Drei Freunde geben Vollgas - Udo Franke - E-Book

Drei Freunde geben Vollgas E-Book

Udo Franke

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Beschreibung

Endlich Ferien! Darauf haben Tim und seine beiden Freunde Paul und Kalle schon seit Wochen sehnsüchtig gewartet. Gemeinsam möchten sie nun die erste Ferienwoche verbringen und verabreden sich schon für den nächsten Tag bei Tim zu Hause, um in der ehemaligen Werkstatt seines Großvaters abzuhängen, der als Wissenschaftler und Erfinder viel auf Reisen war. Da er durch seine vielen Reisen kaum Zeit für seinen Sohn hatte und seit einigen Jahren als vermisst gilt, möchte Tims Vater die Werkstatt mit allen Erinnerungen an ihn nach und nach entrümpeln.Aber damit nicht genug! Nach den Ferien soll die Werkstatt abgerissen werden, die Tim schon lange als Rückzugsort nutzt. Tim versteht die Welt nicht mehr. Nachdem sein Vater ihn jetzt auch noch vor seinen Freunden bloßstellt, reicht es Tim endgültig. Er schmiedet mit Paul und Kalle einen Plan, um seinen Großvater zu suchen.Als sie durch Zufall das alte BMW Motorrad-Gespann von Tims Großvaters entdecken, dass unter einem Berg von Kisten versteckt war, ahnen sie noch nicht, dass es sich dabei um ein ganz besonderes Motorrad handelt ...

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Drei Freunde geben Vollgas

Eine fantastische Reise mit einer alten BMW

Udo Franke

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.papierfresserchen.de

[email protected]

© 2016 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Telefon: 08382/9090344

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Cover: Sandra Schmiedefeld

Lektorat: Melanie Wittmann

Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM: www.literaturredaktion.de

ISBN: 978-3-86196-631-9 – Taschenbuch

ISBN: 978-3-86196-640-1 – E-Book

*

Inhalt

Prolog

Kapitel 1: Die Truhe

Kapitel 2: Mich laust der Affe

Kapitel 3: Alle oder keiner

Kapitel 4: Das Abenteuer beginnt

Kapitel 5: Verkehrskontrolle

Kapitel 6: Die verlassene Hütte

Kapitel 1: Der Eisbär

Kapitel 8: Der tote Eskimo

Kapitel 9: Weiterfahrt nach Qaanaaq

Kapitel 10: 1000 Kilometer bis Ilulissat

Epilog

*

Ich danke meiner Frau und meinem Sohn für ihre tatkräftige Unterstützung.

*

Prolog

Die drei Schulfreunde Tim, Paul und Kalle planen am letzten Schultag, die erste Ferienwoche gemeinsam zu verbringen, bevor es mit ihren Eltern in den wohlverdienten Urlaub geht. Sie verabreden sich schon für den nächsten Tag bei Tim zu Hause, um in der alten Werkstatt seines Großvaters abzuhängen, der als Naturwissenschaftler viel auf Reisen ist, jedoch seit einigen Jahren als vermisst gilt.

Durch einen Zufall entdecken die drei Freunde das alte Motorrad von Tims Großvater, das unter einem Berg von Kisten versteckt ist. Dass es sich dabei um ein ganz besonderes Motorrad handelt und die drei ein großes Abenteuer erwartet, ahnen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Tims Großvater ist nämlich auch ein leidenschaftlicher Erfinder. Genauer gesagt ist Tims Großvater ein Genie. Und so verläuft schon der erste Ferientag anders als erwartet ...

*

Kapitel 1: Die Truhe

Am Samstagmorgen machen sich Paul und Kalle, die in der gleichen Straße wohnen, auf den Weg zur Werkstatt, in der sie mit Tim verabredet sind. Gut gelaunt, weil endlich Ferien sind, kicken sie abwechselnd eine leere Coladose vor sich her.

„Los, Paul, jetzt gib mir mal eine schöne Vorlage“, verlangt Kalle, läuft ein paar Meter voraus und wartet darauf, dass sein Freund ihm die Dose zuschießt.

