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Signe Berglund, erste und einzige schwarze Kommissarin der schwedischen Reichspolizei in Kalmar, wird ihr geliebter alter Ford Granada geklaut. Weder sie noch ihr Team ahnen, dass das für sie der Auftakt zu einer mysteriösen Diebstahlserie sein würde. Dann wird ein Jugendklappbett geklaut und jemandem dabei der Schädel eingeschlagen und Robert Ekkheim, ein guter Freund Signes, ist auf einem Überwachungsvideo zu sehen, wie er eine große Kiste aus einem Museum schafft … Und während Robert Ekkheim immer tiefer in diesen Fall hineinstolpert und nebenbei mit der rasant zunehmenden Digitalisierung des schwedischen Alltags hadert, wird für Signe Berglund der Fall immer verworrener und zu allem Überfluss hat sie das Gefühl, dass sie die Einzige weit und breit ist, bei der es auch privat nicht rund läuft … Und wie gewohnt, erfahren die Leser*innen wieder einiges über Land und Leute.
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Seitenzahl: 371
Veröffentlichungsjahr: 2019
Eau de Voiture ist der dritte Kriminalroman mit Signe Berglund, der ersten und einzigen schwarzen Kommissarin der Reichspolizei in Kalmar. Diesmal wird Signe Berglund ihr geliebter, einige Jahrzehnte alter Ford Granada gestohlen. Als sie sich schweren Herzens erneut einen ähnlich altes Auto kauft, versucht jemand auch den zu stehlen. Hat es irgendwer auf sie abgesehen? Oder ist das Teil einer Diebstahlserie, bei der ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände verschwinden, wie z.B. ein buntes Jugendbett? Aber warum schlägt man einem Menschen wegen so eines Bettes die Schläfe ein? Und wieso zeigt ein Überwachungsvideo Signes guten Freund Robert Ekkheim dabei, wie er eine Kiste aus einem Museum schafft? – Viele Fragen, auf die Signe Berglund vorerst keine Antworten weiß. Und zu allem Überfluss scheint sie die Einzige weit und breit zu sein, bei der es auch privat nicht rund läuft …
Die Signe Berglund Krimis schließen die Lücke zwischen Astrid Lindgrens Bullerbü und den Krimis von Erik Axl Sund. Mehr Romane als Krimis also, die zwar keine heile Schwedenwelt erdichten, aber eher mit einem Augenzwinkern denn mit blutiger Feder geschrieben sind. Sie lassen immer wieder teilhaben am Alltag ihrer Hauptpersonen und erzählen den Leser*innen so nebenbei immer wieder etwas über (das heutige) Schweden und die anderen (realen) Schauplätze der fiktiven Geschichten.
Ulf Spiecker, Jahrgang 61, ist gelernter Landschaftsgärtner und studierter Stadtplaner. Er hat aber unter anderem in den Schulferien auch als Maurer gejobbt, Zivildienst im Altenheim geleistet, während der Lehre an Autos geschraubt, im Urlaub Ziegen gemolken, zwischen Uni-Vorlesungen in der Verkehrsplanung gearbeitet, Kindererziehung und die Herstellung von Graved Lachs verbunden und ehrenamtlich viel Zeit in Schulbibliotheken verbracht.
Ulf Spiecker lebt und schreibt in Hamburg – und seit 1994 immer wieder auch in Schweden. Wenn nicht gerade eine verdammte Pandemie dazwischen kommt.
Ulf Spiecker
Eau de Voiture
– Signe Berglund nimmt’s persönlich –
Roman
Von Ulf Spiecker sind in dieser Reihe bisher erschienen:
Tanz der Frösche
– Signe Berglund beginnt mit Ermittlungen
Leichenwechsel
– Signe Berglund sucht ein Motiv
Eau de Voiture
– Signe Berglund nimmt’s persönlich
Minkwal, Masken und Moneten
– Signe Berglund wird kaltgestellt
(voraussichtlich ab Sommer/Herbst 2022)
Signe Berglund Krimis
sind auch unabhängig voneinander lesbar
© 2019/2022 Ulf Spiecker
überarbeitete Auflage
Paperback ISBN 978-3-7482-9456-6
Hardcover ISBN 978-3-7482-9457-3
e-Book ISBN 978-3-7482-9458-0
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Mein besonderer Dank gilt,
Maraike Gutenmorgen, meiner Telefonjokerin für die Widrigkeiten des Autorenalltags!
Nicole Hagemann, einer geschätzten Kollegin und Freundin, mit der ich mich immer wieder gerne fachlich wie auch (welt)politisch austausche und mit der das liederliche Lästern einen erfrischend-kreativen Level erreicht hat. Und die es geschafft hat, dass ich das erste mal in meinem Leben einem Fantasy-Roman entgegenfiebere!
Michael Rädler, ohne dessen mir fast schon zur zweiten Heimat gewordenen Ferienhaus, mein Eintauchen in den schwedischen Alltag unmöglich gewesen wäre! Mal abgesehen von wunderbaren Momenten der absoluten Ruhe, Beschaulichkeit oder der kreativen Schübe, denen ich mich dort ungestört hingeben konnte …
meiner Familie, die geduldig und liebevoll meine Launen und Marotten beim Entstehen dieses Buches ertragen hat.
I
Erschüttert stand Signe Berglund, erste und einzige schwarze Hauptkommissarin der Reichspolizei in Kalmar, vor dem Haus. »Wer macht so was?«, stammelte sie ungläubig, rieb sich die Augen und hoffte, dass sie gleich aus diesem Albtraum erwachen würde. Sie sah sich um. Nichts. Sie hatte einen dicken Kloß im Hals und merkte, wie ihre Augen langsam feucht wurden. Sie konnte und wollte es noch immer nicht fassen und sah sich wieder um. Aber das Resultat war genauso niederschmetternd wie eben: Ihr Parkplatz war und blieb leer.
Langsam ging Signe Berglund in die Knie, strich mit der Hand fast zärtlich über einen eingezogenen Ölfleck auf dem Pflaster. Ja, das war vor ziemlich genau einem Jahr, als das Differenzialgetriebe plötzlich geleckt hatte und sie aus Sorge vor den möglichen Folgen und dem Wissen um die nicht ganz unkomplizierte Ersatzteillage unter Androhung einer Betriebsprüfung für die letzten drei Jahre einen sofortigen Werkstatttermin erpresst hatte. Zu dem Ölfleck gesellte sich jetzt eine Träne, aber das war Signe egal. Er war weg, ihr geliebter alter Ford Granada war einfach weg! Geklaut von ihrem Parkplatz vor ihrem Haus! Sie stand auf. »Das bedeutet Krieg!«, sagte sie laut und entschlossen, was den Nachbarn, der gerade freundlich grüßend in seinen Volvo einsteigen wollte, verunsichert verstummen ließ.
*
»Du spinnst!« Viggo Henriksson tippte sich mit dem Finger an die Stirn. Er sah dabei zu, wie Signe Berglund ihren alten Ford Granada im ganzen Land zur vorrangigen Fahndung ausschrieb.
»Meinst du?«, fragte Signe und sah ihren großgewachsenen rothaarigen Kollegen an.
