DRYADEN PILZE und andere GESPINSTE - Astrid Hynek - E-Book

DRYADEN PILZE und andere GESPINSTE E-Book

Astrid Hynek

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Beschreibung

Aus einem Wirbelwind in meinem Kopf entstand diese Geschichte. Mein geliebter Wald mit seinen natürlichen und übernatürlichen Gestalten, den Feen, die wie in Trance eine Dryade, eine wünderschön grün schillernde Baumgöttin umtanzen. Doch das Böse mit seinen gelben Augen lauert im Dunkeln. Eine große Freizeitanlage soll mitten in meinem Wald errichtet werden. Auch der Werwolf mit seinen zorngefletschten Zähnen treibt sein mörderisches Unwesen. Es gibt nur einen, der ihn vernichten kann mit seiner silbernen Kugel. Die kluge Eule weiß alles. Zwei Blätter küssen sich im lauen Windhauch.

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Seitenzahl: 363

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Astrid Hynek wurde in Innsbruck geboren. Die Lust am Schreiben wurde ihr nicht in die Wiege gelegt. Aber im Laufe der Jahre verselbständigten sich die Buchstaben, sie fanden sich in Wörtern zusammen, dann sogar in Sätzen.

In ihrem ersten Buch „Strahlendes Afrika“ sind sie noch ernsthaft, doch dann, im Alter der Weisheit, in dem die Fantasie sich in ihrem Kopf breitmacht, erfindet sie Wesen, reale und mystische, die sich heiß und innig lieben, bekämpfen, Gespinste weben.

Der Wald, die Rettung ihres geliebten Waldes, ist das Hauptthema dieser spannenden Geschichte.

ASTRID HYNEK

DRYADEN PILZE

und andere GESPINSTE

FANTASY

Texte: © 2025 Copyright by Astrid Hynek

Umschlaggestaltung: © 2025 Copyright by Astrid Hynek

Verlag:

Astrid Hynek

[email protected]

Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]

Die Dryade, eine Baumnymphe aus der griechischen Mythologie, schützt ihren Baum. Sie ist wunderschön und kleidet sich in Blätter, Flechten und Moose. Sie schillert grün und ist von freundlichem Wesen. Nicht jeder kann sie sehen oder mit ihr Kontakt aufnehmen. Ihren zarten Gesang im Wald können nur ihre mystischen Freunde hören.

Mein Freund der Wald und seine Früchte

Der männliche Wald mit seinen unvergleichlichen Düften, den Lichtungen, den Moosen, seiner kraftspendenden Stille, den Pilzen und Beeren, den versteckten Stellen, wo sie wachsen, meine „Schwammerl“, lauschend genieße ich diese sinnlichen Eindrücke.

Der Wald, warum hat er in der deutschen Sprache männliches Geschlecht? Lateinisch heißt er „silva“, die alten Römer empfanden ihn also als weiblich. Der Baum, warum ist er männlich und heißt nicht die „Bäumin“? Der Baum, das harte Holz, und seine innewohnende Seele, die Weiblichkeit. Im Altertum glaubten die Menschen an diesen weiblichen Geist, die „Dryade“. Dryaden sind wunderschöne, in Flechten und Blättern gekleidete, grünschimmernde, feenartige Wesen, die in den Bäumen wohnen und sie beschützen.

Die Früchte der Bäume sind die „Mütter“ ihres Nachwuchses und der Baum deshalb weiblich.

Im männlichen Wald wachsen in unseren Gegenden fast ausschließlich weibliche Bäume: die Erle, die Buche, die Fichte, die Tanne, die Esche, die Birke, männlich wird der Baum mit der Endung „-baum“, wie „Tannenbaum“. Der einzige und auch der beeindruckendste ist der männliche Ahorn, der im Herbst die farbenprächtigsten Landschaften prägt, der in allen Orange-, Gelb-, Rottönen prangt.

Vielleicht entspringt dieser Sexualität des Waldes seine Schönheit. Seine stolze Männlichkeit paart sich mit fruchtbringender Weiblichkeit, zwei Blätter küssen sich im leichten Windhauch.

Die essbaren Bewohner des Waldes ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich. Keusch versuchen sie sich im Moos zu verstecken, aber die Natur hat vielen von ihnen Farben gegeben, die sie verraten. Dottergelb blitzen sie auf, die „Eierschwammerl“, die Pfifferlinge. Sie wachsen in Nestchen, die ganz kleinen haben über Nacht das Licht der Welt erblickt, die großen mit ihren trichterförmigen Hüten haben die Familie im Blick. Der hübscheste der Gattung Pilze ist eindeutig der Fliegenpilz. Er fällt auf durch das kräftige Rot seines Hutes mit den weißen Farbtupfern. Er steht allein oder in Grüppchen in der Lichtung oder unter jungen Fichten, er ist ein Schönling, ein Adonis, ein Narzisst, der es nicht unbedingt gut mit uns Menschen meint. Jedes Kind weiß, dass man ihn nicht essen darf. Doch müssen wir schon viele zu uns nehmen, um zu daran zu sterben, kurz gesagt, er steht nicht auf unserer Speisekarte.

Zu seinen Freunden und Nachbarn zählen die Steinpilze, die wohlschmeckenden, duftenden, die Kinder der Herrenpilze, die sich aber nicht so recht zu ihrer Vaterschaft bekennen wollen. Es gibt ihn auch, den Frauenpilz, auch Birkenpilz genannt, der aber nicht die Mutter der süßen Steinpilzkinder sein kann, denn der Pilz ist ja rein grammatikalisch schon männlich. Die armen Kleinen in der patriarchischen Welt des Waldes! Die würzigen Reizker können die Geschmacksrichtung vervollständigen, auch die Parasole, die Morcheln, die Wiesenchampignons, Röhrlinge, Butterpilze.... aber man hüte sich vor den Ungenießbaren, die es auch unter den Pilzen gibt, und besonders vor den Giftigen, unter anderem vor dem Knollenblätterpilz, der sich bösartiger Weise als Champignon verkleidet!

Ich möchte gerne noch näher eingehen auf die Spezies „Pilz“, die ja so vielfältig ist. Er ist allgegenwärtig in unserem Leben, er ist nicht auszurotten in meinem Wald mit seinen Moosen, den Farnen, den Bäumchen und Baumriesen, den Düften und der Sinnlichkeit im Morgengrauen und der Dämmerung, wenn Elfen und Trolle ihre Spielchen treiben.

Unter der Erde lebt als feines Gespinst der eigentliche Pilz, das „Mycel“, ein weit verzweigtes Netz aus Zellen. Zu sehen bekommen wir auf der Oberfläche nur den Fruchtkörper in all seinen Formen, der in seinem kurzen Leben nur dazu da ist, für Vermehrung seiner Art zu sorgen. Er bildet riesige Mengen von Sporen, die dann vom Wind verbreitet werden.

