Eddie Albert und die Tierbande 1. - Paul O'Grady - E-Book

Eddie Albert und die Tierbande 1. E-Book

Paul O'Grady

0,0
13,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eddie Albert kann mit Tieren sprechen – unter anderem mit seinem Hund Butch, seinem Hamster und seinen beiden Goldfischen (die behaupten, sie seien einst Piraten gewesen). Aber in der Menschenwelt ist Eddie ein Außenseiter. Das ändert sich erst, als er zu seiner exzentrischen Tante nach Amsterdamgeschickt wird. Dort entdeckt Eddie einen gefangenen Orang-Utan, der gerade entführt wurde. Es beginnt ein urkomisches Abenteuer, in dem Eddie, sein neuer Freund Flo, Tante Budge und eine Bande von Tieren es mit dem heimtückischsten Bösewicht aufnehmen müssen, den Amsterdam je gesehen hat

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 229

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Paul O’Grady

Eddie Albert und die Tierbande 1

Das Amsterdam-Abenteuer

© der deutschsprachigen Ausgabe: von Hacht Verlag GmbH, Hamburg 2023

Alle Rechte vorbehalten

Text copyright © Paul O’Grady 2021

Illustrations copyright © Sue Hellard 2021

Verlegerin: Rebecca Weitendorf von Hacht

Aus dem Englischen von Katharina Naumann

Lektorat: Silke Jellinghaus

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Eddie Albert and the Amazing Animal Gang: The Amsterdam Adventure bei HarperCollins Children’s Books ein Imprint von HarperCollinsPublishers Ltd Großbritannien

Translation © von Hacht Verlag 2022, translated under licence from HarperCollinsPublishers Ltd.

Paul O’Grady and Sue Hellard assert the moral right to be acknowledged as the author and the illustrator of this work respectively.

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-96826-707-4

 

www.w1-vonhacht.de

www.instagram.com/vonhacht_verlag

Gewidmet all jenen, ob alt oder jung, die mit ihren Tieren reden

Prolog

Hast du ein Geheimnis? Gibt es etwas, das du lieber für dich behalten würdest? Vielleicht hast du in der Vergangenheit etwas getan, wofür du dich schämst? Vielleicht hast du eine freche Lüge erzählt oder wilde Geschichten über dich und deine Familie erfunden, obwohl du in Wirklichkeit gar kein Pony besitzt und auch nicht in einer Villa wohnst, sondern in einem völlig normalen Haus oder einer Wohnung?

Du hast vielleicht ein ungewöhnliches Hobby oder interessierst dich für etwas, worüber du lieber nicht sprechen willst, weil die Leute, die davon keine Ahnung haben, dich sonst für seltsam halten könnten. Und dann ist da noch diese unangenehme Angewohnheit von dir, von der besser niemand wissen soll, wie zum Beispiel Nasepopeln, dass du dir gern die Krümel aus deinem Bauchnabel in den Mund steckst oder dir den Hintern nicht ordentlich abwischst. Igitt.

In dieser Geschichte geht es um einen Jungen namens Eddie Albert, der ein erstaunliches Geheimnis hatte. Wenn du im Bus neben ihm säßest oder auf der Straße an ihm vorbeigingst, würdest du ihn bestimmt für einen ganz normalen zehnjährigen Jungen halten. Ein bisschen schmuddelig vielleicht, nicht besonders groß und mit einem wilden blonden Haarschopf, aber ansonsten völlig durchschnittlich.

Tja, da lägest du falsch, denn Eddie Albert besaß ein wahrhaft außergewöhnliches Talent, eine einzigartige Fähigkeit, auf die er wirklich hätte stolz sein sollen. Aber das war er nicht. Er verlor kein Wort über sein verborgenes Talent und war wild entschlossen, diese großartige Begabung, die er eher als einen Fluch betrachtete, zu verbergen. Er hatte deswegen schon mehrfach Ärger in der Schule bekommen, und heute war wieder einer dieser Tage. Es begann alles mit einer Maus …

Kapitel 1

Eddie war eigentlich nicht das, was man als frech bezeichnen würde. Er war kein ungezogenes Kind, überhaupt nicht – tatsächlich war er das vollkommene Gegenteil. Aber Scherereien hatten die unangenehme Angewohnheit, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen, und fast immer ging es dabei um Tiere.