Mit einem gekonnten Hackentrick hebt Paul das Geschoss in die Luft und ballert es treffsicher direkt vor Kalles Fuß, der es noch im Flug annimmt und mit voller Wucht nach vorn schmettert, sodass die Dose versehentlich einen voranlaufenden Mann direkt in die Hacke trifft.

„Aua! Pass gefälligst auf, wo du hinschießt!“, beschwert sich der Getroffene lautstark bei den Jungen.

„Sorry!“, entschuldigt Kalle sich hastig.

„Von deinem Sorry hab ich nichts! Wenn ihr Fußball spielen wollt, geht auf den Fußballplatz. Verdammt noch mal!“ Wütend dreht er sich um und marschiert strammen Schrittes weiter.

„Komm, lass uns aufhören, Kalle“, sagt Paul und kickt die Dose an den Straßenrand.

„Mann, war der stinkig“, meint Kalle grinsend.

„Ja, ein Harzer ist gar nichts dagegen“, kichert Paul und die beiden halten sich die Hand vor den Mund, um den Mann, der immer noch vor ihnen her läuft, bloß nicht weiter zu verärgern.

„Sag mal, stimmt es eigentlich, dass Tim einen Kicker bei sich zu Hause stehen hat?“, möchte Kalle von Paul wissen.

„Ja, das stimmt. Wir haben schon so manches Turnier ausgetragen.“

„Cool, vielleicht können wir auch gleich eine Partie machen.“

„Ja, klar, aber rechne dir keine Chancen aus. Tim hat noch kein einziges Spiel gegen mich gewonnen“, verkündet Paul mit stolzgeschwellter Brust.

„Was?! Das glaub ich dir nicht ...“ Zweifelnd sieht Kalle seinen Freund an.

„Dann lass es eben! So, wir sind da.“

„Cool, hier wohnt Tim? Sind die reich?“, fragt Kalle staunend, der zum ersten Mal bei Tim zu Hause ist.

„Keine Ahnung. Tim hat mir mal erzählt, dass sein Vater als selbstständiger Unternehmensberater arbeitet. Und sein Großvater war, soviel ich weiß, ein Naturwissenschaftler und Erfinder.“

„Was, ein Erfinder?“, wiederholt Kalle mit weit aufgerissenem Mund.

„Ja, aber das glaube ich nicht“, winkt Paul ab.

„Warum glaubst du das nicht?“

„So wie es da drin aussieht, war er eher ein Messie, der hat jeden Mist gesammelt.“

„Ist das cool! Komm, lass uns endlich reingehen“, sagt Kalle, der schon ganz aufgeregt ist.

Paul öffnet also das Gartentor und die beiden schlendern einen Kiesweg entlang. Als sich dieser nach ein paar Metern teilt, biegen sie nach rechts ab und gehen somit direkt auf die Werkstatt zu. Doch als Paul die Tür öffnen möchte, ist diese noch verschlossen.

„Tim, bist du da drin?“, ruft er laut. „Tim!!!“

„Vielleicht ist er nicht da“, gibt Kalle zu bedenken.

„Er muss da sein, wir sind doch verabredet“, erwidert Paul und pocht mit der Faust gegen die Tür.

„Komm, wir warten lieber, bevor wir seine Eltern stören“, schlägt Kalle vor, der nun neben der Tür ein Seil entdeckt, das direkt in die Werkstatt führt. „Ist das die Türklingel?“, fragt er seinen Freund.

Paul runzelt die Stirn. „Hmm ... keine Ahnung. Hab ich noch nie gesehen.“

„Aber du warst doch schon tausendmal hier. Und da ist dir das Seil noch nie aufgefallen?“

„Nee, ist es nicht!“, antwortet Paul patzig.

Kopfschüttelnd zieht Kalle ein paarmal kräftig am Seil. Tatsächlich ist das Bimmeln einer Glocke zu hören und kurz darauf das Bellen von Tims Hund Rocky, der aufgeregt angelaufen kommt und von innen gegen die Tür der Werkstatt kratzt. Rocky ist ein Jack Russell Terrier, den Tim und seine Eltern vor fünf Jahren als jungen Welpen aus einem Tierheim zu sich nach Hause geholt haben.