Pilze ernähren sich von abgestorbenem Material, sie sind Fäulnisbewohner. Sie tragen dazu bei, dass der Waldboden gesäubert wird, dass Laub, Holz abgebaut wird, damit sich wieder neue Organismen entwickeln können. In ihrer engen Verschlungenheit mit der sie umgebenden Natur tragen sie bei zum Gleichgewicht in ihrer Nachbarschaft.

Wir finden die ungeschlechtliche und die geschlechtliche Vermehrung. Eine Pilzehe einzugehen ist nicht so komplex wie bei uns Menschen. Mit oder ohne Liebe vereinigen sich zwei verschiedengeschlechtliche Zellkerne und geben ihr Erbgut weiter. Es gibt keine Eifersucht, kein „ich bin schöner als du“, sie suchen nur ihresgleichen zur Vermehrung, ohne Ehevertrag. Es sind nur Unmengen von Sporen nötig, um Fruchtkörper zu bilden. Dabei entstehen ihre unzähligen Arten, hoch gestielte, kugelige, auch korallenförmige Gebilde, denen wir dann die entsprechenden Namen gegeben haben. Der Fruchtkörper besteht nur für ein paar Tage, um seine Sporen zu verbreiten. Wir sollten beim Sammeln der Pilze darauf achten, unsere Lieblinge nicht auszureißen, sondern unten abzuschneiden, damit das Mycel im Erdreich bleibt und sie sich wieder vermehren können.

FRÜHLINGSERWACHEN

Am Rande einer Waldlichtung, an der Straße, die in die Stadt hineinführt, leben Valerie und Bruno in einem alten Bauernhaus. Valerie ist eine ausnehmend hübsche, zarte junge Frau, blond, meistens trägt sie einen Pferdeschwanz oder bindet sich die Haare mit einem Tuch zusammen. Ihre Kleidung ist etwas ausgefallen, weite Hosen oder bunte weite lange Kleider liebt sie. Teure Sachen kauft sie sich nicht, aber sie näht sich auch gerne selbst etwas.

Freundinnen hat sie keine in ihrer Stadt, da hat sie nicht genügend Zeit dafür. Bruno nimmt sie sehr in Anspruch, was überhaupt nicht in ihrem Sinne ist. Nach der Arbeit geht sie einkaufen, um ihm ein Abendessen herzurichten. Valerie hat vor vielen Jahren den Führerschein gemacht, ist aber seither nie mehr wieder gefahren. Bruno lässt sie nicht ans Steuer. Sie sei viel zu emotional, um sicher mit seinem Fahrzeug wieder nach Hause zu finden. Fahrrad besitzt sie keines. Sie kann ja fliegen!

Valerie arbeitet im Wollgeschäft. Sie macht das gerne. Wenn keine Kundschaft da ist, strickt sie vor sich hin, lange Schals, Umhängetücher, Pullis, und hängt ihr Sachen in die Auslage. Einen besonderen Spaß macht es ihr, die Stricknadeln und die Wolle in die Hand zu nehmen und zuzusehen, wie sich der Schal von selber strickt!

Bei der Buchhaltung muss sie sich nicht auskennen, die macht ihr Chef, der nachmittags in seinem Geschäft ist, Valerie vormittags.

Bruno ist mit Leib und Seele Polizist, er lässt sich gerne „Herr Inspektor“ nennen. Er nimmt seine Aufgaben sehr ernst, sei es, er sitzt im Wachzimmer, nimmt Sachverhalte auf, oder er ist auf Streife. Mit der Pistole im Halfter verfolgt er auch gerne mit Blaulicht rasende Bewohner der Stadt oder nimmt unartige Hausfrauen, die beim Ladendiebstahl ertappt wurden, mit ins Revier.

Aber meistens geht es sehr friedlich zu in der kleinen Stadt Unding am Undinger Wald. Nach getaner Arbeit kehrt Bruno mit stolzgeschwellter Brust nach Hause zurück, wo seine hübsche junge Frau Valerie und sein Abendessen auf ihn warten.

Bruno ist ein stattliches „Mannsbild“, groß, stark und fesch. Besonders in seiner Polizeiuniform stellt er etwas dar. Er ist schon Anfang fünfzig und hat sich mit Valerie in zweiter Ehe verheiratet.

Ein wichtiger Bestandteil der Familie ist der weiße West Highland Terrier „Fido“, jung, verspielt und treu. Sie hat ihn von Bruno geschenkt bekommen, damit sie nicht so einsam sei. Valerie unternimmt mit ihm lange Spaziergänge in den Wald, angeleint natürlich, denn Fido würde gerne Hasen, Eichhörnchen oder sonstiges Waldgetier aufstöbern. Bruno geht mit ihm in die Hundeschule, aber zum Polizeihund ist der Kleine leider nicht geschaffen. Da ist er zu verspielt, überall im Haus liegen Bälle, Hundeknochen aus Plastik, an denen er seine Zähnchen ausprobieren kann.

Valerie ist seit drei Jahren mit Bruno verheiratet, aber von Anfang an hat sich in den angrenzenden Wald verliebt. Sie nimmt die Jahreszeiten in sich auf, lebt sie mit allen Sinnen durch. Im Winter stapft sie mit Fido durch den Schnee, rennt mit ihm um die Wette, wirft Schneebälle nach ihm, die er im Sprung auffängt. Er rollt sich im Schnee, wird dabei fast unsichtbar, und kläfft vor Freude. Das ist ihm leider nicht auszutreiben, aber so verflüchtigt sich auch alles, was es im Wald zu jagen gibt!

Das Frühjahr mit seinen frischen neuen Grüntönen liebt sie besonders. Das Erwachen der Natur, die keimenden Sprossen an den Büschen und Sträuchern, die Blümchen, die sich tapfer aus dem Schnee heraus kämpfen, das alles erfreut ihr Herz. Sie nimmt einen alten Tannenzapfen vom Vorjahr und wirft ihn weit von sich. Fido saust davon und möchte ihn zurückbringen, aber leider hindert ihn die lange Leine daran. Er wird abrupt gestoppt in seinem Eifer und macht einen Purzelbaum. Valerie muss lachen, sie versuchen es nochmals und sie läuft mit ihm. Sie tollen durch den Wald, Valerie umarmt einen Baum, schnuppert den harzigen Duft der Fichte. Sie schaut hinauf zu den hohen Baumwipfeln, die sich im Wind biegen, hört den Gesang ihres Waldes. Hoch oben lächeln ihre Freunde, die grünen Göttinnen des Waldes auf die beiden hinab. Baumschwämme haben es ihr besonders angetan, in allen Farben und Formen klammern sie sich an die Stämme, unten am Boden, aber auch von ganz oben schauen sie zu ihr herab. Fido ist ihr treuer Begleiter, er liebt sie heiß, aber er liebt auch Bruno, von dem er manchmal einen Fußtritt bekommt, wenn er ihm einen Schuh versteckt hat.