Einmal war Mr Broad, der Sportlehrer, vollkommen durchgedreht, weil er Eddie auf dem Schuldach erwischte. Aber Eddie war nicht die Regenrinne hinaufgeklettert, weil man ihn dazu herausgefordert hatte oder weil er angeben wollte. Er wollte nur eine Taube retten, die zwischen zwei Holzbrettern feststeckte. Die Arbeiter, die das Dach reparieren sollten, hatten sie dort liegen lassen.

Trotzdem hatte man Eddie zum Direktor geschleppt, wo man ihm einen langen Vortrag über Gesundheit und Sicherheit und die Dummheit kleiner Jungen gehalten hatte, die ihre Freunde beeindrucken wollten, indem sie auf Dächer kletterten.

Er war einige Male zu spät zur Schule gekommen, weil er ständig verirrten oder verletzten Tieren helfen musste, wenn er die Abkürzung durch den Park nahm. An einem Wintermorgen hatte er eine Ringelnatter gefunden, die in der Kälte halb erfroren war, also legte er sie in seinen Rucksack, damit sie sich aufwärmen konnte. Als ihr angenehm warm war, wachte die Schlange auf und beschloss, sich ein wenig umzusehen – ausgerechnet mitten im Englischunterricht. Schließlich rollte sie sich auf Miss Pikes Fuß zusammen. Die Englischlehrerin fiel in Ohnmacht, und Eddie stand wieder vor dem Schreibtisch des Direktors. Der Mann konnte einfach nicht begreifen, dass so ein stiller kleiner Junge wie er dermaßen viel Scherereien machen konnte.

Eddie liebte alle Tiere, und die Leute fanden, er habe auch ein besonderes Händchen für sie.

»Es kommt einem vor, als könnte er sie verstehen«, sagte Mr Ali, dem der Lebensmittelladen im Ort gehörte. »Meine Katze sitzt gern auf der Eingangstreppe, und Eddie bleibt auf seinem Weg zur Schule immer stehen, um ein wenig mit ihr zu plaudern. Meine Katze ist eigentlich sehr wählerisch und mag keine Fremden, aber Eddie liebt sie. Sie miaut und schnurrt und reibt sich an ihm, und er antwortet ihr. Sie unterhalten sich richtig! Wie ich schon sagte, es kommt einem vor, als könnte er sie verstehen …«

Die Sache war die: Eddie verstand Tiere wirklich.

So unglaubwürdig das auch klingt, Eddie Albert konnte mit Säugetieren kommunizieren, mit Vögeln, Fischen und sogar Schnecken (wobei Schnecken oft einen recht begrenzten Wortschatz haben, mit einer Menge Schlürfen und Zischen), und zwar genauso gut wie mit Menschen. Es war eine unglaubliche Gabe, aber Eddie sah das nicht so. Er gehörte zu den Menschen, die es nicht mögen, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, er kümmerte sich lieber um seine eigenen Angelegenheiten, als mit anderen herumzualbern, was ihn zu einer Zielscheibe für Mobber machte.

Eddie war finster entschlossen, sein Talent gut verborgen zu halten. Er fürchtete, dass er, wenn man es entdeckte, als komischer Vogel, als Irrer angesehen werden würde. In den Boulevardzeitungen würde man das alles ins Lächerliche ziehen, und die Leute würden mit dem Finger auf ihn zeigen. Er würde überall in den sozialen Medien auftauchen und gezwungen werden, im Fernsehen aufzutreten und zu beweisen, dass sein Talent nicht nur ein schnöder Trick war. Er würde weltberühmt werden, keinen Fuß vor die Tür setzen können, ohne dass irgendwer ein Selfie mit ihm machen wollte und verlangte, dass er mit seinem Hund redete.

Nein, nein, nein! Das würde er verhindern. Einen kleinen Schwatz mit Mr Alis Katze würden sie für das Spiel eines kleinen Jungen halten, und abgesehen davon behielt er seine großartigen Fähigkeiten für sich und benutzte sie nur, wenn niemand dabei war.

Also, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, ich habe dir von der Maus erzählt, mit der all der Ärger begann. Sie huschte eines Nachmittags während einer Mathestunde unter der Heizung in Eddies Klassenraum hervor, und für ein so kleines Tierchen verursachte sie eine Menge Probleme.

Kapitel 2

Eddie sah der Maus gleich an, dass sie sich verlaufen hatte. Sie saß einfach nur da und schaute sich in der Klasse um. Er beugte sich hinunter, als suchte er in seinem Ranzen nach etwas, damit er mit ihr sprechen konnte.

