Drehort Schweiz - Thomas Blubacher - E-Book

Drehort Schweiz E-Book

Thomas Blubacher

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Beschreibung

Wussten Sie, dass der erfolgreichste Schweizer Film aller Zeiten im sankt-gallischen Wil und im Tessiner Dorf Carona gedreht wurde, die kostspieligste Fernsehserie in Haut-Intyamon im Kanton Fribourg und im Glarner Dorf Diesbach? Von Aarau bis Zwieselberg zeigt Thomas Blubacher in seiner kenntnis- und anekdotenreichen Darstellung von Schweizer Drehorten auf, wo Jason Bourne seine Identität sucht, Papa Moll wohnt, Wachtmeister Studer, Max Männdli und Nestor Burma ermitteln, James Bond und Sherlock Holmes in die Tiefe stürzen. Wo immer möglich bis zur Angabe der Hausnummer erfahren wir, in welchem Weiler der Gasthof von Kohlhiesel steht und in welcher Strasse das Haus des Bäckers Zürrer, an welchen Orten Al Pacino, Juliette Binoche und Robert Downey jr. vor der Kamera standen, Clint Eastwood, Margrit Rainer und Alec Guinness, Louis de Funès, Max Hubacher und Sophia Loren.

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Wussten Sie, dass der erfolgreichste Schweizer Film aller Zeiten im sankt-gallischen Wil und im Tessiner Dorf Carona gedreht wurde, die kostspieligste Fernsehserie in Haut-Intyamon im Kanton Fribourg und im Glarner Dorf Diesbach?

Von Aarau bis Zwieselberg zeigt Thomas Blubacher in seiner kenntnis- und anekdotenreichen Darstellung von Drehorten in sämtlichen Schweizer Kantonen auf, wo Jason Bourne seine Identität sucht, Papa Moll wohnt, Wachtmeister Studer, Max Männdli und Nestor Burma ermitteln, James Bond und Sherlock Holmes in die Tiefe stürzen. Wo immer möglich bis zur Angabe der Hausnummer erfahren wir, in welchem Weiler der Gasthof von Kohlhiesel steht und in welcher Strasse das Haus des Bäckers Zürrer, an welchen Orten Al Pacino, Juliette Binoche und Robert Downey jr. vor der Kamera standen, Clint Eastwood, Margrit Rainer und Alec Guinness, Louis de Funès, Max Hubacher und Sophia Loren.

Der Zytglogge Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2024 unterstützt.

Autor und Verlag danken für die Unterstützung

© 2022 Thomas Blubacher

Zytglogge Verlag, Schwabe Verlagsgruppe AG, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Thomas Gierl

Coverfoto: Max Hubacher bei den Dreharbeiten

zur Fernsehserie FRIEDEN, © SRF / Sava Hlavacek

Umschlaggestaltung: Hug & Eberlein, Leipzig

E-Book-Produktion: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book: 978-3-7296-2389-7

www.zytglogge.ch

UND … ACTION, BITTE!

Hier krönte man Karl den Kahlen zum Kaiser, da reimte Rilke, dort malte Monet. Seit jeher pilgern Reisende zu den Wirkungsstätten von Herrschern und Heiligen, Dichtern, Denkern und Künstlern. Längst gilt auch der Kintopp als Kunst – weshalb also sollten Kulturaffine nicht auch die ikonischen Orte der Kinematographie aufsuchen? Oder anders formuliert: Logisch, dass Fans sehen wollen, wo James Bond seinen Verfolgern entwischte. Mittlerweile haben viele Städte und Regionen ihr filmtouristisches Potential erkannt und werben offensiv mit ihren Locations. Vorgemacht hat das Neuseeland. Als die Besucherzahlen nach dem Erfolg der HERRDER RINGE-Trilogie stiegen, vermarktete man sich als «Home of Middle-Earth» und die Drehorte als Teil des Urlaubserlebnisses. Auch in die Schweiz kommen Hunderte aus Indien, um die Schauplätze des kurz DDLJ genannten Megablockbusters DILWALE DULHANIA LE JAYENGE zu bestaunen, oder aus Korea, um einmal im Leben auf derselben Brücke zu stehen wie das endlich vereinte Liebespaar in der Netflix-Serie CRASH LANDINGON YOU. Nun muss die Filmleidenschaft nicht gleich der ausschlaggebende Grund für eine Weltreise sein, vielleicht motiviert sie aber dazu, während eines Ausflugs einen leinwandvertrauten Flecken aufzusuchen oder sogar in der eigenen Gemeinde Motive zu entdecken. Das Tourismusbüro Aarau hat erfolgreich eine Tour «Auf den Spuren des Bestatters» angeboten, Latsch weist mit Schautafeln auf HEIDI hin, und seit vielen Jahren führt so manche Vereinsexkursion an die Schauplätze der Gotthelf-Verfilmungen.

Jene Szenen im Actionstreifen THE BOURNE IDENTITY mit Matt Damon, die in Zürich spielen, wurden jedoch nicht dort, sondern in Prag gedreht, die Genfer Bank, vor der Leonardo DiCaprio in Martin Scorseses THE WOLFOF WALL STREET vorfährt, steht in London, und wenn Joseph Gordon-Levitt als Titelheld von Oliver Stones SNOWDEN auf dem Roller durch Genf braust, erkennt man die Münchner Ludwigstrasse. Schon 1928 nahm Hollywoods Starregisseur Ernst Lubitsch das Stummfilmdrama ETERNAL LOVE / DER KÖNIGDER BERNINA nicht im Engadin, sondern in den kanadischen Rocky Mountains auf. Der Gorilla, dem Stan Laurel und Oliver Hardy in SWISS MISS aus dem Jahr 1935 auf einer schwankenden Hängebrücke begegnen, ist für die alpine Fauna so untypisch wie im zweiten Teil von WALL STREET die rote Strassenbahn für Zürich, durch das sie angeblich fährt. Dafür zerstückelt Klaus Kinski als JACKTHE RIPPER seine Opfer nicht im nebligen London, sondern an der künstlich vernebelten Limmat, und in der Anfangssequenz des James-Bond-Streifens A VIEWTOA KILL / IM ANGESICHTDES TODES fliegt ein Flugzeug angeblich über Island, zu sehen ist aber der Piz Scerscen im Kanton Graubünden.

Nicht immer also war die Schweiz Schauplatz und Drehort zugleich, doch nennt allein die «Internet Movie Database» rund fünftausend Produktionen, die hier realisiert wurden. Dass diese nicht vollständig vorgestellt werden können, ist leicht nachzuvollziehen, dass der eine just seinen Lieblingsfilm, die andere ausgerechnet ihren Heimatort vermissen wird, war leider nicht zu vermeiden. Ausgewählt wurde ein Querschnitt von Film-, aber auch Fernsehproduktionen aller Genres aus sämtlichen Jahrzehnten und Kantonen, Klassiker, Kassenknüller, Einschaltquotenhits und ein Musikvideo mit Kultstatus ebenso wie schon beinahe in Vergessenheit geratene Streifen, wobei die zugemessene Zeilenzahl nicht unbedingt dem Erfolg oder der filmhistorischen Bedeutung entspricht.

Kommen Sie also mit auf eine Reise zu den Drehorten des erfolgreichsten Schweizer Kinofilms aller Zeiten und der bis dato kostspieligsten Fernsehserie, lernen Sie die Locations kennen, an denen Wachtmeister Studer, Maigret, Max Männdli und Nestor Burma ermittelten, Sherlock Holmes in die Tiefe stürzte, Papa Moll wohnte und Jason Bourne seine Identität suchte – wo es möglich war, mit präzisen Adressangaben. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten entbehren vergleichbare Publikationen nicht des Hinweises, man möge die Privatsphäre jener Menschen respektieren, die heute die erwähnten Liegenschaften bewohnen, vermutlich weil andernfalls dem Verlag Klagen in zweistelliger Millionenhöhe drohen. Bei uns in der Schweiz versteht sich die bekanntlich als landestypisch hochgelobte Diskretion von selbst.

Sortiert sind die Einträge nach politischen Gemeinden. Dass etwa das legendäre Würzbrunnen-Kirchlein unter Röthenbach BE aufgeführt wird, erschliesst sich dem Ortsunkundigen durch einen Index im Anhang. Ein zweites Register hilft bei der schnellen Suche nach Original- wie deutschsprachigen Verleihtiteln allen, denen die Musse fehlt, das Buch von Aarau bis Zwieselberg zu durchschmökern.

AARAU AG

Regelmässig genehmigt sich der ehemalige Kriminalpolizist Luc Conrad (Mike Müller), der unterstützt von Erika Bürgisser (Suly Röthlisberger) und dem skurrilen Lehrjungen Fabio Testi (Reto Stalder) das Bestattungsinstitut seines verstorbenen Vaters führt, in der vom 8. Januar 2013 bis 12. Februar 2019 ausgestrahlten Fernsehserie DER BESTATTER eine Bratwurst bei Ömer’s Imbiss am Graben 22. Der schmucklose Wagen war anfänglich das Highlight des ab August 2014 vom Tourismusbüro Aarau angebotenen Rundgangs «Auf den Spuren des Bestatters», der schweizweit einzigen Thementour zu den Drehorten einer Serie; rund 50 öffentliche und bislang 230 private Gruppenführungen fanden statt. Ende 2016 verkaufte der 81-jährige Ömer Akyüz, der Aarau dreissig Jahre lang versorgt hatte, sein Unternehmen an Faik Rrafshi, der es nach Buchs dislozierte. Die Produktionsfirma wollte den Wagen unbedingt wieder am Set, also am Graben, haben, doch fehlte die Strassenzulassung, also musste ein Ersatzwagen mit Ömer-Schild Abhilfe schaffen. Heute finden Fans das Original als Faik’s Imbiss in der Wildeggerstrasse 5 in Niederlenz AG.