Valerie geht auch gerne mit Fido tief in den Wald hinein, wo „Fuchs und Hase sich gute Nacht sagen“. Ein rotbraunes Eichhörnchen sieht von einem Ast hoch oben auf sie herab, es putzt sich und schwingt sich geschickt weiter zum nächsten und zum übernächsten Baum. Auch Fido hat es entdeckt und bellt hinauf in die luftigen Höhen. Sie setzen sich ins weiche Moos und rasten ein wenig. Valerie streichelt ihren Hund und er wedelt freudig mit dem Schwanz. „Hier gehe ich im Herbst wieder Pilze suchen“. Sie kennt nicht viele essbare Pilze, hat aber für Bruno schon öfters schmackhafte Saucen mit Semmelknödeln zubereitet. Sie träumt glücklich vor sich hin, ihr Hündchen neben ihr. Der Himmel blaut über ihnen. Ameisen zwicken sie in die Beine, Vögel zwitschern munter vor sich hin und singen ihr ein Lied vom überstandenen Winter. Heuschrecken gehen neben ihr spazieren, Bienen umschwärmen sie, Grillen zirpen, ihr Herz geht über.

Aus Gänseblümchen flicht sich Valerie gerne einen Haarkranz. Mit den Fingernägeln macht sie kleine Schlitze in die Stängel, da kommt ein zweiter Stängel hinein und so weiter, bis der Kranz sich rundet. Dann kommt er als Kopfschmuck in ihre langen Haare, das hat sie schon als Kind gerne mit ihrer Schwester gemacht.

Am Nachhauseweg kommen sie an einem Bächlein vorbei, das in einen Teich mündet. Wie alle Feen liebt sie im Wasser mit den Fischen zu schwimmen und Seerosen zu küssen. Hahnenfuß, Dotterblumen wachsen dort und Bachkresse. Valerie pflückt kleine Sträußchen von Himmelschlüsseln, Leberblümchen und Buschwindröschen, nimmt sie mit nach Hause und stellt sie auf den Tisch. Bruno bemerkt sie nicht.

SOMMERTRÄUME

Es wird langsam wärmer, der Sommer kündigt sich an, Valerie bemerkt, dass sie nicht alleine ist in ihrem Wald.

Hin und wieder sieht sie von weitem einen Mann, der wie sie im Wald umherstreift, es stört sie nicht im geringsten.

Vielleicht laufen wir uns mal über den Weg, denkt sie sich, mit ihrem kleinen Kläffer an der Leine macht sie sich keine Sorgen. Sie liegt im Moos, schaut zum Himmel rauf, und freut sich über den Überfluss der Natur.

Am Rand des Weges blühen schon die Himbeeren und die Brombeeren an ihren hohen stacheligen Stauden, etwas abseits des Weges haben auch die kleinen Walderdbeeren und Moosbeeren ihre Blüten angesetzt. Meisen zwitschern, der Buchfink ziept, in der Ferne rätscht der Eichelhäher.

Fido zieht an der Leine, Valerie folgt ihm in den Wald hinein. Hat er da einen Fuchsbau aufgestöbert, lautes Bellen! Valerie zieht ihn unter Widerstreben fort, da könnten ja Welpen drin sein?

Sie schnuppert den Duft des Waldes. Ihr Blickt geht hinauf zu den Wipfeln der Bäume. Sieht sie da ein Gesicht an? Da, sie hat sich nicht geirrt, ein Laubbaum schaut sie grimmig an, Fido war zu laut. Den Mund hat es nach unten verzogen, die Nase ist lang, die Augen blitzen sie zornig an. „Gruselig“ denkt sie sich! Sie lächelt den Baum an, verzieht sich da der Mund wieder nach oben? „War ja nicht böse gemeint“, lacht sie und Fido grinst auch!

***

Eines schönen Tages geht sie wieder einmal mit Fido den Waldweg entlang, da sieht sie in der Ferne wieder diesen Mann. Als er näherkommt, begutachtet sie ihn, blond, groß und schön ist er auch noch!

Sie stolpert über einen Stein im Wald und fällt bäuchlings hin. Benommen steht sie wieder auf, sucht die Leine und den Hund, findet aber keines von beiden. Sie vernimmt nur lautes aufgeregtes Kläffen von Weitem.

„Oh Gott, er ist mir entwischt!“, entfährt es ihr. Sie hatte sich bei ihrem Sturz die Knie aufgeschürft, aber das ist jetzt unwichtig. Sie sprintet dem Gebell nach. „Hallo“, ruft der Mann, „wem gehört denn dieser Kläffer?“. „Mir“, keucht Valerie, „das ist mein Fido, er ist mir ausgebüchst, der kleine Gauner!“ „Den finden wir schon wieder!“, meint der Schönling.

Mitten auf einer Wiese entdecken sie Fido, aber er ist nicht alleine. Ganz aufgeregt ist er mit einer Hundedame beschäftigt und hat offensichtlich Spaß an der Sache. Auch sie schaut glückselig in die Luft, Herzchen fliegen!

Die Dame muss ein Spaniel sein, ist hübsch anzusehen, weiß braun gefleckt, mit Hängeohren, vielleicht auch ein Mischlingskind.

Doch plötzlich hören sie markerschütternde Schreie! Es nähert sich eine bunte, wild gestikulierende Gestalt. „Wo ist mein Hund? Was haben Sie ihr angetan?“ Die Person nähert sich so schnell sie kann in ihren hochhackigen Schuhen, feuerrot im Gesicht und keuchend. Die grelle Schminke ist vom Laufen schon etwas verwischt, der Minirock knapp. Valerie sieht sie, die schwarze Katze, die auf ihrer Schulter sitzt. Sie erschrickt, erkennt sie sofort, als sie den Besen in ihrer Hand sieht, die Hexe. Vor dieser Frau muss sie sich hüten.

Fido sitzt wieder als wäre nichts geschehen und sieht sein Frauchen treuherzig an. Die Hundedame hat immer noch ihren verzückten Blick!

„Also bitte, ich hoffe ihr Hund ist sterilisiert? Meine Bella ist nämlich läufig!“ „Wir tun unserem Fido das nicht an“, sagt Valerie ruhig, „mein Mann ist dagegen!“

Die bunte Dame lässt sich nicht beruhigen, da ertönt eine tiefe männliche Stimme im Hintergrund. Ein älterer Herr betritt die Bühne, die Lichtung füllt sich. „Ich bin der Förster!“, sagt die Stimme. Die kluge Eule sitzt auf seiner Schulter.

„Was ist hier eigentlich los, warum das ganze Geschrei?“ Er schaut sich um und möchte eigentlich schmunzeln. Aber laut sagt er, „warum laufen diese Hunde frei im Wald herum?“ Zerknirscht gibt Valerie zu, dass ihr Fido entlaufen sei. Die bunte Dame schreit schon wieder.

„Und dieser Hund hat meine Belli geschwängert, sie ist nämlich läufig!“ Der gutmütige Förster versucht, die Situation zu beruhigen.

„Denken wir doch nicht gleich das Schlimmste!“, sagt er.