»Psssst!«, zischte er. »Was machst du hier? Geh lieber nach Hause.«

»Du könntest mir nicht vielleicht sagen, wie ich in den Heizungsraum komme, oder?«, fragte die Maus höflich und wischte sich rasch mit den Pfötchen über die Schnurrhaare. »Ich scheine irgendwo falsch abgebogen zu sein.«

»Geh doch einfach den Weg zurück, den du gekommen bist? Und dann musst du nach unten. Der Heizungsraum ist doch im Keller«, flüsterte Eddie.

Unglücklicherweise hörte man ihn.

»Miss!«, rief Quentin Harris, der Klassenpetzer und Obermobber, so laut, dass sich die ganze Klasse umdrehte.

Quentin saß am anderen Ende desselben Tisches wie Eddie und ließ keine Gelegenheit aus, sich bei den Lehrern einzuschleimen, indem er seine Klassenkameraden verpfiff.

»Miss!«, rief er erneut, jetzt noch lauter.

»Was ist, Quentin?«, fragte Miss Taylor. Sie stand am Whiteboard und hielt beim Schreiben inne, um sich irritiert umzusehen.

»Eddie Albert führt Selbstgespräche, Miss«, erwiderte Quentin und strahlte vor schmieriger Selbstgefälligkeit und der puren Freude daran, Eddie Ärger einzubrocken.

»Das stimmt nicht, Miss«, protestierte Eddie mit rotem Gesicht und setzte sich hastig wieder gerade hin.

»Dann hast du mit der Heizung geredet. Ich habe ihn gehört, Miss«, greinte Quentin weiter, ganz offensichtlich finster entschlossen, die Sache nicht so schnell auf sich beruhen zu lassen. »Er hat gesagt, sie solle nach Hause in den Heizungskeller gehen. Er ist plemplem, Miss. Er spricht mit der Heizung!«

Die ganze Klasse fand das urkomisch und lachte und kicherte, bis Miss Taylor ihnen sagte, sie sollten still sein, und Quentin daran erinnerte, dass das Wort »plemplem« beleidigend sei.

»Eddie«, fuhr Miss Taylor dann fort, verließ ihr Pult und kam zu ihm herüber, »du hast doch kein Handy in deiner Tasche, oder? Denn du weißt ja, dass ich keine Handys in meiner Klasse dulde.«

»Nein, Miss«, versicherte Quentin, obwohl er gar nicht gefragt worden war. »Er hat kein Handy, weil sein Dad im Supermarkt arbeitet und es sich nicht leisten kann, ihm eins zu kaufen. Ich habe ein Handy, ein Tablet und einen ganz neuen Computer, Miss.«

»Dann hast du ja ganz schön Glück gehabt, was?«, sagte Miss Taylor mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme. »Vielleicht schaust du zu Hause auf deinem ganz neuen Computer mal nach, was die Worte ›angeben‹ und ›protzen‹ genau bedeuten. Und jetzt sei bitte still.«

Sie wandte sich an Eddie und fragte ihn, was los sei. Hatte er mit jemandem gesprochen, und wenn ja, mit wem?

Eddie mochte Miss Taylor. Er war nicht besonders gut in Mathe, aber sie war sehr geduldig und freundlich und nahm sich immer Zeit, ihm die wirklich schwierigen Aufgaben zu erklären. Heute wirkte sie müde, und weil er sie nicht anlügen wollte, erzählte er ihr die Wahrheit.

»Ich habe mit einer Maus gesprochen«, sagte er ruhig.

Ebenso gut hätte er verkünden können, dass er mit einer sechs Meter langen, menschenfressenden Schlange gesprochen habe, denn das Wort »Maus« löste sofort eine Massenpanik aus.

Miss Taylor suchte mit einem Blick hastig den Boden ab, schlang ihren Rock fest um die Knie und wich zurück. Wenn schnell zurückweichen mit zusammengepressten Knien und um die Beine geschlungenem Rock eine olympische Disziplin gewesen wäre, hätte Miss Taylor die Goldmedaille gewonnen.

»Beruhigt euch, Kinder!«, rief sie, als die Hölle losbrach. Viele Mädchen kreischten und kletterten auf ihre Stühle, einige der Jungs ebenfalls. Ein paar Kinder verstärkten das Chaos noch, indem sie durch die Klasse rannten und schrien: »Da ist sie!« und »Gleich hab ich sie!«. Einer der Jungen hob die Strickjacke eines Mädchens auf, die von der Stuhllehne gerutscht war, und schüttelte sie aus. Dabei flog ein Stück Schokolade aus der Jackentasche in Miss Taylors Richtung.

