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Was tun, wenn plötzlich alles, woran wir glauben, auf der Kippe steht? Ein hochspannender Roman über eine Familie, die mit der Tochter auch den Zusammenhalt zu verlieren droht. Und von einer Gesellschaft, die immer weiter auseinanderdriftet. Für die lebensfrohe Sofie ist ihre Familie ein Glücksfall. Sie, ihr Vater Markus und ihre Mutter Kerstin geben einander Sicherheit und wissen auch, was dem jeweils anderen wichtig ist. Als Markus seine Tochter mit Konzerttickets für ihre Lieblingssängerin überrascht, geht für diese ein Traum in Erfüllung. Der Abend nimmt jedoch eine schreckliche Wendung: Auf dem Konzert wird ein Anschlag verübt, auch Sofie ist unter den Opfern. Das einst so glückliche Ehepaar verliert die Balance. Währenddessen spitzt sich die gesellschaftliche Situation zu und die Familie muss mitansehen, wie ihr Unglück politisch instrumentalisiert wird. Im Moment tiefster Verzweiflung erinnert sich Markus an die soziale Lebenskraft seiner Tochter und beschließt, nicht aufzugeben. Er sucht weiterhin das Gespräch und fasst sogar den gewagten Entschluss, die Familie des Mörders aufzusuchen …
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Seitenzahl: 250
Veröffentlichungsjahr: 2025
Jan Costin Wagner
Roman
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Titelseite
Über Jan Costin Wagner
Über dieses Buch
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Hinweise zur Darstellung dieses E-Books
zur Kurzübersicht
Jan Costin Wagner, Jahrgang 1972, lebt als Schriftsteller und Musiker bei Frankfurt am Main. Seine Romane um den finnischen Ermittler Kimmo Joentaa wurden von der Presse gefeiert, vielfach ausgezeichnet (u. a. Deutscher Krimipreis, Nominierung zum Los Angeles Times Book Prize) und in 14 Sprachen übersetzt. Tage des letzten Schnees und Das Licht in einem dunklen Haus wurden 2019 und 2022 vom ZDF u. a. mit Henry Hübchen und Bjarne Mädel verfilmt. Sommer bei Nacht erhielt den Radio Bremen Krimipreis, Am roten Strand ist nominiert für den Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Krimi.
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Was tun, wenn plötzlich alles, woran wir glauben, auf der Kippe steht? Ein hochspannender Roman über eine Familie, die mit der Tochter auch den Zusammenhalt zu verlieren droht. Und von einer Gesellschaft, die immer weiter auseinanderdriftet.
Für die lebensfrohe Sofie ist ihre Familie ein Glücksfall. Sie, ihr Vater Markus und ihre Mutter Kerstin geben einander Sicherheit und wissen auch, was dem jeweils anderen wichtig ist. Als Markus seine Tochter mit Konzerttickets für ihre Lieblingssängerin überrascht, geht für diese ein Traum in Erfüllung. Der Abend nimmt jedoch eine schreckliche Wendung: auf dem Konzert wird ein Anschlag verübt, auch Sofie ist unter den Opfern.
Das einst so glückliche Ehepaar verliert die Balance. Währenddessen spitzt sich die gesellschaftliche Situation zu und die Familie muss mitansehen, wie ihr Unglück politisch instrumentalisiert wird.
Im Moment tiefster Verzweiflung erinnert sich Markus an die soziale Lebenskraft seiner Tochter und beschließt, nicht aufzugeben. Er sucht weiterhin das Gespräch und fasst sogar den gewagten Entschluss, die Familie des Mörders aufzusuchen …
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Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KGBahnhofsvorplatz 150667 Köln
Verlag Galiani Berlin
© 2025, Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Lisa Neuhalfen
Covermotiv: © Frank Chmura / Alamy Stock Foto
Lektorat: Wolfgang Hörner
ISBN978-3-462-31079-5
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Widmung
Motto
Später / Markus
Eins
21. bis 23. Mai / Tobias
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
22. Mai / Markus und Sofie
1 / Sofie
2 / Markus
3 / Sofie
4 / Markus
5 / Sofie
6 / Markus
7 / Sofie
8 / Markus
9 / Sofie
10 / Markus
Zwei
Eine Woche danach / Markus, Kerstin, Tobias
1 / Markus
2 / Kerstin
3 / Tobias
4 / Kerstin
5 / Markus
Am Tag des Anschlags / Ayoub
1 / Ayoub
Drei
