Edward Hopper - Gerry Souter - E-Book

Edward Hopper E-Book

Gerry Souter

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Beschreibung

Hopper stellt in seinen Werken auf poetische Weise die Einsamkeit des Menschen im Angesicht des sich in den 1920er Jahren entwickelnden American Way of Life dar. Inspiriert von Filmen und besonders unterschiedlichen Kameraperspektiven und Haltungen von Filmfiguren decken seine Gemälde die Entfremdung in der Massenkultur auf. Seine Bilder sind in kalten Farben gehalten und von anonymen Charakteren bevölkert und spiegeln auf diese Weise symbolisch die Zeit der Weltwirtschaftskrise wider. Der Autor wirft auf der Basis einer Reihe unterschiedlicher Reproduktionen (Stiche, Aquarelle und Ölgemälde) und mit Hilfe thematischer und künstlerischer Analysen ein neues Licht auf die rätselhafte und gequälte Welt dieses wichtigen Malers.

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Seitenzahl: 222

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Autor: Gerry Souter

Übersetzung: Dr. Martin Goch

Redaktion der deutschen Ausgabe: Klaus H. Carl

Layout:

Baseline Co. Ltd

61A-63A Vo Van Tan Street

4. Etage

Distrikt 3, Ho Chi Minh City

Vietnam

© Confidential Concepts, worldwide, USA

© Parkstone Press International, New York, USA

Image-Barwww.image-bar.com

© Heirs of Josephine N. Hopper, licensed by the Whitney Museum of American Art

Weltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

GerrySouter

EDWARD

Inhalt

Einleitung

Entstehung–eineWeltausLichtundSchatten

Paris, Impressionisten und wahre Liebe

Wendepunkte

Rückkehr, Ablehnung und Flucht

Zu seinen Bedingungen

Die Zeiten ändern sich

Suche in der Ferne – Neue Werkzeuge

Erlösung in Schwarzweiß

Liebe,HeiratundAquarelle

Neue Triumphe – Neue Abenteuer

Unterwegs mit Ed und Jo

DasLebeneinergroßenaltenIkone

Aufstieg und Niedergang

Ruhm, Ehrungen und Konflikt

Konfrontation

Seine Meinung

Die Komödianten

Bibliografie

Abbildungsverzeichnis

Selbstbildnis, 1903-1906.

Öl auf Leinwand, 65,8 x 55,8 cm.

Nachlass von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Einleitung

„DerMannistdasWerk.Ausnichtsentstehtnichts.”

—EdwardHopper

„WennDumeineArtPersonnichtkennst,undwennDuDeineArtPersonnichtkennst,könnteeinvonanderengeschaffenesMusterinderWeltvorherrschenundwirkönnten,indemwirdemfalschenGottfolgen,unserenSternverfehlen.”

—WilliamEdgarStafford(1914-1993),AuszugausARitualtoReadtoEachOther

Edward Hoppers realistische Stiche, Aquarelle und Ölgemälde verschafften ihm von den 1920er bis zu den 1940er Jahren in Amerika eine gewisse Berühmtheit. In seinen letzten zwanzig Lebensjahren kamen dann die Ehrungen, Medaillen, Retrospektiven und Einladungen zu zahllosen Museums- und Galerieeröffnungen, die er häufig ausschlug. Er lebte zurückgezogen, ein Gefangener seiner ehrgeizigen Erziehung und der erniedrigenden Erinnerungen an die frühere Ablehnung, der Bewohner eines gebrechlichen Körpers und der einzige Vertreter einer dunklen und schweigsamen Philosophie, die fast jeden ansprach, der mit seiner Arbeit konfrontiert wurde. Hoppers schöpferische Bemühungen entdeckten Elemente des amerikanischen Lebens, die zurückgelassene, stille Überbleibsel oder bald eintretende Ereignisse zu sein scheinen. Sein Werk ist seine Autobiografie.

Edward Hopper und seine Frau Josephine – später wurden sie fast nur gemeinsam wahrgenommen, weshalb sie auch in der Kunstgeschichte als Einheit gesehen werden – waren 43 Jahre lang verheiratet. Er war 1,96 m groß, während sie nur 1,55 m maß und kupferrotes Haar hatte. Praktisch ihr gesamtes gemeinsames Leben drehte sich um seine Kunst. Josephine Nivison Hopper verfügte selbst über ein bescheidenes künstlerisches Talent. Sie half ihm durch ihre Kontakte, seine ersten Aquarelle auszustellen. In Hoppers Sonnensystem gab es jedoch nur Platz für einen Künstler – ihn selbst, die Sonne in seinem Mittelpunkt. Aber sie schlich sich in seine selbstbezogene Welt. Nach ihrer Heirat wurden die in Hoppers Bildern erscheinenden Frauen mit wenigen Ausnahmen ausschließlich nach Josephines nacktem oder bekleidetem Vorbild gemalt. Neben ihrer Tätigkeit als Modell nahm sie 1933 die Arbeit an einem gnadenlos persönlichen Tagebuch ihres gemeinsamen Lebens auf, das eine Ergänzung zu einer detaillierten Dokumentation seiner Arbeit darstellte, in der sie die Maße, die verwendete Farbe, die Verwendung von Leinwand oder Papier, Öl- oder Wasserfarbe, die jeweilige Galerie und den Verkaufspreis – abzüglich der Provision für den Agenten in Höhe von 33 Prozent – aufzeichnete.

