Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 17 - Frank Hille - E-Book

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 17 E-Book

Frank Hille

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Beschreibung

Ende 1943 hatte die Rote Armee den Dnjepr unter mörderischen Verlusten überwinden, am 6. November Kiew einnehmen und Ende Januar 1944 bei Korsun 6 deutsche Divisionen mit fast 60.000 Soldaten einschließen können. Auf deutscher Seite war die kritische Situation erkannt worden, und mehrere Großverbände sollten den Kessel von außen öffnen. Dort saß auch Günther Weber mit seinen Männern fest. Es zeigte sich aber schnell, dass das schlammige Gelände so gut wie keine Truppenbewegungen zuließ, so dass die Eingeschlossenen dem Entsatz durch einen Ausbruch entgegenkommen sollten. Weber war mit seiner Einheit der Nachhut zugewiesen worden, und die Männer sollten die Absetzbewegung der anderen Truppen durch hinhaltenden Widerstand gegen die heftig nachdrängenden Russen sichern. Da die Versorgung im Kessel nicht mehr gesichert werden konnte sollten alle schweren Waffen dort unbrauchbar gemacht werden. Fred Beyer zählt mit seiner Panzerdivision zu den Entsatzverbänden. Weder Beyer noch Weber wissen, wie nah sie voneinander entfernt kämpfen. Martin Haberkorn operiert mit seinem U-Boot bei Grönland und die Männer erleben, welche Stärke die Alliierten nunmehr gewonnen haben. Aus den einst so erfolgreichen grauen Wölfen sind jetzt gnadenlos Gejagte geworden.

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Impressum

Drei Musketiere

Eine verlorene Jugend im Krieg

Band 17

1944

Copyright: © 2018 Frank Hille

Published by: epubli GmbH, Berlin

www. epubli.de

Günther Weber, 3. Februar 1944, Korsun

Martin Haberkorn, 4. Februar 1944, vor Grönland

Fred Beyer, 4. Februar 1944, bei Warschau

Günther Weber, 5. Februar 1944, Korsun

Martin Haberkorn, 8. Februar 1944, vor Grönland

Fred Beyer, 8. Februar 1944, bei Warschau

Martin Haberkorn, 10. Februar 1944, vor Grönland

Günther Weber, 10. Februar 1944, Korsun

Fred Beyer, 12. Februar 1944, Besidka

Martin Haberkorn, 13. Februar 1944, vor Grönland

Fred Beyer, 13. Februar 1944, nach Lysjanka

Günther Weber, 13. Februar 1944, Korsun

Martin Haberkorn, 14. Februar 1944, vor Grönland

Günther Weber, 15. Februar 1944, Korsun

Fred Beyer, 15. Februar 1944, vor Lysjanka

Martin Haberkorn, 15. Februar 1944, vor Grönland

Günther Weber, 15. Februar 1944, nach Lysjanka

Fred Beyer, 15. Februar 1944, vor Lysjanka

Günther Weber, 3. Februar 1944, Korsun

Die vergangenen Wochen hatte Günther Weber wie eine nicht abreißende Kette von Schlägen in die Magengrube und auf den Solarplexus, hinterhältige Tritte in die Kniekehlen und den Rücken sowie ständige Nackenschläge empfunden. Er hatte zwar eine energisch vorgehende Rote Armee erwartet, aber welche Angriffswucht die Sowjets an den Tag gelegt hatten war für ihn dennoch überraschend gewesen. Die Russen waren im Oktober von der Ostseite des Dnjepr her angetreten und hatten den Fluss in nahezu selbstmörderischen Operationen und unter grausam hohen Verlusten an einigen Stellen forcieren und Brückenköpfe bilden können. Er selbst war mit seinen Männern in ihrem Verteidigungsabschnitt diesem Ansturm ausgesetzt gewesen und sie hatten weder die Soldaten noch die Waffen gehabt, um dem Gegner erfolgreich Paroli bieten zu können. Im Ergebnis des Angriffs waren die deutschen Truppen immer weiter nach Westen gedrängt worden und durch diese Absetzbewegungen ging auch viel wertvolles Material verloren weil Zugmaschinen fehlten. Weit schwerer wogen aber die Verluste an Männern, die kaum noch durch Ersatz ausgeglichen werden konnten. Im Durcheinander der Kämpfe waren Verwundete zurückgelassen worden, Einheiten zersprengt und eine Abwehrlinie, die diesen Namen gerecht geworden wäre, nicht mehr vorhanden. Vielmehr war es in diesem schlechten Winterwetter zu mehr oder weniger planmäßigen Verschiebungen der deutschen Truppen gekommen, die von den anbrandenden Wellen der T 34 und Rotarmisten nach Westen getrieben worden waren.