„Tim hat einen Hund?“, fragt Kalle sogleich.

„Ja, Rocky. Vor dem musst du aber keine Angst haben. Das ist ein ganz Lieber.“

„Cool, ich hätte auch gerne einen Hund. Aber wir haben leider nicht genügend Platz“, seufzt Kalle.

Plötzlich öffnet sich die Tür und Rocky rennt bellend nach draußen. Die beiden Jungen begrüßen den Hund freudig und gehen in die Knie, um ihm ausgiebig das Fell zu kraulen. Rocky gefällt das natürlich richtig gut und als Dankeschön leckt er ihnen abwechselnd übers Gesicht.

„Bahhh ... Rocky, lass das, ich habe mich schon gewaschen“, ruft Paul, der nun seinen Kopf zur Seite dreht, sodass der Hund nur sein Ohr erwischt.

Die beiden Jungen erheben sich wieder, um Tim, der in der Tür steht und das Spektakel beobachtet hat, zu begrüßen, während der Jack Russell Terrier übermütig bellend um sie herum rennt.

„Sei jetzt still, Rocky, und geh rein“, befiehlt Tim streng und zeigt mit seinem Finger auf die offene Werkstatttür.

Jetzt können sich die drei Freunde endlich richtig begrüßen, indem sie ihre Handflächen aneinanderklatschen, dass es nur so knallt. „Los, kommt rein“, meint Tim und macht die Tür hinter ihnen zu. Rocky, der es sich inzwischen auf einem der alten Sessel bequem gemacht hat, wedelt immer noch aufgeregt mit seinem Schwanz. „Ist ja gut, Rocky.“ Tim streichelt ihm über den Kopf und gibt ihm ein Leckerchen.

„Warum hat es so lange gedauert, bis du aufgemacht hast? Hast du uns nicht gehört?“, fragt Paul und setzt sich in einen der alten Ledersessel, während Kalle sich mit offenem Mund staunend in der Werkstatt umsieht.

„Ich war unten im Keller“, entschuldigt sich Tim.

„Mensch, hier sieht’s ja toll aus, Tim. Echt super!“ Kalle bewundert die vielen tollen und teils kuriosen Dinge, die überall in der Werkstatt herumstehen, und entdeckt sofort etwas, das sein Interesse weckt. „Ohh, ein Sonnensystem“, murmelt er überwältigt und schreitet sofort darauf zu, um es sich genauer anzuschauen. Fasziniert zieht er mit einem passenden Schlüssel den Federmechanismus auf, der das Modell in Bewegung setzt und die einzelnen Planeten um die Sonne kreisen lässt.

Als Kalle in dem Moment noch etwas anderes am Boden liegen sieht, das wie eine riesige Kartoffel aussieht, kennt seine Begeisterung keine Grenzen mehr. „Ich werde verrückt! Ist das etwa ein Meteorit?“ Ungläubig reibt er sich die Augen und kann nicht recht fassen, was er gerade sieht. Magisch davon angezogen, kniet sich der Junge vor den Meteoriten, der von einer rostigen Schicht bedeckt ist, und streichelt fast schon zärtlich mit seinen Händen darüber. „Tatsächlich, es ist einer. So ein schönes und großes Exemplar hab ich noch nie gesehen. Der bringt bestimmt 400 Kilo auf die Waage“, schwärmt Kalle seinen Freunden von diesem wirklich außergewöhnlichen Exemplar vor.

„Das ist doch nur ein blöder Stein“, erwidert Paul auf einmal, weil er Kalles Begeisterung nicht teilen kann.

