Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 11 - Frank Hille - E-Book

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 11 E-Book

Frank Hille

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Beschreibung

Mitte März 1943 gelingt es der Deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS Charkow von den Russen zurückzuerobern. Durch diese Gegenoffensive war es den Deutschen möglich geworden, den Südabschnitt der Ostfront zu stabilisieren und die drohende Einschließung großer Teile der Heeresgruppen A und Don zu verhindern, eine noch größere Katastrophe als in Stalingrad konnte so gerade noch abgewendet werden. Da auch Belgorod wieder an die Deutschen gefallen war ergab sich für die deutsche Führung die Gelegenheit, die im Frontbogen bei Kursk stehenden russischen Truppen in einer von Norden und Süden her geplanten Zangenoperation einzuschließen und zu vernichten. Fred Beyer und seine Männer sind auf den neuen Panzer V "Panther" umgeschult worden und vor allem diese neuen schweren Waffen und die Erdkampfflugzeuge sollen den Erfolg bringen. Da sich die Zuführung der Fahrzeuge verzögert, aber Hitler auf deren unbedingten Einsatz besteht, gewinnen die Russen Zeit für den Ausbau eines gewaltigen und tiefgestaffelten Verteidigungssystems. Auch Günther Weber soll mit seiner Einheit an dieser Operation teilnehmen. Martin Haberkorn kommt mit seinem Boot von einer neu erprobten U-Boot-Taktik gerade noch einmal in den Hafen zurück.

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Impressum

Drei Musketiere

Eine verlorene Jugend im Krieg

Band 11

1943

Copyright: © 2017 Frank Hille

Published by: epubli GmbH, Berlin

www. epubli.de

Geleitwort zum Band 11 „Drei Musketiere – Eine verlorene Jugend im Krieg“

Liebe Leserinnen und Leser,

nach 10 erschienenen Bänden der Romanreihe möchte ich mich bei Ihnen ganz herzlich für Ihr Interesse an den Büchern bedanken.

Seit meiner Jugend interessiere ich mich für Militärgeschichte und die Entwicklung der Militärtechnik. Eine sofort absolut einleuchtend erscheinende Erklärung kann ich dafür nicht finden, es gibt viele Gründe, die meine Neugier darauf gelenkt haben. Vielleicht ist es unter anderem auch die Tatsache gewesen, dass ich meine Großväter nur von Bildern her und aus Erzählungen kenne, beide sind im Krieg gefallen und ich habe nie die Gelegenheit gehabt sie zu erleben, mit ihnen etwas unternehmen oder einfach nur reden zu können. Wahrscheinlich rührt daher auch meine strikte Ablehnung jeglicher Gewalt her, auch meine Familie ist in früheren Generationen vom Krieg nicht verschont geblieben, ich selbst schon, und dafür bin ich sehr dankbar. Es mag seltsam erscheinen, dass ich gerade das Thema Krieg trotzdem recht ausgiebig in dieser Romanreihe behandle. Ich verstehe es aber auch als meine persönliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen, dass gewaltsame Auseinandersetzungen trotz aller geschichtlichen Lehren keineswegs aus dem Leben der Menschen verschwunden sind und wie früher auch, oft unter dem Deckmantel einer als besser und höherwertig angesehenen Weltanschauung oder einer sich über andere Glaubensrichtungen erheben wollenden Religion, mit hoher Brutalität ausgetragen werden. Nicht nur die Kombattanten riskieren ihr Leben im Krieg, denn eine Rücksichtnahme auf die zivile Bevölkerung spielt vielfach keine Rolle in diesen gnadenlosen Auseinandersetzungen.