«Bestattungsinstitut Conrad, Flösserstrasse 7, 5000 Aarau» lautet die fiktive Adresse auf dem Leichenwagen; als Drehorte dienten in der ersten Staffel eine 8-Zimmer-Villa in der Susenbergstrasse 89 in Zürich, in der man einen Aufbahrungsraum und Conrads Junggesellenwohnung einrichtete, dann das 1909/10 errichtete Kesselhaus in der Stroppelstrasse 25 in Untersiggenthal AG. Die Wohnung von Kommissarin Anna-Maria Giovanoli (Barbara Terpoorten) hingegen findet man tatsächlich in Aarau, nämlich im Haus Adelbändli 2, von wo es nicht weit zum Restaurant Halde im Halden 20 ist. Polizist Reto Dörig (Samuel Streiff) wohnt in der Delfterstrasse 37, die leerstehende Liegenschaft Heinerich-Wirri-Strasse 3, seit 2020 Sitz des städtischen Steueramts, wurde zum «Amthaus II». Sein Znüni kauft Conrad in der Bäckerei Schweizer in der Metzgergasse 7. Gedreht wurde in der Rathausgasse, wo der Eingang des Hauses Nr. 6, damals ein Möbelgeschäft, zu einer Model-Agentur führt und Conrad in der Bijouterie Bolliger im Haus Nr. 23 ermittelt. Ebenso im Mr. Pickwick Pub am Graben 6, beim Wehrmänner-Denkmal vor dem Haus Graben 34, im Kunsthaus am Aargauerplatz 1, in der Hirslanden Klinik im Schänisweg 4, die als «Klinik Aarholz» fungierte, im Grossratsgebäude in der Oberen Vorstadt 10, in einem Beautysalon in der Vorderen Vorstadt 15, im Stützpunkt Aarau der Kantonspolizei in der Laurenzenvorstadt 12, auf dem Friedhof Rosengarten am Rosengartenweg 1 und in dessen Krematorium. Eine zentrale Rolle in STIEREBLUET spielt die Vinothek La Passion du Vin in der Laurenzentorgasse 7. In UNTER DER ERDE wollen Giovanelli, Dörig und Pedro Lambert (Carlos Leal) der Organhandel-Mafia das Handwerk legen. Als «Hotel Adria», in dessen Keller Transplantationen vorgenommen werden, flimmerte das Hotel Argovia in der Kasernenstrasse 24 über die Bildschirme. Aus dem Hotelkeller geht es hinab in die im 18. Jahrhundert angelegten Meyerstollen; da diese zu eng waren, wurde aber im Versuchsstollen Hagerbach an der Polistrasse 1 in Flums SG gefilmt. Der Altenpfleger Erich Bülow wird in LETZTE RUNDE auf der Baustelle des im März 2016 eröffneten Hotels Kettenbrücke am Zollrain 1 erschossen, ermittelt wird an seinem Arbeitsort, für den das Pflegeheim Herosé im Effingerweg 9 als Location diente. In BLUTSBANDE liegt die Leiche eines Obdachlosen im Gerechtigkeitsbrunnen bei der Stadtkirche. Auf der Tribüne der Pferderennbahn Schachen an der Schwimmbadstrasse 18 treffen sich Conrad und Testi in ASCHE AUF DEIN HAUPT. Echte Vierbeiner waren bei dem Dreh keine anwesend, also verfolgten die 120 herausgeputzten Statierenden, deren Cüpli-Gläser mit günstiger Prix-Garantie-Apfelschorle gefüllt waren, die vorbeisprintende Regieassistentin.

Aufnahmen fanden fast im gesamten Kanton Aargau statt. Im Schloss Hallwyl an der Boniswilerstrasse 38 in Seengen AG wird in GESPENSTER die schöne Céline Zumthor erhängt aufgefunden. Ein weiterer markanter Schauplatz war der mit einer Höhe von 25 Metern und einem Stammumfang von elf Metern mächtigste Baum des Kantons, die Sommerlinde am Dorfeingang von Linn AG, auf dem Gemeindebann von Bözberg AG. In der zweiten Staffel zu sehen sind in STIEREBLUET das Restaurant Traube in der Hauptstrasse 58 und die Reben des Weinguts Wehrli am Goldackerweg in Küttigen AG, in SCHLACHTPLATTE die Metzgerei Strässle in der Tramstrasse 31 in Suhr AG, in der der Metzger Ruedi Latz kopfüber im brodelnden Wurstkessel hängt, in der dritten Staffel in der Episode DER ERSTE STEIN als «Kloster Josefsstein» die ehemalige Benediktinerabtei an der Marktstrasse 4 in Muri AG. Conrad sucht in der vierten Staffel die verschwundene Polizistin Giovanoli in «Morgenthal», für das die 1000-Seelen-Gemeinde Freienwil AG als Kulisse diente; gedreht wurde in der Bergstrasse, auf dem Friedhof, auf dem Giovanolis Mutter beerdigt wird, und in der Dorfstrasse; eine Schlägereiszene entstand im Weissen Wind in der Dorfstrasse 11, der den Namen «Restaurant Frohsinn» erhielt. Mankovsky (Peter Lohmeyer), der in der sechsten Staffel einen Therapiezirkel betreibt, wohnt in der ehemaligen Direktorenvilla der Firma Solvay am Rheinweg 3 in Bad Zurzach AG. Ein toter Schiedsrichter beschäftigt in der Folge DER UNBESTECHLICHE das Team; gedreht wurde mit rund 240 Statierenden im Stadion Brügglifeld am Weiherweg in Suhr AG – das Stadion hatte schon ein Jahr zuvor, genau gesagt am 22. Oktober 2016, als Location für den vor allem in → Baden AG spielenden Film FLITZER gedient. Das dramatische Serienfinale spielt sich in den 500 Meter südöstlich des Schlosses Liebegg gelegenen Sandsteinhöhlen von Gränichen AG ab.

Obgleich erst DER BESTATTER in Aarau für «Hollywood-Gefühl im Alltag» sorgte, wie die «Aargauer Zeitung» meinte, hatte man die mittelländische Kleinstadt schon knapp ein Jahrhundert zuvor auf Zelluloid gebannt: Im ursprünglich dreistündigen, später mehrfach gekürzten schweizerisch-amerikanischen Historien-Stummfilm DIE ENTSTEHUNG DER EIDGENOSSENSCHAFT aus dem Jahr 1924, der ersten Grossproduktion der helvetischen Filmgeschichte, ist der Schachen zu sehen. Regie führte der so überambitionierte wie überforderte Amateur Emil Harder. Das unter anderem in Seedorf UR, Königsfelden AG, in den Ruinen des Castello di Mesocco TI, am Aegerisee, in Sargans SG und Schwyz dilettantisch gedrehte Monumentalepos wurde von der Kritik vernichtet, Harder gilt als «Totengräber des Schweizer Stummfilms», so der Filmhistoriker Hervé Dumont.

Auch Bollywood kam nicht ohne die Aarauer Altstadt aus, zumindest für ein paar Sekunden: Im August 2014 wurden Sequenzen einer Tanzszene der Actionkomödie LUOKYAM in der Rathausgasse gedreht und später mit Aufnahmen unter anderem aus Sion VS und Fribourg zusammengeschnitten.

ALTSTÄTTEN SG

«Altstätten ist ja mein Heimatort, vieles in ROSIE ist autobiografisch, der Film eine Art Porträt meiner verstorbenen Mutter, aber wir haben nicht in meinem Original-Elternhaus gedreht», erzählt der Regisseur Marcel Gisler. «Ich wollte ein altes Haus, das noch nicht totsaniert ist.» So wurde das Balmerhaus in der Churerstrasse 3 vom 18. Juli bis 5. August 2012 das Zuhause der lebensfrohen und starrköpfigen Witwe Rosie Meran (Sibylle Brunner). «Das stand leer, die Gemeinde stellte es uns umsonst zur Verfügung, das war ihre Unterstützung, wir konnten alles benutzen und im oberen Stock auch das Produktionsbüro installieren.» Als Rosie einen Schlaganfall erleidet, reist ihr Sohn Lorenz (Fabian Krüger), ein schwuler Schriftsteller in akuter Schaffenskrise, aus Berlin nach Altstätten, wo sich seine Schwester Sophie wie eh und je vernachlässigt fühlt und ins familiäre Abseits nörgelt, trifft beim Einkaufen im Coop in der Rorschacherstrasse 34 den DJ Mario (Sebastian Ledesma) und beginnt eine Affäre mit ihm. Weitere Aufnahmen entstanden beim Bahnhof in der Bahnhofstrasse 73 und im 2020 durch einen Neubau ersetzten Gasthaus Ziel in der Trogenerstrasse 99, wo Lorenz beim gemeinsamen Familienessen in einem Aussichtslokal Markus (Hans-Rudolf Twerenbold), einen Freund seines Vaters trifft, mit dem Rosie aber nicht reden will; erst nach und nach kommt Lorenz dem Geheimnis des Verstorbenen auf die Spur. Vom Ziel führt ein Spaziergang zum Alpenhof in der St. Antonstrasse 62 in Oberegg AI. Im damals schon geschlossenen Restaurant Freihof in der Rorschacherstrasse 2 in Altstätten – heute findet man dort die neue Zentrumsüberbauung Freihof Passage – wurden die Party und die Szene in der Schwulensauna realisiert. Zuletzt zieht Rosie wie auch im wahren Leben Gislers Mutter doch noch ins Seniorenheim Haus Viva in der Bildstrasse 14, ohne ihre Affinität für Alkohol aufzugeben. Sibylle Brunner erhielt für die Titelrolle den Schweizer Filmpreis 2013, ROSIE wurde 2013 für den Europäischen Filmpreis nominiert und am Zürcher Filmfestival Pink Apple als bester Spielfilm ausgezeichnet.

ANNIVIERS VS

In den seit 2008 zu Anniviers gehörenden Dörfern Saint-Luc VS und Grimentz VS wurde 1923 unter der Regie von Jacques Feyder das Stummfilmdrama VISAGES D’ENFANTS / KINDERGESICHTER realisiert, bei seinem Kinostart 1925 ein eklatanter Misserfolg, der heute aber wegen des authentischen Spiels der Kinderdarsteller und innovativer Kameraeinstellungen als erstes Meisterwerk des Schweizer Films gilt. Pierre Amsler (Victor Viga), der Bürgermeister von Saint-Luc, bleibt nach dem Tod seiner Frau mit seinen beiden Kindern Jean (Jean Forest) und Pierette zurück und liiert sich bald mit der jungen Witwe Jeanne Dubois, die ihre Tochter Arlette in die neue Patchwork-Familie mitbringt. Jean will Arlette loswerden und lockt sie aus dem Haus in den Schnee, wo sie erfrieren soll, doch ereilen ihn Gewissensbisse, er beichtet die Tat seinem Vater, und das Mädchen wird rechtzeitig gefunden. Schuldgeplagt stürzt sich Jean in den Fluss, wird aber von seiner Stiefmutter gerettet. «Für die brave ländliche Bevölkerung bedeutete diese Filmaufnahme natürlich ein ungeheures Erlebnis. Um eine bleibende Erinnerung an das denkwürdige Ereignis zu haben, baten sie den Regisseur Feyder, seinen und der Mitwirkenden Namen auf ein Pergament zu schreiben. Als dies geschehen war, wurde das Papier in eine Flasche gestopft, die darauf unter großen Feierlichkeiten in die Erde eingegraben wurde», berichtete eine «Wochenschrift für Kinopublikum» mit dem hübschen Titel «Zappelnde Leinwand». «Wenn die Flasche nach Jahren einmal ausgegraben werden sollte, wird sie vielleicht strebsamen Altertumsforschern ein Anlass zu phantastischen ‹wissenschaftlichen› Hypothesen werden. Das könnte dann am Ende den Stoff zu einem amüsanten Grotesk-Film geben.»