„Nur ein blöder Stein?! Das hier muss ein Bruchstück vom Campo del Cielo sein, einem der schönsten Meteoriten, der jemals auf der Erde gefunden wurde. Er besteht zu 92,6 Prozent aus Eisen und man glaubt, dass er vor etwa 6000 Jahren im heutigen Argentinien eingeschlagen ist. Das ist quasi ein Fingerabdruck unseres Sonnensystems, Paul, und nicht nur ein blöder Stein“, versucht Kalle, ihm seine Begeisterung klarzumachen.

„Ist doch egal. Interessiert mich eh nicht“, meint dieser jedoch nur schulterzuckend.

Kalle schüttelt empört den Kopf, weil er Pauls Desinteresse nicht nachvollziehen kann. Stattdessen sagt er: „Tim, das ist wirklich toll hier. Du hast dein eigenes Museum.“

„Jetzt komm mal wieder runter oder warst du noch nie in einem Museum?“, neckt ihn Paul.

„Klar war ich schon im Museum. Aber hier ist es irgendwie anders. So als würde alles nur darauf warten, endlich wieder benutzt zu werden“, versucht Kalle zu erklären.

„Sag mal, wenn du dich mit allem so gut auskennst, warum bist du dann überhaupt kleben geblieben und musst die Siebte wiederholen?“, fragt Tim ihn, weil er sich über seine Fachkenntnisse wundert.

„Na, weil ich immer nur im Museum bin“, fängt Kalle auf einmal laut an zu lachen, sodass auch Tim und Paul einfallen, bis ihnen allen dreien die Tränen kommen.

Als sie sich wieder beruhigt haben, sieht Kalle sich weiter in der Werkstatt um und betrachtet die vielen schönen Dinge, die Tims Großvater in all den Jahren aus der ganzen Welt zusammengetragen hat und nun hier aufbewahrt. Ehrfürchtig bleibt der Junge vor einer Bildergalerie stehen, die so namhafte Wissenschaftler wie Alfred Wegener, Charles Darvin oder Albert Einstein zeigt. Nachdem er sich jedes Bild ganz genau angeschaut hat, geht Kalle zu einem alten Grammofon hinüber, das von einer dicken Staubschicht bedeckt ist und an dem sich im Laufe der Jahrzehnte ganze Generationen von Holzwürmern satt gefressen haben.

„Tim, funktioniert das Grammofon noch?“

„Ja, aber die Plattensammlung ist schon lange nicht mehr aktuell.“

„Was sagst du? Ich kann dich nicht hören“, ruft Kalle laut, während er sich den Schalltrichter des Grammofons an sein Ohr hält.

Tim brüllt noch einmal seine Antwort. „Ich sagte: Die Plattensammlung ist schon lange nicht mehr aktuell!“

„Ja, das kann man wohl sagen“, schreit Kalle zurück und stöbert zwischen den alten Schellackplatten herum. „Hier ist was von Hans Albers und Edith Piaf. Die kenne ich sogar. Das ist die Lieblingsplatte meiner Mutter. Darf ich die mal auflegen?“, fragt er auf einmal ganz aufgeregt.

„Von mir aus. Warte ich helfe dir“, sagt Tim, geht hinüber zum Grammofon, pustet ein paarmal kräftig darauf und dreht an der Kurbel. Zum Schluss löst Tim die Bremse am Plattenteller, der jetzt langsam in Schwung kommt und anfängt, sich zu drehen. „Jetzt kannst du die Platte auflegen.“

„Super, das Lied ist nämlich uralt und wird euch bestimmt gefallen“, versucht Kalle, seine Freunde dafür zu begeistern.

„Deshalb gefällt es ja deiner Mutter, weil es so alt ist“, murmelt Paul vor sich hin und geht zu einem Schrank, um sich ein Kartenspiel aus einer Schublade zu holen.

Vorsichtig zieht Kalle derweil die ausgesuchte Platte aus der Hülle, legt sie auf den Plattenteller und platziert langsam die Nadel darauf.

Zuerst ist ein starkes Kratzen zu hören, aber dann ertönt aus dem Schalltrichter das Lied La Mer von Charles Trenet.

„Darf ich bitten?“, fordert Kalle Tim zum Tanz auf.