Beim Anblick dieses kleinen braunen Dings, das auf sie zuflog, stieß Miss Taylor einen Schrei aus, der Glas hätte zerspringen lassen können. Sie sprang mit der Wendigkeit eines Kängurus auf ihr Pult.

Genau in diesem Moment trat Mr Pickard, der Direktor, ins Klassenzimmer. »Was ist hier los?«, verlangte er zu wissen und klatschte laut in die Hände, um die Schüler zur Ruhe zu bringen.

»Da ist eine Maus!«, stammelte Miss Taylor von ihrem Platz oben auf dem Möbelstück aus. »Sie ist direkt unter meinem Tisch … eine große braune Maus! Ach du liebe Güte.«

Mr Pickard – der bei den meisten seiner Schüler unter dem Namen Mr Picker bekannt war, denn genau das tat er mit einem, wenn man seine Arbeit nicht perfekt erledigte, er zerpflückte einen – beugte sich langsam hinunter und warf einen Blick unter Miss Taylors Pult. Die Schüler verstummten. Alle hielten den Atem an.

»Meinen Sie etwa das hier?«, fragte er und richtete sich wieder auf. Er hielt etwas in seiner geballten Faust.

Ein Mädchen begann erneut zu schreien, als Mr Picker den Arm ausstreckte und langsam die Hand öffnete. »Voilà!«, rief er wie ein Zauberer, der gerade eine Dame entzwei gesägt hatte.

Miss Taylor, die gerade wieder zu einem Schrei angesetzt hatte, der Blut zum Gerinnen brachte, sah, dass die »Maus«, die der Direktor in der Hand hielt, nur ein Stück Schokolade war.

»Ich komme mir so dumm vor«, stammelte Miss Taylor, tiefrot im Gesicht, und kletterte vom Pult. »Wissen Sie, Eddie Albert hat eine Maus gesehen, da drüben bei der Heizung, und ich bin dann …« Aber bevor sie den Satz beenden konnte, fiel ihr Mr Picker ins Wort.

»Schon wieder Eddie Albert«, seufzte er und schüttelte langsam den Kopf. »Ich hätte mir gleich denken können, dass du wieder für dieses Chaos verantwortlich bist. In mein Büro, bitte. Jetzt.«

Wie ich schon sagte, Scherereien hatten die unangenehme Angewohnheit, dem armen Eddie auf Schritt und Tritt zu folgen, und fast immer ging es dabei um Tiere.

Kapitel 3

»Das ist so unfair«, sagte Eddie vor sich hin, als er von der Schule nach Hause ging. Er hatte wirklich keinen guten Tag gehabt. Es hatte schon schlecht damit begonnen, dass er aufgestanden war und im Kühlschrank keine Milch für seine Weetabix finden konnte, weil sein Dad schon wieder vergessen hatte, welche zu kaufen. Also goss er Wasser darauf, was nicht so lecker, aber, wie er sich sagte, immerhin besser war als nichts.

Sein Dad war schon zu seiner Frühschicht bei Purzelpreise aufgebrochen, dem Billig-Discounter, in dem er arbeitete, aber daran war Eddie längst gewöhnt. Er war durchaus in der Lage, sich selbst für die Schule fertig zu machen. Selbst wenn das bedeutete, drei Tage hintereinander dasselbe Hemd tragen zu müssen, weil er kein sauberes finden konnte, so wie heute.

Der Schultag war scheußlich gewesen und hatte darin gegipfelt, dass er ins Büro des Direktors zitiert wurde, wo man ihn für etwas tadelte, was nicht seine Schuld gewesen war.

»Ich hasse diese Schule«, sagte er laut und kickte eine Flasche in den Rinnstein. »Ich freue mich schon, wenn die Sommerferien anfangen, damit ich nicht mehr zu diesen Stinkern muss.«

»Führst du schon wieder Selbstgespräche, Albert?«, rief Quentin Harris und trat mit einem Eimer Hähnchenflügel aus dem Brathuhn-Imbiss. »Oder trägst du die Maus in deiner Tasche herum?«

Beachte ihn einfach gar nicht, dachte Eddie und ging weiter.