Grimentz war im Spätsommer 1932 auch der Drehort der von Erich Waschneck inszenierten deutsch-schweizerischen Koproduktion AN HEILIGEN WASSERN, der ersten Verfilmung von Jakob Christoph Heers Jahrhundertwende-Bestseller, der die Abhängigkeit eines regenarmen Walliser Dorfes vom Wasser des nahegelegenen Gletschers schildert. Gefilmt wurde dort unter anderem die «Heiligen-Wasser-Prozession». Die für die Handlung so wichtige Kännelleitung fanden die Filmschaffenden oberhalb von Montana-Vermala VS, das heute ein Ortsteil von Crans-Montana VS ist: die Bisse du Ro, eine der spektakulärsten Suonen im Wallis. Weitere Szenen entstanden bei Leukerbad VS. Dass die deutschen Darsteller:innen, darunter die künftige Gattin des Regisseurs, Karin Hardt, mehr als ein halbes Jahrhundert später als Haushälterin Käti in der erfolgreichen Fernsehserie DIE SCHWARZWALDKLINIK zu sehen, mit einem gekünstelten Akzent «schweizerhochdeutsch» sprechen mussten, war nicht die glücklichste Entscheidung der an ansonsten hochgelobten Produktion.

In Léa Pools Film LA DEMOISELLE SAUVAGE, der vom 27. August bis 5. Oktober 1990 in Grimentz entstand, irrt Marianne (Patricia Tulasne) nach einem missglückten Suizidversuch in der Wildnis umher, trifft beim Moiry-Staudamm auf den verheirateten Ingenieur Elysée (Matthias Habich), der während des Sommers das Wasserkraftwerk wartet, und geht eine Beziehung mit ihm ein. Bei Einbruch des Winters kehrt er zu seiner Familie zurück, sie steigt noch einmal in den Fluss.

Joseph und Olga Steg (Philippe Noiret und Judith Magre), Pariser mit jüdisch-österreichischen Wurzeln, reisen mit Olgas Bruder (Michel Aumont) nach Évian-les-Bains zu einem Cellokonzert ihres Sohnes Jascha (Niels Arestrup), der sich nach Anna Ghirardi (Carole Bouquet) verzehrt. Lulu Kreutz (Stéphane Audran), eine Freundin der Familie, schlägt einen gemeinsamen Ausflug in die Berge vor. Ein Hauptschauplatz von Didier Martinys Film LE PIQUENIQUE DE LULU KREUTZ, entstanden nach einem Drehbuch seiner Ehefrau Yasmina Reza, war das 300 Seelen zählende Saint-Luc – Martiny und Reza hatten sich dort nicht lange zuvor ein Chalet errichten lassen, 1999 erwarb auch Carole Bouquet ein Haus. Gedreht wurde vom 28. Juni bis 22. Juli 1998 unter anderem im Hôtel Bella-Tola in der Route Principale 8, zudem in Chandolin VS sowie auf der zur Gemeinde Chalais VS gehörenden Alpage de Tracuit.

Das Hôtel Weisshorn in der Route du Toûno 10 in Saint-Luc VS war eine der markantesten Kulissen für Alex Martins 16 Millionen Franken teure Serie CAPELLI CODE, die eigentlich ab Dezember 2021 streambar sein sollte, doch wurde der Start auf unbestimmte Zeit verschoben. Der ehemalige Profiler Frank Capelli (Peter Lohmeyer) wird von einem Geiselnehmer (Hinnerk Schönemann) gezwungen, die Ermittlungen im Fall der vor 25 Jahren verschwundenen Marie wieder aufzunehmen – sonst werden alle 30 Geiseln einer Hochzeitsgesellschaft umgebracht. Gedreht wurde ab 2015 unter anderem in Varen VS, in Leuk VS und im nahen Pfynwald, vor der Pfarrkirche St. Martin am Kirchplatz 1 in Kippel VS, in Turtmann-Unterems VS, im Eispavillon im Feegletscher bei Saas-Fee VS, an der Cascade de Pissevache in Vernayaz VS sowie in Sion VS im Hauptgebäude der Kantonspolizei in der Avenue de France 69 und im Gefängnis im Chemin des Roseaux 8.

ASCONA TI

Lange bevor das «Weltdorf» Ascona zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders bevorzugtes Domizil einer transalpinen Schickeria aus Filmstars und Unternehmern wurde, zog der Monte Verità nackte Sonnenanbeter, okkultistische Scharlatane und Edelanarchisten an. Die Prototypen künftiger Hippies und Ökofreaks ernährten sich von rohem Obst und Gemüse, trugen wallende Gewänder oder ein «Luftkleid», also gar nichts, jäteten barfuss bis an den Hals Beete, turnten und tanzten nackt – und errichteten ein kommerzielles Natursanatorium. Im Zentrum von Stefan Jägers Film MONTE VERITÀ – DER RAUSCH DER FREIHEIT, einer deutsch-österreichisch-schweizerischen Koproduktion, die am 7. August 2021 nur vier Kilometer vom Ort der Handlung entfernt auf der Piazza Grande in Locarno Premiere feierte, steht die fiktive Hanna Leitner (Maresi Riegner) aus Wien. Sie begibt sich in Therapie beim Psychoanalytiker Otto Gross, mit Zauselbart und struppiger Mähne von Max Hubacher gespielt, und folgt ihm im Sommer 1906 auf den Monte Verità. Dort trifft sie auf zwei Mitbegründerinnen der Aussteigerkolonie: die psychisch labile, todessehnsüchtige Berlinerin Lotte Hattemer (Hannah Herzsprung) und die sächsische Frauenrechtlerin Ida Hofmann (Julia Jentsch), auf deren Lebenspartner Henri Oedenkoven (Michael Finger) und den Dichter Hermann Hesse (Joel Basman).

Die erste Klappe schlug am 21. August 2020, aufgrund der Covid-19-Pandemie drei Monate später als geplant, die letzte im Oktober; die Herausforderungen rund um Covid-19 liessen das Budget um zehn Prozent auf rund sieben Millionen Franken anwachsen, «aber uns als Team hat Corona eher zusammengeschweisst, als in die Bredouille gebracht», erzählt der Regisseur Stefan Jäger. «Schwieriger waren die Wetterbedingungen. Ausgerechnet als wir Lottes Sterbeszene drehten, schwirrten lauter Helikopter umher, weil am Abend zuvor sturmartiger Regen die Flüsse hatte anschwellen lassen und nun die Besitzer der Häuschen nach dem Rechten sehen wollten.» Die meisten Drehorte hatte er «selber erwandert»: «Ich schätze gute Location Scouts, aber im Schreibprozess hilft es mir, umherzustreifen und mich überraschen zu lassen. Normalerweise mache ich diese Wanderungen allein, aber diesmal mussten der Cast und Teile der Crew mitwandern, um ein Gefühl zu bekommen für die Gegend, für die Orte. Zum Beispiel haben wir auch in der originalen Höhle geprobt, in der Gusto Gräser und Hermann Hesse meditiert haben sollen.» Max Hubacher schwärmt: «Wir haben uns Texte vorgelesen der Leute, die wir spielten, an dem Ort, an dem sie wirklich waren. Vorher, während des Lockdowns, war ich im tristen, kalten Berlin gewesen, und nun war ich plötzlich in der Natur, im sonnigen Tessin. Ich konnte total gut nachvollziehen, wie sich diese Städter gefühlt haben müssen, die damals auf den Monte Verità kamen. Und ich habe gemerkt, ich brauche unbedingt wieder eine Base in der Schweiz. Als ich dann sogar mit dem Motorroller, den ich gemietet hatte und mit dem ich die Täler erkundete, zum Dreh fahren durfte – normalerweise wird man ja aus Sicherheitsgründen immer von einem Fahrer abgeholt –, war das ein wahnsinniges Freiheitsgefühl.»

«Lotte Hattemer lebte in Wirklichkeit in einer verfallenen Mühle, und wir haben auch vier, fünf Mühlen gescoutet», erzählt Jäger. «Die waren alle schön, aber wir haben gemerkt, das beschreibt ihr Wesen nicht so gut. Dann haben wir eine Splüi gefunden, und ich habe Hannah Herzsprung mit verbundenen Augen hineingeführt, damit sie den Ort erst einmal auf diese besondere Weise spürt.» Die Splüi findet man in der Val Bavona zwischen den zu → Cevio TI gehörenden Weilern San Carlo TI und Sonlerto TI. Zwar wurde eine Szene in der historischen Casa Anatta aufgenommen, dem heute als Ausstellungsort dienenden einstigen Wohnhaus von Oedenkoven an der Strada Collina 84. Der Hauptset befand sich jedoch im Maggia-Tal, wo man auf einer Wiese an der Strasse Vald di Fuori im zu Maggia TI gehörenden Aurigeno TI, etwa auf Höhe des am linken Ufer liegenden Gordevio TI, einer Fraktion von Avegno Gordevio TI, Beete anlegte, das Eingangstor aufstellte, Freiluft-Duschen und zwei Licht-Luft-Hütten, die man nach Ende der Dreharbeiten dem Pächter der Wiese überliess und von denen eine, mittlerweile von Kindern okkupiert, noch erhalten ist, sowie eine von der Firma Onkel Tuca FilmDecor in Köln gebaute Replik der Casa Centrale. «Aber nur die Vorderwand», so Max Hubacher. «Wenn man reinging, war da gleich ein Gerüst, die Innenszenen entstanden alle im Studio in Köln.» Gedreht wurde in Aurigeno auch am Wasserfall des Ri di Dentro, die Szenen in den Felsen wurden nördlich und nordöstlich der Capella Madonna del Carmelo an der Via Enrico Pestalozzi aufgenommen, welche von Intragna TI nach Arcegno TI, einer Fraktion der Gemeinde Losone, TI führt. Gefilmt wurde zudem auf der Asconeser Seite des Maggia-Deltas. Als Jahrhundertwende-Ascona hielt das piemontesische Cannobio her, «was den Gemeindepräsidenten von Ascona geärgert hat, es war ihm nicht nachvollziehbar, dass man das Ascona von heute nicht so einfach in das Fischerdorf von damals verwandeln kann», so Jäger. In Cannobio fand man die gewünschte Patina, beim Übergang der Via Umberto I. in die Via Guglielmo Marconi, in der Via Castello 48 und auf der Piazza Vittorio Emanuele III., wo auf Höhe der Hausnummer 33 direkt am See das Locarneser Fotogeschäft «Garbani» stand – in Wirklichkeit werden dort Tickets für die Fähren und Schiffe auf dem Lago Maggiore verkauft.

