von ihrer Stammkneipe nach Hause zu gehen versuchten, Arm in Arm vorüber torkelten, verließ er sein Versteck und lief weiter. Wieder kam jemand auf seiner Straßenseite entgegen. Schnell sprang er hinter einen Müllcontainer und ein brennender ziehender Schmerz durchzog seinen Fuß. Sein Zittern war wie weggeblasen. Er biss sich, um keinen Laut von sich zu geben, kraftvoll in den Handrücken. Als die Gefahr vorüber war, humpelte er in den Lichtkegel der Straßenlaterne und sah sich seinen rechten Fuß an.

Scheiße, das auch noch! Eine verdammte Scherbe. Mensch, das brennt voll! Die steckt noch drin. Ich muss…

Taylor biss die Zähne zusammen und zog unter einem ziehenden Schmerz den zentimeterlangen grünen Glassplitter aus dem Fußballen. Eine Blutlinie zierte die scharfe Kante der Scherbe. Er spürte, wie die Wunde pochte. Er hatte nichts dabei um seinen Fuß einzuwickeln und humpelte unter sporadischem Zucken weiter den Weg entlang. Taylor bog am Ende der Straße nach rechts ab.

Nach einigen Minuten verließ er die Kalvarienbergstraße und rannte, sofern es der Schmerz zuließ, den Fuhrweg hinunter.

Wieso zum Geier brennt hier keine Lampe, das ist doch echt zum Kotzen, moserte er und verfluchte dafür die Stadt. Als er nach oben sah und hinter den Dächern am Horizont die beiden Kirchtürme der Basilika erspähte, stimmte ihn das fröhlicher. Diese waren immer hell erleuchtet.

Nach weiteren drei Versteckspielen stand er endlich vor seiner Haustür und erneut plagte ihn Unmut.

Witzig, ich hab ja gar keinen Schlüssel, wie soll ich denn… ich hätte ja nicht mal im Traum daran gedacht, heute Nacht vor meiner Haustür zu stehen. Was mach ich jetzt? Wenn ich klingel, muss ich Mom und Dad was sagen können. Und was? Die glauben doch, ich hab einen an der Klatsche! Und Meggy, die doofe Nuss, die lacht mich bestimmt aus.

Taylor war verzweifelt. Er wusste selber nicht, wie er in diese Lage gekommen war. Die einzige plausible Erklärung, die seine Familie ihm vielleicht abnahm, wäre, er sei schlafgewandelt. Er wollte gerade auf dem Absatz, in seinem Fall Ferse, kehrtmachen, um bei seinem Kumpel Zuflucht zu finden, da sah er schon Tims verdatterten und verschlafenen Gesichtsausdruck vor sich. Taylor wusste, dass Tim zu neugierig werden würde. Wieso so spät in der Nacht? Wieso nur in Boxershorts? Dann kam Taylor ein Geistesblitz. Seine Mutter hatte für Notfälle immer einen Ersatzschlüssel bei den Mülleimern in der Nähe des Kellers deponiert.

Taylors Finger waren fast taub. Er hatte Schwierigkeiten, etwas zu fühlen. Obendrein gab der Restmülleimer einen widerlichen Geruch ab. Vorsichtig stieg er auf ihn drauf und kramte oberhalb des Türrahmens nach dem Haken, wo der Ersatzschlüssel hängen musste.

Mensch, wo steckt das Scheißding? Ich frier mir hier echt den Arsch ab! Mom hat den doch irgend … Ha, endlich.

Seine Fingerspitzen waren staubig und in Spinnweben eingehüllt, aber triumphierend wog er den Schlüssel in seiner Hand. Leise schloss er die Haustür auf, schlich hinein und huschte rauf ins Bad. Als das Antiseptikum seine verletzte Haut tränkte, schossen ihm Tränen in die Augen und er biss erneut die Zähne zusammen, um nicht lauthals loszuschreien. Nachdem er seine Füße von Dreck und kleinen Steinchen gereinigt hatte, klebte er auf seine Schnittverletzung ein Pflaster und lief leise hinunter in die Küche. Mit einer befeuchteten Serviette entfernte er die kleinen Blutspuren, die er auf dem Boden hinterlassen hatte. Die Flecken zogen sich von der Eingangstür bis rauf zum Bad.

Meine Fresse! Mein Glück, dass Dad doch keinen Teppichboden verlegt hat. Fliesen sind echt einfacher zu reinigen.

Als Taylor wieder im Bett lag, versteckte er seinen Kopf nachdenklich unter der Decke und hörte in der Stille den Herzschlag zu, wie er langsam wieder einen normalen Rhythmus annahm. Taylor spielte die letzte Stunde nochmal vor seinem inneren Auge ab.