»Ja« kam es zurück. Viggo kratzte sich den Bart. »Das kannst du nicht machen!«
»Vielleicht hast du recht!«, antwortete Signe nachdenklich und ersetzte optisch annähernd fabrikneu durch mit marginalen Gebrauchsspuren.
»Das meinte ich nicht!«, brummte Viggo und verdrehte die Augen. »Ich glaube, das mit der Fahndung ist … ach, auch egal!«, brach er dann abwinkend ab. Er kannte seine Chefin. Als er aber vor seinem geistigen Auge den verbeulten und mit Kratzern übersäten alten Ford sah, grinste er. »Bei der Beschreibung kann er den Leuten direkt über die Füße fahren, – sie würden ihn nicht erkennen!«
»Wieso das denn nicht?« begehrte Signe auf. »Steht doch alles drin, was wichtig ist: Ford Granada Coupé, blaumetallic mit schwarzem Vinyldach und Alufelgen. Und ich habe sogar geschrieben, dass er leichte Gebrauchsspuren hat …«
»Eben!« unterbrach Viggo. »Schreib besser: Sieht verheerend aus, fährt aber!« Signe sah ihren auch als Freund sehr geschätzten Kollegen entgeistert an.
»Ach, Herr Henriksson«, wurde sie jetzt sehr förmlich und ignorierte das sonst im Land übliche Duzen, »by the way, ihren Urlaubsantrag – leider – den kann ich natürlich nicht genehmigen!«
»Ich weiß!«, kam es sofort zurück. »Aber das war es mir wert!«
*
Den ganzen Tag hatte Signe Berglund entweder das Festnetztelefon angestarrt, den Hörer abgenommen und kontrolliert, ob es überhaupt funktioniert oder nachgesehen, ob ihr Smartphone versehentlich lautlos gestellt war. Natürlich war alles in Ordnung gewesen, es rief einfach nur keiner an. Und das hieß, dass niemand im ganzen Land ihren Ford gesichtet hatte. »Der steht jetzt wahrscheinlich in irgendeiner Scheune und wartet darauf, umgespritzt zu werden«, dachte sie bitter. In dem Moment klopfte es fast zaghaft an ihrer Bürotür. Sie fuhr herum, hatte sie doch die Ansage gemacht, nicht gestört werden zu wollen, – es sei denn, es gäbe Nachricht von ihrem Wagen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. »Stig på!«, rief sie. »Herein!« Es war Oscar Lind, ein junger Kollege, der vor zwei Jahren für den in Elternzeit gegangenen Göran Ivarsson gekommen war und den Signe trotz seiner Mitgliedschaft bei den rechtspopulistischen SD, den Schwedendemokraten und seinem anfangs unterirdischem Benehmen und Gebaren ihr gegenüber inzwischen wirklich schätzen gelernt hatte. Auch weil er begonnen hatte, sich – sogar politisch – zu seinem Vorteil zu verändern.
Nun stand Oscar vor seiner Chefin und Signe sah ihm deutlich an, dass er unsicher war. »Du hast nichts für mich, stimmt’s?«, fragte sie resigniert und vergaß ganz, ihn wegen der ungerechtfertigten Störung anzublubbern.
»Leider nicht. Ich wollte dir nur anbieten, dich nach Hause zu fahren. Du kannst ja nicht die ganze Nacht hier sitzen. Und du hast ja ein Handy dabei und wenn hier was für dich aufläuft, sind die Kollegen von der Nachtschicht gebrieft und melden sich!«
Als Oscar Signe vor dem Lipstick, wie das kleine Hochhaus auf Varvsholmen aufgrund seiner charakteristischen Form vom Volksmund genannt wurde, abgesetzt hatte, huschte sie schnell am Parkplatz vorbei ins Haus. Ihren verwaisten Stellplatz wollte sie auf keinen Fall sehen. Sie fuhr in den 7. Stock und schloss die Haustür auf. Die Stille, die sie empfing, war erdrückend. Signe schleuderte die Ballerinas von den Füßen, ließ ihre Tasche irgendwo von der Schulter rutschen, stürmte in die Küche und schmiss die Kaffeemaschine an. Zehn Minuten später ließ sie sich im Wohnzimmer vor den riesigen Panoramafenstern in ihren Lieblingssessel fallen. Natürlich nicht, ohne sie vorher weit geöffnet zu haben, denn sie mochte es, wenn Wohnzimmer, Balkon und der freie Blick auf den Kalmarsund zu ihrer persönlichen Wohlfühllandschaft verschmolzen. Signe holte tief Luft und trank einen Schluck Kaffee. Ihr Blick verlor sich irgendwo in der Weite des Horizonts. »So, und nun?«, dachte sie, »Was ist, wenn wir ihn nicht wiederfinden?« In diesen trübseligen Gedanken verhaftet, überhörte Signe, dass jemand die Haustür öffnete.
»Käresta«, »Liebste, du bist da?« Signe schreckte hoch und sah Ella an. »Ach du bist es!«, seufzte sie und erhob sich. »Klar bin ich da, wieso?« »Ich dachte, weil dein Auto nicht auf dem Parkplatz …« Ella sah Signe neugierig an. Die seufzte erneut. Dann nahm Signe Ella in den Arm und gab ihr einen Begrüßungskuss. »Doch, ich bin da …«
Nachdem Signe ihren ganzen Frust über den geklauten Wagen bei Ella abgelassen hatte, sah Ella sie lange an. »Vielleicht ist das ja ein Zeichen.«
»Wofür?«, fragte Signe ahnungsvoll.
»Na ja, dein Ford ist ja nun nicht mehr so ganz neu« fing Ella vorsichtig an. »Und der Motor geht ja seit geraumer Zeit nicht nur akustisch mit großem Selbstbewusstsein zu Werke, sondern auch mit Benzin und Öl eher verschwenderisch um …« Signe jaulte auf:
»Verschwendung ist bei dem Wagen kein Mangel, sondern Haltung!«
Ella lachte. »Sagt die, die es sich leisten kann! Und der die Umwelt völlig egal ist!«
»Nein, meine Liebe, aber ich bin Realistin! Oder soll ich mir etwa ein Elektroauto kaufen? Überlege doch mal, für den unabdingbaren Leichtbau werden zur Aluminiumherstellung großflächig Regenwälder abgeholzt, weil das notwendige Bauxit über Tage abgebaut wird! Außerdem werden da unzählige seltene Erden benötigt, deren Abbau und Aufbereitung extrem umweltschädlich sind! – Und das natürlich in Ländern, deren Umweltbewusstsein schwer zu wünschen übrig lässt! Darüber hinaus wird das Kobalt für die Batterien überwiegend im Kongo gewonnen: Abgesehen vom Bürgerkrieg und systematischen Menschenrechtsverletzungen ist das mit Kinderarbeit verbunden! Die sind teilweise erst sieben! Und nun komm’ mir nicht damit, dass die Kinder dann wenigstens von der Straße sind!« Signe holte Luft und fügte dann hinzu: »Und der Strom für den Betrieb dieser e-Karren kommt dann noch aus unseren drei Super-Atomkraftwerken! Na, da freut sich die Umwelt aber! Ganz herzlichen Glückwunsch!«, höhnte Signe. »Und stell dir vor, wir wollen zu deinen Eltern: Dann müssen wir, wenn du ausnahmsweise mal kein Radio hören willst, Klimaanlage und Scheibenwischer nicht benötigt werden, du dich gewichtstechnisch zurückhältst, das heißt deine Reisegarderobe auf das Wesentliche beschränkst, deinem geliebten Reiseproviant entsagst, die Mitbringsel vor Ort kaufst und wir zudem gemächlich fahren, trotzdem zwischendurch an die Steckdose! Und im Winter müssen wir entweder in Skianzug und Handschuhen fahren oder die Heizung braucht so viel Strom, dass es sich gar nicht erst lohnt loszufahren. – Außerdem sind das fast alles SUVs und du weißt, ich fahre entweder Auto oder Trecker!«
»Immerhin hast du dich ja schon mal mit dem Thema auseinandergesetzt!«, stellte Ella anerkennend fest.