Als Jäger in Ascona filmte, hatte der Ort schon seit einem Jahrhundert immer wieder als Drehort manchmal mehr und meist weniger weltbewegender Streifen gedient. Robert Siodmaks BRENNENDES GEHEIMNIS spielt nicht auf dem Semmering wie Stefan Zweigs Novelle über einen Baron, der sich im Urlaub mit einem zwölfjährigen Jungen anfreundet und dessen etwas angejahrte Mutter begehrt, sondern im fiktiven Asconeser Hotel «Miramar». Gedreht wurden diese Szenen aber nicht im Tessin, sondern ab dem 9. November 1932 im EFA-Atelier in Berlin. Am 25. November begab sich die Crew dann für Aussenaufnahmen an den vernebelten Lago Maggiore; man sieht im Film Willi Forst, Hans Joachim Schaufuss und Hilde Wagener bei Autoausfahrten nach Ronco sopra Ascona TI und zur Madonna del Sasso an der Via Santuario 2 in Orselina TI. Als die Frau abreist, fährt sie in Ascona auf Höhe des Hauses Nr. 6 auf der Via Moscia Richtung Süden, im Hintergrund erkennt man die Chiesa parrocchiale dei Santi Pietro e Paolo. Die Uraufführung des Films fand am 29. Januar 1933 in Wien statt, in Deutschland kam er am 20. März in die Kinos, wurde aber nach nur einer Woche Laufzeit verboten. Nicht allein waren Siodmak und Zweig jüdischer Herkunft, der Titel des Films wurde als ironische Anspielung auf den Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 verstanden.

Von Juli bis Oktober 1934 inszenierte Jean de Limur, ein ehemaliger Mitarbeiter Charlie Chaplins und Cecil B. DeMilles, LE VOYAGE IMPRÉVU / DIE SCHULE DER LIEBE / FAHRT INS UNGEWISSE / UNERWARTETE REISE INS BLAUE mit der aus Australien stammenden, in Frankreich wie Grossbritannien gleichermassen beliebten Betty Stockfeld. Die frivole schweizerisch-französisch-britische Koproduktion rückt vor allem prächtige Panoramen im Berner Oberland und im Tessin ins Bild, die «sentimentalische Reise» führt die der Spionage verdächtigte, von einem galanten Schwerenöter begleitete Protagonistin im schicken Acht-Zylinder-Cabriolet von Paris über Interlaken BE, Lauterbrunnen BE, Wilderswil BE, Airolo TI, Locarno TI, Ascona TI und Ronco sopra Ascona TI zu guter Letzt auf den Monte Ceneri.

Der 20-jährige Locarneser Schriftsteller Franco Borghi versuchte sich 1939 als Produzent, Autor, Regisseur und Hauptdarsteller des künstlerisch etwas überambitionierten Liebesfilms EVE / EVA, der Geschichte des Ästheten Marco, der in Deauville der mysteriösen, schönen Claudie verfällt, die ihm aber die Schuld am Tod ihres Kindes gibt und ihn verlässt. Er flieht ins Tessin, wird beim Fischerfest auf der Piazza von Ascona von hübschen Mädchen umkreist und gewinnt durch den heruntergekommenen Kneipensänger Plix wieder Lebensfreude. Gedreht wurde der Tessiner Film auf Französisch – angeblich wollte der Antifaschist Borghi nicht die Sprache Mussolinis verwenden – von Mai bis Dezember 1939 unter anderem in Ascona und Locarno TI.

Unter der Bedingung, dass er das verlassene Tessiner Dorf, aus dem seine Familie stammt, wieder zum Leben erwecke, erbt der Marroniverkäufer Carlo Corda (Ettore Cella) 100 000 Dollar. Mit seinen drei arbeitslosen Freunden Emil, Max und Jean macht er sich, aufgemuntert durch die Ziegenhirtin Celestina (Lillian Herman) an den Wiederaufbau, als ein Vagabund ihm die Erbschaft streitig macht. Doch mit dem Erlös der Bilder des Kunstmalers Jean wird das Dorf erworben und eine Kooperative gegründet. Gedreht wurde AL CANTO DEL CUCÙ / WENN DER KUCKUCK RUFT des Basler Filmpioniers August Kern im August und September 1941 vor allem im Maggiatal: in Prato-Sornico TI mit dem Maiensäss Schiedo TI und in Veglia TI, die seit 2004 zur Grossgemeinde Lavizzara TI zählen, sowie in den Ruinen des heute zur Gemeinde Cevio TI gehörenden Dorfes San Carlo TI, zudem in Mergoscia TI, Locarno TI und Ascona, wo Jean seine Bilder auf der Piazza feilbietet.

Françoise Rosay spielt im letzten Film ihres Mannes Jacques Feyder UNE FEMME DISPARAÎT / EINE FRAU VERSCHWINDET gleich vier Rollen. Die gefeierte Bühneninterpretin Fanny Helder zieht sich von den ihr einst die Welt bedeutenden Brettern zurück und nistet sich bei ihrem Schwiegersohn (Claude Dauphin) in Genf ein. Es kommt zum Bruch, einige Tage später ist die Grande Dame verschwunden, und man findet am Ufer des Genfersees eine unbekannte Leiche. Drei Menschen glauben, diese identifizieren zu können: Der Walliser Bauer Jean Bourguinet (Daniel Fillion) erkennt sie als seine mütterliche Magd Tona, Lucie Delvé (Thérèse Dorny), die ein in massiven Zahlungsschwierigkeiten befindliches Mädchenpensionat besitzt, behauptet, es handle sich um ihre Schwester Rose, und der Asconeser Schiffer Giacomo Caretti (Ettore Cella) ist sich sicher, seine Ehefrau Flora zu erkennen, mit der er sich heftig gestritten hat. Polizeikommissar Michel (Claude Dauphins Bruder Jean Nohain) ermittelt, dass alle drei Frauen noch leben und es sich bei der Toten tatsächlich um Fanny Helder handelt, doch der Fan der Aktrice vernichtet alle Akten, um den Suizid zu vertuschen. Realisiert wurde der mit 600 000 Franken damals ungewöhnlich kostspielige Film vom September 1941 bis zum 21. Februar 1942, unter anderem im heute als Seniorenresidenz genutzten Nebengebäude des 1933 abgebrannten Hôtel Byron in der Avenue Byron 2 in Villeneuve VD und im Park des Château de Mémise an der Route de Lavaux 328 in Lutry VD. Gedreht wurde zudem im heute zu Anniviers VS gehörenden Grimentz VS und in Clarens VD, einem Ortsteil von Montreux VD; dort diente die St. George’s School am Chemin de St. Georges 19 als Mädchenpensionat. Die Innenaufnahmen entstanden in den Studios von → Münchenstein BL. Die Szenen in Ascona wurden vor allem auf der heutigen Piazza Giuseppe Motta aufgenommen. Presse und Publikum im Tessin ärgern sich nahezu unisono über die klischierte Darstellung ihrer Landsleute.

In der von April bis Juni 1948 auf dem Monte San Salvatore, am Lago di Lugano TI, in den Studios Bellerive und Rosenhof in Zürich sowie im Salzkammergut gedrehten österreichisch-schweizerisch-liechtensteinischen Koproduktion NACH DEM STURM geben «Pseudo-Asconesen», wie der Kritiker der «Neuen Zürcher Nachrichten» rügte, auf der Piazza von Ascona einen Schlager zum Besten. Die künstlerische Leitung des gefühlsduseligen Melodrams über die durch ihre Zeit im nationalsozialistischen Arbeitslager gesundheitlich angeschlagene Klaviervirtuosin Barbara von Tretini (Marte Harell) hatte der durch Nazi-Propagandafilme wie HEIMKEHR profilierte und noch wenige Jahre zuvor von Goebbels gehätschelte Regisseur Gustav Ucicky inne, ein unehelicher Sohn Gustav Klimts. «Als ein ‹Schweizerfilm von Format› ist der Film uns angepriesen. Und da beanspruchen wir das Recht, uns zu ärgern. Der Film ist weder in der Problemstellung noch in der Gesinnung schweizerisch, er spielt zu einem winzig kleinen Teil in der Schweiz […]. Man muss sich im Interesse der in sorgfältiger Arbeit entstandenen wirklichen Schweizerfilme dagegen verwehren, dass solche Produkte im Ausland das gute Renommee zuschanden machen.»

Heinz Rühmann als ehemaliger Musikclown Teddy Lemke flieht im deutschen Spielfilm WENN DER VATER MIT DEM SOHNE aus dem Jahr 1955 mit seinem vom Kinderstar Oliver Grimm gespielten Ziehsohn Ulli in die Schweiz, weil dessen Mutter mit ihrem neuen Ehemann aus den USA gekommen ist, um ihren Jungen zurückzufordern. In Ascona kutschieren sie im Cabriolet mit angehängtem Wohnwagen von der Piazza San Pietro über die Piazza Giuseppe Motta auf die Via Moscia. Ihre Verfolger (unter anderem Waltraud Haas und Robert Freitag) kommen aus der Via Circonvallazione auf die Piazza, passieren das heutige Hotel Castello Seeschloss und kehren in einem Restaurant in der Via Moscia 4 ein; das damals hellblaue Haus ist mittlerweile altrosa gestrichen und beherbergt einen eher stylishen Verpflegungsbetrieb namens BayView. Im Film zu sehen sind auch die Piazza Grande in Locarno TI sowie Lugano TI, vor allem aber ist ein Ohrwurm zu hören: «Lalelu, / nur der Mann im Mond schaut zu / Wenn die kleinen Babys schlafen. / Drum schlaf auch du», singen Rühmann und Grimm, die mit einem Remix 1993 in die deutschen Singlecharts kamen und Platz 11 erreichten. Coverversionen nahmen unter anderem auch Nena, Hansi Hinterseer, Karel Gott, Andrea Berg und Annett Louisan auf.