Was passiert hier? Wieso landete ich bei Annabell, war ich das etwa? Oder hat sie das getan? Wie hat sie das gemacht? Was passiert, wenn ich gleich wieder einschlafe? Oh, Mann, das glaubt mir kein Schwein.

Taylor fühlte sich unwohl. Nochmal wollte er nicht irgendwo anders aufwachen. Er insistierte, wach zu bleiben, allerdings war sein Körper vom Laufen und den leichten, jedoch existierendem pochenden Schmerz am Fuß, erschöpft. Er wusste für seine nächtliche Eskapade keine sinnvolle Erklärung und schlief ein.

Kapitel 4

Am nächsten Tag ließ er sich nichts anmerken. Doch Tim bemerkte sein sporadisches Humpeln.

»Alter, du siehst voll fertig aus! Was hast du gestern gemacht? Und wieso humpelst du?«

»Alles soweit okay. Ich war laufen und hab mir irgendwie den Fuß verknackst. Wann machen wir mal wieder eine Fahrradtour nach Pronsfeld oder so?«, versuchte Taylor, von seinem Fuß abzulenken.

»Im Moment klappt das nicht«, antwortete Tim, »mein Bike hat einen Platten. Ich brauche neue Reifen. Gute Gummis zu finden ist schwierig. Will keine 08/15 Dinger, verstehst du?« Taylor nickte. Ihm fiel auf, dass Lisa alleine auf ihrem Platz saß und bevor er fragen konnte, kam Tim ihm zuvor.

»Hey Lisa, mein Schatz. Wo zum Teufel ist deine Banknachbarin?«

»Bin nicht dein Schatz, Tim! Klaro?! Annabell ist krank. Kopfweh oder sowas. Sie kommt wieder. Keine Sorge!«

Tim schenkte ihr ein missbilligendes »Phhh!« und wandte sich wieder seinen Büchern zu. Die Unterhaltung aller wurde abrupt beendet, als die Erdkundelehrerin hereinkam und der Unterricht begann.

Was hat sie nur? Während Taylor überlegte, umkreiste sein Finger das Erdenbild auf dem Schulbuch.

Haben ihre Kopfschmerzen was mit der letzten Nacht zu tun, oder ist das reiner…

»Taylor, hast du mich verstanden?«, hörte er plötzlich die Lehrerin sagen. Verwirrt sah er die anderen an. Ein Kichern und ein Gemurmel wehte durch die Klasse und Taylor wurde rot. Er konzentrierte sich auf den fortlaufenden Unterricht und verlegte seine Gedankengänge auf die Freizeit.

Am Abend lag Taylor im Bett und sah an die Decke. Die Schmerzen in seinem Fuß hatten nachgelassen. In ein paar Tagen würde von der Wunde nur noch eine kleine Narbe bleiben, die mit der Zeit verblassen wird.

Während er die fluoreszierenden Sternaufkleber beobachtete, die seine Mutter vor Jahren über das Bett geklebt hatte, stellte er sich seinen nächsten Traum vor. Er brauchte Klarheit.

Wenn ich es mir stark vorstelle, dann müsste ich doch vom Strand erneut träumen.

Langsam erschwerten seine Lider und er schlief ein. Wie in der Nacht zuvor trat ein grelles bläuliches Blitzen auf. Als es erlosch, regierte wieder die Dunkelheit. Einen Sekundenbruchteil darauf wurde er von einem hellen Licht geblendet. Nachdem sich seine Sicht verbesserte und er wieder klarer sehen konnte, erkannte er einen Strand.

Bin ich wieder am gleichen Ort wie gestern? Irre, es ist ein Traum, aber es fühlt sich so echt an. Alles ist so klar. Ich spüre den Sand zwischen meinen Zehen, ich spüre den warmen Wind und… ich schmecke Salz auf der Zunge. Wahnsinn.

Taylor horchte den rauschenden Wellen.

Er hob seinen verletzten Fuß und sah das Pflaster dort kleben. Vorsichtig ging er über den Sand und hoffte, dass es nicht abfiel. Auf Sandkörner in der Wunde konnte er gut verzichten. Taylor lief ein paar Schritte und sah jetzt Annabell am Strand stehen. Sie schaute auf das tosende Meer. Obwohl sie nur ihr reizvolles Seidentuch trug, beschäftigte ihn im Moment nicht ihre erotische Ausstrahlung.

Er stellte sich neben sie, schaute ebenfalls aufs Meer und fragte: »Jetzt verrate mir, warum ich ständig von dir träume.«

»Wieso du? Ich dachte, das ist mein Traum! Ich müsste eher dich fragen, was du hier tust!«

Taylor sah sie an und sie erwiderte seinen Blick.