»Klar!« knurrte Signe. »Wehret den Anfängen!«
II
Mit eingeschaltetem Tempomat rollte Robert Ekkheim die Autobahn entlang. Vor eineinhalb Stunden hatte er auf der knapp acht Kilometer langen Brücke und fast sechzig Meter über dem Öresund die Grenze von Dänemark nach Schweden überquert. Nun passierte er die Ausfahrt nach Mörrum und dachte wie jedes Mal daran, wie häufig er mit seinem Sohn Markus früher hier abgefahren war, um dem wilden königlichen Lachsfluss samt Museum einen Besuch abzustatten. Und natürlich hatten sie auch immer nach den Anglern geschaut, die, nachdem sie ein kleines Vermögen auf den Tisch gelegt und sich den gestrengen Regeln der königlichen Fischereiaufsicht unterworfen hatten, hier ihr Glück versuchten.
Er schwelgte in Erinnerungen, hatte Mörrum lange hinter sich gelassen und sah erst spät den alten blauen Ford Granada, der ihm auf der anderen Fahrbahn entgegen kam. »Signe?!« durchzuckte es Robert, aber da hatte der Wagen auch schon die Abfahrt nach Norden genommen und fuhr Richtung Göteborg davon. »Na, hoffentlich hat sie nicht vergessen, dass ich komme!«, dachte er und war diesbezüglich eigentlich ganz zuversichtlich, – schließlich hatten sie erst vorgestern miteinander telefoniert. »Vielleicht gibt es ja auch noch mehr davon«, grinste er und war überzeugt, dass keiner sich in so einer optischen Schieflage befinden würde wie der beklagenswerte Ford von Signe.
*
»Du hast was?« Signes Stimme überschlug sich fast, als Robert ihr am Telefon erzählte, dass er vorhin bei Ronneby ein blaues Ford Granada Coupé gesehen hatte. Fünfzehn Minuten später stürmte sie aus dem Taxi in ihr Büro. »Noch ’n paar Fahrten und ich kann mir auch gleich so einen Luxusschlitten wie Melker kaufen«, dachte sie. Melker Berg, ihr Kollege von der Forensik, hatte sich letztes Jahr einen vollausgestatteten Volvo V90 gegönnt und Signe war immer aufs Neue über den High-End-Luxus erstaunt, der in modernen Autos, erst recht jenseits der gediegenen Mittelklasse, zum Standard gehörte. Doch ein Auto für sie war das trotzdem nicht, – schon weil man den laufenden Motor nur erahnen konnte, wenn es sonst absolut still um einen herum war und man auch noch aufhörte zu atmen.
»Wie viele Leute haben wir?«, fragte Signe, als sie Oscar Lind traf. Der sah sie irritiert an.
»Wie meinst du das? Insgesamt oder im Dienst?«
»Ach, egal! Alle raus! Wir müssen nach Ronneby! Robert hat wahrscheinlich meinen Wagen da gesehen!« Oscar grinste. »Wer auch sonst als dieser Robert!«, dachte er. Dabei hatte er sich inzwischen fast daran gewöhnt, dass dieser Robert verlässlich immer dort auftauchte, wo, um es vorsichtig auszudrücken, nicht ganz Alltägliches passierte. »Meinst du nicht, dass wir das getrost auch den Kolleginnen und Kollegen in Karlskrona überlassen können? Die sind wesentlich eher vor Ort«, warf er noch ein und erntete einen verständnislosen Blick seiner Chefin. Dennoch griff Signe zum Telefon und informierte Karlskrona. Als sie danach fragte, ob dort zufälligerweise Helikopter zur Verkehrsüberwachung in der Luft seien und ob das nicht überhaupt mal eine gute Idee wäre, schüttelte Oscar nur den Kopf.
»So« sagte sie dann, »ich brauche erst einmal einen Wagen!« Damit setzte sie sich vor den Computer und rief eine der größten Gebrauchtwagenbörsen Europas auf. »Laufleistung? Egal. Baujahr? Ach, auch egal. Ort? Kalmar. Umkreis 100 Kilometer.« Signe tippte konzentriert die Auswahlkriterien ein. Während das Programm die Ergebnisse zusammenstellte, sah sie Oscar an. »Fährst du mich, wenn ich etwas finden sollte?« Oscar grinste und nickte. Dann erschienen auf dem Bildschirm aufeinander folgend diverse Gebrauchtwagenangebote. Gleich das erste Foto zeigte einen alten grünen Militärjeep und ließ Oscar Lind zusammenzucken. Unauffällig schielte er zu Signe, erwartete von ihr eine ihrer typischen Bemerkungen, dass das ja für ihn als SD-Mann das ideale Fortbewegungsmittel sei. Wider Erwarten blieb sie aus.
Signe scrollte die Seite hinunter und Oscar atmete erleichtert auf. Seit er sich seiner Sache mit den SD immer unsicherer wurde, hasste er Signes Anspielungen noch mehr als früher. Zum Glück hatten diese nach einem ernsten Gespräch im letzten Jahr, das der Kollege Viggo Henriksson moderiert hatte, nachgelassen. Zumindest ihre ganz fiesen Bemerkungen. Dann sah Oscar eine Anzeige und konnte sich seinerseits eine spöttische Bemerkung Signe gegenüber nicht verkneifen: »Na, das wäre doch was für dich!«, grinste er und zeigte auf einen roten Smart fortwo, Baujahr 1999. »Üppig dimensionierter 600-Kubikzentimeter-Motor, satte 45 PS!« Oscar pfiff spöttisch. Signe sah ihren Mitarbeiter und Kollegen konsterniert an.
»Das meinst du nicht im Ernst!« sagte sie mit belegter Stimme. »Ich brauche ein Auto! Das ist kein Auto! Das ist ein Elefantenrollschuh!«
»Und wie wäre es damit?« Oscar zeigte auf das Bild eines kantigen und schnörkellos gezeichneten alten VW Scirocco. »Sieht doch ziemlich gut aus, ist wenig gelaufen und hat 110 PS!« Signe betrachtete etwas unentschlossen die Anzeige.
»Ist der nicht ein bisschen zu klein?«
»Na ja, ist halt eher ein Sportwagen als ein fahrbares Wohnzimmer wie dein Ford selig …«
»Noch ist er nicht endgültig weg!« begehrte Signe auf.