Zwei Wochen danach / Markus, Kerstin, Lotte, Isabel
1 / Markus
2 / Kerstin
3 / Lotte
4 / Isabel
5 / Markus
Am Tag der Beerdigung / Tobias, Markus, Kerstin
1 / Tobias
2 / Markus
3 / Kerstin
4 / Markus
5 / Kerstin
6 / Markus
7 / Tobias
8 / Markus
Am Tag nach der Beerdigung / Markus, Kerstin
1 / Markus
2 / Kerstin
Vier
25. Juni / Markus, Kerstin, Tobias
1 / Markus
2 / Kerstin
3 / Markus
4 / Tobias
5 / Markus
26. Juni / Markus
1 / Markus
Fünf
Juli / Markus, Kerstin, Tobias
1 / Markus
2 / Kerstin
3 / Markus
4 / Kerstin
5 / Markus
6 / Tobias
Davor / Ayoub
1 / Ayoub
Sechs
August / Markus
1 / Markus
2 / Markus
Sieben
September / Markus, Kerstin, Tobias
1 / Markus
2 / Kerstin
3 / Markus
4 / Kerstin
5 / Tobias
6 / Markus
7 / Tobias
Acht
Oktober / Markus, Kerstin, Tobias
1 / Markus
2 / Kerstin
3 / Markus
4 / Kerstin
Neun
November / Markus
1 / Markus
Zehn
Dezember / Markus, Kerstin
1 / Markus
2 / Kerstin
3 / Markus
Dank von Herzen an
Für Niina, Venla und Luisa
»and well I thought you’re a human being walking the earth at night with me«
(violet tree, stranded king)
Später dann, in seinem Traum, tanzt sie wieder, schwarz auf weiß, schwarz ihr Kleid, weiß der Raum, und sie lacht und sagt etwas, nein, ruft es ihm zu, etwas Wichtiges, während er die letzten Stufen der Rolltreppe überspringt und sie schon sehen kann, ruft sie ihm Worte zu, die alles erklären, betörend einfach, sodass er gar nicht glauben kann, dass es so lange gedauert hat, bis er sie endlich hören konnte, aber jetzt endlich hört er sie, hört ihr zu, lauscht den Worten und nickt und streckt die Hand nach ihr aus und erwacht, während sie, den Kopf schüttelnd, verblasst, verstummt und vergeht.
Donald Duck ist eine interessante Person.
Also, ich sage Person, weil er wie ein Mensch ist. Wie ihr alle wisst, ist er eigentlich eine Ente. Aber er und alle anderen in Entenhausen sind wie Menschen. Das ist in meinen Augen auch das Besondere an ihnen. Sie haben, wie man ja sagt, Ecken und Kanten, sind aber liebenswerte Charaktere.
Donald zum Beispiel bezahlt nie seine Schulden und muss deshalb häufig die Flucht ergreifen, weil seine Gläubiger auf der Matte stehen. Er würde am liebsten andauernd in der Hängematte im Garten liegen, wird aber von seinem Onkel Dagobert, dem reichsten Mann der Welt, eigentlich natürlich der reichsten Ente der Welt, ständig in verrückte Abenteuer verwickelt. Donald ist auch manchmal jähzornig. Aber gleichzeitig ist er als Erziehungsberechtigter wie ein liebevoller Vater für seine drei kleinen Neffen (Tick, Trick und Track), er zeigt oft Mitgefühl und ist sogar ein Held, wenn er das Kostüm des Superhelden überstreift und als Phantomias (unterstützt vom genialen Erfinder Daniel Düsentrieb) Schurken jagt. Aber davon weiß niemand. Oder fast niemand.
Die Schurken sind in Entenhausen gar nicht so böse, zumindest meistens nicht. Also, die Panzerknacker, Kater Karlo, mit denen kann man oft auch Mitleid haben. Das Schwarze Phantom ist schon schwieriger, aber selbst der, also Plattnase, ist gar nicht unbedingt dieser böse Zerstörer, der er vielleicht gerne sein will. Ich finde das spannend. Also, ja, vielschichtig, ambivalent. Die Leute sind nicht nur so oder so, sie haben mehrere Seiten, und deshalb sind sie für uns … also, für uns Leser, interessant. Und … lebensnah. Nichts ist nur schwarz oder weiß.
Tobias hebt den Blick.
»Super«, sagt Herr Stenger.
Sofie nickt.
»Ja, und dann kommen eben die einzelnen Figuren«, sagt Tobias. »Also, das hatte ich euch ja gestern schon vorgetragen.«
»Ganz hervorragend«, sagt Herr Stenger. »Top.«
Tobias lächelt. Weil Herr Stenger sich ein klein wenig auch selbst lobt. Oder vermutlich sogar mehr als ein klein wenig. Mit einigen Sachen hat Herr Stenger ihm geholfen. Lebensnah, Facetten, vielschichtig, ambivalent, Ecken und Kanten … nichts ist nur schwarz oder weiß …
Glaubt doch kein Mensch, dass Toby diese Worte kennt. Trotzdem, die sind gut und eigentlich genau das, was Toby sagen wollte. Er kannte nur die Worte nicht, jetzt kennt er sie, dank Herrn Stenger. Und es macht Spaß, mit ihm über Entenhausen zu reden.