»Jede Nacht, Annabell. Seit über einem Monat! Seit zwei Tagen sind die Träume noch intensiver geworden.«

Sie strich mit ihren Zehen ein Herz in den weißen Sand, das die nächste Flut wieder fortspülte, und antwortete:

»Dann ist es wohl so. Ich habe mich in dich verliebt. Ich träume andauernd von dir. Nein, das kann nicht sein. Wir … haben doch nichts miteinander zu tun.«

Sie sah an sich herunter.

»Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich dieses Tuch trage.«

Sie stockte.

»Nur dieses Tuch!«

Taylor wollte was sagen, als ihn plötzlich ein greller Blitz blendete. Abrupt wachte er auf und saß aufrecht in seinem Bett.

»Das … ist doch … was ist los mit mir? Was geht hier ab?«, sagte er laut, obwohl er alleine im Zimmer war. Am nächsten Schultag beobachtete Taylor Annabells Verhalten ganz genau.

Er ertappte sie dabei, wie sie ihn mit ihren Blicken durchbohrte. Sobald sie bemerkte, dass er sie ansah, drehte sie ihren Kopf in eine andere Richtung und warf ihr blondes Haar durch die Luft. Keiner von beiden sagte ein Wort.

In der Nacht darauf wollte Taylor einen Beweis, dass sie von ihm träumte. Als er wieder mit ihr am Strand stand, sagte er:

»Wir wollen doch beide wissen, wessen Traum das hier ist, oder?« Annabell nickte still.

»Dann versuchen wir es mal anders«, schlug Taylor vor.

»Morgen kommst du in der Schule auf mich zu und sagst das Wort ‚Strand‘.«

Das Mädchen sah ihn skeptisch in die Augen und wiederholte: »Strand?« Taylor nickte.

»Ja genau. Wenn ich mit diesem Wort nichts anfangen kann und ich dich frage, was du damit meinst, dann sagst du einfach sowas wie, ach nichts, schon gut ...«

Annabell sah nachdenklich aus.

»Weißt du, was ich meine?«, bohrte Taylor.

»Ist zwar gewagt, aber okay. Trotzdem frage ich dich nochmal, warum trage ich nur ein Seidentuch?« Taylor sah sie an und an sich hinunter.

»Keine Ahnung, mir gefällt es. Ich stehe ja auch nur in Boxershorts vor dir … schon komisch.«

»Was ist komisch?«

»Ich bin mit denen zu Bett gegangen und trage sie auch im Traum. Aber … versteh mich nicht falsch. Du siehst in dem Tuch echt heiß aus und ... normalerweise trägst du doch einen gelben Satin-Pyjama …«

Auf einmal ereilte Taylor das ihm bekannte bläuliche Blitzen und auf der anderen Seite der Stadt schnellte Annabell ruckartig aus ihrem Schlaf. In ihrem Kopf hallten immer noch die letzten Worte Taylors. In der Stille des Zimmers hörte sie trotz ihres schnellen Atems auch ihr Herz wie wild schlagen. Sie sah an sich hinunter, strich mit ihrer Hand über den Stoff ihres Pyjamas und bekam ein starkes Gänsehautgefühl.

Das war jetzt echt verrückt. Wieso spukt er in meinem Kopf rum. Will ich wirklich was von ihm? Er gefällt mir und ist witzig… manchmal ein Macho. Er hat schöne braune Augen. Wo er mich eben angeschaut hat… da hat es überall gekribbelt. Irgendwas Anziehendes hat Taylor ja. Auf jeden Fall ist er… nicht so ein Arsch wie Tim! Trotzdem soll ich wirklich morgen zu ihm…

Sie konnte den Gedanken nicht zu Ende führen und wurde vom Schlaf wieder eingeholt.

Taylor hingegen saß in seinem Zimmer auf dem Bettrand und war fassungslos.

»Was zum Geier passiert hier? Das kann doch nur ein Traum sein …«

Zur Sicherheit zwickte er sich.

»Autsch!«

Nein, leider nicht. Ich bin sowas von wach! Verlier ich jetzt vollkommen den Verstand? Oh Mann!

Mit diesen Gedanken sank er ins Kissen zurück und ließ die vergangenen Minuten nochmal Revue passieren. Alles hing jetzt vom morgigen Tag ab. Taylor war gespannt auf Annabells Verhalten. In Gedanken an ihr strahlendes Gesicht schlief er ein, ohne weitere Träume zu haben.

Am nächsten Morgen spürte er in der Schule ihre skeptischen Blicke in seinem Nacken.