Als ich vor einigen Jahren zu diesem Thema zu schreiben begonnen habe hatte ich nur vage Vorstellungen vom Umfang der Reihe. Dass der Lebensweg dreier junger Männer durch die lange Kriegszeit hindurch nicht schnell beschrieben werden konnte war mir klar. Nach und nach wurde mir aber immer mehr verständlich, welchen rigorosen Bruch es im gerade erst einmal bewusst begonnenen und wahrgenommen Leben es für die drei Protagonisten bedeutet haben musste, direkt aus einer heilen bürgerlichen Welt in Situationen zu geraten, wo es nur ums nackte Überleben ging, und eine humanistische Einstellung im Kampf Mann gegen Mann keinen Groschen mehr wert war. Der damit meist zwangsläufig verbundene Wesenswandel in solchen Zeiten ist eine erschreckende Entwicklung und zeigt den schädlichen Einfluss jeder wie auch immer gearteten Ideologie. Mein Ziel ist es auch, mit den Büchern vor allem darauf hinzuweisen, dass ein Krieg zwar einen offiziellen Sieger kennt, aber eigentlich nur Verlierer auf einer blutigen Strecke von Tod, Leid und Zerstörung zurücklässt.

Es ist mir wichtig, die nur meiner Phantasie entspringende Handlung und den Weg der drei jungen Männer durch ihre bedrückenden Kriegserlebnisse über diesen langen Zeitraum in einen möglichst genauen historischen und technischen Kontext einzukleiden. Trotz aller von mir gründlich betriebenen Recherchen in diesem Zusammenhang bleiben Fehler nicht aus, wofür ich in Hinblick auf den Umfang des Buchprojektes um Nachsicht bitte.

Äußerst wertvoll für mich sind die Rezensionen zu den bereits vorliegenden 10 Bänden. Durch die positiven Bewertungen fühle ich mich bestätigt, Ihre Erwartungen an die literarische Umsetzung dieses Themas gut betroffen zu haben. Negative und kritische Meinungen spornen mich an, die benannten Kritikpunkte auszuräumen. Eins muss ich aber ganz deutlich klarstellen: die teils sehr drastischen Gewaltdarstellungen, das beschriebene qualvolle Sterben von Menschen ohne den Blick wegzunehmen, die aus der Entmenschlichung herrührende Lust am Töten, das Abschlachten von wehrlosen Zivilisten, all das ist Krieg und darf in der Schilderung der Ereignisse nicht ausgespart werden. Keineswegs ist es auch so, dass ich die von mir den Protagonisten zugeschriebenen nationalsozialistisch geprägten Denkweisen und Handlungen irgendwie billige. Sie sind nur Ausdruck einer Vorstellung davon, wie stark sich diese jungen Männer damals mit der ihnen permanent vermittelten Ideologie des Hitlerreiches identifizieren konnten und auch ihren Einsatz als Soldaten im Krieg als durchaus folgerichtig ansahen und sogar mit Spannung erwarteten. Dass sie nicht mehr nur zu einem harmlosen Geländespiel der Hitlerjugend ausrückten war ihnen überhaupt nicht klar gewesen und sie wurden äußerst brutal darüber belehrt, was Krieg weit abseits der literarischen Heldenverehrung wirklich bedeutet.

Ich danke Ihnen sehr für Ihr Interesse an der Romanreihe „Drei Musketiere – Eine verlorene Jugend im Krieg“ und würde mich sehr freuen, wenn sie dieser auch weiterhin treu bleiben.