»Was ist?«, fragt Herr Stenger.
»Hm?«
»Du lächelst«, sagt Herr Stenger.
»Echt?«
»Ja.«
»Nichts.«
»Klar ist was, das merke ich«, sagt Herr Stenger.
»Ich dachte nur gerade, dass es lustig ist«, sagt Tobias.
»Und was ist lustig, mein Lieber?«
»Dass Sie auch so ein Fan sind, von den Lustigen Taschenbüchern.«
»Ah, okay.«
»Ich finde die auch gut«, sagt Sofie.
»Ja, aber nicht so gut wie dein Vater.«
»Na ja, das wäre auch schwer«, sagt Sofie, wirft ihrem Vater einen Blick zu, den Tobias auch gerne mal von ihr zugeworfen bekommen würde, nämlich einen, der unheimlich viel … na ja … da ist viel Liebe in dem Blick.
Liebe ist nicht zu steigern, deshalb kannst du das »viel« streichen, das ist in diesem Fall ein Füllwort, würde Herr Stenger vermutlich sagen, wenn er Tobys Gedanken lesen könnte. Herr Stenger hat Ahnung von Sprache. Aber Gedanken lesen kann er nicht. Oder? Bei Sofies Vater kann man nie wissen.
»Er kommt aus dem Grinsen nicht raus«, sagt Herr Stenger lächelnd.
Das stimmt. Irgendwie hat er einen Lauf. Seitdem Sofie ihn vor zwei Wochen in der Pause angesprochen und gefragt hat, ob er wegen des Referats vielleicht mal zu ihnen kommen wolle. Tobias hat gedacht, er spinnt. Hat gedacht, er würde das nur träumen.
Ja klar, hat er entgegnet.
Ihr Vater habe nämlich eine riesige Sammlung von diesen Büchern.
Aha. Was?
Von diesen Comics, diesen Taschenbüchern, über die er das Referat halten wolle.
Aha. Was? Echt? Wie gesagt, er hat gedacht, er spinnt.
Und dann hat er tatsächlich bei Sofie und ihren Eltern auf der Terrasse in der Frühlingssonne gesessen und mit Sofies Vater und Sofie an seinem Referat über Entenhausen gearbeitet und war immer wieder abgelenkt und hatte den Impuls, sich zu kneifen, für den Fall, es wäre ein schräger Traum. Sofie. Sie kannten sich ja vorher kaum, und dass er sie die ganze Zeit heimlich angesehen hat, seitdem das Schuljahr begonnen hat, kann sie nicht gewusst haben. Unmöglich. Er hat aufgepasst.
Den einen oder anderen Spruch hat er bekommen, als bekannt wurde, dass er bei Sofie Stenger sein wird, wegen seines Referats, aber die Sprüche blieben harmlos, stumpf, Tobias hat gemerkt, dass die anderen ihn eher beneiden. Wenn man jemanden beneidet, kann man ihm schlecht Sprüche reindrücken. Das funktioniert nicht, zumindest nicht so, wie es sollte.
Patrick, sein vielleicht bester Freund, der ihn wegen seiner Begeisterung für Comics, für Lustige Taschenbücher die ganze Zeit belächelt hat und ihm dieses angeblich idiotische Referat ausreden wollte, hat allen Ernstes gefragt, ob er sich ein paar Bände ausleihen könnte, vermutlich, um selbst noch schnell einen Treffer bei Sofie zu landen. Verrückt.
Genau. Jetzt sitzt er wieder hier. Neben Sofie und ihrem Vater gegenüber, auf der Terrasse, im flauschig warmen Abendsonnenlicht. Donald Duck sei Dank.
»Limonade?«, fragt Sofies Mutter, die aus dem Schatten des Hauses auf die Terrasse hinausgetreten ist, und sie schenkt allen ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
»Danke, Mama«, sagt Sofie.
Sofies Mutter ist nett, auch wenn sie meistens angestrengt aussieht. Als wäre da etwas, das sie belastet. Tobias kann sich nicht vorstellen, was das sein könnte. Und so gut kennt er Sofie eigentlich noch nicht, als dass er sie danach fragen könnte. Eigentlich kennt er Sofie gar nicht. Und ihren Vater auch nicht. Während ihm das durch den Kopf geht, verkrampft er ein wenig, setzt sich aufrecht.