»Du bist plemplem, ja, das bist du, ein verrückter Irrer. Man sollte dich einsperren, weil du die ganze Zeit Selbstgespräche führst. Hast du gehört, Mausefreund?«, stichelte Quentin, der jetzt direkt hinter Eddie ging, und piekte Eddie in den Rücken.

Entschlossen, nicht einzuknicken, tat Eddie weiter so, als hätte er ihn nicht gehört. Er verlor nur ganz selten die Beherrschung, aber Quentin stellte ihn im Moment wirklich sehr auf die Probe.

»Bist du nicht nur bescheuert, sondern auch noch taub?«, machte Quentin weiter und versuchte, Eddie ein Bein zu stellen. »Du solltest auf eine Schule für Missgeburten gehen. Es ist nicht sicher für uns Normale, wenn du da bist. Das ist meine Meinung, und ich werde allen sagen, sie sollen sich von dir fernhalten, weil du gefährlich bist.«

»Mir doch egal«, murmelte Eddie und ging weiter.

»Du isst ja nicht mal Hühnchen«, fuhr Quentin fort und wedelte mit einem fettigen Flügel. »Du bist komisch.«

»Warum?«, erwiderte Eddie ruhig, ohne langsamer zu werden. »Weil ich es nicht richtig finde, Tiere zu essen?«

»Eine Wurst ist kein Tier«, höhnte Quentin. »Du bist ein Irrer, mehr nicht. Ich liebe Fleisch – wir essen jeden Abend Fleisch zu Hause«, protzte er. »Du kriegst nur Hasenfutter, weil dein Dad sich nicht mehr leisten kann.«

»Warum behältst du deine blöden Ansichten nicht für dich?«, fuhr Eddie ihn an. Er fuhr zu seinem Quälgeist herum. »Du scharwenzelst ständig um die Lehrer herum und erzählst ihnen deine Lügen. Du bist eine Petze, und es ist gar kein Wunder, dass dein Gesicht voller Pickel ist und dein fetter Arsch dir aus der Hose quillt, wenn du so viel Mist in dich hineinstopfst«, fügte er hinzu.

Quentins Gesicht färbte sich vor Wut purpurrot, und er begann zu zittern. »Ich habe keine Pickel … das ist ein Hitzeausschlag. Und ich habe keinen fetten Arsch!«, brachte er hervor.

»Hast du wohl«, versetzte Eddie. »Es gibt genau zwei Dinge, die man vom Mond aus auf der Erde erkennen kann – die Chinesische Mauer und deinen Hintern.«

»Du darfst so nicht mit mir reden«, jammerte Quentin. »Das darfst du nicht, weil ich nämlich etwas Besonderes bin«, fuhr er stolz fort. »Ich habe Aggressionsprobleme und rege mich sehr auf, wenn jemand gemein zu mir ist, weil ich so sensibel bin. Das hat die Schulpsychologin selbst zu Mum und Dad gesagt. Da hast du’s, Mausefreund – zieh dir das rein.«

Eddie maß ihn langsam von Kopf bis Fuß. Er fühlte sich jetzt sehr mutig, und die ganze Wut und aufgestaute Frustration des scheußlichen Tags strömte wie aus einem geplatzten Ballon aus ihm heraus.

»Mir egal, wie du es nennst«, sagte er, »aber in Wirklichkeit bist du bloß ein verwöhntes Muttersöhnchen mit einem gehässigen Charakter, den du nicht in den Griff bekommst. Wo ist Mami denn heute? Holt sie dich gar nicht mit dem Auto ab?«, frotzelte er. Langsam machte ihm die Sache Spaß. »Sag bloß, dass sie ihr kleines Babylein ganz allein nach Hause gehen lässt?«

Quentin sah aus, als würde er gleich explodieren, aber da ihm seine Wut die Sprache verschlagen hatte, brachte er nur noch ein Gurgeln heraus, das an einen trinkenden Strauß erinnerte.

»Und noch eins! Hör auf, Sandra Ellison Textnachrichten zu schicken. Sie mag dich nicht und würde auch dann nicht mit dir ausgehen, wenn du der letzte Junge auf Erden wärst. Ich habe gehört, wie sie zu Devorshka gesagt hat …«, fuhr Eddie fort, dem der Dampf, der aus Quentins Ohren und Nasenlöchern drang, ganz egal war, »… dass sie dich für ein riesiges, schweinegesichtiges …«

Aber bevor Eddie weiterreden konnte, rastete Quentin vollkommen aus und haute ihm, so hart er konnte, eine rein.