»… und der ist ähnlich alt. Und in der GLI-Ausstattung ist er doch bestimmt auch ganz kommod!« fuhr Oscar ungerührt fort. Signe klickte sich skeptisch durch die Fotoserie, die einen wirklich beeindruckend gut erhaltenen Oldtimer zeigte.
»Aber die Farbe?«, zweifelte Signe, als sie ein Bild aufrief, auf dem die Sonne sich in dem giftgrünen Metalliclack der Motorhaube widerspiegelte.
»Ach das, das ist ein bisschen so wie bei den Pfeilgiftfröschen. Die haben extrem grelle Farben, um ihre Fressfeinde zu warnen. Und du warnst eben mit diesem grellen Grün deine Feinde im Verkehr, – also alle, die dich an einem dir angemessenen Fortkommen hindern« feixte Oscar.
»Meinst du?«, fragte Signe nachdenklich, ohne die nur gespielte Ernsthaftigkeit zu registrieren. Unter diesem Aspekt fand sie das Grün auf einmal eigentlich ganz hübsch. Oscar nickte bestärkend. Signe scrollte die Anzeigenseite hinunter. »Ein Vorbesitzer« las sie laut, »Garagenwagen, Originalzustand. Mit TT?« Fragend sah sie ihren Kollegen an. »TT?«
»Tittentacho!«, kam die Antwort lapidar von der Tür und Signe fuhr angriffslustig herum, bereit, dieser verbalen Geschmacklosigkeit sofort etwas vernichtendes entgegenzusetzen. »Tittentacho« wiederholte Viggo Henriksson. »Wegen der konisch nach vorn gewölbten Scheiben von Tacho und Drehzahlmesser. Golf 1. Das war mein erstes Auto von meinem ersten Gehalt.« Signe nickte besänftigt und achtete nicht weiter auf die Aktenmappe, die ihr Viggo Henriksson noch auf den Schreibtisch legte, bevor er wieder verschwand.
»Okay, also von mir aus. Tittentacho.« Dann las sie den Anzeigentext zu Ende: »Hier: Lückenloser Servicenachweis, Zahnriemen und Wasserpumpe neu, Grizzly-Lock-Diebstahlsicherung, Verkauf nur aus Altersgründen, Festpreis.« Sie sah Oscar zweifelnd an. »Und das mit der Farbe, – meinst du das ernst?« Oscar sah Signe jetzt nachdenklich an. Er wunderte sich. Erst ließ seine Chefin eine gute Gelegenheit aus, ihn anzufrotzeln und dann fragte sie fast kindlich -naive Dinge und merkte noch nicht einmal, wenn er sie ein bisschen auf den Arm nahm. Er nickte vorsichtig. »Echt?« Er nickte etwas nachdrücklicher. »Dann lass uns fahren, ich brauche ja ein Auto. Angucken kann ich mir den ja mal. Und bevor den dann noch jemand anderes kauft …«
*
Zwei Stunden später saß Signe in dem beigefarbenen Sportsitz und gab vorsichtig Gas. Willig drehte der Motor hoch. Entgegen ihrer Erfahrung mit ihrem alten Ford ließ sich der erste Gang erstaunlich leicht einlegen, langsam ließ sie die Kupplung kommen und der Wagen setzte sich ruckfrei in Bewegung. Sie kurbelte das Fenster herunter, winkte, und ganz langsam wurde der alte Herr, der ein wenig wehmütig seinem langjährigen Gefährt hinterherblickte, immer kleiner. Auf der Autobahn fuhr Signe vorsichtshalber – sie wollte den Wagen schonend an ihre Fahrweise gewöhnen – nur im mittleren Drehzahlbereich und blieb knapp unter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Trotzdem gab es plötzlich einen Knall und daraufhin röhrte und dröhnte es ohrenbetäubend im Wagen. Erschrocken ging Signe Berglund vom Gas und hatte nach wenigen Hundert Metern Glück, einen Rastplatz anfahren zu können. Langsam fuhr sie zu einer Parklücke, zog mit ihrem lärmenden Auto alle Blicke auf sich und erntete allseits Kopfschütteln. Als sie ausstieg, stand neben ihr ein Mann, der seine höchstens zweijährige Tochter, die von Signes röhrendem Auftritt unsanft aus dem Schlaf gerissen worden war, tröstend auf dem Arm hielt. »Hör mal« giftete er Signe zischend an, »ein lauter Auspuff macht aus deiner Scheißkarre noch lange keinen Sportwagen, sondern nur eine laute Scheißkarre!« Damit fuhr er seiner Tochter tröstend über den Kopf, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und ließ Signe stehen. In dem Moment kam Oscar auf den Rastplatz gerollt.
*
Als die Tür geräuschvoll aufgerissen wurde, hob die hübsche, blonde junge Frau am Annahmetresen der Autowerkstatt die linke, akkurat bogenförmig gezupfte schwarze Augenbraue. Nur einen kurzen Augenblick später verstellte sie Signe, die mit einem knappen »Hej« an ihr vorbeistürmen wollte, verbindlich lächelnd, aber energisch den Weg in die Werkstatt.
»Hejhej! Kann ich dir helfen?«, fragte sie und zeigte ihre schneeweißen, ebenmäßigen Zähne. Signe sah sie kurz an und ihr Blick blieb an den wohlmanikürten Fingernägeln hängen.
»Das glaube ich nicht! Ich brauche einen Mechaniker. Und einen neuen Auspuff. Und das schnell!« Die adrett gekleidete junge Frau schüttelte ihren ebenso adrett frisierten Kopf. Nur allzu gut konnte sie sich an diese Kundin erinnern, die vor ungefähr einem Jahr wüste fiskalische Drohungen ausstoßend, einen sofortigen Werkstatttermin erpresst hatte. »Nicht noch mal!« hatte sie sich daraufhin geschworen und verbesserte nach dieser persönlich genommenen Niederlage ihr Standing gegenüber einer gewissen Art von Mitmenschen, indem sie sich seitdem vierteljährlich von der Buchhaltung bestätigen ließ, dass alles auf dem Laufenden sei. Also öffnete sie jetzt ihre Arme und bewegte sie, als wenn sie eine Hühnerschar scheuchen wollte, und drängte, noch immer verbindlich lächelnd, die völlig verdatterte und überrumpelte Signe hinter den Tresen zurück.
*
»Lieferzeit mindestens vier Werktage! VW Classic Parts … Kommen direkt aus Deutschland … Sie rufen an, wenn der Auspuff da ist!« Signe saß bei Oscar Lind im Auto und berichtete stockend. Sie war genervt. Als Oscar anfuhr, drehte sie sich noch mal zu ihrem viperngrünen Scirocco um, der zwischen dem Einheitssilber all der anderen Wagen geradewegs zu leuchten schien.
»Und sonst? Wie fährt der sich nun?« Oscar sah Signe neugierig an.
»Na ja, – eigentlich gar nicht so schlecht. Aber er ist so klein. Und hart. Irgendwie war mein Ford schon bequemer!« Oscar lachte.
»Okay, die Zeiten, in denen du als Couch-Comander durch die Gegend geschaukelt bist, sind natürlich erst einmal vorbei …«
»Hoffentlich nur erst einmal!«, murmelte Signe düster und verschränkte die Arme.