Was wäre, wenn Sofies Vater gleich sagen würde, dass Tobias gehen muss? Dass das Ganze eine schlechte Idee war, dass er anderes zu tun hat und dass man sich ja gar nicht kenne. Irgendwas in der Art wird er gleich sagen. Obwohl Herr Stenger ja diese LTB-Sammlung wirklich hat, Hunderte von Comics, unten im Hobbykeller, in dem auch die Tischtennisplatte steht.
Vor einigen Tagen hat Toby gefühlt stundenlang geschmökert, während Sofie mit einer Freundin Tischtennis gespielt hat. Die beiden haben sich über ihn amüsiert, aber nicht böswillig, eher wohlwollend. Durch das ebenerdige Fenster konnte er den grünen Rasen des Gartens und den blauen Himmel sehen, und einige Streifen Sonnenlicht fielen in den Raum, genau in die Ecke auf das kleine Sofa, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte, um zu lesen. Das Lachen der Mädchen und das Klackern der Ballwechsel waren weit weg. Er hat sich gefragt, wie lange er brauchen würde, um all diese Comics zu Ende zu lesen. Vielleicht ein ganzes Leben lang.
Ihm schießt der Gedanke durch den Kopf, was danach sein wird. Nach dem Referat. Schon übermorgen wird er es halten. Und dann? Welchen Grund kann er dann noch anführen, bei Sofie vorbeizuschauen? Dass er gerne in den Comics blättern wolle? Aber das wäre nicht ganz ehrlich, eigentlich würde er vor allem gerne wiederkommen, um Sofie zu treffen.
Sofies Mutter schenkt Limonade nach, und der Gedanke ist eingerastet, lässt sich nicht wegschieben.
»Das wird was«, sagt Sofie.
»Hm?«
»Dein Referat, das wird gut«, sagt sie.
»Hm.« Übermorgen schon, denkt er. Wahrscheinlich wird er sich andauernd verhaspeln. Er nickt, leert sein Glas, weiß nicht, wohin mit seinen Armen, seinen Beinen, sie schlackern hin und her.
Nach einer Weile muss Sofie zum Sport. Aufbruch. Sofies Eltern lächeln, während er seine Stoffjacke überstreift, die eigentlich zu warm ist, der Frühling fühlt sich schon nach Sommer an.
»Bis bald«, sagt Sofies Mutter.
Tobias nickt.
Sofies Vater lächelt.
Dann sind sie draußen, Sofie radelt winkend davon, und Tobias ist schon ein paar Schritte die Straße entlanggelaufen, als ihm Herr Stenger hinterherkommt.
»Tobias, warte kurz.«
Tobias wendet sich ihm zu.
»Gutes Gelingen für übermorgen, das wird gut«, sagt er. Fast dieselben Worte wie die seiner Tochter, Sofie. »Morgen sind wir unterwegs. Aber du hast es heute super vorgetragen.«
Tobias nickt.
»Eine Bitte, sag Sofie in der Schule nichts davon, dass wir morgen unterwegs sind. Sie weiß es nämlich noch nicht. Überraschung.«
Tobias nickt, perplex.
»Okay?«, sagt Herr Stenger.
»Ja, klar«, sagt Tobias.
»Super, bis bald«, sagt Herr Stenger.
Dann ist er weg, und während Tobias nach Hause läuft, fragt er sich, was Herr Stenger gemeint haben könnte. Irgendeine Überraschung, für Sofie. Klingt gut. Er hätte auch gerne einen Vater, der ihn überrascht. Mit irgendetwas Schönem.
Er läuft zur Bushaltestelle, nach einigen Minuten kommt der Bus. Er steigt ein, setzt sich in die hinterste Reihe. Um diese Zeit ist der Bus nahezu unbesetzt, er durchquert gemächlich den Abend, die Straßenlichter sind angegangen, die Sonne ist dunkelorange, das Licht verschattet.
Er wohnt nicht weit weg von dem Bungalow mit dem Garten, zehn Minuten mit dem Bus, ein paar Minuten zu Fuß.
Auch hier ist ein Haus, ein Reihenhaus, auch hier ein Garten. Aber es ist eine ganz andere Welt, die er betritt, als er ankommt, in der Fremde, zu Hause.
Seine Mutter liegt auf dem Sofa, und sie lächelt, als er das Wohnzimmer betritt. Immerhin. Neben ihr auf dem flachen Tisch steht eine halb leere Flasche Sekt, daneben ein leeres Glas.
»Wie lief es?«, fragt sie.
Er sieht sie fragend an.
»Du warst doch … warst du beim Fußball?«
»Nein, ich mache so ein Referat für die Schule. Da war ich bei Freunden, wir haben dran gearbeitet.«
»Okay. Gut. Kamt ihr gut voran?«
»Ja. Doch, das wird gut«, sagt er. Sofies Worte. Herrn Stengers Worte.