Aber Valerie und der junge Mann sehen sich an, sie lächeln und sagen gleichzeitig „das gibt aber ganz entzückende Hundebabys!“

Der Förster schmunzelt jetzt wirklich. Er sieht die bunte Dame an und sagt „Ich glaube, ich kenne Sie doch von irgendwo her?“ „Das kann gut sein, ich putze im Rathaus und heiße Nicole“. „Aber Ihren Hund müssen Sie schon an die Leine nehmen!“

Da beginnt sie wieder zu schimpfen „Falls es da wirklich Nachwuchs gibt, müssen aber schon Sie dafür aufkommen“, wendet sie sich an Valerie. „Aber gerne“, ist die Antwort, sie lächelt „die werden sicher süß! Aber eine läufige Hündin frei laufen zu lassen ist unverantwortlich von Ihnen“.

Nicole leint ihre Bella jetzt doch an und entfernt sich schnaubend auf ihrem Besen. Der gemütliche Förster mit dem Vollbart und der Pfeife im Mund rät Valerie auch zum Abschluss, besser auf ihren Fido aufzupassen, der sei ja auch ein Jäger und außerdem sei es im Wald Pflicht, die Hunde anzuleinen, sonst müsste er das das nächste Mal der Polizei melden!

Nicht so schlimm, denkt sich Valerie, da ist doch mein Bruno! Valerie und der junge Mann verabschieden sich vom Förster und bedanken sich für sein Verständnis.

Anscheinend haben Valerie und ihr neuer Freund den gleichen Heimweg, er begleitet sie. „Wie heißt du eigentlich?“ „Also ich bin die Valerie! Und du?“. „Ich bin der Felix“.

Sie erzählt ihm, dass sie Wolle verkaufe, und er ihr, dass er Lehrer sei, und zwar am Gymnasium Biologie und Chemie unterrichte.

Sein Lieblingshobby seien aber Pilze in all ihren Erscheinungsformen. „Das gibt es doch nicht“, meint Valerie, „ich heiße nämlich Pilz im Familiennamen!“

Sie lachen sich an, fühlen sich gut und beschließen, sich baldigst am „Platz der Hundeliebe“ wieder zu treffen.

***

Valerie war kein Kind von Traurigkeit, hübsch wie sie war, wurde sie umschwärmt von jungen Männern. Aber sie ließ keinen einzigen so richtig an sich heran, war immer schon misstrauisch, nicht bewusst, aber doch.

Valeries große Schwester verließ mit vierzehn Jahren das elterliche Haus. „Pass auf dich auf!“, sagte sie zu Valerie, „unser Vater ist kein guter Mann!“. Ganz dunkel ist Valerie bewusst, dass der Vater sie gerne auf den Schoß nahm und streichelte, das klickte sie aus, das konnte sie immer schon! Da war sie noch ein kleines Mädchen. Manchmal lauschte sie an der Türe, als der Vater mit ihrer Schwester im Kinderzimmer war. Sie hörte ihre Schwester protestieren, den Vater beruhigend auf sie einreden, dann Stöhnen, wer stöhnte da, der Vater oder ihre Schwester, sie wusste es nicht. Als die Schwester wieder aus dem Zimmer kam, weinte sie. Valerie fragte ihre Mutter, was da drinnen im Zimmer wohl vorging, die Mutter schüttelte den Kopf und ging.

Als Valerie älter wurde, wollte der Vater sie küssen, das fand sie widerlich. Er liebe sie, beteuerte er, aber doch nicht so, fuhr sie ihn an. Auch auf seinem Schoß wollte sie nicht mehr sitzen, seine Streicheleinheiten wehrte sie ab. Sie fragte ihre Mutter um Rat, aber die sagte nur „dein Vater liebt dich halt sehr!“. Seltsame Dinge wollte der Vater von ihr.

Aber Valerie fand das Leben zu schön, um darüber lange nachzudenken. Sie hatte viele Freunde und sobald es ging, zog auch sie von zu Hause aus. Eine gute Freundin lebte bei ihren Eltern in der Nachbarstadt, dort durfte Valerie einziehen und auch weiter in die Schule gehen.

Mit Bruno war es von Anfang anders. Sie lernten sich bei einem Feuerwehrfest in Unding kennen, der fesche Mann forderte sie zum Tanzen auf. Er nahm sie fest in der Arm, war ein guter Tänzer. Valerie fühlte sich in seinen Armen geborgen, so konnte ihr nichts passieren, er würde immer auf sie aufpassen. Er war außerdem Polizist!

War es Liebe, sie wusste es nicht, machte sich auch keine Gedanken darüber. Sie genoss die Zeit mit ihm. Nach einem Monat machte Bruno ihr einen Heiratsantrag. „Heiraten wir?“, fragte er sie. Ein bisschen romantischer wäre schön gewesen, dachte Valerie im Geheimen, aber sie sagte „Ja, heiraten wir!“

Kurz darauf wurde die Hochzeit gefeiert. Die Blasmusikkapelle der Feuerwehr spielte ländliche Musik, Brunos Kollegen und Freunde waren da, Landler wurden getanzt, Polka, schwungvolle Walzer, Valerie konnte sich nicht mehr erwehren, alle wollten mit ihr tanzen, die Feier zog sich bis tief in die Nacht hinein.

Alles war gut? Ist das die Liebe? Gibt es sie überhaupt, die Liebe, von der die Leute immer reden? Können Feen lieben?

***

Schon seit Generationen lebte die Familie Pilz in ihrem alten Haus am Undinger Wald. Sie betrieb einst eine kleine Landwirtschaft mit drei oder manchmal auch vier Kühen, einigen Ziegen und Hühnern. Brunos Vater war Bauer aus Überzeugung, aber leider brachte seine schwere Arbeit am Hof nicht viel Geld für die Familie ein. Einen Traktor, um das Gras zu mähen, das er für das Tierfutter brauchte, konnte er sich nicht leisten. Er musste ihn beim Maschinenring ausleihen und das war teuer. Lange Zeit überlegte er, den Hof nur als Nebenerwerb zu führen, aber er hätte irgendwo als Hilfsarbeiter anfangen müssen, denn seine Schulbildung war mangelhaft.

Inzwischen war er dafür zu alt geworden, seine Familie lebte am Rande des Existenzminimums. Und dementsprechend schlecht ging es auch dem alten Gebäude. Es hätte dringend renoviert werden müssen, aber dafür war natürlich kein Geld vorhanden.

Der alte Bauer war immer schon ein mürrischer Mensch. Außer der Arbeit am Hof konnte er nichts mit sich anfangen, besonders im Winter schlich er im Haus herum und quälte seine Mitbewohner mit Worten und Taten. Seine Frau war ein duldsames Wesen, sie half bei der Arbeit so gut es ging und zog ihr einziges Kind, den Sohn Bruno, auf.

Mit dem Alter wurde es immer schlimmer mit dem Vater, die körperlichen Schmerzen machten ihn aggressiv. Sein krummer Rücken plagte ihn, die Beine waren geschwollen, zum Arzt wollte er auch nicht gehen. Immer öfter griff er zum Alkohol.