„Nee! Lass mal gut sein“, lehnt dieser dankend ab, um sich etwas anderem zuzuwenden.

Während Kalle zu der Musik summt und weiter die Plattensammlung durchstöbert, versucht Paul vergeblich, ein Kartenhaus aufzustellen. Weil das aber nicht klappt, verliert er schnell die Lust daran.

„Lasst uns kickern“, schlägt er stattdessen gelangweilt vor und wirft die Karten auf den Tisch. „Und mach doch mal den Scheiß aus, Kalle!“ Genervt von der Musik zieht Paul die Nadel kratzend von der Platte.

„Hey! Spinnst du?“, meckert Kalle ihn an.

„Dann spiel mal andere Musik!“

„Hier ist nichts anderes!“

„Dann mach das Radio an! Den Mist kann man sich ja nicht anhören!“, mosert Paul.

„Du hast ja keine Ahnung“, erwidert Kalle.

„Wo ist eigentlich Tim?“ Paul wendet sich suchend in alle Richtungen und ruft nach seinem Freund. „Tim, wo bist du?“

„Ich bin hier unten im Keller. Kommt mal runter“, erklingt es dumpf von unten.

Paul und Kalle steigen daraufhin die hölzerne Treppe zum Keller hinunter, die bei jedem Schritt laut quietscht.

„Helft mir mal, diese Kiste nach oben zu schaffen. Hat mein Vater mir aufgetragen.“

Die drei stellen sich um die Kiste herum und jeder versucht, eine geeignete Position zu finden, von der aus er das unhandliche Ding am besten anpacken kann.

„Also, bei drei!“, gibt Tim das Kommando und fängt an zu zählen. Die Kiste ist allerdings so schwer, dass die Jungen sie kaum vom Fleck bewegen können.

„Mann, ist die schwer!“, stöhnt Paul.

„Aber echt. Sag mal, was ist denn da drin?“, will Kalle von Tim wissen.

„Keine Ahnung, sie ist seit eh und je verschlossen.“

„Lass sie uns doch öffnen und was rausnehmen. Dann kriegen wir sie nach oben.“

„Nein, Kalle, das geht nicht. Mein Vater hat es verboten. Außerdem hält er den Schlüssel seit Jahren versteckt“, erwidert Tim bedauernd.

„Vielleicht ist ja etwas ganz Geheimnisvolles drin“, sagt Kalle mit tiefer Stimme und großen Augen. Dabei fuchtelt er wild mit seinen Armen herum.

„Ja, klar, ganz bestimmt“, gibt Paul trocken zurück.

„Kann doch sein oder nicht?“

„Eher nicht. Wahrscheinlich sind nur Bücher drin“, antwortet Tim nüchtern.

„So schaffen wir das jedenfalls nie. Die Kiste ist viel zu schwer für uns drei“, kehrt Paul zum Ursprungsproblem zurück.

„Dann lassen wir sie erst mal stehen“, schlägt Tim vor.

„Das ist eine gute Idee“, stimmen ihm die anderen zu.

„Warum soll sie überhaupt nach oben?“, möchte Kalle wissen.

„Die Truhe gehörte meinem Großvater und jetzt will mein Vater, dass sie auf den Sperrmüll wandert. Alles hier drin soll auf den Sperrmüll. Und in ein paar Wochen wird mein Vater die ganze Werkstatt abreißen lassen.“

„Was? Das sind doch Erinnerungen an deinen Großvater. Die kann man doch nicht einfach auf den Sperrmüll schmeißen“, empört sich Kalle und kann nicht glauben, was er da gerade gehört hat.

„Mein Vater schon“, erwidert Tim traurig.

„Sag mal, stimmt es eigentlich, dass dein Großvater Naturwissenschaftler und Erfinder war?“, fragt Kalle ihn jetzt.

„Ja, jedenfalls hat meine Mutter mal so was gesagt.“

„Und dein Vater? Was sagt der?“

„Der spricht nicht gerne über Franjo.“

„Franjo?“, wundert sich Kalle.