Der mittlerweile 14-jährige Oliver Grimm durfte oder musste im Oktober 1962 abermals nach Ascona reisen, um in einem unter den Titeln EINE NACHT AM LAGO MAGGIORE / LIEDER KLINGEN AM LAGO MAGGIORE / DER SINGENDE VAGABUND eingesetzten Kitschstreifen den Sohn eines von Fred Bertelmann gemimten depressiven Schlagersängers zu spielen. «Acht neue rassige Schlager! Aufgenommen in Locarno, Ascona, Lugano und den romantischen Tessinertälern! Humor und köstliche Unterhaltung!», warben keineswegs ausrufezeichenarme Annoncen. Überhaupt konnten Kinobesucher:innen in den 1960er-Jahren der Südschweiz schwerlich entkommen. DIE GANZE WELT SINGT NUR AMORE oder ISOLA BELLA hiessen die allessagenden, weil ohnehin austauschbaren Titel cineastischer Kommerzware, die sich auf das pittoreske Tessin als Kulisse verliess. Kein Wunder, dass 1970 der Rüsselsheimer Automobilhersteller Opel für sein neues, familientaugliches Mittelklassemodell den beinahe magischen Namen «Ascona» wählte, diese Suggestion einer kontrollierten Exotik.

EINE NACHT AM LAGO MAGGIORE war für etliche Jahre der letzte Film, den Grimm drehte – die Nachrücker standen parat. In HEINTJE – EIN HERZ GEHT AUF REISEN (1969) gibt der 14-jährige Liebling aller Mütter Hein Simons den titelgebenden Waisenknaben, der ausgebüxt und unwissentlich von Gangstern dazu benutzt worden ist, radioaktives Kobalt über die Schweizer Grenze zu schmuggeln. Er trifft den Reitstallbesitzer Alfred Teichmann (Heinz Reincke), mit dem er sich zu Hause angefreundet hat. Dieser unterrichtet seine ehemalige Verlobte Hanna Schwarz (Gerlinde Locker), die im Jugendamt mit Heintjes Fall befasst ist, über dessen Verbleib; die Zelle, aus der er telefoniert, steht an der Asconeser Uferpromenade in der Nähe der Schiffanlegestelle. Dann steigt Teichmann vor dem Albergo Piazza an der Piazza Giuseppe Motta 29 in sein Auto, in dem schon seine Freundin, gespielt von der aus Sexfilmen bekannten Solvi Stübing, und Heintje warten. Der musikalische Ausreisser versteckt sich in einem Bootshaus südlich der Via Albarelle, isst in Ronco sopra Ascona TI ein Eis auf der Terrasse des Hotels Ronco an der Via Gottardo Madonna 1, singt zum Playback einer Jukebox «Scheiden tut so weh» und sammelt Geld; im Hintergrund sieht man die Chiesa di San Martino. Ralf Wolter und Karin Field als Gangster Harry und Else, die Heintje wegen des Kobalts verfolgen, halten bei einer Esso-Tankstelle in der Via Gottardo Madonna 6, wo sich heute die Autostellplätze der Casa al Pinzon befinden, hören Heintjes Sirupgesänge und erklimmen die Terrasse: «Dem wird das Zwitschern bald vergehen.» Abends singt Heintje, vom begeisterten Patron engagiert, «Heidschi Bumbeidschi», wird zu seiner Überraschung von Hanna Schwarz gepackt, kann aber entwischen, während sich Teichmann und dessen Exverlobte, wie der aufmerksam Zuschauende natürlich längst geahnt hat, wieder näherkommen. Unterdessen wird Heintje von den Gangstern gekidnappt, man vereinbart den Austausch von Metall und Musikus. Als Teichmann und Schwarz im Auto in Brione sopra Minusio TI von der Via Brione in die Via Contra einbiegen, erwarten sie die Bösewichte mit dem geknebelten Heintje auf dem Rücksitz bereits, doch kaum hat ihnen Teichmann das Kobalt übergeben, hauen sie mitsamt dem Jungen ab. Aber natürlich geht am Ende alles gut aus, denn Schwarz hat bereits die Polizei alarmiert, welche die Verbrecher verhaftet. Teichmann und Schwarz werden heiraten und Heintje adoptieren. Der trällert aber zuvor noch in Teichmanns Auto, während dieses über die Asconeser Uferpromenade, gleich darauf in Locarno TI über den Lungolago Giuseppe Motta und dann vorbei an der Pfarrkirche Sant’Antonio Abate in der Via Borghese 40 fährt: «Ich sing ein Lied für dich». «Heintje […] zeigt Ihnen die Welt, wo sie am schönsten ist», warb der Trailer. Allein in der Bundesrepublik wollten das 3,5 Millionen Menschen sehen.

Von Juni bis September 2003 wurde im Tessin an 57 Tagen – der bis dahin längsten Drehzeit eines indischen Films in der Schweiz – der Actionthriller ASAMBHAV / ASAMBHAV – DAS UNMÖGLICHE aufgenommen. Am Vorabend einer Konferenz zur Kashmir-Frage in Locarno werden Präsident Vir Pratap Singh (Mohan Agashe) und seine Tochter Kinjal (Dipannita Sharma) vom Verbrecher Rafiq Mabroz (Shawar Ali) im Auftrag eines Konglomerats aus pakistanischem Geheimdienst und afghanischen Gotteskriegern entführt. Das männliche Ex-Model Arjun Rampal als Special Agent Aditya Arya soll die Geiseln befreien; Miss World 2000 Priyanka Chopra spielt eine Art glamouröses «Bond-Girl», eine als Drogenkurierin missbrauchte Popsängerin auf Europatournee. Der Big-Budget-Bollywood-Blockbuster war der erste vollständig in der Schweiz realisierte. Gekidnappt werden der Diplomat und seine Tochter im Hotel Villa Emden auf den Isole di Brissago TI, der Showdown findet im Verzascatal statt, wo unter anderem auf der Bogenstaumauer des Lago di Vogorno TI und bei der Ponte dei Salti in Lavertezzo TI gedreht wurde. In den Burgen von Bellinzona TI wird gekämpft, man sieht eine Verfolgungsjagd quer über die Piazza Grande in Locarno TI, den Wasserfall von Foroglio TI, für den sich schon Leni Riefenstahl begeisterte, bevor sie als «Reichsgletscherspalte» berüchtigt wurde, sowie die Uferpromenade von Ascona mit dem Albergo Elvezia an der Piazza Giuseppe Motta 15 und dem Albergo Carcani an der Piazza Giuseppe Motta 29.

Ein eher niedrigschwelliges Unterhaltungsangebot war Anfang der 2000er-Jahre die TV-Serie DER FERIENARZT. 2006 eröffnete dieser für die Folge DER FERIENARZT… IM TESSIN: UMWEGE DER LIEBE eine Praxis im erwähnten Castello, an dem ein efeuumranktes Schild mit der Aufschrift «Dr. ssa. Anne Schäfer. Medico generico / Allgemeinärztin» angebracht wurde. Der Arzt war also eine Sie, gespielt von Susanne Uhlen. Die Hotelrezeption wurde zum Praxisempfang umfunktioniert, die Hotelhalle zum Wartezimmer, das Speisezimmer zum Untersuchungsraum, in dem die deutsche Dottoressa den Fussknöchel ihrer Tochter Lucie alias Sophie Dal verarztet, damals noch unter dem Namen Burcu Dal berufstätig. Gedreht wurde für die ZDF-Doktorspiele unter Leitung des Routiniers Gero Erhardt, die in Deutschland pro Folge rund sieben Millionen Menschen konsumierten, zudem an der Via Moscia sowie in Lugano TI, Locarno TI, Morcote TI, in der Val Verzasca bei Lavertezzo TI und der Val Bavona auf dem Gemeindegebiet von Cevio TI.

AUBONNE VD

Er ist einer der filmbekanntesten Bauernhöfe der Schweiz: Les Ursins im zur Gemeinde Aubonne gehörenden Montherod VD. Hier hat in Yves Yersins Film LES PETITES FUGUES / KLEINE FLUCHTEN aus dem Jahr 1979, den 424 505 Menschen im Kino sehen wollten, der Knecht Pipe (Michel Robin) dreissig Jahre lang beim mürrischen Bauern John Duperrex (Fred Personne) und dessen Familie gearbeitet, als er sich ein Moped anschafft, das an den Bahnhof in der Rue de la Gare 21 in Arnex-sur-Orbe VD geliefert wird, und ein selbstbestimmtes Dasein zu führen beginnt. Er stürzt bei der Fahrt zwischen Moiry VD und Ferreyres VD.

BAAR ZG

Im Ranking der malerischsten Schweizer Drehorte nimmt dieser vermutlich den vorletzten Platz ein: der gesichtslose Bürokomplex in der Baarer Agglomeration, wo auch Glencore und Shell Firmensitze haben, genau gesagt in der Baarermatte 1. Er diente als Location für JAGDZEIT von Sabine Boss, einem von wahren Begebenheiten inspirierten Thriller über Druck und Einsamkeit im Leben von Topmanagern. Als der international tätige Automobilzuliefer-Konzern Walser, dessen Finanzen der etwas biedere Alexander Maier (Stefan Kurt) verantwortet, ins Schlingern gerät, soll der deutsche Topmanager Hans-Werner Brockmann (Ulrich Tukur) die Firma umstrukturieren; die anfängliche Kollegialität schlägt in einen erbitterten Kampf um. «Büros gibt es in jedem Film, aber hier spielen sie eine besonders wichtige Rolle. Sie sind quasi das Kernstück des Films. Wir haben bewusst nach Räumlichkeiten gesucht, die eine gewisse 80er- oder 90er-Sentimentalität ausstrahlen – als Zeichen einer Firma, die ihre Blütezeit hinter sich hat und nun darum kämpft, in der Moderne zu überleben», erklärte Sabine Boss gegenüber «blue news». Als Location für die Entwicklungsabteilung der Firma Walser diente die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in der Überlandstrasse 129 in Dübendorf ZH, der Verwaltungsrat tagt im Hotel Park Hyatt in der Beethovenstrasse 21 in Zürich. Brockmann residiert in der Villa Bella Vista in der Biswindstrasse 17 in Herrliberg ZH, einem der Domizile des Verlegers Jürg Marquard, der von Pierre Siegenthaler gespielte Firmenchef Marc Walser ist im Hohbrunnenweg 1 in Uetikon am See ZH und Maier in der Huzlenstrasse 3b in Volketswil ZH zu Hause.