Kapitel 4

»Mal ganz im Ernst, Eddie«, sagte sein Dad mit gerunzelter Stirn und schüttelte den Kopf, während er Eddies aufgeplatzte Lippe mit antiseptischer Salbe betupfte. »Erst ruft mich dein Direktor an und erzählt mir, dass du im Unterricht gestört hast, und dann kommst du mit blutverschmiertem Hemd und einer aufgeplatzten Unterlippe nach Hause, weil du dich geprügelt hast. Was ist bloß mit dir los?«

»Ich habe mich nicht geprügelt, Dad«, protestierte Eddie und zuckte zusammen, als seine Lippe mit einem Stück Küchenpapier in Kontakt kam. »Quentin Harris hat mir einfach ins Gesicht geboxt.«

»Ohne Grund?«, fragte sein Dad nach. »Er hat dich einfach geschlagen?«

»Na ja, wir haben uns schon gestritten, aber er hat angefangen. Und dann hat er mich geboxt«, erklärte Eddie.

»Und was hast du gesagt, das ihn so wütend gemacht hat?«, fragte sein Dad.

Eddie schwieg und tat so, als könnte er wegen seiner aufgeplatzten Lippe kaum sprechen.

»Na, komm schon, raus mit der Sprache. Was hast du gesagt?«, beharrte Dad. »Ich weiß, dass du eine spitze Zunge hast, wenn dich jemand auf die Palme bringt.«

»Ich habe ihm gesagt, dass er Pickel und einen fetten Arsch hat«, antwortete Eddie und lächelte, weil er sich an Quentins Gesichtsausdruck erinnerte.

»Ach, wirklich?«, sagte sein Dad und gab sich alle Mühe, nicht zu lachen. »Das ist aber nicht besonders nett, oder?«

»Na ja, er ist auch nicht besonders nett«, erwiderte Eddie. »Er ist ein Mobber und erzählt den Lehrern Lügen, und er hat gesagt, du wärst arm, weil ich kein Handy habe, er aber schon.«

»Hör mir mal gut zu, Sohn. Jungen wie Quentin sind den Sauerstoff nicht wert, den du brauchst, um mit ihnen zu reden. Kümmere dich nicht um ihn, tu so, als gäbe es ihn gar nicht, und lass dich nicht von ihm provozieren«, riet sein Dad ihm. »Im Leben geht es um mehr als um Handys – und auf keinen Fall sind die es wert, dass man sich deswegen prügelt. Ich habe dir ja immer gesagt, dass du ein Handy haben kannst, wenn du auf die weiterführende Schule kommst.«

»Aber ich habe nicht damit angefangen.« Eddie schrie jetzt fast. »Er hat zuerst zugeschlagen!«

»Na ja, du hast ihn ziemlich geärgert, und ob er es nun verdient hat oder nicht, er hat Aggressionsprobleme«, sagte Dad. »Ein grausames Wort kann ebenso schmerzhaft sein wie ein Schlag ins Gesicht.«

Eddie verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich schmollend in seinen Sessel sinken. Er hatte das Gefühl, gleich explodieren zu müssen, so ungerecht fand er das alles. Es war nicht fair, dass sein Dad ihm eine Teilschuld an der Sache zuschob, obwohl er derjenige mit der aufgeplatzten Lippe war und nicht der fiese Quentin Harris, der überhaupt mit allem angefangen hatte.

Typisch, wütete er in Gedanken. Immer kriege ich die Schuld für alles. Selbst wenn die Straße in einen Krater absacken würde, wäre es noch irgendwie meine Schuld. Das ist so unfair. Es ist einfach mies.

»Ich gründe eine Gewerkschaft für Kinder«, sagte er zu seinem Dad, »und wenn ein Kind eine Beschwerde gegen einen Erwachsenen hat, kann es vor Gericht ziehen, wo sich jemand die Beweise gründlich ansieht, bevor ein unschuldiger Mensch für etwas verurteilt wird, was er gar nicht getan hat.«

»Das tu ruhig«, erwiderte sein Dad abwesend. »So, dann geh mal in dein Zimmer und füttere deine Tiere, und ich mache uns etwas zu essen, ja? Und danach muss ich dir etwas Wichtiges erzählen. Ich lasse zuerst Butch aus der Küche; er macht mich noch ganz wahnsinnig mit seinem Gekläff.«

Butch war ein Jackawawa – teils Chihuahua und teils Jack Russell. Eines Abends auf dem Heimweg von der Arbeit hatte Eddies Dad ihn einem Mann abgekauft, der mit einem winzigen Welpen im Arm schwankend vor einem Pub herumgestanden hatte. Eddies Dad war sofort entschlossen gewesen, das arme kleine Wesen vor diesem schäbigen Kerl zu retten, denn es war offensichtlich, dass der nicht einmal in der Lage war, sich um sich selbst zu kümmern, geschweige denn um einen Hund.