»Schön«, sagt seine Mutter. Sie spricht langsam, leise, aber heute klar und ohne Wut.
»Ja«, sagt er. »Ja, stimmt.«
Sie schweigt.
»Wo ist Papa?«
»Noch unterwegs.«
Er verharrt für eine Weile im Türrahmen. Seine Mutter hat die Augen geschlossen.
Sein Vater kommt spät. Tobias lauscht, regungslos. Sein Vater soll denken, dass er schon schläft.
Er fragt sich, ob seine Mutter noch unten auf dem Sofa liegt. Ob sein Vater irgendwas sagen wird. Mit welchen Worten sie heute aneinander vorbeireden werden. Aber es bleibt still.
Einem Impuls folgend, steht Tobias doch auf, öffnet behutsam die Tür, geht zur Treppe. Sein Vater sitzt auf dem Sofa vor dem still flimmernden Fernseher. Seine Mutter ist wohl schon zu Bett gegangen.
Sein Vater sitzt vor dem laufenden Fernseher, heftet seinen Blick aber auf sein Smartphone. Er liest angestrengt, und dann beginnt er plötzlich, auf das Display einzuhämmern, schnell und effektiv wie ein Jugendlicher, beharrlich, geduldig, fokussiert, voll und ganz vertieft in sein Tun. Selbst wenn Tobias jetzt nach unten gehen und sich mitten ins Wohnzimmer stellen würde, würde sein Vater ihn nicht bemerken.
Irgendwann ist es geschafft. Sein Vater lehnt sich zurück. Ohne den Blick vom Display des Smartphones zu nehmen. Er wartet auf Rückmeldung. Auf die Meinung irgendeines Adressaten. Nein, nicht auf die Meinung des anderen, sondern auf Zustimmung, darauf, dass jemand den Daumen heben und ihm versichern wird, dass er recht hat. Dass er die Dinge durchschaut hat. Dass er auf dem richtigen Weg ist, auch wenn es ein schwerer Weg ist, einer, den zu beschreiten er sich nicht ausgesucht hat.
Tobias zieht sich zurück, so leise, dass er seine eigenen Schritte nicht hören kann. Erst als er in seinem Zimmer im Bett liegt, atmet er auf. Ein Gedanke kommt, der sich ebenso schmerzhaft wie wahr anfühlt, und er nimmt seinen Mut zusammen und versucht, ihn zu Ende zu denken.
Mama ist erledigt. Erschöpft. Vor allem wegen Papa.
Wie könnte Tobias das einem Außenstehenden erklären, einem, dem er vertraut, zum Beispiel Herrn Stenger? Wie könnte er erklären, was bei ihm zu Hause los ist, was würde er sagen?
Meine Mutter ist jeden Tag anders. Sie ist wie ein Schatten. Verbittert. Sagt man so? Sie hat auch Stress mit ihren Geschwistern. Wegen einer Erbschaft. Also, seitdem meine Oma tot ist. Jedenfalls, vor allem liegt es an meinem Vater, der ist … na ja … mein Vater, ich würde sagen, er ist … irgendwie … – aber das wird er niemandem sagen, nicht mal Herrn Stenger –, er ist unglaublich angestrengt, und er ist irgendwie verrückt geworden.
Der nächste Morgen fühlt sich so an, als sollte er lieber im Bett bleiben. Es dauert eine Weile, dann kommt die Kraft zurück, vor allem die Erinnerung an einen sehr guten Grund, doch aufzustehen und in die Schule zu fahren. Sofie.
Er isst Cornflakes, die Mama ihm hingestellt hat, bevor sie sich wieder ins Bett gelegt hat. Das ist lieb von ihr. Dass sie ihm die Cornflakes und die Milch hinstellt, obwohl es ihr so schlecht geht, obwohl jeder Tag eine andere Laune bringt, eine andere Farbe, Tobias fragt sich, wie es heute sein wird. Schwarz, weiß oder bunt schillernd oder … grau?
Noch ein guter Grund, in die Schule zu gehen. Solange er in der Schule ist, muss er sich mit dieser Frage nicht weiter auseinandersetzen.
Sein Vater ist anscheinend schon weg. Tobias fragt sich, wohin er gegangen ist. Was genau er eigentlich macht. Was ist passiert mit ihm? Ist er im Büro? Gestern Abend hatte er einen Anzug an. Also, mit Krawatte. War er in der Spielbank? Das hat Mama ihm vor einiger Zeit mal unterstellt. Er sei in der Spielbank gewesen und habe Haus und Hof verspielt.
Er sah fahrig aus, irgendwie zerstreut, während er auf dem Sofa gesessen hat, mit dem Handy.