Herzliche Grüße, Ihr

Frank Hille

Martin Haberkorn, 17. Juni 1943, Lorient, Biskaya

Fred Beyer, Anfang bis Mitte Juli 1943, bei Belgorod

Günther Weber, Anfang bis Mitte Juli 1943, bei Orel

Martin Haberkorn, 3. Juli 1943, Lazarett, Bayern

Fred Beyer, 5. Juli 1943, bei Belgorod

Günther Weber, 5. Juli 1943, vor Orel

Fred Beyer, 5. Juli 1943, Spätnachmittag, bei Belgorod

Günther Weber, 5. Juli 1943, Nachmittags vor Orel

Fred Beyer, 5. Juli 1943, Spätnachmittag, bei Belgorod

Martin Haberkorn, 5. Juli 1943, Hamburg-Finkenwerder, Deutsche Werft

Günther Weber, 5. Juli 1943, Nachmittags vor Orel

Fred Beyer, 5. Juli 1943, Abends, bei Belgorod

Martin Haberkorn, 6. Juli 1943, Hamburg

Günther Weber, 6. Juli 1943, vor Orel

Fred Beyer, 6. Juli 1943, bei Belgorod

Martin Haberkorn, 7. Juli 1943, Hamburg

Günther Weber, 7. Juli 1943, vor Orel

Fred Beyer, 7. Juli 1943, bei Belgorod

Martin Haberkorn, 17. Juni 1943, Lorient, Biskaya

Nach der vorletzten Reise, die wenigstens die Versenkung von zwei Frachtern mit insgesamt 12.300 Tonnen nach extrem langen und gefährlichen Anläufen zum Ergebnis gehabt hatte, war das Boot zwar erheblich beschädigt in den Stützpunkt eingelaufen, aber den immer mehr zunehmenden Verfolgungen und Angriffen durch den Gegner doch noch einmal relativ glimpflich entkommen, doch einen Versenkungserfolg hatte es wieder nicht gegeben. Die Schäden waren diesmal glücklicherweise nicht so schwerwiegend wie bei der Unternehmung davor gewesen. Die Werft in Lorient war rund um die Uhr in Betrieb und vollständig ausgelastet, weil eigentlich nur noch von Wasserbombenangriffen, Artilleriewaffenbeschuss oder Flugzeugkanonengeschossen schwer mitgenommene Boote zurückkamen, so dass Haberkorns Boot längere Zeit in Warteposition liegen musste, ehe die Arbeiten überhaupt erst beginnen konnten. Die letzten Wochen waren für die deutsche U-Boot-Waffe rabenschwarze Tage gewesen. Nach dem Angriff von drei U-Boot-Rudeln im März konnten die 43 U-Boote 22 Schiffe aus zwei Konvois südlich von Grönland versenken, 9 weitere Fahrzeuge waren torpediert worden. Die Erfolgsbilanz von 142.000 Tonnen hatte sich sehen lassen können und die Hoffnung geweckt, dass die Massierung der Boote doch noch eine effektive Bekämpfung der Geleitzüge zuließ. Allerdings relativierte sich die beachtliche Tonnagezahl für die Boote um die durch die Luftwaffe versenkten Schiffe doch noch erheblich. Den Booten war auch zugutegekommen, dass die Alliierten diesen Seeraum noch nicht aus der Luft überwachen konnten. Das hatte sich allerdings grundlegend geändert, als auf Grönland und Island gegnerische Langstreckenbomber stationiert worden waren, so dass die Alliierten dann die Lufthoheit über den gesamten Nordatlantik erringen konnten. Dabei war es nicht geblieben, denn der britische Oberbefehlshaber der Western Approaches hatte etliche taktische Änderungen in der Geleitzugsicherung eingeführt. Im Ergebnis dieser veränderten Bedingungen waren allein im Mai 1943 43 deutsche U-Boote versenkt worden. Fast alle waren sogenannte „Totalverluste“ gewesen und das hieß auch, dass mehr als 2.000 Männer jämmerlich in ihren sinkenden Booten ertrunken waren, vielleicht noch aus der Stahlröhre hatten entkommen können aber ohne jegliche Rettungsmöglichkeiten im Wasser treibend erfroren, am Öldunst des aus den auslaufenden Tanks hochsteigenden Treibstoffs erstickt, qualvoll verdurstet oder sonst wie ums Leben gekommen waren. 2.000 Schicksale vor allem noch junger Männer und die der mit diesen Seemännern verbundenen Familien, Freunden, ersten Lieben und Bekannten hatten sich in nicht einmal einem kurzen Lebensmonat entschieden, endgültig und unumkehrbar für die U-Boot-Männer, für die anderen wahrscheinlich ewig furchtbar bedrückend.