Dad hatte gewusst, dass es extremer Listigkeit bedurfte, den Typen dazu zu überreden, ihm den Welpen zu überlassen.

»Darf ich mir deinen Hund mal anschauen, Kumpel?«, hatte er wie beiläufig und in heiterem Ton gefragt. »Was ist denn das für eine Rasse?«

»Weiß nicht«, hatte der Mann gelallt. Er stand gegen die Mauer des Pubs gelehnt. »Ich wollte ihn da drin gerade verdreschen …« – er nickte in Richtung Pub-Tür –, »… da hat mich die Wirtin rausgeschmissen. Hier, schau dir die kleine Ratte ruhig näher an, wenn du dich für sie interessierst.«

Das winzige Hündchen hatte auf die Handfläche von Eddies Dad gepasst. Es war schmutzig und halb verhungert, und eins seiner Augen war geschlossen, das Lid geschwollen und ganz eindeutig entzündet. Bei dem Zustand des jämmerlichen kleinen Tierchens wurde ihm ganz schlecht, und er hätte dem Mann am liebsten gesagt, was er von ihm hielt, aber er biss sich auf die Zunge und zügelte sich, um ihn nicht zu verärgern.

»Der überlebt die Nacht vielleicht nicht«, bemerkte er. »Wie viel willst du dafür?«

»Hunnert Kröten«, antwortete der Mann, rülpste laut und stützte sich mit den Händen auf die Knie, um nicht umzukippen.

»Dafür bekommst du keine hundert Pfund«, sagte Eddies Dad und schüttelte den Kopf, als wäre er ein Experte. »Das ist ein Straßenköter, dazu halb tot. Und außerdem habe ich so viel Geld nicht bei mir.«

»Wie viel hast du denn?«, fragte der Mann und taumelte auf ihn zu.

»Ich habe fünf Kröten«, antwortete Eddies Dad, denn genauso viel hatte er bei sich. »Du kannst sie haben. Ich tu dir noch einen Gefallen, wenn ich dir den da abnehme.«

Der Mann dachte über das Angebot nach, dann rief er: »Deal! Schieb die Kohle rüber, dann kannste das Viech haben!« Er schnappte sich die Pfund-Scheine von Eddies Dad und wankte die Straße hinunter. Eddies Dad blieb mit dem winzigen, zitternden Welpen in der Hand zurück.

»Na komm, Kleiner«, sagte er und schob das kleine Hündchen in seinen Mantel, um es zu wärmen. »Du hast mich meinen letzten Fünfer gekostet, was bedeutet, es gibt wieder Bohnen auf Toast für Eddie und mich. Komm, wir gehen nach Hause.«

Natürlich hatte sich Eddie in den bierglasgroßen Welpen verliebt, sobald er ihn zum ersten Mal erblickt hatte. Das Tier war tatsächlich sehr krank, weil man es viel zu früh von der Mutter weggenommen hatte, aber Eddie beschloss, ihn wieder gesund zu pflegen. »Wie sollen wir ihn nennen, Dad?«, fragte Eddie und säuberte dem kleinen Kerlchen das Auge.

»Du darfst dir einen Namen überlegen«, sagte Dad. »Er ist ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk für dich. Aber wir müssen ein Auge auf den Kleinen haben, denn es geht ihm wirklich nicht gut.«

Eddie wusste zum Glück sofort, was der kleine Welpe brauchte – und zwar viel Liebe und ständige Pflege, und beides bekam er von Eddie im Überfluss.