„Ja, eigentlich hieß er Franz-Josef. Aber alle, die ihn kannten, nannten ihn nur Franjo.“

„Aber wieso spricht dein Vater nicht gerne über ihn?“ Kalle ist neugierig geworden.

„So genau weiß ich das auch nicht. Meine Mutter sagte mir mal, dass er immer sehr viel auf Reisen war und wohl nie richtig Zeit für meinen Vater hatte. Und nachdem seine Mutter gestorben war, wurde es wohl noch schlimmer. Mein Großvater hat ihn dann in ein Internat gesteckt. Da war er gerade acht Jahre alt. Großvater dachte wohl, das sei das Beste für ihn.“

„Dann hat dein Vater fast seine ganze Schulzeit in einem Internat verbracht?“, will Kalle wissen.

„Nein, da war er nur ein Jahr. Er wollte nichts mehr essen und ist deshalb sehr krank geworden. Nachdem Großvater ihn wieder nach Hause geholt hatte, hat sich seine Tante um ihn gekümmert. So konnte Franjo in Ruhe in der Werkstatt arbeiten und um die Welt reisen.“

„Echt cool, dein Opa“, kommentiert Kalle, der es eigentlich gar nicht so meint, wie es Tim auffasst.

„Was ist denn daran cool, wenn der Vater nie Zeit für einen hat? Ach, ich vergaß, dein Vater ist ja auch nie da“, antwortet er denn sogleich patzig.

„Nimm das sofort zurück, sonst ...“

„Sonst was, Kalle?“ Tim stellt sich drohend vor ihn.

„Du weißt ganz genau, dass er auf Montage ist.“

„Ja, und dass er deswegen nie Zeit für dich hat.“

„Ach, halt doch die Klappe, du Armleuchter“, schnaubt Kalle zornig.

„Hört auf, euch zu zanken, lasst uns lieber kickern“, versucht Paul, den Streit zu schlichten, und legt prompt den Spielablauf fest, um jeden Widerspruch im Keim zu ersticken. „Kalle, wir machen das erste Spiel. Und Tim spielt danach gegen den Gewinner. Das bin wohl ich“, lacht er siegessicher.

„Das werden wir ja sehen. Wer verliert, gibt ’ne Cola aus“, ruft Kalle und rennt als Erster die Treppe hinauf. Sicher auch, um die angespannte Lage wieder zu beruhigen.

„Auf die Cola braucht ihr euch gar nicht erst zu freuen“, meint Tim und geht mit Paul ebenfalls nach oben, wo Kalle schon angespannt am Kickertisch wartet.

Die drei spielen eine ganze Weile, ohne dass Paul ein einziges Match verliert. Auch in der laufenden Partie führt er schon wieder mit 9:5 gegen Tim.

„Tor!“ Paul reißt jubelnd die Arme hoch und gewinnt erneut. „Ich habe es euch doch gesagt, ihr habt nicht die geringste Chance gegen mich.“

„Du hast nur Glück, dass ich nicht in Form bin“, erklärt Tim sein schlechtes Abschneiden und setzt sich zu Kalle auf die Couch.

„Schon klar. So, Kalle, du bist wieder dran.“

„Ich habe keine Lust mehr“, erwidert dieser trotzig.

„Wie, habt ihr schon genug? Schade! Ich möchte die Cola aber bitte eisgekühlt.“

„Ja, ja, bekommst du. Wie macht er das nur, Tim?“, wundert sich Kalle.

„Der hat nur Glück gehabt“, winkt sein Freund ab.

„Ha! Von wegen Glück! Ich könnte euch schon sagen, wie ich das mache. Aber das bleibt mein Spielgeheimnis“, offenbart Paul mit einem triumphierenden Grinsen.

„Irgendwann verlierst auch du dein erstes Spiel“, sagt Tim und gibt Kalle das Zeichen zum Angriff. Unter lautem Gebrüll springen die beiden von der Couch auf und stürzen sich auf Paul, der nichts ahnend im Sessel sitzt.