Bruno fing immer öfters Schläge ein, er konnte nichts recht machen. Die Stimmung im alten Bauernhaus war düster, besonders schlimm wurde sie, als Bruno verkündete, den Hof nicht übernehmen zu wollen, sondern stattdessen die Polizeiausbildung zu beginnen. Da rastete sein Vater aus, schlug mit Gegenständen nach ihm, nahm seinen Gürtel zur Hand und brüllte wie ein Stier vor Zorn.

Aber Bruno ließ sich nicht von seinem Plan abbringen. Die Mutter verstand ihn, hatte aber auch nicht gelernt, dem Vater zu widersprechen.

Bruno lebte weiter zu Hause und sprach kein Wort mehr mit seinem Vater. Da lernte er durch Zufall Monika kennen, sie war damals Sekretärin im Büro des Bürgermeisters. Er traf sich öfters mit ihr, lud sie zum Essen ein, sie wurde seine Freundin.

Der Vater mochte sie nicht, aber das war Bruno egal. Sie zog bei ihnen ein, Bruno hatte ja noch im Oberstock seine kleine Wohnung. Er war froh, endlich jemanden Vernünftigen zum Reden zu haben und zum Jahreswechsel verlobten sie sich. Es gab keine große Feier, Freunde hatten sie ja nicht gerade viele. Im Sommer heiratete er seine Monika. Sie war eine resolute Frau, ließ sich vom Vater nichts gefallen. Sie kauften sich für oben einen kleinen Fernseher, unten saß ja der Vater davor. So ging es eine Weile gut, beide hatten beruflich viel zu tun und abends schauten sie sich die Nachrichten und dann einen Film an. Seine Frau wollte gerne Nachwuchs haben, der stellte sich aber leider nicht ein.

Mit der Zeit war sie mit den Wohnverhältnissen nicht mehr zufrieden, sie hätten ja beide gemeinsam schon etwas Geld, um das alte Haus etwas gemütlicher zu gestalten, meinte sie, oben eine neue Küche etwa, oder ein Badezimmer mit Dusche, das wäre doch was! Aber so weit kam es nicht mehr.

Der Vater verfiel immer mehr dem Alkohol, überall im Haus versteckte er seine Schnapsflaschen. Eines Tages fand man ihn in seinem Erbrochenen tot vor dem Bett liegen.

Die Mutter überlebte den Vater nicht mehr lange, sie starb einfach. Bruno liebte sie Zeit seines Lebens, aber er konnte es ihr nicht zeigen und sie ihm auch nicht.

Da wollte auch Monika nicht mehr in diesem alten Gemäuer wohnen bleiben. „Hier fühle ich in allen Ecken die Geister deiner Eltern“, rief sie und reichte die Scheidung ein.

Es wurde still im Haus, Bruno wurde Stammgast im alten Wirtshaus „Zur Traube“. Er musste sich etwas ausdenken!

Nach einigen einsamen Jahren traf er beim Tanzen Valerie.

***

Bruno bekommt einen neuen Kollegen zugeteilt. Er heißt Peter und ist ein lustiger Kerl, sieht zwar nicht besonders gut aus, hat eine etwas schiefe Nase und große Ohren, auf denen seine Polizeimütze besonders gut sitzt.

Peter ist viel in der Welt herumgekommen und kann spannende Geschichten erzählen. Er hatte ursprünglich mit einem Archäologie Studium begonnen, das war schon immer seine Leidenschaft. Nach fünf Semestern an der Universität beschloss er, zu reisen, archäologische Stätten aufzusuchen.

Geld war bei ihm kein Problem, der Vater besitzt eine große Textilfabrik im Westen des Landes.

Er machte sich auf nach Ägypten, die Pyramiden wollte er sehen und vielleicht dort auch eine Anstellung finden, er hatte ja schon einige Zeit studiert. Er stellte sich dem Leiter einer Ausgrabungsstätte vor, einem Landsmann aus Österreich. „Ja, was stellen Sie sich genauer vor, was möchten Sie denn gerne machen?“, wurde er gefragt. „Ich möchte am liebsten bei den Grabungen mithelfen, das würde mich maßlos interessieren!“. „Aber dazu brauchen wir schon besser ausgebildete Leute als Studenten!“ war die Antwort.

Enttäuscht fragte Peter, was er denn tun könne, er würde alles machen, um hier bleiben zu können! „Ja“, sagte der Professor, „Sie können gerne mithelfen, Scherben zu sammeln, versuchen, sie zusammenzusetzen und sie zu katalogisieren“.

Peter war sofort Feuer und Flamme. Verzierte Tonscherben lagen viele herum, er sammelte sie, versuchte sie zusammenzusetzen und zu katalogisieren, wie der Professor ihm aufgetragen hatte. Nach einigen Tagen dieser mühseligen Beschäftigung taten ihm alle seine Knochen weh, diese gebückte Haltung, das Sitzen auf dem Boden, das hatte er sich wahrlich anders vorgestellt! Dazu hatte er studiert? „Nein, mit mir nicht!“ Peter verabschiedete sich von seinem Professor und ging wieder auf Reisen.

Diesmal sollte es Richtung Süden gehen, er wollte die Victoria Fälle sehen auf den Spuren von David Livingstone.

Dazu musste er sich erst einmal ein Visum besorgen. Kairo war nicht weit, also wartete er dort auf sein Visum nach Sambia und buchte anschließend den Flug zum Flughafen Victoria Falls. Er schloss sich einer Reisegruppe an und einer der größten Wünsche seines Lebens ging in Erfüllung! Der größte Wasserfall Afrikas, er buchte sich einen Rundflug mit dem Hubschrauber. Tosendes Wasser unter ihm, Sprühnebel fast bis zur Höhe des Hubschraubers, der fast wie Rauch aussieht! Daneben Regenwald, soweit das Auge reicht. Ein riesiger Regenbogen spannte sich über die Fälle, ein unvergesslicher Anblick!

Der Fluss Sambesi kommt aus Namibia, fließt lange Zeit im südlichen Afrika träge von West nach Ost, bis er sich schließlich in Sambia in eine 110 m tiefe Schlucht ergießt. Die Fälle werden auch als „Der größte Wasservorhang der Erde“ bezeichnet.

Peter nächtigte in einer Lodge, traf dort internationales Publikum und schwamm im „Devil`s Pool“, im lauwarmen Wasser des Sambesi Rivers, einem der gefährlichsten Badeseen der Welt. Dieses Paradies auf Erden musste Peter dann doch wieder schweren Herzens verlassen, er erinnerte sich an seine archäologischen Absichten.

Der ostafrikanische Grabenbruch ist nicht weit, vielleicht könnte man ihn dort doch zu etwas gebrauchen!

Er flog zurück in den Norden, nach Tansania.

Der Kilimandscharo aus der Luft und dann wieder eine Grabungsstätte. Man war dort mit Grabhügeln beschäftigt, hatte Skelette gefunden und Grabbeigaben. Ein österreichisches Institut hatte eine Baustelle eingerichtet, er durfte mithelfen. Am Boden sitzend und kleine Knöchelchen sortierend blickte er auf und in ein dunkles Gesicht mit sprühenden Augen und weißen lachenden Zähnen.