Kapitel 5

Eddies Zimmer war im Laufe der Jahre zu einer Art Tierkrankenhaus geworden. Er hatte sich um eine große Anzahl verschiedenster verletzter Vögel gekümmert und war inzwischen Experte darin, gebrochene Flügel zu schienen. Er hatte einen Babyigel, ein Schleiereulenküken und sogar ein Wiesel mit gebrochenem Bein mit dem Fläschchen aufgezogen. Wenn es den Tieren gut ging und sie für sich selbst sorgen konnten, entließ Eddie sie wieder zurück in die Natur, in die sie gehörten. Daher teilte er sein Zimmer im Moment nur mit Butch, zwei Goldfischen namens Dan und Jake und einer Hamsterin namens Bunty.

Weil er annahm, dass die Neuigkeiten, die sein Dad ihm mitteilen wollte, vermutlich schlechte waren, stampfte Eddie übellaunig in sein Zimmer, dicht gefolgt von Butch, der wie üblich wild herumkläffte.

In den Ohren aller anderen war Butchs Gekläff genau das – das ununterbrochene Bellen eines aufgeregten kleinen Hundes. Kein bisschen unüblich. Aber Eddie hörte etwas vollkommen anderes.

»Jetzt sag mal, was passiert ist?«, fragte Butch Eddie ungeduldig und rannte im Zimmer umher. »Hast du es ihm gezeigt? Hä? Hast du ihn aus der Stadt gejagt? Ich hätte ihn ins Fußgelenk gebissen und ihm das Hosenbein abgerissen«, fuhr er fort, ohne auch nur Atem zu holen. »Wie hat es angefangen?«

»Eine Maus ist im Klassenzimmer hinter der Heizung hervorgekommen«, erklärte Eddie. »Sie hatte sich verlaufen, und ich wollte ihr nur erklären, wie sie in den Heizungskeller kommt …«

»Warum?«, unterbrach ihn Butch. »Gab es eine Party in diesem Heizungskeller, oder ist dort die Zentrale für die Mäusemafia, und diese Maus war eine ausgebildete Attentäterin?«

»Ich weiß auch nicht, was da unten im Heizungsraum los war«, erwiderte Eddie lachend. »Aber als ich der Maus sagen wollte, wie man dorthin kommt, hat mich Quentin Harris gehört und bei der Lehrerin verpetzt. Und auf dem Nachhauseweg fing er an, mich zu ärgern.«

»Der miese Mobber«, knurrte Butch wütend. »Ich hätte ihn abgemurkst. Ich hätte ihn wie ein Hund gejagt.«

»Du bist ein Hund«, erinnerte ihn Eddie.

»Egal«, knurrte Butch. »Ich hätte ihn trotzdem abgemurkst.«

Wenn Butch wütend war, was oft geschah, kam seine Chihuahua-Seite zum Vorschein, und er sprach in einem Dialekt, den er für mexikanisch hielt (weil Chihuahuas ursprünglich aus Mexiko stammen). Dieser Akzent war extrem schwierig zu verstehen, weil er ihn sich aus alten Cowboyfilmen abgeguckt hatte, die tagsüber im Fernsehen kamen.

Butch liebte diese Filme. Jedes Mal, wenn er wieder einen geschaut hatte, stolzierte er durchs Haus und sprach nur noch durch zusammengebissene Zähne. Er sagte dann Dinge wie: »Diese Stadt ist nicht groß genug für uns beide«, und: »Ich bin gekommen, um meinen Jungen zu holen«, und zwar mit seinem tiefsten Grollen.

Eddie vermutete, dass Butch in Wirklichkeit glaubte, ein riesiger Hund zu sein – wie es bei kleinen Hunden oft der Fall ist. Tatsächlich aber war er winzig, allerdings sehr, sehr hart im Nehmen.

Außerdem liebte Butch Wärme – er behauptete stets, das liege an dem mexikanischen Blut, das durch seine Adern floss – und saß oft kerzengerade und mit geschlossenen Augen vor dem Gasofen. Auch an langen, heißen Sommertagen genoss er die Wärme und lag ausgestreckt im Park, um ein paar Sonnenstrahlen abzubekommen, wie er es ausdrückte.

Eddie setzte sich auf die Bettkante, um seine Schuhe auszuziehen, wurde aber von einem lauten Klopfen gegen das Fenster unterbrochen. Er drehte sich um und sah davor einen großen schwarzen Vogel sitzen. Der Vogel tippte erneut mit dem Schnabel gegen die Scheibe und rief: »Mach ma fix und öffne das Fenster, okee? Es regnet gleich, und ich werd pitschnass.«

»Na, wenn das mal nicht der Liver-Vogel ist«, bemerkte Butch sarkastisch. »Was will er denn?«