Tobias nimmt sein Smartphone und sieht nach, ob sein Vater einen Status gepostet hat. Natürlich hat er das. Spät in der Nacht. Das muss gestern gewesen sein, als Tobias ihn im Wohnzimmer hat sitzen sehen, vor dem Fernseher. Der Status seines Vaters ist eine Aneinanderreihung von Nachrichten, Sprüchen und Links, die alle eines gemeinsam haben: Tobias versteht nicht, was es bedeuten soll. Eins, das RKI, jetzt müssen die Verbrecher auf die Anklagebank; zwei, wer hat Angst vor der AfD?; drei, merke, die Nazis sind immer die anderen; vier, zurückgehaltene Dokumente, die Corona-Verschwörung; fünf, die Ministerin ist dumm wie Stroh und besitzt keinen Schulabschluss; sechs, Soja, die Karriere einer Giftpflanze; sieben, die Zahl plötzlicher Herztode unter Fußballprofis hat sich seit den Impfungen verzehnfacht. Wacht auf, ihr Schafe! Zu diesem Text läuft ein Video, das wenige Sekunden andauert und zeigt, wie auf einem Fußballfeld ein Mann in sich zusammensackt. Acht: Glückwunsch!
Tobias fragt sich, ob er gerade einen Menschen hat sterben sehen. Und warum es seinem Vater wichtig war, dass er oder andere das zu sehen bekommen.
Neun und zehn und elf und alles Weitere spart er sich, legt das Handy neben der Müslischüssel ab.
Nach einigen Minuten nimmt er seine Kraft zusammen, macht sich fertig und fährt los, mit dem Rad zur Schule. Wird er Sofie heute ausweichen müssen? Vielleicht. Sonst könnte es sein, dass er sich verplappert. Er darf Sofie nichts von der Überraschung sagen, die ihr Vater erwähnt hat. Tobias fragt sich, welche Überraschung das sein könnte. Auf jeden Fall haben Herrn Stengers Augen geleuchtet, es muss etwas Tolles sein, etwas Großartiges. Tobias lächelt bei dem Gedanken.
Sofie begrüßt ihn fröhlich, als sie sich vor dem Klassenraum begegnen, dann wendet sie sich ihren Freundinnen zu. Ganz gut so, nur nicht verplappern, denkt Tobias. Er darf heute nicht zu viel mit ihr sprechen. Sein Blick streift Sofie, und für Momente kommt der Gedanke, wie das sein wird mit ihr und ihm in ein paar Wochen, ein paar Monaten, ein paar Jahren. Komischer Gedanke, diffus, schön.
»Alles okay?«, fragt Sofie.
»Hm?«
»Du siehst äußerst nachdenklich aus«, sagt sie.
»Tschuldigung.«
»Kein Grund«, sagt sie lachend.
Dann beginnt die erste Stunde, Deutsch bei Frau Dressler, und ihm spukt durch den Kopf, dass er morgen genau um diese Zeit zur Klasse sprechen wird, er wird sein Referat halten. Mannomann. Besser nicht dran denken. Auch wenn er Herrn Stenger und Sofie gerne glauben möchte, das wird gut werden, ja, solange er sich nicht bei jedem Satz verhaspelt.
Er wischt den Gedanken beiseite, versucht, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, Deutsch, Englisch, irgendwann Pause, sie spielen mit einem Softball Fußball, macht Spaß. Danach Religion. Jesus. Gutes tun, Gutes glauben. Jesus war interessant. Interessant anders. Seine Eltern sagen, sie seien Christen, aber Tobias weiß nicht genau, was sie mit Jesus zu tun haben.
Der Tag steht still wie ein Bild, ein Gemälde, das dank eines interessanten Effekts beiläufig die Farben wechselt, allein daran erkennt Tobias, dass dieser Tag doch voranschreitet. Auch dieser Tag ist gekommen, um zu vergehen.
Die Sonne hinter den Fenstern greift Raum, bis sie irgendwann alle ins Schwitzen bringt, und das Bimmeln der Schulglocke ist wie eine Erlösung, 13 Uhr, Schulschluss, nur einmal aufwachen noch, denkt Tobias, während er gemeinsam mit Freunden dem Ausgang entgegeneilt, dann stehe ich vor der Klasse und werde Sofies Blick suchen, wenn mir die Worte fehlen.
»Tschüss Toby«, rufen die Freunde, schwingen sich auf ihre Fahrräder.
»Bis morgen«, ruft Tobias ihnen nach. Er hält nach Sofie Ausschau, kann sie aber nicht finden. Er fährt los, im Strom der anderen, und plötzlich, vor dem Kreisel, sieht er im Augenwinkel das Auto von Sofies Vater, Tobias sucht Sofie hinter der Scheibe, kann sie aber nur erahnen, dann biegt er ab. Er spürt, wie sie sich voneinander entfernen, er ist in die eine Richtung abgebogen, die beiden, Sofie und ihr Vater, in die andere. Komisch, dass er das so bewusst wahrnimmt.