BADEN AG

Kleider machen Leute. Keine Kleider auch. In der Hoffnung, mit dem Gewinn die Einrichtung eines Gottfried-Keller-Museums finanzieren zu können, verzockt der brave Badener Deutschlehrer Balz Näf bei der Wette auf ein manipuliertes Fussballspiel 741 000 Franken, das Geld für den neuen Sportplatz seiner Schule, weil in der entscheidenden Spielsituation der Stürmer von einem Flitzer abgelenkt wird. Bei seinem Monatsgehalt bräuchte Näf 22 Jahre, um die Summe abzubezahlen, und so kommt er auf die Idee, ein ganzes Team von Flitzern anzuwerben, um sie bei Spielen einzusetzen und bei neuen Sportwetten das Geld zurückzugewinnen: die Geburt einer neuen Sportart aus dem Geiste eines Wettverlierers. Die meisten Szenen der vom Regisseur Peter Luisi und seinem Hauptdarsteller Beat Schlatter gemeinsam geschriebenen, trotz ihres Namens nur bedingt exhibitionistischen Feelgood-Komödie FLITZER, die 2017 in die Schweizer Kinos kam, entstanden am Ort der Handlung. Näf wohnt im ersten Obergeschoss der Rathausgasse 2 und unterrichtet im Schulhaus Burghalde 2 an der Burghaldenstrasse 4. Er kauft einen Ring für seine Herzdame in der Bijouterie Schlatter, der heutigen Schmuckgalerie, in der Badgasse 2, hebt Geld in der Filiale der Raiffeisenbank an der Stadtturmstrasse 5 ab und sitzt zusammen mit dem von Dani Mangisch gespielten «Surprise»-Verkäufer, der sich bei seinem ersten Flitzereinsatz verletzt hat, auf der grossen Treppe am Bahnhofplatz. In Baden befindet sich laut Film auch der als illegales Wettbüro dienende Coiffeursalon, der aber in → Lenzburg AG aufgebaut wurde. Der FC Baden ist wie im wahren Leben im Fussballstadion ESP an der Täfernstrasse 41 in Fislisbach AG zu Hause, die Scheune, in der Näf neue Nacktsprinter ausbildet, steht in → Würenlos AG, als Bar diente die Zeus Music Bar in der Löwenstrasse 9 in Dietikon ZH, das Gefängnis, in dem Näf den von Philipp Graber gespielten Flitzer besucht, ist jenes in der Gerichtshausstrasse 12 in Hinwil ZH. Gedreht wurde zudem in Fussballstadien von Aarau AG, Basel, Bern, Schaffhausen, St. Gallen, Thun BE sowie Zürich. Dort entstanden zahlreiche weitere Szenen, unter anderem auf der Terrasse des Hotels Storchen am Weinplatz 2, auf dem Turm des Grossmünsters, bei der Bootsvermietung Lago am Utoquai 6, in der Sportanlage Witikon an der Katzenschwanzstrasse 45 sowie im Amtshaus IV in der Lindenhofstrasse 19. In jenem hat die gegen die Flitzer ermittelnde Kommissarin Sandra Strebel (Doro Müggler), in die sich Näf verliebt, ihr Büro. Ihr Zuhause, von dessen Balkon der enttäuschte Näf Matratze und Bettgestell wirft und dabei abstürzt, befindet sich in Zürich-Altstetten in der Algierstrasse 22, an der Ecke zum Distelweg.

Dreharbeiten zur Komödie FLITZER. © Spotlight Media Productions AG

BASEL

Mit mehr Basler Lokalkolorit als diese auf einer wahren Begebenheit beruhende Bankräubergeschichte kann kein Film aufwarten: SOMMERSPROSSEN, so nennen die jungen Gangster Sandweg und Velte die Einschüsse in den Körpern ihrer Opfer. Zu lebenslanger Haft verurteilt, flüchten sie 1934 aus Nazi-Deutschland nach Basel, wo sich Velte in eine Verkäuferin verliebt, werden von der Polizei gejagt und erschiessen sich schliesslich gegenseitig – WHAT A WAY TO DIE lautet denn auch der Titel, unter dem der Streifen in amerikanischen Kinos lief. Entstanden als deutsch-italienische Koproduktion, kurz nachdem Arthur Penns Film BONNIE AND CLYDE 1967 «New Hollywood» eingeleitet hatte, traf das Kinodebüt des Baslers Helmut Förnbacher, als Schauspieler durch Film- und Fernsehrollen populär und als gutaussehender Posterboy der Jugendzeitschrift «Bravo» in manchem Mädchenzimmer hängend, 1968 den Nerv einer Generation. Als Hoffnungsträger des deutschsprachigen Films gehandelt, gab er seine Spielfilmkarriere aber schon 1970 nach den Erotikklamotten KÖPFCHEN IN DAS WASSER, SCHWÄNZCHEN IN DIE HÖH und BEISS MICH LIEBLING auf, inszenierte fürs Fernsehen und war als Schauspieler aktiv. Seine mit unkonventionell verspielten Mitteln umgesetzte Basler Gangstermoritat vereint Explosionen, Slapstick, blanke Busen und viel Kunstblut, jazzige Banjo-Musik vom Knef-Komponisten Charly Niessen sowie extravagante Einstellungen des genialen Slowaken Igor Luther, später der Kameramann von Volker Schlöndorffs oscargekrönter BLECHTROMMEL.

Gedreht wurde ausschliesslich in und um Basel, selbst der in Deutschland handelnde Anfang. So findet die ausgelassene Geburtstagsparty eines reichen Mannes (Benno Hoffmann) vor dem neobarocken Haus Zum Ulrichsgärtlein in der Rittergasse 11 statt, das auch für diverse Innenaufnahmen sowie als Produktionsbüro diente und in dem heute das Zivilstandsamt sein Domizil hat; das im Film zu sehende Gartenhaus musste dem Bau der Schwimm- und Turnhalle in der Rittergasse 5 weichen. Unter einem Hitlerbild kommt Kurt Sandweg (Helmut Förnbacher selbst) der von Grit Boettcher gespielten Frau des Jubilars untugendhaft nahe und wird von diesem mit einer Pistole bedroht. Waldemar Velte, charismatisch gespielt von dem als Spaghetti-Western-Bösewicht bekannten William Berger, schlägt dem Gehörnten eine Vase über den Schädel, Sandweg das Porträt des «Führers». Der nächste Schauplatz ist eine Strafanstalt; der Todesstrafe nur um ein Haar entgangen, sind Sandweg und Velte zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Gedreht wurde in der zwischen Klingelberg- und Spitalstrasse gelegenen, 2009 abgebrochenen Strafanstalt Schällemätteli, wie sie im Volksmund hiess, weil die Gefangenen während der Arbeit auf nahe gelegenen Feldern eine Glocke tragen mussten. Bei der Strafarbeit im Steinbruch Blinden am Steingrubenweg in Münchenstein BL – heute eine Naturschutzzone – gelingt ihnen die Flucht. Zwei Paaren, die, ebenfalls in Münchenstein, unterhalb des Kleinwasserkraftwerks Neuewelt, östlich der Reihenhäuser Wasserhaus 15–29, im Adamskostüm in der Birs baden, klauen sie Kleidung und Automobil; der Waldweg, auf dem sie zwei der Nackedeis verfolgen, ist längst der A 18 gewichen. Von Burschenschaftlern, die im Restaurant Löwenzorn am Gemsberg 2 saufen und singen, lassen sie sich als angebliche Kriminalpolizisten die Papiere zur Routineüberprüfung aushändigen, entledigen sich der für ihre Flucht nicht brauchbaren Ausweise zwischen den Häusern St. Alban-Berg 2a und St. Alban-Tal 46 und werfen sie in den St. Albanteich. Unweit der Ruine Neu Schauenburg westlich von Frenkendorf BL überfallen sie einen weiteren Automobilisten (Paul Bühlmann), den sie durch Sandwegs Gangsterliebchen Brigitte (Giorgia Moll) angelockt haben, dann in der Hauptstrasse 8 in Muttenz BL die «Hypothekenbank»; heute steht dort das Hotel- und Kongresszentrum Mittenza, erhalten hat sich die Bäckerei Bischoff in der Hauptstrasse 10. Nach einer Schlägerei in der nicht mehr existenten Quartierbeiz Zur Letzistube im damaligen St. Alban-Tal 10 überquert das Trio den Grenzübergang bei Lörrach-Stetten und reist ins schweizerische Riehen BS ein. Von nun an spielt der Film tatsächlich da, wo er gedreht wurde: Die drei posieren für Fotos vor dem Blauen Haus am Rheinsprung 19, flanieren, zum Quartett erweitert durch Monika (Helga Anders), am Oberen Rheinweg 7, amüsieren sich beim Augustinerbrunnen an der Augustinergasse 1, vor dem Rathaus am Marktplatz 9 und im Zoo an der Binningerstrasse 40. Velte und Monika kehren im «Schluuch» des Restaurants Kunsthalle am Steinenberg 7 ein, stehen auf der Münsterpfalz und besuchen den Dom am Domplatz 16 in Arlesheim BL, machen einen Ausflug auf die Schartenflue bei Gempen BL und überqueren den Rhein mit der Münsterfähre. Sandweg wird von Brigitte am Telefon abserviert, weil sie einen reichen Mann (Mäni Weber, damals beliebt als Moderator des TV-Ratespiels «Dopplet oder nüt») kennengelernt hat, und überfällt mit Velte das Bankgeschäft Wever & Co. in der Elisabethenstrasse 62, wo heute das Bettenfachgeschäft Schlafwohl Matratzen verkauft. Man sieht im Film tatsächlich jene nahezu unveränderte Bank, in deren Schalterhalle am Freitag, dem 5. Januar 1934, um 8 Uhr 30 morgens zwei Burschen in Regenmänteln stürzten. Mit der Beute fahren Velte und Sandweg nach Marseille, doch den Ersteren zieht es zu Monika zurück, sein Freund begleitet ihn. Wieder in Basel kutschieren sie, was nicht mehr möglich ist, seit der Mühlegraben 1978 wieder ausgehoben wurde, durch das Tor der Letzimauer auf den St. Alban-Rheinweg. Velte passt Monika, die im Imbergässlein 25 wohnt, am Hauseingang des Pfeffergässleins 8 ab und folgt ihr ins Naturhistorische Museum in der Augustinergasse 2. Sandweg und Velte steigen in der fiktiven «Pension Ritter» am Unteren Heuberg 15 ab, als deren Wirtin Margrit Rainer agiert. Als zwei Polizisten sie frühmorgens festnehmen wollen, erschiessen sie sie, ebenso einen Passanten, der aus dem Hofdurchgang des Hauses Nr. 21 kommt, und fliehen auf einem Motorrad zum Gemsberg, weiter zum Spalenberg und über die Mittlere Brücke ins Kleinbasel. Von Polizisten und Grenzwächtern zu Fuss, auf Motorrädern und in Autos werden sie durchs Baselbiet gejagt, beim Flugplatz Schupfart BL von einer einmotorigen Propellermaschine über die Felder verfolgt. Ein Mann (Ruedi Walter), der glaubt, die beiden erkannt zu haben, meldet das im Restaurant Gempenturm in der Gempenturmstrasse 15 einem Polizisten (René Besson), der sogleich ins Auto steigt, ohne bei der Serviertochter (Trudi Roth) sein Bier zu bezahlen, und auf einem Waldweg einen der beiden vermeintlichen Mörder erschiesst, in Wahrheit aber einen unschuldigen Spaziergänger, dargestellt vom Co-Drehbuchautor und Regieassistenten Martin Roda Becher, der in einem waghalsigen Stunt eine Halde runterrutscht. Der ermittelnde Kommissar (der als Polizischt Wäckerli populäre Schaggi Streuli) und der Staatsanwalt (der einstige NS-Star Willy Birgel) überreden derweil Monika, ihren Freunden eine Falle zu stellen. Sie lockt sie in den Margarethenpark an der Gundeldingerstrasse 57–129, der von der Polizei abgeriegelt wird. Bevor sie geschnappt werden können, setzen Sandweg und Velte bei den alten Blutbuchen ihrem Leben ein Ende.