Genau zu dieser Zeit war Haberkorns Boot zu einer neuen Unternehmung in dieses Gebiet hinausgeschickt worden. Alle an Bord waren sich ihrer äußerst schlechten Rückkehrchancen bewusst gewesen und hatten auch genau gewusst, dass schon allein der Marsch durch die Biskaya ein äußerst hohes Risiko darstellte. Natürlich kannten die Alliierten die Ein- und Auslaufrouten der Boote ziemlich genau und damit war es eigentlich auch praktisch nahezu unmöglich geworden, eine Passage dieses Seegebietes über Wasser zu versuchen. Dönitz als BdU hatte die noch im Atlantik operierenden U-Boot-Rudel auflösen lassen und Einzelangriffe befohlen. Der drohenden Gefahr aus der Luft, die nicht nur in der Nähe der Konvois stark war, sondern eben auch insbesondere den An- und Abmarsch zu und von den Häfen betraf, sollte mit einer neuen Taktik begegnet werden. Die Idee war die gewesen, mehrere Boote gleichzeitig im Überwassermarsch auslaufen zu lassen und diese sollten auch im Falle eines Luftangriffes nicht wegtauchen, sondern durch die Massierung des Feuers ihrer Flakwaffen die angreifenden Flugzeuge abschießen oder zumindest abdrängen. Von der Papierform her waren die Typ IX Boote gar nicht so schlecht mit einer Abwehrbewaffnung ausgestattet. Die meisten der Boote besaßen auf dem Turm zwei 2-Zentimeter Zwillingsflaks und eine 3,7-Zentimeter Flak 37 auf dem Wintergarten. Die 2-Zentimeter Waffen waren wenig durchschlagkräftig, aber die größere 3,7-Zentimeter Flak stellte für die Flugzeuge eine ernstzunehmende Bedrohung dar.

Als der Kommandant nach der Besprechung vom Flottillenchef wieder an Bord gekommen war hatte er die Offiziere mit saurer Miene zum „Schlachtplanentwurf“, wie er zynisch sagte, befohlen. Ohne große Umschweife hatte er den Männern das geplante Auslauf- und Marschmanöver erläutert und strengste Verschwiegenheit verlangt. Bis zum Einsatz würde es noch einen Weile dauern, da insgesamt vier Boote gemeinsam in See stechen sollten, aber zwei davon noch nicht einsatzbereit wären. Den durch die lange Gammelei gelangweilten Matrosen würde er durchaus zutrauen im Puff oder in den Kneipen irgendetwas auszuplaudern, und so sollten die Lords erst nach dem Losmachen der Boote vom Pier informiert werden. Prinzipiell würde es also darum gehen, im Verbund der Boote in Kiellinie auszulaufen, und in jedem Falle im Überwassermarsch zu bleiben. Auch nachts. Sollte der Gegner aus der Luft angreifen würde man ihn unter konzentriertes Flakfeuer nehmen und das würde auch bedeuten, dass die Bedienungen dieser Waffen ständig auf dem Turm und dem Wintergarten sein müssten. Wegtauchen wäre generell ausgeschlossen, man müsste die Sache also so oder so, egal wie es denn kommen würde, eben durchstehen. Wie es denn sei, hatte der II WO dann nach der Aufforderung Fragen zu stellen wissen wollen, wie im Falle eines, nun ja, Verlustes eines Bootes zu verfahren wäre, denn dann wäre die Feuerkraft ja doch vermindert. Das würde an der Sache nichts ändern hatte der Kommandant mit kühler Stimme geantwortet, denn die Führung würde davon ausgehen, dass die Boote selbst bei reduzierter Abwehrkraft die Angreifer abwehren könnten, schließlich sei die 3,7 Zentimeter ja eine ausgesprochen brachiale Waffe und nicht so eine lahme Spritze wie die 2-Zentimeter-Kanonen. Danach war es still geblieben. Da ja nun alles klar wäre, hatte der Kommandant die Besprechung beendet, könnte man sich also nun schon gedanklich auf eventuell denkbare Situationen einstellen und sich seine dann je nach Situation erforderlichen Handlungsweisen zurechtlegen.