Mach locker, du Spinner, denkt er. Morgen schon wirst du sie wiedersehen.
Also hat Herr Stenger Sofie abgeholt, klar, sie fahren irgendwohin. Die Überraschung. Was könnte das sein? Mal sehen, was Sofie morgen zu erzählen haben wird.
Er ist auf dem Weg nach Hause, aber auf halbem Weg biegt er ein weiteres Mal ab, fährt zum Sportzentrum, stellt sein Fahrrad ab, läuft an den beiden Fußballfeldern vorbei zu den Tennisplätzen.
Dort hat er Ruhe, dort ist nie jemand um diese Zeit oder fast niemand. Höchstens ein paar alte Damen oder Herren, die Bälle schlagen und guter Laune sind. Tobias weiß das, weil er selbst für einige Zeit hier gespielt hat, in der Mannschaft der unter Zwölfjährigen. Hat Freude gemacht, aber irgendwie war es dann auch stressig, dieses Gewinnen-Sollen oder Gewinnen-Müssen, vor allem die Eltern der anderen waren nervig, und als dann in der letzten Saison auch noch sein Vater, der erst völlig desinteressiert war, ehrgeizig wurde und sich in die Aufstellung der Mannschaft einmischen wollte, hatte Tobias genug davon.
Er hat aufgehört, zumindest vorerst, jetzt kann er mittags einfach hier sitzen, wenn er Ruhe braucht, im Schatten der Bäume, und dem Ploppen vereinzelter Ballwechsel zuhören. Ohne selbst spielen, ohne selbst gewinnen zu müssen.
Er liest seine Nachrichten. Patrick fragt nach, wegen des Referats, ob er es ihm noch mal vortragen möchte. Ist ja nett von Patrick, dass er noch mal nachfragt, aber Tobias hat sich anders entschieden, er muss das Referat nicht noch mal vortragen, weder Patrick noch sonst jemandem. Gestern bei Sofie und Herrn Stenger hat alles geklappt, und es wird gut, das haben die beiden gesagt, das will er festhalten, denn dann wird es morgen wirklich gut werden.
Alles okay, trotzdem danke, dass du noch mal fragst, schreibt er. Wenige Minuten später antwortet Patrick mit dem Daumen-hoch-Emoji.
Der alte Herr Nicolescu geht vorüber. Er ist hier im Club der Platzwart, und er ist eigentlich immer da, obwohl er, wie Toby schon vor Jahren aufgeschnappt hat, ziemlich schwer krank ist. Daran denkt Tobias immer, wenn er ihn sieht, an diesen Widerspruch. Da der braun gebrannte Mann, der Schubkarren schiebt, die Sprinkleranlagen bedient oder die roten Sandflächen beackert, bis sie glatt und eben sind. Und auf der anderen Seite diese Information, dieses Wissen, dass er krank ist. Manchmal ist Herr Nicolescu einige Wochen lang ausgefallen, und Tobias hat sich gefragt, ob und wann er zurückkommen wird. Der Gedanke, dass er nicht zurückkommen könnte, war beängstigend, bedrohlich. Tobias weiß nicht genau, warum.
»Hi Toby, auch mal wieder da?«, ruft Herr Nicolescu aus einiger Entfernung.
»Hallo«, ruft Toby.
»Spielst du wieder?«
»Im Moment nicht.«
»Ah.«
»Vielleicht bald wieder«, ruft Tobias, Herr Nicolescu hebt den Daumen und widmet sich wieder seiner Arbeit. Oben, vor dem Clubhaus, sind die älteren Damen inzwischen zum lustigen Teil übergegangen, sie sitzen in der Sonne, palavern und trinken etwas, das sich Prosecco nennt. So nennen sie es immer, Prosecco.
Es scheint die Laune zu heben und sieht dem Getränk ähnlich, das seine Mutter trinkt, allerdings muss es etwas anderes sein, denn seine Mutter ist, wenn sie ihr Getränk trinkt, immer traurig und anschließend entweder müde oder aggressiv. Auf dem Etikett steht auch meistens Sekt. Sekt feinster Komposition. Manchmal sogar Champagner oder Brut. Was immer das genau bedeutet. Vielleicht sollte seine Mutter lieber Prosecco trinken.
Tobias lauscht für eine Weile dem Lachen und den Gesprächen der Tennisdamen. Tatsächlich kann er fast jedes Wort verstehen, obwohl die Frauen recht weit weg sind, der laue Wind trägt ihm die Worte zu. Manchmal, wie nebenbei, fallen Aussagen, die er seit einiger Zeit von seinem Vater kennt.