„Los, verrate uns dein Spielgeheimnis“, nimmt Tim ihn in den Schwitzkasten, während Kalle Paul ordentlich durchkitzelt.

„Haha, niemals“, lacht der Junge, der sich so heftig gegen den Angriff verteidigt, dass die drei schließlich mitsamt dem Sessel nach hinten umkippen und laut lachend auf dem Boden landen.

Angelockt vom Lärm, der aus der Werkstatt dringt, steht plötzlich Tims Vater in der Tür. „Was ist denn hier los?“

Schlagartig hören die Freunde auf zu lachen, stehen auf und klopfen sich den Staub aus der Kleidung.

„Hallo Papa. Ich dachte, du kommst heute später nach Hause“, nuschelt Tim unsicher.

„Ja, das dachte ich auch. Aber so sehe ich mal, mit welchem Blödsinn ihr den Tag verbringt.“

„Tut mir leid“, entschuldigt sich Tim zerknirscht bei seinem Vater und stellt den Sessel wieder auf. „Das ist übrigens Kalle, Paul kennst du ja bereits.“

„Tag, Herr Jungmann“, sagt Kalle grinsend und wird gleich eines Besseren belehrt.

„Für dich bitte immer noch Dr. Jungmann. Ich hab schon viel von dir gehört ...“

„Ja, ich bin bekannt wie ein bunter Hund“, lacht Kalle.

„Es ist nur dein schlechter Ruf, der dir vorauseilt“, tadelt ihn Tims Vater.

Und zum ersten Mal an diesem Tag fehlen Kalle glatt die Worte.

„Ups!“, murmelt Paul leise und begrüßt Tims Vater mit einem freundlichen „Guten Tag, Herr Dr. Jungmann“.

Rocky, der die ganze Zeit über geschlafen hat, freut sich über den Besucher und springt Tims Vater freudig an.

„Aus, Rocky, du versaust mir den Anzug! Aus, sage ich!“, wiederholt der Mann noch lauter. Mit eingezogenem Schwanz verkriecht Rocky sich in eine Ecke. „Tim, warum ist die Kiste noch nicht oben? Ich hatte dich doch darum gebeten“, sagt Herr Dr. Jungmann streng.

„Wir haben es ja versucht. Aber ohne deine Hilfe schaffen wir es nicht“, rechtfertigt sich sein Sohn.

„Ja, die ist viel zu schwer, Herr Dr. Jungmann“, pflichtet Kalle seinem Freund bei.

„Du lernst aber schnell“, lobt ihn Tims Vater.

„Das ist aber eher die Ausnahme. Normalerweise braucht Kalle immer etwas länger“, sagt Paul leise hinter vorgehaltener Hand und fängt mit Tim gemeinsam an zu kichern.

„Genug jetzt. Seid nicht so albern“, sagt der Vater mahnend.

„Kannst du uns bitte helfen, die Kiste hochzubringen?“, fragt Tim ihn jetzt.

„Wie stellst du dir das vor, mein Sohn? Soll ich die Kiste etwa in dem guten Anzug hochtragen? Ich hatte dich bereits heute Morgen gebeten, die Truhe aus dem Keller nach oben zu holen und an die Straße zu stellen. Jetzt seid ihr schon zu dritt und schafft es immer noch nicht.“

„Papa, es wäre leichter, wenn wir sie öffnen, dann können wir den Inhalt einzeln nach oben schaffen.“

„Fängst du schon wieder damit an, Tim? Muss ich dir wie bei einem kleinen Kind alles immer und immer wieder erklären? Ich habe dir hundertmal gesagt, die Kiste bleibt zu! Am Montag wird der Sperrmüll geholt. Ich hoffe, du denkst daran.“

Als Tims Vater gerade wieder aus der Werkstatt verschwinden will, hat Kalle zum schlechtesten Zeitpunkt, den es überhaupt geben kann, noch eine Frage an ihn. „Herr Dr. Jungmann, war Tims Großvater wirklich ein Erfinder?“

„Warum willst du das wissen? Das geht dich überhaupt nichts an!“, antwortet er in einem Ton, der die drei Jungen erstarren lässt.