Der Oktober und der November 1943 hatten den deutschen Verbänden einen bitteren Vorgeschmack auf die kommenden Ereignisse geliefert. Bis zum 14. Oktober hatte der Brückenkopf bei Saporoshje gegen die 3. Ukrainische Front gehalten werden können, dann waren die Sowjets bei Dnepropetrowsk durchgebrochen. Am 3. November waren die Truppen der 1. Ukrainischen Front zur Kiewer Operation angetreten und schon am 6. November war die Stadt vollständig in russischer Hand gewesen. Die 4. deutsche Panzerarmee stand noch bis Ende Dezember mit ihrem rechten Flügel am Dnjepr, aber am 14. Dezember war Tscherkassy durch das 73. russische Schützenkorps eingenommen worden. Wenn man Kiew und Tscherkassy als Angeln einer Tür betrachtete, klaffte diese jetzt weit nach Westen auf, und wies den Weg auf die Gegend Korsun/Boguslaw. Am 24. Januar 1944 hatte die 2. Ukrainische Front aus dem Osten kommend auf Schapol eingedreht, die 1. Ukrainische Armee war auf Swenigorodka vorgegangen. Obwohl das III. und XXXXVII. Panzerkorps der Deutschen am 27. Januar von Süden her die Flanke der Sowjets angegriffen hatte, konnten sich die russischen Angriffskeile am 28. Januar vereinigen und 6 komplette deutsche Divisionen sowie Teile von weiteren vier Verbänden mit fast 60.000 Mann einschließen. Auch Günther Weber und seine Männer steckten im Kessel.

Eine rudimentäre Versorgung konnte durch einen Feldflugplatz bei Korsun noch aufrechterhalten werden, aber würde niemals eine stabile Ausstattung der Truppe mit Munition, Verpflegung und Betriebsstoff sichern können. So gesehen sah Günther Weber durchaus jetzt schon Parallelen zu den Entwicklungen in Stalingrad vor sich. Zwar waren nicht so viele Einheiten eingeschlossen worden, aber auch für diese würde die verbleibende Kampfkraft entscheidend sein, um ein Eindrücken und Ausräumen des Kessels zu vermeiden. Er ging auch von einem gleichen Szenario aus, welches auf den Aufbruch der Einkreisung durch eigene Truppen von außen setzte. Damit lag er durchaus richtig, denn im Süden des Kessels hatten die 1. Panzerarmee und die 8. Armee eine neue Front gebildet. Zusätzlich waren die 1., die 16. Panzerdivision sowie die 1. SS-Panzerdivision in diesem Gebiet eingetroffen und auch noch vier Panzerbataillone sowie 3 Sturmgeschützbrigaden. Jetzt konnte theoretisch auf die russischen Truppen, die den südlichen Kesselrand bedrohten, aus zwei Richtungen Druck ausgeübt werden: von den Eingeschlossenen, und von den außen noch frei operierenden anderen deutschen Verbänden. Das war aber mehr eine Wunschvorstellung, denn die im Kessel befindlichen deutschen Einheiten waren einerseits beim Rückzug schon geschwächt worden und hatten auch viele schwere Waffen zurücklassen müssen. Sie waren eigentlich nur noch in der Lage, den schlagkräftigen Attacken der Sowjets einigermaßen standhalten. Trotz des verbissenen Widerstandes wurde der Kessel aber täglich immer mehr zusammengedrückt.