Der Mund sagte: „Can I help you?“. Er war sprachlos, was eigentlich selten vorkam bei Peter. Er stand auf und sah sich einer schlanken Einheimischen gegenüber. Als er sich etwas gefangen hatte, stellte er sich vor „I am Peter, nice to meet you!“. „I am Nyala“, war die Antwort der Schönheit. Sie setzte sich ungezwungen neben ihn und half ihm beim Sortieren.

Als Kleidung trug sie einen rot karierten Umhang über ihre Jeans und ihr T-Shirt. Um ihren Hals geschlungen sah Peter viele Ketten aus lauter bunten Perlen. So viel hatte Peter inzwischen schon mitbekommen, sie war eine Massai. Und Englisch war jetzt seine Umgangssprache mit Nyala.

Das österreichische Forschungsinstitut unterstützte mittels Spenden und Geldern der Entwicklungshilfe so gut es ging die umliegenden Dörfer. Man versuchte, die Familien zu bewegen, die Kinder in die Schule zu schicken und die Leute zur Sesshaftigkeit zu überreden. Traditionell sind die Massai Kuhhirten und ziehen ihren Herden nach.

Nyalas Familie, so erfuhr er, gehörte zu den aufgeschlossenen, sie hatte Lesen und Schreiben gelernt und eben auch ein bisschen Englisch. Viele ihrer Freundinnen waren schon älteren Männern versprochen, die sie natürlich nicht heiraten wollten. Dem künftigen Schwiegervater standen bei der Hochzeit eine Menge Kühe zu.

Nyalas Familie praktizierte diese verbotene Sitte nicht und Nyala hatte auch das Glück, einer Beschneidung entgangen zu sein.

Eines Tages fragte Peter Nyala, ob sie nicht mit ihm nach Europa kommen wolle! „Yes, of course!“, kam prompt die Antwort. Europa, da wollte sie immer schon hin! Da muss es doch so schön sein!

Aber zuerst wollte sie Peter noch ihrer Familie vorstellen. Der Vater, ein würdevoller Mann trat aus seiner Hütte. Er trug ebenfalls diesen rot karierten Umhang und um den Hals eine große breite Kette aus den gleichen Glasperlen wie seine Tochter. An der Hand hielt er einen langen Stock.

Aus der Hütte quoll eine große bunte Kinderschar, Nyalas Geschwister. Der Vater und die Mutter begrüßten Peter höflich in ihrer Sprache.

Zum Abschied wurde ein Fest gefeiert. Am zentralen Platz des Dorfes trafen sich die jungen Männer des Dorfes. Sie hatten alle diese Stöcke in den Händen und klopften mit ihnen auf den Boden, sie sangen, tanzten und lachten.

Im Hintergrund der massige Riese Kilimandscharo, Peter wollte noch gerne mehr von diesen Tagen genießen. Aber er bedankte sich für die Gastfreundschaft und umarmte seine Nyala. Er bat den Vater um die Hand seiner Tochter, der sagte gerne zu, ein Familienmitglied weniger war zu versorgen!

Das Visum für Nyala zu bekommen war kein Problem. Auf ging es wieder zurück in die Heimat mit seiner wunderschönen Braut im Gepäck. Nyala hatte bekommen, was sie wollte, ihren Zauberstab vergaß sie nicht!

Peters Familie machte große Augen ob dieses Geschenkes aus dem fernen Afrika. Aber Nyalas Charme, ihre großen Kulleraugen und ihre bunte afrikanische Kleidung gefiel dem Besitzer einer Textilfirma schließlich sehr. Die Hochzeit wurde gefeiert. Nyala hieß ab jetzt Hämmerle.

Sie besuchte Deutschkurse, es war nicht gerade einfach für sie, diese schwierige Sprache zu erlernen, aber mit der Zeit ging es schon halbwegs gut!

Nyala wollte gerne, dass Peter doch einen Beruf ergreift. Und da der Beruf eines Polizisten in Afrika sehr angesehen war, begann er in mit seiner Ausbildung in der Polizeischule. Fertig mit seiner Ausbildung wurde er versetzt, und zwar nach Unding am Undinger Wald. Dort traf er auf Bruno, mit dem er von nun an Streife fuhr.

Seine exotische Frau kam sich etwas seltsam in vor in der kleinen Stadt Unding, aber sie würde sich schon zurechtfinden, freundlich und lustig wie sie war!

Noch dazu fing ihr Bäuchlein an, sich zu runden.

***

Die Stadt Unding liegt eingebettet in eine hügelige Landschaft. Die Gegend ist ländlich, viel Wald, viele verstreute Ortschaften. Protzige Vierkanthöfe spiegeln die Mentalität ihrer Bewohner wider, man zieht sich zurück, kapselt sich gerne ab, ist widerspenstig und gegen die Obrigkeit. Die Männer sind streitbar, Sturköpfe und eigensinnig.

Es ist eine etwas mittelalterlich anmutende Stadt. Man hat die alten Häuser am langgezogenen Stadtplatz renoviert, das heißt, man ist immer noch dabei, sie schön herzurichten, also viele Baustellen! Die Stadtpfarrkirche ist im Prinzip gotisch, wurde aber öfters in ihrer Geschichte etwas verunstaltet. Die alten Seitenaltäre sind noch vorhanden, auch die alte Orgel, die aber etwas sonderbare Töne von sich gibt, wenn der Organist nicht ganz nüchtern ist.

Der alte Pfarrer ist ein gutmütiger Mensch, er vergibt gerne Sünden, hat er doch selbst einige. Seine Predigten sind langatmig, seine Schäfchen, die großen und die kleinen, kennen sehr wohl die Hölle, als auch das Fegefeuer! Deshalb gehen die kleinen Gläubigen auch immer gerne in die Messe, natürlich nicht ohne vorher die lässlichen Sünden gebeichtet zu haben. Viele von ihnen sind auch Ministranten, auch die kleinen Mädchen werden da miteinbezogen, welch ein Fortschritt! Er ist auch ein gern gesehener Gast am Stammtisch des Wirtshauses „Zur Traube“.

Auf den Bäumen der Stadt, den Erlen, Linden, Rosskastanien haben sich auch ihre Beschützer angesiedelt, die Dryaden. Sie sitzen ganz oben und beobachten das Geschehen dort unten. Was machen die Menschen da? Lärm und Schmutz machen sie, die vielen Autos, die die ganze Gegend verstinken mit ihren Abgasen. Das tut ihnen nicht gut, den Baumgötinnen! Manchmal werden sie lila vor Frust. Sehen die Menschen nicht, was sie da anrichten mit der Natur, die doch gütig und für sie da ist?

Besuchen die Dryaden auch die Kirche? Ja, sie sitzen gerne oben an den hölzernen Orgelpfeifen und singen mit, wenn die Gemeinde Lieder anstimmt. Wegen ihren hohen Stimmen, die nicht immer richtig klingen, drehen sich die feenartigen der Frauen um, schauen hinauf zu ihrer Orgel und sehen dort ihre grünschillernden Freundinnen mit freudestrahlenden Augen trällern. Am Abend ziehen sich die Stadtdryaden wieder in ihre Stadtbäume zurück.