Am 17. Juni 1943 waren vier Boote ohne jegliche offizielle Verabschiedung im Hafen sofort nach dem Losmachen in aller Herrgottsfrühe um 4 Uhr von ihren Liegeplätzen ausgelaufen und hatten sich auf der offenen See in Kiellinie auf den Marsch begeben. Haberkorns Boot fuhr als letztes. Sie sollten das Tageslicht für ein schnelles Vorankommen nutzen, aber nur so lange in dieser Formation zusammenbleiben, bis sie gemeinsam die schlimmste Gefahrenzone passiert hätten und dann einzeln operieren. Man ging davon aus, dass dieser Bereich bis 150 Meilen von Lorient entfernt reichen würde und diese Strecke bei ordentlicher Fahrt in ungefähr 10 Stunden hinter den Booten liegen könnte. Das Wetter war gut, der Seegang nur mäßig, und so kam die Gruppe mit großer Fahrt gut voran, nach etwas mehr als drei Stunden waren schon knapp 50 Meilen zurückgelegt worden und damit wurde auch die angestrebte Marschgeschwindigkeit von rund 16 Knoten erreicht. In der vierten Stunde war ein Flugzeug gesichtet worden, das aber in sicherer Entfernung abgedreht hatte. Den erfahrenen Männern an Bord musste jedoch niemand sagen, dass diese Maschine den Standort und den vermuteten Kurs der Boote weitergemeldet hatte und ein Angriff durch andere Flugzeuge jetzt sehr wahrscheinlich war und vermutlich nicht lange auf sich warten lassen würde. Die Nervosität an Bord der Boote war spürbar, denn eigentlich war so ein Seefahrzeug wie ein U-Boot von der Sache her als stabile Waffenplattform schon bei ruhiger See nicht sonderlich geeignet, und die an den Flakwaffen stehenden Matrosen auch keine speziell ausgebildeten Artilleristen. Außerdem waren die an der Oberfläche recht reaktionsträgen Boote kaum in der Lage bei einem Angriff schnelle Ausweichmanöver zu fahren. Alles sprach eigentlich gegen diese Taktik, aber die Männer an Bord hatten sich wieder einmal in das für sie wohl Unvermeidliche gefügt. Gedanken an Befehlsverweigerung aufgrund eines nahezu selbstmörderischen Befehls in Hinblick auf die Lufthoheit der Alliierten kamen noch nicht auf, allzu tief war immer noch der Geist einer Elitetruppe anzugehören im Denken der Männer verwurzelt. Dass immer mehr Offiziere, Maate und Matrosen von Bord genommen werden mussten, weil sie zu nervlichen Wracks geworden waren und ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen konnten und damit das ganze Boot gefährdeten, stand auf einem anderen Blatt. Martin Haberkorn fühlte sich im Inneren der Stahlröhre diesmal wie eingesperrt und er sah, dass es den anderen Männern auch so ging.