III
Signe Berglund sah die Aktenmappe auf ihrem Schreibtisch, fragte sich, wo die wohl herkäme, öffnete sie und begann zu lesen. Dann schlug sie krachend ihre Hand auf den Tisch. »Ha!« stieß sie wild aus, »Hab’ ich’s mir doch gedacht!« Dann rief sie Viggo Henriksson und Oscar Lind zusammen.
»Hier! Mit meinem Ford vier ganz besonders schwere Autodiebstähle in Südschweden! Drei in Kalmar Län und einer in Kronobergs Län!«
»Weiß ich. Hatte ich dir doch hingelegt. Und, na ja«, zweifelte Viggo, »das hält sich ja nun von der Anzahl her wirklich in engen Grenzen! Wenn ich mich recht erinnere, waren es landesweit im ersten Halbjahr gut viertausend Fälle. Das hier« er zeigte auf die Mappe, »sind gerade mal ein Promille!« Er sah Signe verständnislos an. »Und Autodiebstahl gilt immer als besonders schwerer Diebstahl, – wenn du nicht gerade die Tür aufgelassen und den Zündschlüssel hast stecken lassen …«
Signe winkte unwirsch ab. »Ich sagte ganz besonders schwere Autodiebstähle!«
»Was heißt das? Haben die Lkw gestohlen?«, fragte Oscar und sah ebenfalls etwas ratlos aus. Signe verdrehte die Augen.
»Die haben nicht beliebige Autos geklaut, sondern Oldtimer! Neben meinem schönen Ford Granada, einen alten Saab 99 von 1972, einen Volvo P1800 ES Schneewittchensarg von ’73 und einen 70er Volvo Amazon! Da kann man nicht einfach in einen Laden gehen, sich mal eben einen Neuen kaufen und dann zur Tagesordnung übergehen, als ob nichts geschehen wäre!«
»Ich will dir und deinem Ford ja nicht zu nahe treten, aber der war ja eher ein reiner Gebrauchsgegenstand, ich meine auch optisch und so!«
»War? Und so? Was willst du damit sagen?« Signe funkelte Oscar Lind an.
»Na ja, also mit richtigen Oldtimern kann er das ja nun wirklich nicht aufnehmen! Ich meine optisch und so.« Auf das war wollte Oscar lieber nicht eingehen. »Und die anderen Wagen …«
»… waren geradeso geschätzte Alltagsbegleiter von ganz normalen Menschen, so wie ich es bin!« Als Viggo abwiegelnd seine Hände bewegte, zischte Signe »Rassist!« Und während Viggo dröhnend lachte, war Oscar froh, dass es dieses Mal nicht ihn erwischt hatte.
*
Robert Ekkheim legte den Telefonhörer auf die Gabel und rieb sich sein Ohr. Dann sah er auf seine Uhr. »Fast zwei Stunden!« dachte er beeindruckt. »Die Zeit ging ja fix um!« Zufrieden lehnte er sich zurück. Er war immer wieder fasziniert, dass ihnen der Gesprächsstoff nicht ausging. Aber er verspürte jetzt auch eine riesengroße Sehnsucht nach Renate und haderte wieder ein bisschen mit ihrer Situation. »Da lerne ich ausgerechnet auf Gotland endlich mal wieder eine Frau kennen, bei der alles passt, und dann wohnt die in Bayern!«, dachte er etwas bitter und überlegte, ob er nicht einfach in Kalmar ins Flugzeug steigen sollte, um sie zu besuchen. Schon bei dem bloßen Gedanken wurde er ganz kribbelig. Er müsste nur das Glück haben, einen der wenigen Flüge zu bekommen, bei denen die Flugdauer nach Nürnberg keine zwölf bis vierzehn Stunden dauerte! Die Fahrt nach Berching nicht mitgerechnet, aber da wären sie – sofern sie ihn abholte – ja auch schon zusammen. Er könnte dann ein paar unbeschwerte Tage mit Renate verbringen und wer weiß, vielleicht könnte er sie sogar überreden, ihn für ein paar weitere gemeinsame Tage hier nach Schweden zu begleiten?
Robert Ekkheim war voller Ideen, was er mit Renate alles unternehmen würde, alleine, mit seinen Freunden oder auch mit Katja, seiner Tochter … Bei Katjas Namen fiel ihm siedend heiß ein, dass sie nächste Woche aus Stockholm kommen und ihn besuchen wollte. Robert war hin- und hergerissen. Einerseits freute er sich, dass Katja ihn sehen wollte, was er nach ihrer beider Vorgeschichte* noch vor einem Jahr nie zu hoffen gewagt hätte, andererseits zog ihn seine Sehnsucht auch zu Renate. Rat- und bewegungslos stand er nun in seinem Wohnzimmer und wartete vergeblich auf eine Eingebung.
*
Einbrüche gehörten nun wirklich zum Polizeialltag – wenn auch nicht unbedingt in das Ressort der Reichspolizei. Trotzdem hätte Signe nicht sagen können, an wie vielen Tatorten mit Einbruchsspuren sie schon gewesen war, aber so etwas hatte sie bisher noch nie gesehen. Und das war auch der Grund, warum man die Reichspolizei hinzugezogen hatte. Nun stand Signe im Obergeschoss des schmucken zweigeschossigen Einfamilienhauses und staunte. Das Zimmer war absolut leer. Selbst die Tapeten waren säuberlich von den Wänden genommen. Nicht abgekratzt. Mit einem professionellen Spezialablöser, wie ihr Kollege Melker Berg bei seinen kriminaltechnischen Untersuchungen feststellen würde. Das Zimmer sah fast aus, wie es Zimmermann und Maurer seinerzeit geschaffen hatten.
Signe strich sich durch die Haare und betrachtete das Foto. Es war kaum zu glauben, dass es sich bei dem Zimmer auf dem Bild tatsächlich um dasselbe Zimmer handelte, in dem sie sich gerade befand: An den Wänden waren grellbunte Tapeten mit großen symmetrischen Mustern und Poster von Musikgruppen oder Motorrädern. Alle Möbel waren in kräftigen bunten Farben gehalten und mit diversen Aufklebern verziert. Einige mit, einige ohne politischer Botschaft und auf dem Fußboden fusselte ein weißer Flokati vor sich hin. Auf einem Tischchen beim Sofa stand eine Tropfkerze in einer bauchigen, fast komplett mit Wachs bedeckten Weinflasche. Auf dem Bettsofa lag eine Gitarre und davor stand ein vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alter Junge mit langen, blonden, nach innen geföhnten Haaren, einem arg bunt gebatikten T-Shirt, weit ausgestellten Jeans und den typisch schwedischen Holzbotten an den Füßen.
»Das ist euer Sohn?«, fragte sie das ältere Ehepaar, das in der Tür stand und sich gegenseitig zu stützen schien. Beide nickten schwach und Signe hatte den Eindruck, dass beide mit den Tränen rangen.