Eine evangelische Kirche gibt es auch, für die wurde ein junger Pfarrer aus Nigeria engagiert, was etwas Befremdung in der Bevölkerung ausgelöst hat.

Auch sonst bemüht sich Unding, eine moderne Stadt zu sein, in der man fast alles findet. Am Stadtplatz gibt es zwei Metzgereien, die sind unerlässlich, denn Schweinebraten ist so ziemlich das Hauptnahrungsmittel der Leute.

Aber für richtige Gaumenfreuden bieten sich das Gasthaus „Zum Goldenen Hirschen“ an, das sich besonders mit Wildbretspezialitäten hervortut und das Restaurant „Gourmet“ mit französischer Küche. Der Koch dort möchte sich gerne eine Haube aufsetzen.

Zwei Apotheken finden sich, die „Leopold Apotheke“ und die „Apotheke zum Hirschen“, wobei die erstere eher für alternative Produkte zuständig ist, spezielle Cremen, Globuli und dergleichen, es gibt ja auch genügend Personen, die solche Dinge bevorzugen.

Zwei praktische Ärzte haben ihre Praxis am Stadtplatz eingerichtet, auch der Drogeriemarkt findet sich dort, der Optiker, das Hörgerätegeschäft, der Handyshop, zwei Frisöre, ein Dirndlladen, ein Lebensmittelgeschäft, wie gesagt eine moderne Stadt ist Unding.

Die großen Ketten haben sich etwas außerhalb eingenistet, das gehört sich so, denn dort gibt es ja auch die Parkplätze. Kleidung, Möbel, Gartenartikel, Schuhe, Elektrogeräte, so ziemlich alles, was das Herz begehrt, finden Mann und Frau dort.

Und das Wichtigste, die Polizeistation hat auch dort ihren Standort eingerichtet. Es ist ein modernes ebenerdiges Gebäude mit fünf Garagen.

Nicht zu vergessen ist die Feuerwehr, sie befindet sich gleich neben der Polizeistation. Zwei riesige Garagen, bestückt mit kleinen und großen Einsatzfahrzeugen. Die Feuerwehr unterhält auch eine Blasmusikkapelle, die bei besonderen Anlässen mehr oder weniger gut bläst.

Einmal im Jahr gibt es bei beiden Einrichtungen den „Tag der offenen Tür“, der bei den Kindern großen Anklang findet.

Ein kleines Krankenhaus hat Unding auch, für schwierigere Operationen muss man in die große Stadt fahren.

Aber im mittelalterlichen Rathaus am Stadtplatz regiert der Bürgermeister, der Großes vorhat mit seiner Stadt.

Er möchte gerne etwas außerhalb der Stadt, angrenzend an den Wald, ein große Thermenanlage errichten, mit Hallenbad, Wasserrutschen, Wellness, Hotel, Restaurants und allem Schnickschnack, der Bürgermeister, der Herr Nimmer, mit den gelben Augen und den überdimensionalen Brauen, wie Valerie bereits bemerkt hat.

Den Investor mit der großen Geldbörse sucht er gerade. Und was das alles da draußen in ihrer schönen Umgebung, im Wald und auf der Wiese soll, fragen sich die Leute, die davon Wind bekommen haben.

DER GOLDENE HERBST

Er hat sich über das Land gebreitet, seinen Wiesen, seinen Wäldern und Bächen. Valerie streift mit Fido durch die Gegend und hofft insgeheim, ihren holden Felix doch noch einmal zu treffen, leider lange Zeit vergeblich! Da hört sie zwei Stimmen, eine tiefe, die war diejenige des Försters, die kannte sie, und eine jugendliche, das war die, auf die sie gewartet hatte. Sie kommt näher und lauscht. Es geht um den Plan des Bürgermeisters. Natürlich sind die zwei Männer dagegen, dass die Gegend hier verunstaltet werden sollte. „Das lassen wir uns nicht gefallen!“, hört sie lautstark vom Förster. „Nein, natürlich nicht!“, so Felix. „Da müssen wir unbedingt etwas dagegen unternehmen!“. „Aber dafür ist es doch noch zu früh, wir müssen noch abwarten!“

Valerie mischt sich ein, „hallo, worum geht es denn bei euch?“. „Hi, schön dich zu sehen!“, sagt Felix, „wie geht es dir und deinem Fido denn so immer?“, Valerie freut sich „danke, gut! Und dir?“ „Eigentlich sehr gut, wir müssen nur verhindern, dass der Bürgermeister seinen Plan durchzieht und hier in dieser schönen Gegend eine Wellness Anlage errichtet!“ „Das gibt es doch nicht!“, entrüstet sich Valerie. „Es ist ja auch noch gar nichts passiert!“, sagt der Förster. „Noch fehlt das nötige Kleingeld, und wenn es so weit ist, unternehmen wir sicher das Nötige!“.

Felix strahlt Valerie an. „Gehen wir doch mit Fido etwas spazieren“, schlägt Valerie vor. „Ja, gerne, dann kann ich dir ein bisschen etwas über meine Lieblinge, die Pilze erzählen und dir auch einige zeigen. Es ist ja Herbst, die Jahreszeit der Schwammerln“.

„Lass Fido erst mal ein bisschen an dir schnuppern, dann erkennt er dich das nächste Mal wieder und muss sich nicht so aufregen!“ Gesagt, getan, ohne zu zögern hält Felix seine Hand an die Schnauze des Hundes, der ist zufrieden und beweist das mit eindeutigem Schwanzwedeln.

„Was ist das mit dir und den Pilzen?“, fragt Valerie zunächst. „Das habe ich dir noch gar nicht erzählt? Ich bin Biologe und mein Spezialgebiet sind die Pilze. Die gefallen mir so gut in all ihren Erscheinungsformen, sie sind überall zu finden, ich könnte dir hunderte Geschichten über sie erzählen, wenn es dich interessiert!“ „Ja, gerne, ich liebe sie auch, aber immer schön langsam!“, meint Valerie.

Sie verabschieden sich vom Förster und machen sich auf den Weg. Fido freut sich und streunt an der langen Leine durchs Gebüsch.

„Ich muss dir erst mal erklären, wo welche Pilze wachsen“. „Einige lieben es moosig, andere bevorzugen die Wiese oder den Wald.“ Bald kommen sie an eine Lichtung und sehen zwei leuchtend rote Fliegenpilze mit ihren weißen Farbflecken. „Da sind sicher ihre essbaren Kollegen, die Steinpilze nicht weit!“, meint der Biologe. Sie gehen etwas tiefer in den Wald hinein. Da sieht Felix im Moos zwei kleine Steinpilzchen, ganz hübsche Pilzkinder. „Die lassen wir noch stehen!“, meint Felix, „die müssen schon noch etwas wachsen!“ „Stimmt das, was ich gehört habe, dass aus den Steinpilzen die Herrenpilze werden?“, fragt Valerie. „Ja, wahrscheinlich schon, aber so ganz geklärt ist das auch bei den Wissenschaftlern noch nicht, sogar die sind sich da noch nicht ganz einig, ein interessantes Thema!“, meint Felix.