Der Angriff hatte nach den Aufzeichnungen des Obersteuermanns um 10 Uhr 38 begonnen. Für die Briten musste es eine äußerst willkommene Gelegenheit gewesen sein, die verhassten deutschen U-Boote sogar im Viererpack an der Oberfläche angreifen zu können. Wie sich später dann aus übereinstimmenden Beobachtungen verschiedener Männer ergab, waren an dem Luftüberfall 3 Bristol Blenheim und 4 Hawker Hurricane beteiligt gewesen. Die Flugzeugbesatzungen hatten wohl damit gerechnet, dass die Boote bei Sichtung der Angreifer wie sonst üblich wegtauchen würden und waren nicht auf eine zusammengefasste Luftabwehr des an der Oberfläche bleibenden Gegners gefasst gewesen. So eine Situation war den Briten bislang noch nicht begegnet und sie blieben deshalb beim Anflug ihrer gewohnten Routine treu. Die Bomber hatten sonst vorzugsweise von achtern aus angegriffen, und das taten sie auch diesmal. Die Jäger hingegen hatten sich in zwei Paare geteilt und versuchten die Türme zu beschießen. Jetzt war das eingetreten, woran der Plan der deutschen Führung schon vom Grundsatz her entscheidend krankte. Man hatte sich vorgestellt die Feuerkraft der Flak bündeln zu können, aber die Männer an den Maschinenwaffen auf den Booten sahen sich nunmehr aus verschiedenen Richtungen angreifenden feindlichen Flugzeugen gegenüber. Als die Maschinen in den Feuerbereich geraten waren schoss die deutsche U-Boot-Flak Sperrfeuer, und einer der von Steuerbord angreifenden Jäger wurde so gut getroffen, dass die Maschine explodierte. Der andere war aber durchgekommen und die Geschosse seiner Kanonen und Maschinengewehre fetzten in die auf der Brücke stehenden Männer des zweiten Bootes in der Reihe. Die großkalibrigen Geschosse schlugen durch die Brückenverkleidung, fegten über den hinter der Brücke angebrachten Aufbau und töteten den Kommandanten, den I WO und sechs Männer der Flakbedienungen, die gesamte auf dem Turm und dem Wintergarten befindliche Besatzung. Auch die aus der Backbordrichtung kommenden Jäger feuerten ihre Waffen ab, der Turm des dritten Bootes wurde unterhalb der Brücke fast vollständig durchlöchert, so dass die auf dem Boden des Turmes in Deckung gegangen Männer noch einmal davonkamen und nach dem Überflug der Maschine sofort wieder ihre Flakwaffen besetzten. Die Geschosse des Flugzeuges hatten aber auch den Druckkörper an einigen Stellen durchschlagen, außerdem hatte eine ungelenkte Rakete unterhalb des Backbordsatteltankes eingeschlagen und ebenfalls Lecks im Druckkörper verursacht. Die tief von achtern anfliegenden Bomber gerieten schon bei 2.000 Meter Entfernung in das Feuer der durchschlagkräftigen 3,7 Zentimeter-Flak von Haberkorns und dem dritten Boot, und die Geschosse rissen der ersten Maschine die rechte Tragfläche ab, durchschlugen die gläserne Cockpitverkleidung und töten die Piloten. Die Maschine schmierte ab und stürzte ins Meer. Der zweite und der dritte Bomber waren aber nicht im Visier der Flakbedienungen gewesen, und obwohl die Flakbedienungen diese Flugzeuge dann sofort beschossen, konnten beide ihre unter den Tragflächen hängenden Bomben abwerfen. Diese segelten gut gezielt durch die Luft, eine detonierte an Steuerbord knapp 15 Meter neben dem Turm von Haberkorns Boot und zwei schlugen in der Nähe des Achterschiffes des dritten Bootes ein, zwei andere direkt auf dem Vorderschiff des ersten Bootes. Nach den Nahtreffern am dritten Boot musste dort die Ruderanlage ausgefallen sein, denn das Schiff lief nach Backbord aus der Kiellinie heraus. Die 3,7 und die 2-Zentimeter Flak schossen aber weiter und konnten den abfliegenden Jäger beschädigen, so dass dieser mit einer sich hinterherziehenden Qualmwolke abdrehte. Die beim ersten Boot durch die Bombentreffer verursachte steil aufsteigende Explosionswolke schleuderte Holzteile des Decks und Eisenstücke des Rumpfes hoch, aus der Einschlagsstelle schlug eine Flammenwolke auf und das Boot verlor sofort an Fahrt und sackte über das Vorderschiff nach unten. Beim Abflug hatten die Männer von Haberkorns Boot die linke Blenheim treffen können, diese hielt sich aber noch in der Luft und flog mit Backbordschlagseite und brennendem Motor ab. Der dritte Bomber und die zwei noch einsatzbereiten Jäger hatten sich wohl über Funk verständigt und entschieden den Angriff nicht weiter fortzusetzen, da offensichtlich noch etliche Flakwaffen der Deutschen einsatzbereit waren und sie bereits zwei Maschinen verloren hatten und sich zwei weitere mit erheblichen Schäden absetzen mussten.