Der alte Mann seufzte tief. »Pelle ist tot. Drei Tage, nachdem dieses Foto entstanden ist«, die Stimme des alten Mannes wurde brüchig, »ist er versehentlich von einem Elchjäger im Wald erschossen worden. Ich weiß nicht, was unser Pelle da wollte, aber er trug an dem Tag weder eine gelbe Regenjacke oder Mütze wie sonst, wenn er während der Jagdsaison in den Wald ging – und dann kam es zu der schrecklichen Verwechslung …« Die letzten Worte hatte Signe mehr erraten als gehört, denn die Stimme des Mannes war zu einem Flüstern geworden. Seine Frau schluchzte auf. »Es kommt gerade alles wieder hoch!«, entschuldigte sie sich unter Tränen und Signe legte ihr etwas hilflos die Hand auf den Arm.
»Danke!«, sagte sie dann. »Ich habe nun genug gesehen. Lasst uns runtergehen, ich würde euch gerne noch ein paar Fragen stellen!«
*
Zwei Stunden später saß Signe mit Oscar und Viggo wieder in ihrem Büro. »Also, ich verstehe das einfach nicht!«, sagte sie und schüttelte wie zum Unterstreichen ihrer Aussage den Kopf. »Die Ohlssons waren eine ganze Woche bei der Schwester der Frau in Råneå und …«
»Wo ist das denn?«, wurde sie von Oscar unterbrochen. Sie sah ihn an und verzog ihr Gesicht zu einem breiten Grinsen. Oscar kannte dieses Grinsen. Danach folgten oftmals Sticheleien bezüglich seiner Zugehörigkeit zu den Rechtspopulisten. »Nee, heute nicht!«, dachte er und bevor Signe loslegen konnte, fuhr er schon fort: »Ich habe trotz Territorialkundeschulung durch die Partei keine Ahnung! Aber bitte verrate mich nicht!« Dabei sah er sie aus seinen blauen Augen treuherzig an. Signes Grinsen wurde noch ein ganzes Stück breiter. »Råneå ist ein kleinerer Ort an der Ostküste, liegt weit nördlich des Gebietes der Svear* und einen Dagsmarsch nördlich von Luleå!« Signe zischte die S, rollte genüsslich jedes R und sprach zackig mit recht gut getroffenem deutschen Akzent. Oscar nickte dankend, während Viggo kopfschüttelnd zwischen den beiden hin und her guckte.
»Ihr beide habt gehörig einen an der Murmel!«, stellte er fest und sah dann Signe auffordernd an. »Und weiter mit den Ohlssons?«
»Na ja, die waren halt eine ganze Woche nicht da, die Einbrecher hätten mehr als genug Zeit gehabt, das ganze Haus auf den Kopf zu stellen und haben doch nur das Zimmer des Sohnes ausgeräumt. Das allerdings ganz besonders gründlich.«
»Wieso sah das denn eigentlich noch immer so aus? Ich meine das Zimmer? Der Sohn ist doch schon ewig tot! Also ich hätte da ja längst ein Gästezimmer draus gemacht! Oder wie meine Mutter aus meinem ein Bügel- und Wäschezimmer. Ist doch schade um den verschenkten Platz!«
Signe sah ihren jungen Kollegen nachsichtig an und lächelte. »Deine Mutter wollte das Zimmer sicherheitshalber nur blockieren, damit du nicht wieder einziehen kannst! Aber du lebst, und wenn sie aus unbegreiflich Gründen Lust hat, dich mal zu sehen, kann sie das ja machen! – Aber der Tod eines Kindes ist das Allerschlimmste für Eltern. Und wie damit umgegangen wird, ist sehr individuell und ich hatte das Gefühl, das alte Zimmer ihres Sohnes war für die Ohlssons ein Ort der Erinnerung und des Trostes.«
Viggo nickte ernst zu Signes Ausführungen. Er dachte dabei an seine eigenen, fast erwachsenen Kinder. Oscar wünschte, lieber nichts gesagt zu haben. »Hätte ich mir auch denken können!«, schalt er sich und haderte mit seiner Gedankenlosigkeit. Er griff nach der Mappe auf dem Tisch und betrachtete das Foto von dem Zimmer. Auch wenn das alte Foto inzwischen einen leichten Blaustich hatte, der zumindest einigen Farben ihre Intensität nahm, schüttelte er sich vor diesem Farbpotpourri.
»Was macht man mit dem Kram? Wieso riskiert man für diese geschmacklichen Entgleisungen einen Gefängnisaufenthalt?« Signe und Viggo sahen sich an und nickten feixend. Dann sagte Viggo düster:
»Ganz ganz dünnes Eis! In und mit genau solchen geschmacklichen Entgleisungen sind wir beide aufgewachsen!« Er deutete dabei auf Signe und sich. »Und Obacht, damit können wir uns jederzeit auf einen schweren emotionalen Ausnahmezustand berufen!«
»Oh, das konnte ich ja nun wirklich nicht befürchten! Aber das erklärt natürlich das eine oder andere …« Jetzt war es Oscar, der grinste. Dann fuhr er ernst fort: »Nur nicht, warum die Nachbarn der Ohlssons nichts bemerkt haben! So was macht man ja nicht in zwei Stunden.«
Signe griff nach der Mappe auf dem Tisch. »Doch. Die haben was bemerkt! Nur dachten sie, dass die Ohlssons umfassend renovieren lassen und deshalb auch zur Schwester gefahren sind. Die einen Nachbarn haben sogar ein Foto, auf dem der Kleinlaster zu sehen ist, der immer vor dem Haus stand.« Sie zeigte ein Foto, auf dem hinter einer fröhlich winkenden Kleinfamilie kurz vor dem Einsteigen in den Familienkombi ein weißer Kleinlaster mit dem Firmenlogo und der Beschriftung einer Baufirma zu sehen war.
»Und?«, fragten Viggo und Oscar nun wie aus einem Mund.
»Nichts. Der Wagen war geklaut. Das war clever gemacht, denn die Firma aus der Gegend von Oskarshamn hatte aufgrund der Schulferien zwei Wochen Betriebsferien, sodass der Autodiebstahl auch erst aufgefallen ist, nachdem unsere Einbrecher ihre Aktion längst abgeschlossen hatten. Gefunden hat man den Wagen übrigens auf einem Parkplatz in Östersund, und«, Signe sah jetzt zu Oscar, »bevor du fragst, wo das ist, knapp 150 Kilometer von der norwegischen Grenze entfernt, Höhe Trondheim.«
»Aber warum da? Das liegt ziemlich ab vom Schuss, würde ich sagen. Zumindest von hier aus.«
»Na ja, das ist immerhin eine Stadt mit rund 50.000 Einwohnern. Das sind mehr, als wir hier haben! Angeschlossen ans Schnellbahnnetz, an die E14 und die 87 und sie haben auch einen eigenen Flughafen: Also groß und anonym genug, dass man da einen verdammten Kastenwagen abstellen kann, ohne dass der sofort auffällt. Und was wissen wir, welche Verbindungen darüber hinaus vielleicht noch zu Östersund bestehen?« Signe grübelte.
»Keine Ahnung!« Oscar zuckte die Schultern.