„’tschuldigung! Ich frag nur so aus Neugier“, sagt Kalle ganz kleinlaut.

„Zu viel Neugierde ist nicht gut für dich. Konzentriere dich lieber auf die Schule, damit du etwas lernst im Leben. Oder möchtest du wie dein Vater als Bauarbeiter enden?“

„Warum nicht? Was ist schlecht daran, auf dem Bau zu arbeiten? Mein Vater arbeitet hart für uns“, erwidert Kalle, der seinen Vater stolz verteidigt.

„Das mag sein. Aber hätte er sich mehr auf die Schule konzentriert, hätte er es heute vielleicht leichter im Leben. Oder glaubst du nicht?“ Er schaut Kalle fragend an, der jedoch ziemlich wütend darüber ist, was Tims Vater so alles von sich gibt, dass er ihn einfach ignoriert.

„Jetzt ist es gut, Papa! Hör endlich auf!“, sagt Tim in einem Ton, der seinem Vater ganz und gar nicht gefällt.

„Sag mal, wie redest du eigentlich mit mir? Ich verbitte mir diesen Ton!“

„Entschuldige, aber hör jetzt bitte auf“, versucht Tim, ihn zu beschwichtigen, und hofft, dass er endlich ruhig ist und wieder geht.

„Nun gut. Darüber reden wir später noch. Denk bitte an die Kiste.“

„Ja, mach ich.“

„Tschüss Jungs“, verabschiedet sich der Vater endlich und zieht von dannen.

Von den Freunden verabschiedet sich nur Paul von ihm, indem er ihm „Schönen Abend noch, Herr Dr. Jungmann“ zuraunt.

„Was für ein Idiot“, schimpft Kalle, der mächtig sauer auf Herrn Dr. Jungmann ist.

„Wie redest du denn über Tims Vater?“, ruft Paul entsetzt.

„Lass nur, irgendwie hat er ja recht“, gesteht Tim achselzuckend ein.

„Du alter Schleimer! Guten Tag, Herr Dr. Jungmann, schönen Abend noch, Herr Dr. Jungmann“, äfft Kalle Paul nach und tut so, als würde er sich den Finger in den Hals stecken.

„Es ist besser, wenn ihr jetzt geht“, meint Tim, der sich für seinen Vater und dessen Auftreten schämt.

„Und was ist mit der Kiste?“, wirft Kalle ein.

„Irgendwie mach ich das schon.“

„Sollen wir morgen wiederkommen?“, fragt er Tim noch, bevor sie gehen.

„Wenn ihr euch noch traut ...“

„So schnell lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen, stimmt’s, Paul?“

„Ganz genau“, stimmt dieser nickend zu.

„Und außerdem verlange ich von Paul eine Revanche beim Kickern.“

„Ihr seid echt klasse, Jungs. Dann treffen wir uns morgen um zwölf Uhr wieder hier in der Werkstatt.“ Tim scheint erleichtert zu sein.

„Das passt gut. Dann kann ich wenigstens ausschlafen“, grinst Kalle und verabschiedet sich mit Paul von Tim, indem sie sich wie immer gegenseitig abklatschen. „Und lass den Kopf nicht hängen. Seine Eltern kann man sich leider nicht aussuchen“, fügt er beim Gehen hinzu, weil er damit versucht, Tim etwas aufzumuntern.

„Ja, ist gut“, murmelt dieser und schließt die Tür hinter ihnen.

Als Paul und Kalle das Gartentor hinter sich geschlossen und das Grundstück verlassen haben, unterhalten sie sich als Erstes über Tims Vater, der bei Kalle einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.

„Sag mal, ist der Alte immer so?“, will er von Paul wissen.

„Ja, eigentlich schon. Der ist ziemlich steif.“

„Wie hält Tim das nur mit dem aus?“

„Keine Ahnung! Meine Eltern singen nur Lobeshymnen auf ihn“, erwidert Paul.

„Das ist ja mal wieder typisch. Die Alten halten immer zusammen!“