Martin Haberkorn hatte die Angriffsgeräusche, das wütende Abwehrfeuer der eigenen Boote und die Detonationen deutlich gehört und gespürt. Er war zu dieser Zeit an seinem Platz in der Zentrale gewesen und darauf vorbereitet, eventuell doch das Alarmtauchen einleiten zu müssen. Er hatte hinter den nervösen Tiefenrudergängern gestanden und wollte gerade dem Zentralemaaten den Befehl geben, noch einmal den Druckluftvorrat zu überprüfen, als die Bombe an der Steuerbordseite einschlug und deren Detonationswucht das Boot ein Stück aus dem Wasser hob und weit nach Steuerbord überholen ließ. Haberkorn wurde von den Beinen gerissen, taumelte durch die Zentrale und prallte mit voller Wucht gegen die an der Backbordseite angebrachten Aggregate. Er spürte einen stechenden Schmerz im linken Oberarm und ging zu Boden. Als er sich aufrichten wollte konnte er den Arm nicht mehr benutzen und er sah auch, dass der Knochen über den Gelenk seltsam abgeknickt erschien. Einen Moment später wurde ihm schwarz vor Augen.

An der Wasseroberfläche zeigte sich ein apokalyptisches Bild. Das erste Boot war bereits durch die Wirkung der Volltreffer über den Vordersteven gesunken, in einem sich schnell ausbreitenden Ölfleck und umher treibenden Wrackteilen waren einige wenige schwimmende und vermutlich auch schon tote Männer zu erkennen. Das zweite Boot dümpelte führungslos vor sich hin, es war nicht klar, ob die Männer unten im Boot überhaupt mitbekommen hatten, dass die gesamte Brückenbesatzung im Feuer der angreifenden Flugzeuge gefallen war. Das dritte Fahrzeug war wegen der defekten Ruderanlage bereits ein großes Stück nach Backbord abgetrieben und krängte, eine breite Ölspur hinter sich herziehend, immer mehr nach Backbord. Die Durchschläge im Druckkörpers durch die Geschosse der Bordwaffen des Jägers waren sicher verkraftbar, aber der Raketentreffer hatte den Backbordsatteltank aufgerissen und danach noch ein Leck von gut acht Zentimeter Durchmesser in den Stahlmantel geschlagen. Bei Haberkorns Boot war nach einer ersten Sichtung der Schäden durch den Zentralemaat und den Dieselobermaschinisten festgestellt worden, dass unter anderem die Funkanlage ausgefallen war und es weitere Ausfälle an verschiedenen Aggregaten gab, aber der Druckkörper unbeschädigt schien und die Diesel nicht beschädigt worden waren. Der Kaleun ließ sofort auf die Untergangsstelle des ersten Bootes zusteuern und brüllte Befehle nach unten:

„Dalli, Nummer Eins, sofort mit fünf Männern nach oben! Rettungsleinen und Decken mitbringen. Schnell, verdammt noch mal! Und die Flüstertüte hochgeben, Beeilung!“

Der Rudergänger steuerte vorsichtig längsseits auf das zweite Boot zu. Dort waren einige Männer auf dem Turm zu sehen. Der Kommandant rief nach drüben:

„Wie ist die Lage?“

„Brückenbesatzung und Kommandant gefallen“ kam zurück.

„Können Sie manövrieren?“

„Ja.“

„Können Sie navigieren?“

„Ja.“

„Nehmen Sie die gefallenen Männer unter Deck und laufen Sie sofort ein Stück ab aber warten Sie dann mit alarmbereiter Flak. Sind Sie tauchfähig? Wer übernimmt das Boot?“

„Sind tauchfähig. Ich, Obersteuermann Krüger, übernehme.“

„Wir müssen noch sehen was aus dem anderen Boot wird. Eventuell müssen Sie Männer an Bord nehmen. Bleiben Sie in 2 Meilen Entfernung stehen.“