Fido schnüffelt sich durch den Wald. „Ich habe einmal gehört, es gebe Trüffelschweine? Weißt du da Genaueres?“ fragt Valerie. „Ja, in Italien gibt es tatsächlich solche, die nach Trüffeln suchen. Man nimmt dazu weibliche Schweine, denn die Pilze strömen einen Duft aus, der dem ihrer männlichen Artgenossen ähnelt. Die Trüffeln wachsen unter der Erde. Der Pilz kann sich nur vermehren, wenn er zuerst von Schweinen gefressen und wieder ausgeschieden wird!“. „Igitt, das ist ja eklig“, entrüstet sich Valerie „da werde ich keine Trüffel mehr essen! Noch dazu sind sie so teuer!“ „Ich mag sie auch nicht besonders, denn der Trüffelgeschmack im Öl oder in der Salami zum Beispiel ist schon sehr intensiv“, sagt Felix. Sie schauen sich an und müssen lachen.

Sie kommen an eine Wiese. Fido schnuppert an hellen schirmförmigen Gebilden. „Das sind Parasole“, erklärt Felix, „ausgezeichnete Speisepilze. Aus ihrem Hut kann man gute Schnitzel zubereiten. „Großartig“, meint Valerie, „ich koche leidenschaftlich gerne!“

Aber sie schaut auf ihre Uhr. „Ich muss mich auf den Heimweg machen! Sonst sorgt sich mein Mann!“ Felix macht große Augen. „Du bist verheiratet?“ „Schon seit fünf Jahren bin ich mit Bruno zusammen.“ Da bemerkt sie, dass Felix enttäuscht zu Boden schaut.

„Und du?“, fragt sie arglos. „Ich bin Junggeselle, denn ich habe noch nicht die Richtige gefunden!“

„Und wo wohnst du?“, fragt Felix. „In dem alten Bauernhaus am Waldrand in Richtung Stadt.“ „In diesem schiefen Haus wohnst du? Das ist aber schon ziemlich baufällig!“„Ich weiß, aber es ist Brunos Elternhaus und uns fehlt das nötige Kleingeld für Reparaturen. Vielleicht nehmen wir einmal einen Kredit auf. Bruno ist Polizist, da sollte das nicht schwierig sein!“

Felix wendet sich zum Gehen, betrübt lässt er die Schultern hängen. „Gib mir doch bitte deine Telefonnummer!“, sagt sie zu Felix, um ihn wieder zu beruhigen und auch mit der eigennützigen Absicht, ihn bald wieder zu treffen! „Du hast mir überhaupt noch kaum etwas über Pilze erzählt!“ Da dreht sich Felix wieder um, lächelt, und Valerie schickt ihm zum Abschied ein Küsschen, flüchtig wie der Wind.

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Langsam geht Valerie wieder nach Hause. Was hat Felix da über ihr Haus gesagt? „Schief“ sei es und „baufällig“. Sie nähert sich von hinten, die Vorderseite steht ja an der Straße, die in die Stadt führt. Ja, wirklich gut sieht es ja nicht aus! Schief kann man die Scheune bezeichnen, in der die Schwiegereltern das Heu für die Tiere aufbewahrten. Ihr Dach hängt tief herunter, und der ehemalige Hühnerstall ist in sich zusammengefallen. Das müsste alles entfernt werden, denkt sich Valerie. Der ehemalige Stall steht auch noch neben dem Haus, natürlich geht es ihm genauso schlecht wie dem Rest des Hauses. Traurig wird Valerie, sehr traurig! Das ist doch mein Haus, sagt sie sich, ich habe ja kein anderes Zuhause!

Aber frohgemut, wie sie ist, kehrt die gute Laune wieder zurück und sie beschließt, heute Abend mit Bruno über einen Kredit zu sprechen. Sie muss ihn überzeugen, ihm als Polizist muss es doch wichtig sein, was die Leute in der Stadt über sein Elternhaus denken!

Sie geht hinein, hängt ihre Jacke an einen Haken, eine Garderobe gibt es nicht. Bruno ist schon da. „Wo bleibst du so lange? Ich habe dich schon erwartet! Wo bleibt denn mein Abendessen?“, fragt Bruno ungeduldig. Valerie gibt zuerst Fido frisches Wasser und Futter. Bruno betrachtet sie irritiert. Valerie hat keine Lust, ihrem Mann etwas über ihre heutigen Erlebnisse zu erzählen. Sie setzt sich auf einen der harten Bauernstühle in der Stube und sagt fröhlich: „Heute gibt es Essen aus dem Kühlschrank! Eine Rindssuppe habe ich noch eingefroren, sowie Frittaten, und dann gibt es den Schweinsbraten, der von gestern noch übrig ist, kalt mit Kren! Das ist doch gut!“. Bruno brummelt „ok“, er ist es gewohnt, dass nach getaner Arbeit ein gutes, warmes Abendessen auf ihn wartet.

Beim Essen rückt Valerie mit ihrem Wunsch heraus. „Wir haben doch schon öfters darüber gesprochen, einen Kredit aufzunehmen, um das Haus wieder etwas auf Vordermann zu bringen! Du möchtest doch auch nicht, dass die Leute beginnen, schlecht über unser Haus zu reden, lieber Bruno!“ flötet sie mit Augenaufschlag. Der Polizist kann seiner Frau schlecht widerstehen! „Ok, ich werde mal zur Bank gehen, um mit unserem Sachbearbeiter darüber zu sprechen!“, meint Bruno etwas mürrisch. „Aber wann, lieber Bruno? Wann, bitte bald!“, versucht Valerie ihn zu überzeugen, sie zieht alle Register, springt auf sein Knie und drückt ihm ein Küsschen auf seinen Polizistenmund. Er ergibt sich. „Ich werde mir einen Termin ausmachen, in meiner nächsten Pause bin ich dort!“ „Danke, danke!“, ruft Valerie höchst erfreut. Sie klettert wieder von seinem Knie herunter, räumt das diesmal nicht so üppige Essen weg und holt Papier und Bleistift.

Bruno ist ein etwas schwerfälliger Mensch, langsam von Begriff, aber verlässlich und treu. Er hat Valerie, seine schöne junge Frau gefunden, er kann es eigentlich noch immer nicht glauben, und er vergöttert sie auf seine Weise. Er sieht sie fast wie seinen Besitz! Er ist immer für sie da, wenn es seine Zeit erlaubt, und sie sollte auch immer für ihn da sein, besonders was das Abendessen betrifft, das immer warm am Tisch stehen soll, wenn er nach Hause kommt. Das gehört sich seiner Meinung nach so, die moderne Frau ist noch nicht zu ihm durchgedrungen. Dafür kann sich Valerie hundertprozentig auf ihn verlassen und das ist ihr schon wichtig!