Günther Weber und seine Männer lagen diesmal in den schnell ausgehobenen Gräben der zweiten Linie. Ganz vorn waren zusammengewürfelte Einheiten aus versprengten Truppen und Etappensoldaten postiert worden und Weber wusste sehr genau, warum diese wenig erfahrenen und kampfkräftigen Männer in der ersten Linie standen. Sie waren nichts weiter als Menschenmaterial, Wellenbrecher aus Knochen, Fleisch, Blut und Haut gegen die anstürmenden Sowjets. Sie würden der Sturmflut etwas von ihrer Gewalt nehmen, aber sie niemals aufhalten können. Ein Prokurist eines Unternehmens würde ein „können wir schon mal ausbuchen“ murmeln und eine ausbleibende Zahlung in seinen Geschäftsbüchern abschreiben. Wer hier zahlen würde war klar: Familienväter, Söhne, Onkel, Schwäger, Cousins, alles einfache Leute, bis auf die Unteroffiziere und Offiziere, deren Geschäft der Krieg war. Sie hatten sich für diesen Beruf entschieden, und jetzt mussten sie die Konsequenzen tragen. Auch Günther Weber hatte sich freiwillig zur SS gemeldet und für ihn hatte es immer außer Frage gestanden, dass er eventuell im Kampf sterben könnte. Die Sowjets hatten Unmengen von Flugblättern abgeworfen und Weber hatte den Text von einem überflogen. Das was er las glaubte er durchaus. Die Russen forderten die deutschen Einheiten zur Einstellung des Kampfes auf, denn der Kessel wäre in nordwestlicher und südöstlicher Richtung zwar noch gut 40 Kilometer lang und etwa 20 Kilometer breit, aber er würde jeden Tag mehr eingedrückt werden. Das entsprach den Tatsachen, denn der Gegner nutzte seine schlagkräftige Artillerie wie gewohnt aus und beschoss die eingeschlossenen Einheiten heftig. Weber rauchte eine Zigarette und nahm ein Anschwellen der Kanonade wahr. Das war eigentlich immer das Vorzeichen eines Angriffes. Jetzt paukten die Granaten noch vor der ersten Linie in den Boden und dann wanderte die Feuerwalze weiter auf die deutschen Stellungen zu. Weber war wie die anderen Soldaten abgetaucht aber war sich sicher, dass bald Panzer und Infanterie auf dem Gefechtsfeld erscheinen würden. Weiter hinter ihnen standen einige für den Erdkampf vorbereite Acht-Acht-Flak sowie etliche PAK 40 in etwas Deckung gebenden Gruben. Nur die Schutzschilde und die Rohre sowie die Zieleinrichtungen ragten daraus hervor. Es war schon jetzt zu erwarten, dass diese schweren Waffen zurückgelassen werden mussten, denn es gab weder ausreichend viele Zugmaschinen, noch den notwendigen Betriebsstoff für diese Fahrzeuge.

Es war neblig, und das erlaubte es den Russen, relativ ungestört nah an die deutschen Verteidigungsstellungen heranzukommen. Noch vor der ersten Linie lagen die Soldaten des Strafbataillons, sie waren nur mit Panzerfäusten und Karabinern ausgerüstet. Weber hörte das Rasseln von Panzern. Noch waren die Geräusche weiter weg und er vernahm auch zwei mächtige Explosionen, aber bald würden diese Fahrzeuge mit den aufgesessenen Infanteristen sichtbar werden. Es gingen immer weniger Granaten hoch, gleich würde das Gefecht auf geringe Distanz beginnen. Ungefähr 200 Meter vor der ersten deutschen Linie stießen die T 34 aus dem Nebel heraus. Sekunden später peitschten die Panzerabwehrkanonen los. Auf der Bugplatte eines Panzers blitzten Funken auf, aber die Granate prallte ab und stieg jaulend in den Himmel. Das neben ihm vorrückende Fahrzeug erhielt einen Treffer in die Turmseitenwand und explodierte. Die Panzer schossen zurück und Weber sah nach rechts blickend, dass eine PAK 40 einen Volltreffer auf den Schild abbekommen hatte und die Männer von glühenden Splittern durchsiebt worden waren und tot auf dem Boden lagen. Jetzt begannen auch die Schützenwaffen zu klackern und die MG 42 ratterten los. Als die ersten T 34 fast den vordersten Graben erreicht hatten sprangen einige deutsche Infanteristen voller Panik daraus hervor und Weber wusste, dass sie gleich tot sein würden. Er konnte die Angst verstehen, wenn ein aus allen Rohren schießender 31 Tonnen schwerer Stahlkoloss auf einen zurollte. Aber die Deckung zu verlassen und sich nicht überrollen zu lassen war ein Fehler, der das Leben der Männer kosten würde. Die beiden 7,62-Millimeter-MG der Panzer spuckten ihre Geschosse in die Rücken der nach hinten flüchtenden Soldaten. Diejenigen, die noch im Graben geblieben waren, gerieten jetzt in den Nahkampf mit der russischen Infanterie. Aus seiner Deckung konnte Weber sehen, wie ein hünenhafter Russe einen auf der Grabenbrüstung stehenden deutschen Soldaten mit dem langen Bajonett seines Karabiners regelrecht aufspießte und ihn mit aller Kraft auf den Boden nagelte. Voller Hass legte Weber an und schoss dem Mann in die Seite, er fiel auf die Erde. Am gesamten Frontabschnitt gingen die Männer aufeinander los. Panzer kurvten im Gelände umher, wurden von den deutschen PAK beschossen, fingen Feuer, explodierten, blieben mit im Inneren von Splittern der Panzerung und der Geschosse grausam verstümmelt Leichen liegen, hackten MG ihre Kugeln in Körper.