Filmszene von SOMMERSPROSSEN, gedreht im Unteren Heuberg in Basel. © Helmut Förnbacher, Bottmingen

Filme entstanden in Basel freilich schon mehr als ein halbes Jahrhundert vor dieser Gangstermoritat. Robert Rosenthal, der an Heiligabend 1907 zusammen mit seinen Brüdern Rudolf und Richard das erste permanente Kinematographentheater in Basel eröffnet hatte, das von den Baslern als «Faht am Morge-n-a» verspöttelte Fata Morgana, gründete im Mai 1914 die Eos-Film und produzierte Stummfilmklamotten mit Titeln wie REINGEFALLEN! oder DER TOTE MEIER. Gedreht wurden sie im Atelier des Fotografen Wilhelm Jacob Ochs-Walde in der Spalenvorstadt 3, Aussenaufnahmen entstanden in Basel, etwa für DIE GEFOPPTE TANTE am Margarethenplatz; in ACHT PROZENT ODER DER VETTER VON LIESTAL sieht man den Marktplatz, das Spalentor und das Münster. Ebenfalls ab 1915 und gleichfalls in Basel drehte der Fotograf Konrad Lips Streifen wie MAXL AUF DER BASLER MESSE oder KONRAD UND SEIN DOPPELGÄNGER, sein Studio befand sich in Allschwil BL. Dort betrieb die am 26. April 1935 von ihm ins Leben gerufene Tonfilm-Produktions A.-G. ein Atelier in der Schützenstrasse 15, in dem noch im Gründungsjahr ’S WYBERVOLCH ISCH SCHULD gedreht wurde.

Die am 6. Mai 1936 gegründete Tonfilm Frobenius A.-G. realisierte als erstes einen mit populären Basler Darsteller:innen besetzten Schwank in einer Halle der Mustermesse am Riehenring, wo man mit geliehenen Orientteppichen die Kulissen aufbaute. WAS ISCH DENN I MYM HAREM LOS?, echauffiert sich der von Rudolf Bernhard gespielte Sebastian Hunzig. Die Handlung ist rasch skizziert: Hunzig erhält einen Brief aus der Türkei. Der Pascha sei verstorben und habe ihm seinen Harem vererbt. Begleitet von seinem Freund Balduin (Max Haufler) fährt Hunzig nach Istanbul, die Ehefrauen reisen ihnen nach, bestechen den Eunuchen (Alfred Rasser) und reihen sich verschleiert unter die Bauchtänzerinnen. Die beiden Freunde versöhnen sich mit ihren Frauen und veräussern, ohne zu begreifen, dass sie ihre Angetrauten mitverkaufen, den Harem an den neuen Pascha, können diesen aber überwältigen und mit ihren Frauen nach Basel zurückkehren.

1937 nahm die Frobenius in → Münchenstein BL «ein kleines schweizerisches Hollywood» in Betrieb, so die «Neuen Zürcher Nachrichten». Für viele der dort gedrehten Streifen von Leo Lapaires ABENTEUER IN MAROKKO aus dem Jahr 1938 bis E.W. Emos harmlosem Lustspiel ES LIEGT WAS IN DER LUFT, das 1950 über die Leinwände flimmerte, fanden Aussenaufnahmen in Basel statt.

Auch der Stockholmer Pastorensohn Ingmar Bergman hielt Ende Juni 1949 die Stadt am Rheinknie auf Zelluloid fest: In seinem düsteren Jugendwerk TÖRST / DURST, das das Seelenleben frustrierter Frauen seziert, übernachten die hysterische, alkoholabhängige ehemalige Tänzerin Rut (Eva Henning) und ihr Ehemann, der Archäologe Bertil (Birger Malmsten), auf der Rückreise von Italien im Hotel Krafft in der Rheingasse 12, das aber nur von aussen zu sehen ist; die Innenaufnahmen hatten bereits vom 15. März bis 9. April 1949 im schwedischen Solna stattgefunden. Im damals meist Centralbahnhof genannten Bahnhof Basel SBB an der Centralbahnstrasse 10 besteigt das Paar den Nordexpress und fährt nach Schweden, vorbei an den Ruinen zerbombter deutscher Städte und deren hungernden, bettelnden Einwohnern.

Natürlich hat das von Elsbeth Sigmund gespielte Heidi Heimweh nach den Bergen. Doch allzu weit wäre es gar nicht nach → Bergün Filisur GR, wohin die Filmcrew auswich, weil sich Maienfeld seit Johanns Spyris Zeiten zu stark verändert hatte. In Luigi Comencinis Schwarzweissfilm HEIDI aus dem Jahr 1952 steht das Haus des vornehmen Konsuls Sesemann nämlich gar nicht im damals noch kriegszertrümmerten Frankfurt, sondern in der Rittergasse 25, wo das traditionsreiche Basler Bankhaus La Roche seinen Sitz hatte und heute die Zürcher Privatbank Vontobel eine Niederlassung betreibt. Wenn Heidi sich aus dem Rotbergerhof schleicht, sieht man deutlich das an der Ecke zur Bäumleingasse gelegene Haus Rittergasse 10, das Domizil des Erbschaftsamtes, und wenn sie den Turm des Frankfurter Doms erklimmt, ist der von Armin Schweizer mit Schweizer Akzent gespielte Turmwärter unüberhörbar kein Deutscher und das Panorama von Frankfurt, das entdeckt sogar das ungeübte Auge, eine Fototapete.

Als Luisli und Guschti Ehrsam in der ab 1955 gesendeten Radioreihe «Spalebärg 77a. Bi s’Ehrsams zum schwarze Kaffi.» waren Margrit Rainer und Ruedi Walter für eine ganze Generation das Schweizer Ehepaar schlechthin. 1957 flimmerte der knapp halbstündige Kurzfilm SPALEBÄRG 77A über die Kinoleinwände, dessen künstlerische Leitung Kurt Früh oblag. Nun endet der reale Spalenberg bekanntlich mit der Hausnummer 65, im Vorspann zu sehen sind das Spalentor in der Spalenvorstadt 46 und die Häuser Heuberg 5 und 4 bis 20, die Innenszenen entstanden im Gesellenhaus Wolfbach in der Wolfbachstrasse 17 in Zürich. Am Basler Centralbahnhof erwarten die Ehrsams ihre Tochter Margrit (Liselotte Oesch), die ihr Welschlandjahr vorzeitig abgebrochen hat, und treffen auf Ehrsams Chef Birmann (Armin Schweizer) samt Gemahlin (Elisabeth Witschi), die ihren Sohn abholen wollen. Der wurde zunächst von Fritz Nussbaum gespielt, welcher aber innert weniger Tage einer Krebserkrankung erlag, und so mussten achtzig Prozent des Filmes mit Walter Richard neu gedreht werden. Natürlich sind sich die beiden Sprösslinge im Zug nähergekommen, zum grossen Verdruss ihrer Väter. Nachdem beide zu Hause heftige Streitereien ausgetragen haben, droht Margrit, sich zu ertränken, steigt aber vor dem Spalenberg 52 erst einmal in das Cabriolet ihres Verehrers. Frau Ehrsam demonstriert Frau Birmann die Anwendung des Waschmittels «Serf», dessen Vorzüge der Kurzfilm, der zugleich ein langer Werbespot ist, ausführlich reklamiert. Dabei besprechen sie die Nöte ihrer Kinder und planen ein scheinbar improvisiertes Picknick an der Birs, bei dem das Basler Romeo-und-Julia-Drama ein Happy End findet.