»Genau das müssen wir aber herausfinden!«
* Siehe: Tanz der Frösche – Signe Berglund beginnt mit Ermittlungen
* Die Svear waren ein nordgermanischer Stamm, die in Schweden in der Region des Mälartales siedelten (Mittelschweden, umfasst etwa die heutigen Provinzen Darlana Län, Värmlands Län, Västmanlands Län, Uppsala Län, Stockholms Län, Örebro Län und Södermanlands Län). Ihre Geschichte reicht von der späten Eisenzeit bis in die Wikingerzeit. Im Mittelalter wurden sie für das Königreich Schweden namengebend: Sverige - Reich der Svea
IV
Signe nahm die enge Kurve eher sportlich, erwartete das gewohnte Ausbrechen ihres geliebten Ford Granadas und stellte überrascht fest, dass ihr viperngrünes Surrogat geradezu auf dem Asphalt zu kleben schien. Als der Kurvenradius enger wurde, wollte sie zurückschalten und griff – noch immer die opulenten Platzverhältnisse ihres Fords gewöhnt – statt dessen Oscar ans Knie. Erschrocken zog sie die Hand zurück und sah Oscar an. »Äh – förlåt!« beeilte sie sich zu entschuldigen und lächelte dabei ein wenig schief. »Das passiert öfter!«, grinste Oscar. »Ich habe gelernt, mich damit abzufinden. Als kleiner Untergebener kann ich eh nur gute Miene zum bösen Spiel machen…«, schob er noch gespielt resigniert nach. »Du kannst dich nächstes Mal auch einfach nach hinten setzen!«, schlug Signe vor, die sich inzwischen wieder gefangen hatte. Aufgrund dieser kurzen Unachtsamkeit musste sie dann konzentriert mit dem Lenkrad arbeiten, um in der Kurve zu bleiben. Danach trat sie energisch das Gaspedal durch und freute sich, dass der Wagen spürbar Fahrt aufnahm.
»Du wolltest mir noch sagen, wohin wir fahren!«
»Stimmt!« Signe setzte den Blinker und zog mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck knapp an einem Volvo vorbei. »In Nybro ist in den Loppis der Caritas eingebrochen worden.«
»In den Secondhandshop? Das ist ja kaum ein Fall für die Reichspolizei … Oder machen wir jetzt auch Einbruch? Ist ja schon der zweite in kurzer Zeit.« Oscar, der dabei an das komplett leer geräumte Zimmer bei den Ohlssons dachte, sah seine Chefin fragend an.
»Der Einbruch alleine sicher nicht, aber dabei ist jemand schwer verletzt worden. Einer der Mitarbeiter war wohl noch im Lager, hörte dann ein verdächtiges Geräusch und ist daraufhin in den Laden. Da hat ihn dann jemand mit einem Schlag gegen den Kopf niedergestreckt. Er hat schwerste Verletzungen an der Schläfe. Sie hoffen, dass er durchkommt. Aber wann und ob er dann vernehmungsfähig ist, steht in den Sternen.«
»Weiß man schon, was geklaut wurde?«
»Hmm. Ein altes Jugendklappbett. Sieht aus wie ein Kleiderschrank und wurde abends einfach ausgeklappt«, erklärte Signe, als sie das irritierte Gesicht ihres jungen Kollegen sah. »Die Frontseite war bei diesen sogenannten Jugendzimmern häufig knallrot, sehr, sehr grün oder ziemlich orange. Gehört in die Zeit der vielfachen geschmacklichen Entgleisungen.« Oscar sagte dazu lieber nichts und sah, sich ein Lächeln verkneifend, aus dem Fenster in den hellblauen Himmel, an dem sich noch weit entfernt eine dunkelgraue Regenwand abzeichnete.
Als der Kalmarväg in den großen Verkehrskreisel mündete und sie kurz darauf den Loppis erreichten, war der mit einem blau-weißen Flatterband der Polizei abgesperrt. Neben den beiden Streifenwagen standen noch weitere Autos auf dem Parkplatz und eine Menschenmenge bedrängte vier uniformierte Polizisten, die beschwichtigend auf diese einredeten und aus dem Eingangsbereich abzudrängen versuchten. Ihr Erfolg war mäßig. Aber immerhin kam niemand hinein. Als Signe ihren Dienstausweis zeigte, gaben sich die Kollegen redlich Mühe, ihnen einen Korridor zu bahnen. Auch hier bleib der Erfolg hinter den Erwartungen zurück. Immerhin konnten Signe und Oscar sich durchdrängeln. Dann hörte Signe plötzlich eine energische Stimme. Sie verstand nicht, was diese sagte, aber das lag nicht an der sie umgebenden Aufregung, sondern daran, dass diese Stimme deutsch sprach. Signe kannte die Stimme.
Als sie Robert Ekkheim in der Menge sah, musste sie unwillkürlich lachen. Wie ein Fels in der Brandung stand er in einer merkwürdigen blauen Jacke da, hatte beide Arme erhoben und übersetzte lautstark, was die Polizisten erst auf schwedisch, dann auf englisch gesagt hatten und was von seinen Landsleuten, denn ein Teil der Drängler waren eben dies, entweder nicht verstanden oder schlichtweg ignoriert wurde.
»Ich werde ja wohl in meinem Urlaub ungehindert in einen Loppis gehen dürfen!«, echauffierte sich ein dynamischer Mittdreißiger mit Designerbrille, Dreitagebart und einer Kleidung, die eine Mischung aus Eleganz und Gleichgültigkeit darstellte. An seiner Seite das weibliche Pendant dazu. Sie trug zur sonnenbankgebräunten Haut ein sehr enges cremefarbenes Sommerkleid und Haare auf den Zähnen: »Das ist so typisch! Erst featuren, dass das vielleicht der fescheste Loppis in ganz Südschweden ist und es da gaaanz tolle Occasionen gibt, und dann kommen irgendwelche uniformierten Bajazzos und lassen einen nicht rein! Obwohl auf Insta steht, dass jetzt geöffnet ist!« Triumphierend hielt sie mit ihrer auffällig beringten Hand ihr Smartphone in die Luft.
Robert versuchte sich erneut als Vermittler. »Das interessiert hier keinen«, blaffte ihn die Designerbrille an. »Ich sage immer: Wish it, want it, do it! Wir gehen da jetzt rein! Meinst du, wir sind über hundert Kilometer for nothing gefahren?« Robert erklärte, dass dies ein Tatort und er deshalb abgesperrt sei. Die Designerbrille wurde aggressiver: »Wer oder was bist du denn überhaupt? Der Hausmeister?« Er guckte abfällig auf Roberts blaue Kitteljacke und lachte hämisch. Dann stieß er Robert unvermittelt so kräftig vor die Brust, dass Robert Gleichgewicht suchend rückwärts taumelte und ins Straucheln geriet. Aber der Mann war noch lange nicht am Ende seiner persönlichen Eskalationstreppe angekommen. Durch die eigene Aggressivität aufgepeitscht, setzte er nach und verpasste Robert einen Aufwärtshaken. Der stolperte und ging zu Boden. Aber da hatte sich Oscar bereits in Bewegung gesetzt, hatte den Mann erreicht und drehte ihm geschmeidig die Hand, mit der er gerade noch einmal ausholen wollte, auf den Rücken und zog sie an, sodass der Mann aufjaulte. Seine weibliche Begleitung hatte jetzt ihre französische Designerhandtasche kurz gefasst und drosch auf Oscar ein. »Lass ihn los du, du Wikinger, du! Loslassen, oder ich schlage dir den Schädel ein!« Obgleich nun auch die uniformierten Polizisten versuchten, sich einen Weg durch die lüstern gaffende Menge zu bahnen, war Signe schneller bei der inzwischen immer wilder um sich schlagenden und laut keifenden Frau. Robert, der sich gerade hochrappelte, konnte nicht sehen, was Signe genau anstellte. Er sah zu seinem Bedauern nur den prügelnden Arm erschlaffen und die Handtasche im hohen Bogen auf den Boden fallen, wo sie bei dem Versuch der Menge einen guten Sehplatz zu ergattern, umgehend von unzähligen Füßen zertrampelt wurde. Dann kamen auch die uniformierten Kollegen dazu und scheuchten die noch immer neugierige, aber jetzt auch etwas eingeschüchterte Menge auseinander.