Soldat Bernd Lange hatte den Krieg bislang nur in der Etappe verbracht und seinen Posten als Schreiber in einer Nachschubeinheit trotz der oft gähnenden Langeweile immer für ein Glück gehalten. Die Tage waren recht gleichförmig verlaufen und es gab keine Überraschungen, außerdem war die Nähe zum Lager ausgesprochen günstig, da es sich bei den Gütern nicht um Munition oder Treibstoff, sondern um Lebensmittel handelte. So gesehen saß er an der Quelle und er war recht einfallsreich, sich seinen Teil mit ein paar Kniffen zu sichern. Er war immer gut mit Wurst und Schnaps versorgt, und da sein vorgesetzter Feldwebel ein schwerer Alkoholiker war, der schon am Vormittag betrunken war, führte er eigentlich den Laden und hatte keine Mühe, Inventarlisten zu manipulieren. An seine Frau gingen regelmäßig Pakete mit Konserven ab. Irgendwie war er aber zu selbstsicher gewesen und vor drei Tagen war er knapp der Erschießung entgangen, denn bei einer Kontrolle hatten sich doch recht erhebliche und von ihm nicht zu erklärende Differenzen im Lagerbestand ergeben. Er hatte noch versucht dem Feldwebel den schwarzen Peter zuzuschieben aber es lag ziemlich klar auf der Hand, dass er der Verantwortliche für den Schwund gewesen war. Man hatte ihn aber nicht hingerichtet, sondern als „bedingt wehrwürdig“ eingestuft. Das bedeutete seine Eingliederung als „Bewährungsmann“ in ein sogenanntes 500er Bataillon. In diesen Einheiten dienten gut ein Viertel ausgesuchter Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, die die Straffälligen befehligten und überwachten. Bewährungsdruck und Bewährungswille der Delinquenten sorgten für eine durchaus hohe Kampfkraft dieser Verbände, aber auch für enorm hohe Verluste. Lange war froh noch einmal mit dem Leben davongekommen zu sein, aber er wusste auch, dass er dort eingesetzt werden würde, wo es am Gefährlichsten war.

Zusammen wie die anderen Männer seines Bataillons hatte er gut 100 Meter vor der ersten Linie ein Schützenloch ausheben müssen und ein ihn vor Widerwillen fast anspuckender Unteroffizier hatte ihm zwei Panzerfäuste übergeben. In einem Abstand von knapp 20 Metern hockten die Männer in ihren Deckungen. Lange wusste, dass er in der Falle saß. Nach vorn konnte er nicht türmen, die Russen würden ihn erschießen, hinter ihm lagen seine Aufpasser. Er hatte sich ungesehen ein Flugblatt der Sowjets geschnappt, in den Bund seiner Hose geklemmt und hoffte, damit eine Fahrkarte in ein Gefangenenlager zu besitzen. Vor gut drei Stunden war der Mann rechts neben ihm aus dem Loch gekrochen und an den Boden gepresst auf die russischen Stellungen zu geglitten. Er war nicht weit gekommen, denn unter seinem Körper war eine Mine explodiert. Das Gebrüll des Schwerverwundeten war unerträglich gewesen und nach einer Weile in ein noch gut zu hörendes Röcheln und Wimmern übergegangen. Der Mann war qualvoll gestorben, erst nach 15 Minuten war er still geworden. Lange bezweifelte, dass die Russen im Nahkampf das Flugblatt erkennen und als Zeichen, dass er sich ergeben wollte, ansehen würden. Dann hatte er sich gesagt, dass es wohl das Beste wäre in seinem Bereich einen oder zwei Panzer abzuschießen, und sich dann in der Hoffnung tot zu stellen, dass sie die Linie halten könnten. Wenn er so einen Stahlkoloss vernichten könnte wäre das ja Ausdruck dafür, dass er seine Verfehlung durch Tapferkeit gesühnt hätte. Lange hatte vor dem Krieg als Buchhalter gearbeitet und konnte damit naturgemäß ganz gut mit Zahlen umgehen. Die Panzerfaust 30 wurde seit dem August 1943 bei der Truppe verwendet. Er wusste, dass das etwas über drei Kilogramm schwere Hohlladungsgeschoss 30 Meter in der Sekunde zurücklegte, die wirksame Schussweite 30 Meter betrug, und im Falle eines günstigen Treffers 200 Millimeter Panzerstahl durchschlagen konnte. 30 Meter in der Sekunde entsprachen theoretisch 1.800 Metern in der Minute oder 108 Kilometern in der Stunde. Gut, das schafften moderne PKW auch schon. Aber hier kam es darauf an, die Nerven zu bewahren und aus kurzer Distanz zu treffen. An T 34 hatte er einige zerstörte Exemplare gesehen und rief sich den Aufbau des Panzers vor Augen. So wie er es gehört hatte war der geneigte Bug sehr widerstandsfähig gegen Beschuss. Er hatte nur zwei Versuche und konnte nicht experimentieren. Also wollte er das Feuer mehr aus der Flanke auf die Seitenpanzerung eröffnen. Es schneite immer noch und er trug Handschuhe, die würde er später ablegen müssen um das Visier hochklappen und den Abzug betätigen können.