Dass es so nicht weitergehe. Dass man nicht jedem helfen könne. Niemand könne das, auch wir in Deutschland nicht. Dass man sich noch umschauen werde und dass es nicht nur die Landwirte seien, die die Schnauze voll haben, aber die anderen hätten keinen Traktor. Darüber lachen die Damen. Dann wechseln sie das Thema, reden über ihr Tennisspiel oder das Fortkommen der Kinder und Enkel.
Nach einer Weile steht Tobias auf und läuft ohne Eile zurück, an den Fußballwiesen vorbei zu seinem Fahrrad. Es ist schon nach vier, bald kommt der Abend, die Nacht. Gut so. Vorspulen bis morgen.
Bevor er losfährt, wirft er noch einen Blick auf sein Handy, vier neue Nachrichten, aber keine von Sofie. Was immer die Überraschung ist, sie scheint Sofies ganze Aufmerksamkeit zu erfordern. Tobias steckt das Handy ein und fährt los. Gemächlich, er hat alle Zeit der Welt. Besser spät als früh ankommen. Patrick hat gefragt, ob er noch vorbeikommen möchte, die Freunde wollen einen Film schauen, aber Tobias hat abgesagt. Irgendetwas hält ihn ab, lässt ihn in der Stille verweilen, die sich aufgebaut hat.
Merkwürdig. Aber so ist es, so fühlt es sich an. Es ist ein stiller Tag, es ist, als würde der Tag selbst auf etwas warten, regungslos, geduldig, in dem Wissen, das etwas bevorsteht, aber niemand weiß, was es ist.
Zu Hause scheint niemand da zu sein, und Tobias geht direkt in sein Zimmer, verschließt die Tür und beschließt, Musik zu hören. Er weiß auch schon, welche. Die Musik, die ihm Herr Stenger ans Herz gelegt hat, vergangene Woche, er hatte gefragt, was Toby so hört, und Toby hat natürlich, wie aus der Pistole geschossen, gesagt, dass er Ariana la Vega mag, denn Sofie saß neben ihm, und Sofie liebt Ariana la Vega.
Sofie hat gelacht und ihm einen freundschaftlichen, aber ziemlich festen Schlag in die rechte Seite verpasst, es war wie ein angenehmer Stromschlag.
»Komm schon, sei ehrlich«, hat Sofie gesagt.
»Doch, die mag ich wirklich«, hat Toby gesagt. Und das stimmt ja auch, aber eigentlich weiß er gar nicht genau, was er wirklich mag, er kennt sich mit Musik nicht so genau aus. Noch nicht.
Herr Stenger hat ihn nachdenklich angesehen und nach einer Weile gesagt, er könne mal in dieses Album reinhören, das sei zwar etliche Jahrzehnte alt, aber schön und zeitlos. Die Band heißt Talk Talk, das Album Spirit of Eden.
Okay, hat Tobias gedacht. Sofie kannte es auch nicht.
»Ich habe das später entdeckt«, hat Herr Stenger gesagt. »Also, ich war ein paar Jahre älter als ihr jetzt. Aber hört es euch doch mal an, wenn ihr mögt. Und dann reden wir drüber.«
Tobias hat schon den Knopf im Ohr, öffnet die Streaming-App und wird tatsächlich fündig. Musik aus dem vergangenen Jahrhundert. Er lässt sie ablaufen. Da tut sich nichts. Stille, denkt er. Etwas schält sich heraus.
Huch. Würde Donald Duck vielleicht sagen.
Ist das Musik oder ist das Stille? Beides. Die Musik schält sich aus der Stille heraus, um wieder mit ihr zu verschmelzen. Durch das Fenster scheint die Abendsonne, und Toby fragt sich, was das eigentlich ist, dieses Eden aus dem Albumtitel. Mit einer vagen Ahnung tippt er es in die Suchmaske ein, findet einen wonnevollen Ort. Okay. Fast muss er lachen. Ort des paradiesischen Urzustands vor dem Sündenfall. Vor dem Eintritt des Menschen in das von Leid und Tod gekennzeichnete Weltgeschehen.
Hm. Mannomann.
Die Worte klingen nach, er schließt die Augen, lehnt sich zurück und fragt sich, wo Eden eigentlich liegt. Wie groß es ist. Wer da noch lebt, heute, jetzt. Dunkel erinnert er sich daran, dass sie irgendwann darüber gesprochen haben, im Unterricht. Schlange, Sünde. Schlimme Dinge, schöner Garten. Baum der Erkenntnis, Baum des Lebens. Oder so ähnlich. Draußen Sonne, kurz vor Schulschluss.
Unten kommen seine Eltern nach Hause, einen Streit ausfechtend, aber die Musik hat ihn schon abgeholt, trägt