Signe und Oscar standen mit Robert und dem Pärchen, dessen Hände mit Kabelbindern auf dem Rücken fixiert waren, abseits der Menge. Und während Signe und Oscar sich anschickten, die beiden zu befragen, dolmetschte Robert. »Ich bin der Head of Controlling bei einem Global Player! Ich habe exzellente Verbindungen! Auch hier in Schweden! Bis ganz nach oben!« blaffte gerade die Designerbrille.
Als Robert übersetzte, schüttelten Signe und Oscar den Kopf. Niemandem in Schweden würde es in den Sinn kommen, mit seinem Beruf oder seiner beruflichen Position anzugeben oder Eindruck damit schinden zu wollen. Dementsprechend reserviert war dann auch Signes Reaktion. »Was ist der?«, fragte sie, »Controller? Hieß das nicht früher einfach Türsteher?« Als Robert auch das genüsslich übersetzte, überschlug sich fast die Stimme des Mannes. »Ich werde mich beschweren! So geht niemand ungestraft mit mir um! Schon gar nicht ein kleiner schwarzer Hilfssheriff! Das wird dir noch leidtun, einen unbescholtenen Bürger der EU, einen Leistungsträger der globalen Gesellschaft …« Weiter kam er nicht, denn Signe hatte zwei der uniformierten Kollegen herbeigewunken: »Seid doch so nett und macht die hier mal weg!« Dabei machte sie eine Handbewegung, die keinerlei Zweifel daran ließen, was sie von den beiden Querulanten hielt. Dann sah sie sich um und deutete auf einen feuerroten Chevrolet Camaro, der mit offenem Verdeck diagonal auf gleich zwei Parkplätzen stand. »Und kümmert ihr euch bitte auch um den Wagen?« »Aber das eilt nicht so, der behindert weder den Verkehr, noch stellt er eine Gefahr dar!«, sagte Oscar zu den Kollegen und sah demonstrativ in den Himmel, wo sich die graue Regenwand immer näher geschoben und sie fast erreicht hatte. Die Kollegen sahen hoch, nickten grinsend und führten das Pärchen ab. Robert hatte längst aufgehört zu übersetzen.
»So, und wieso bist du jetzt hier?«, wandte sich Signe an Robert und gab ihm einen Begrüßungskuss. An Roberts statt antwortete Oscar: »Also mich wundert’s nicht!«, sagte er lächelnd und gab Robert die Hand. »Hier ist eben wieder was los, was nicht ganz alltäglich ist.« »Danke für eben!«, sagte Robert, aber Oscar winkte ab. Dann wandte Robert sich an Signe: »Ich wollte eigentlich nach einer neuen Flurlampe gucken …« Signe schmunzelte. »Und ich dachte schon, du suchst eine neue Jacke …« Robert strich betont langsam und sorgfältig seine blaue Kitteljacke glatt. »Geschmack ist nun mal nicht jedem gegeben! Wo war ich unterbrochen worden? Ach ja, als ich hier ankam, fand ich das absolute Chaos vor. Und dann habe ich halt versucht zu vermitteln. – Schließlich waren viele ja Deutsche und wir haben es ja oft nicht so mit den Sprachen der Länder, in die wir so gern reisen.«
*
Nachdem Signe Berglund und Oscar Lind eine Stunde im Loppis verbracht hatten, waren sie auch nicht viel schlauer als vorher. Als gesichert konnte nun immerhin gelten, dass der oder die Täter die Eingangstür aufgehebelt und dann das Schrankbett mit der, wie sie nun wussten, seltenen kornblumenblauen Frontpartie, vorher fein säuberlich zerlegt, durch diese Tür auch abtransportiert hatten. Leider gab es kaum verwertbare Spuren, sah man mal von dem Blutfleck des verletzten Mitarbeiters auf dem dicken Wollteppich und den unzähligen Fingerabdrücken ab, die die Forensiker schier zur Verzweiflung trieben. »Wie soll man da was Vernünftiges extrahieren, wenn hier alle alles angegrabbelt haben?«, fluchte Melker Berg und machte Signe wenig Hoffnungen, dass seine Arbeit hier irgendetwas zur Aufklärung des Falles beitragen könnte. Als Signe und Oscar gerade wieder in dem giftgrünen Scirocco saßen, klatschten die ersten dicken Regentropfen auf die Frontscheibe. »Wohl dem, der jetzt ein Dach über dem Kopf hat«, sagte Signe versonnen und fuhr an dem feuerroten Chevrolet Camaro vorbei auf die Straße.
V
»Weiß deine Mutter, dass wir Kontakt haben?« Robert Ekkheim saß mit Katja Abrahamsson am Frühstückstisch. Er hatte beide Ellenbogen auf den Tisch gestützt, hielt mit beiden Händen einen Becher Kaffee und sah sie über dessen Rand hinweg erwartungsvoll an. Katja schüttelte ihren Kopf, sodass ihre rote Haarmähne durcheinander stob und im Sonnenlicht zu glühen schien. Robert schmunzelte. »Markus hat recht«, dachte er amüsiert, »seine Schwester ist eine Feuerfrau!«
»Vielleicht ahnt sie es, aber wir reden nicht darüber. Will ich auch nicht, nachdem, was passiert ist!«
»Und dein … äh …« »Papa?« half sie ihm aus und Robert verspürte einen kleinen Stich. »Klar weiß der das! Der hatte mich doch selbst ermutigt, mich mit dir zu treffen, als ich ihn und meine Mutter letztes Jahr in Kanada besucht habe!«
»Und?«, fragte Robert unsicher.
»Er sagt, er freut sich für uns. Und dass er dich irgendwann kennenlernen möchte.«
»Und es stört ihn kein bisschen?«
»Nö. Wieso? Er wusste ja immer, dass er nicht mein leiblicher Vater ist. Und mein Papa bleibt er ja trotzdem. Ich bin mit ihm aufgewachsen und das kann uns niemand nehmen!« Sie sah Robert an und lachte. »Nun guck doch nicht so, freue dich lieber, dass ich eine richtig tolle Kindheit hatte! Und nun habe ich sogar noch einen Bonus-Vater dazu!« Robert lächelte, wenn auch etwas schief. »Sie hat natürlich recht«, dachte er und versuchte dabei Kopf und Bauch in Einklang zu bringen. Es gelang ihm allerdings nur unvollständig.
*