Noch war es bis auf das übliche Störfeuer relativ ruhig, aber er fuhr jedes Mal zusammen, wenn eine Granate explodierte. Nur in der Grundausbildung hatte er ein paar Mal mit dem Karabiner geschossen, ansonsten war er militärisch vollkommen unbeleckt. Er hatte sich in seiner warmen Schreibstube mehr als ein Beamter gefühlt, dem 17 Uhr der Stift aus der Hand fiel und der sich dann seiner Freizeit hingeben konnte. Er hatte es auch für besonders schlau gehalten, andere Soldaten des Lagers an seinen Schummeleien zu beteiligen um sich so auch von ungeliebten Diensten freizukaufen zu können. So wurde er am Nachmittag von niemandem behelligt und konnte tun und lassen was er wollte. Er bastelte, las, spazierte im Sommer durch den Ort, lag auf seinem mit frischer Wäsche bezogenen Bett. Lange war 23 Jahre alt und litt unter der Trennung von seiner Frau. Eines Tages hatte ihn der Teufel geritten und er hatte für ein paar mitgebrachte Lebensmittel mit einer Russin im Wald geschlafen. Die junge Witwe hatte drei Kinder durchzubringen und sich ihm aus purer Not hingegeben. Er traf sich im Sommer regelmäßig mit ihr. Als er später von ihr erfuhr dass sie schwanger sei reagierte er panisch. Wenn das herauskommen sollte hätte das schreckliche Folgen für ihn. Verzweifelt durchdachte er die Situation immer wieder nach allen Richtungen aber kam zu keinem anderen Schluss, dass er die Frau beseitigen musste. Aus der Waffenkammer ließ er einen vollen Ladestreifen für seine Pistole mitgehen und absolut kaltblütig erschoss er die Frau beim nächsten Treffen im Wald. Er warf etwas Reisig über die Leiche und war sich sicher, dass sie nie gefunden werden würde. Am Abend schrieb er einen Brief an seine Frau und berichtete von seiner Sehnsucht nach ihr.

Die Artillerie schoss jetzt heftiger und Lange hockte in seinem Loch. Wut kam in ihm auf, denn irgendjemand aus dem Lager hatte ihn hochgehen lassen. Dabei war es doch für alle eine gute Lösung gewesen, so wie er gehandelt hatte. Bei dem riesigen Bestand fielen ein paar fehlende Konservendosen und Schnapsflaschen eigentlich gar nicht auf. Du warst immer ehrlich zu anderen dachte er selbstmitleidig, und dann so was. Dann hörte er Motorengeräusche, sie kamen.

Dass er sich gerade eingenässt hatte nahm er in der Aufregung nicht wahr.

Martin Haberkorn, 4. Februar 1944, vor Grönland

Als Haberkorn nach dem Auslaufen das Einsatzziel bekannt gegeben hatte war die Stimmung der Männer im Boot auf einen Tiefpunkt gesunken. Das Boot sollte zwischen der Labradorsee südlich von Grönland und dem Nordatlantik Suchstreifen schlagen und möglichst von der amerikanischen Westküste ausgehende Geleitzüge aufspüren. Dass dieses Gebiet einer starken Luftraumüberwachung unterlag musste man niemandem an Bord sagen.