In Hans Trommers ZUM GOLDENEN OCHSEN / EINE RHEINFAHRT, DIE IST LUSTIG, vom 13. Mai bis 15. Juli 1958 überwiegend in → Pfäffikon ZH und in Studios in Zürich aufgenommen, tanzt Rosmarie Egli (Ursula Kopp), deren Vater Hans Egli (Schaggi Streuli) die titelgebende Wirtschaft im Zürcher Oberland betreibt, mit ihrem Verlobten Lukas Mäglin (Paul Bösiger) auf der Terrasse des Baslers Café Spitz an der Rheingasse 2. Gedreht wurden die insgesamt sieben Einstellungen dieser Tanzszene am 13. Juni in 33 Takes mit 33 Statierenden und einem Sechs-Mann-Orchester unter Leitung Hans Moeckels, wie der Tagesrapport penibel vermerkt. Ebenso, dass gleich beim zweiten Take am Vormittag, als man am Heuberg eine Strassenszene aufnehmen wollte, der Transformator des Tonaufnahmegeräts durchbrannte, weswegen ein Nachdreh am 15. Juli erforderlich wurde, der aber aus logistischen Gründen in Zürich stattfand: So steht nun das Haus von Rosmaries prononciert Baseldytsch parlierender Vermieterin Hügin (Marianne Hediger) in der Heimatstrasse 19. Aufmerksam Zuschauende mögen daher vermuten, der weite Arbeitsweg sei der Grund dafür gewesen, dass Rosmarie ihre Stelle als Zimmermädchen im Hotel Krafft in der Rheingasse 12 gekündigt habe, was Egli, der seine Tochter zur Raison bringen will, an der Rezeption erfährt. Nachdem ihm deren Vermieterin gesagt hat, wo seine Tochter ist, fährt er im Taxi zum Basler Hafen und eruiert, sie schippere mit Lukas nach Rotterdam, und zwar auf dem Frachter von dessen Eltern (Lina Carstens und Willy Ackermann). Gedreht wurde auf dem Gütermotorschiff Airolo der Schweizerischen Reederei AG, das mit der Crew am 17. Juni um sechs Uhr früh Basel in Richtung Breisach verliess. Im Basler Hafen wurden vom 14. bis 16. Juni sowie am 2. und 3. Juli noch weitere Sequenzen aufgenommen, auch der versöhnliche Schluss: Egli erteilt dem jungen Paar seinen Segen, und gemeinsam mit Eglis Frau Marie (Margrit Rainer) fahren alle ein weiteres Mal Richtung Norden.

Alfred Rassers schnauzbärtiger, naiv-dümmlicher Hilfssoldat Theophil Läppli, der vom Willen beseelt, das Gute zu tun, das Verkehrte anstellt, ist die bekannteste Basler Bühnen- und Filmfigur. Die von Rasser und Charles F. Vaucher verfasste schweizerische Bühnenvariante von Jaroslav Hašeks Roman «Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk», die an Silvester 1945 das Scheinwerferlicht erblickte, gilt vielen als der Schweizer Bühnen-Mythos schlechthin. Allzu viel von Läpplis Heimatstadt ist in der im August und September 1959 entstandenen Verfilmung HD-SOLDAT LÄPPLI nicht zu sehen: Am Elsässerrheinweg ruft Läppli zur Verweigerung des Militärdienstes auf: «Es lebe der Spazifismus!» und wird von zwei Polizisten abgeführt. Mangels Beweisen laufengelassen, erscheint er zum Appell auf dem Hof der Kaserne in der Klybeckstrasse 1b mit dem Bettzeug im Rucksack, treibt mit seiner Begriffsstutzigkeit die Vorgesetzten schon auf dem Exerzierplatz zur Weissglut, wird zu einer psychiatrischen Untersuchung gebracht, dann aber als Ordonnanz dem welschen Oberleutnant Marc Clermont (Bernard Junod) zugeteilt. Gedreht wurde auch in Schaffhausen, wo Clermont im Haus Zur Fortuna in der Vordergasse 24 wohnt. In Courrendlin JU passiert Läppli die Fabrik Louis de Roll, Choindez 33, und als er sich auf dem Weg nach Porrentruy JU verläuft, wird er in Laufen BL vor dem Obertor am Vorstadtplatz 1, etwa auf Höhe des Hauses Hauptstrasse 1, von einem Camionfahrer darüber aufgeklärt. Die Innenaufnahmen fanden in Rümlang ZH statt, im 1954 bezogenen Studio Neuhaus der Walter-Kägi-Filmproduktion, das sich in einem kleinen Saal des Restaurants Neuhaus befand.

Der Schweizer Frauenschwarm Paul Hubschmid und die kurz darauf als Bond-Antagonistin zu internationalem Ruhm gelangende Karin Dor waren 1966 die Stars der italienisch-deutschen James-Bond-Nachahmung UPPERSEVEN, L’UOMO DA UCCIDERE / DER MANN MIT DEN TAUSEND MASKEN: Der britische Superagent Supersieben alias Paul Finney kämpft gemeinsam mit der schönen CIA-Agentin Helen Fairnight gegen Ganoven, die es auf einen Diamantentransport aus Südafrika und zugleich die Dollars für die Bezahlung der Edelsteine abgesehen haben. Drehort war neben Kopenhagen, London, Johannesburg, Kapstadt und Rom auch Basel: Beim Zollamt in der Grenzacherstrasse 543 in Riehen BS wird ein Kleinlaster kontrolliert, beladen mit scheinbar harmlosen Plüschhunden, die jedoch mit frisch gedruckten Blüten ausgestopft sind. Als Ablenkungsmanöver für den Basler Coup verseucht Gangsterbraut Birgit (Vivi Bach) während einer Publikumsführung durch das Wasserwerk das Trinkwasser mit einem tödlichen Virus; gedreht wurde die Sequenz im Flusskraftwerk an der Hofstrasse 82 in Birsfelden BL, als Guide agiert Bachs frisch Angetrauter, Dietmar Schönherr. Rasch kommt es zu einer Epidemie; eine Tramfahrt zeigt die ausgestorbene Stadt: den Steinenberg, den Barfüsserplatz, die Gerbergasse und den Marktplatz. Verkleidet als Feuerwehrleute im Einsatz fahren die Gangster den Kohlenberg hinauf, dann, jeglicher geografischer Logik entbehrend, von Kleinbasel her über die Wettsteinbrücke und aus nordwestlicher Richtung über den Münsterplatz auf die Pfalz. Durch den Seiteneingang betreten sie das zur Bank umdekorierte Haus der Allgemeinen Lesegesellschaft und tauschen die Geldkassetten im Tresorraum gegen solche mit dem Falschgeld aus. Derweil ist Fairnight unweit des Dreiländerecks in der Westquaistrasse angekommen und wird vom Bankdirektor (Tullio Altamura) zur Bank chauffiert. Just als sie vor dem Münsterplatz 8 ankommen, rast das rote Feuerwehrauto samt Beute in Richtung Rittergasse davon.

Das von Burkhard Mangold 1915 geschaffene Sgraffito mit dem goldenen Wolf auf der Fassade des Hauses Spalenberg 22 soll Hermann Hesse zur Namensgebung seines Romans «Der Steppenwolf» inspiriert haben, an dem er in einer Mansarde an der Lothringerstrasse 7 und im heutigen Zimmer 401 des Hotels Krafft an der Rheingasse 12 arbeitete. Die Verfilmung des Kultbuches über den innerlich zerrissenen Harry Haller, der durch Hermine und deren Freund Pablo das Leben wieder zu lieben lernt, in Basel zu realisieren, lag also nahe. Zumal dort der Drehbuchautor Fred Haines lebte, der, nachdem diverse Grössen abgesagt hatten, auch die Regie übernahm. Er favorisierte für die Hauptrolle den in den USA zu zehn Jahren Gefängnis verurteilten, aus diesem in die Schweiz entflohenen LSD-Hohepriester Timothy Leary, was Hesses Werk wohl endgültig zu einer Identifikationsvorlage für Drogenkonsument:innen gemacht hätte, doch wurde der 1972 des Landes verwiesen, also besetzte man den Ingmar-Bergman-Protagonisten Max von Sydow. Finanziert wurde THE STEPPENWOLF / LE LOUP DES STEPPES / DER STEPPENWOLF vom 34-jährigen amerikanischen Millionär Peter J. Sprague, Besitzer von Hühnerfarmen, Lagerhäusern und General-Electric-Aktien. Die Spezialeffektszenen des Magischen Theaters realisierte man in den Ateliers des Studios Hamburg, sämtliche Aussenaufnahmen vom 18. September bis Mitte November 1973 in Basel. Der Film beginnt am oberen Eingang des Basler Rathauses, zugänglich vom Hof des Staatsarchivs an der Martinsgasse 2, rückt dann zur Musik des Jazzers George Gruntz das Münster in den Blick, die Spalenvorstadt, verschiedene Altstadtgassen und die rheinseitigen Fassaden der Häuser Münsterplatz 4, Augustinergasse 1–21 und Rittergasse 9–19. Haller verfolgt einen grotesken Trauerzug, der aus der Martinskirche schreitet und vorbei am Sevogelbrunnen immer schneller durch die Martinsgasse läuft und den er vor dem Haus Zur Eisenburg in der Martinsgasse 18 einholt. Eine kurze Marktszene spielt auf dem Andreasplatz, wo Haller aus dem Affenbrunnen trinkt – der Affe ist nicht zu sehen, weil die Kopie der sich im Historischen Museum befindenden originalen Affenfigur auf Anweisung der Denkmalpflege gerade mit Mineralfarben bemalt wurde. Im Imbergässlein 25 kaufen Haller und Hermine (Dominique Sanda) ein Grammophon, gehen Arm in Arm durchs Pfeffergässlein und promenieren dann auf dem Oberen Rheinweg zum auf der Höhe des Reverenzgässleins gelegenen Basiliskenbrunnen. Pablo (Pierre Clémenti) tritt als Saxophonist im erwähnten Hotel Krafft auf, an der gegenüberliegenden Ecke von Rheingasse und Schafgasse versorgt er Haller und Hermine mit Kokain. In der St. Alban-Kirche am St. Alban-Kirchrain 11 wird Haller von Friedemann Bachs Sinfonia in d-Moll erschüttert, dargeboten von Musikern des Basler Radioorchesters. Gedreht wurde auch im Kreuzgang des Münsters, ein Cliquenabend findet im Volkshaus in der Rebgasse 12–14 statt, und im Innenhof des Rathauses am Marktplatz 9 soll Haller exekutiert werden: Unter dem mittleren Bogen der Nordostseite steht die efeugeschmückte Hinrichtungsstätte, zur Linken formiert sich das Gericht, auf und neben der Treppe trommeln Waggis. Staatsanwalt Loering (Charles Regnier) klagt Haller des Missbrauchs des Magischen Theaters an. Dieser wird aber nicht hingerichtet, sondern dazu verurteilt, ausgelacht zu werden.

Markus Imhoofs FLUCHTGEFAHR aus dem Jahr 1974 erzählt die Geschichte des 23-jährigen Autowäschers Bruno Kuhn (Wolfram Berger), der wegen eines dummen Vergehens zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. In der Strafanstalt Schällemätteli lernt er, sich zu behaupten, und erpresst seinen Zellennachbarn Winarski (Matthias Habich), ihn auf seiner Flucht mitzunehmen.

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