Während ihre eigene künstlerische Karriere unter dem Gewicht seines kreativen Schattens und seiner gefühllosen Gleichgültigkeit in Trümmern lag, arbeitete sie mit ihm als Buchhalterin, Tagebuchautorin, Hausdienerin, gesellschaftliche Stütze, Finanzjongleurin und kreative Xanthippe zusammen. Tropf, tropf, tropf – der permanente Fluss ihrer geschwätzigen Ermutigungen durchdrang die Mauern seiner Blockaden, seine Unfähigkeit zu arbeiten, seine tiefen Depressionen. Sie wusste, welche Knöpfe sie bei ihm drücken musste und wie sie seine Schuldgefühle ausnutzen konnte. Er erinnerte sie dafür ständig an ihren zweitrangigen Status in ihrem Haushalt und als Künstlerin. Sie besprühten einander mit ätzendem Spott und berechnenden Sticheleien und prügelten sich anschließend, bis Blut floss, physisch und emotional. Aber ihre gegenseitige Abhängigkeit blieb bestehen.

Edward und Jo hatten auch schöne Zeiten miteinander, als beide, beginnend in den 1920er Jahren, die Ostküste erkundeten und Zwischenstopps einlegten, um Skizzen und Aquarelle anzufertigen. Sie freundeten sich mit den Menschen an, deren Häuser und Boote und Lieblingsorte Edward malte und zeichnete. Sie wanderten gemeinsam durch die Straßen New Yorks, wo sie Kunst studiert hatten und zur Künstlerszene von Greenwich Village gehörten.

Sie waren von den 1920er bis zu den 1960er Jahren Anhänger der Kunstbewegung des amerikanischen Realismus. Während andere Maler und Bildhauer kamen und gingen, stand Hopper wie ein Fels inmitten des Chaos, das die Impressionisten zunächst willkommen hieß, um sie anschließend abzulehnen, so wie er die Expressionisten und Surrealisten und all die anderen entstehenden „-isten” zunächst zurückwies und dann feierte. Sein Werk brauchte kein Manifest und gehörte zu keiner Schule. Ein Hopper brauchte keine Unterschrift und sein Wert nahm niemals ab. Wie die wertbeständigen Werke von Alexander Calder (1898-1976) und Pablo Picasso (1881-1973) fanden, nachdem er seine eigene kreative Note gefunden hatte, auch seine Stiche und Gemälde immer Käufer. Hoppers zweidimensionale Welt reichte von introspektiven Bildern von Booten, Hügeln und Häusern ohne Menschen bis zu einer schwermütigen Sammlung von scheinbaren Allegorien mit einem schweigsamen Ensemble aus leeren Figuren, die dabei eingefangen sind, wie sie gerade etwas noch nicht erledigt oder etwas getan haben, was sie nun bereuen, oder die darauf warten, dass etwas geschieht, das ihr Leben verändert.

Von seiner Geburt in Nyack, New York, im Jahr 1882 bis zu seinem Tod im Alter von 85 Jahren in seinem Stuhl in seiner Atelier-Wohnung in New York City, in der er 50 Jahre lang gewohnt hatte, verbrachte Hopper seine acht Lebensjahrzehnte mit der Beschäftigung mit Licht und Schatten. Er brachte es bei der Wiedergabe der Abbildung unseres Lebens und unserer Umwelt zur Meisterschaft. Dank Josephine, seiner zwar unterdrückten, aber stets aktiven Helferin, verfügen wir über ein kleines und häufig mit ätzender Säure bedecktes Fenster in seine abgeschlossene Welt. Wir sehen eine fruchtbare Reise durch eine schmerzhafte künstlerische Selbstfindung und eine massive Selbstverleugnung. Wir reisen durch die Entwicklung technischer Fähigkeiten in ein schizophrenes Labyrinth voller von dem Wunsch nach Anerkennung genährtem kommerziellen und künstlerischen Erfolg und Selbstverachtung und gelangen schließlich noch zu seinen Lebzeiten zu seiner Anerkennung als einem der unsterblichen Vertreter großer Kunst.

Jeder Autor beschreibt einen etwas anderen Edward Hopper. Obwohl sein Weg bekannt ist, seine Bekanntschaften dokumentiert sind, alle Daten authentifiziert worden sind und sein Werk katalogisiert worden ist, blicken wir dennoch auf ein Rätsel. Der Mensch und Künstler Hopper bleibt ein Geheimfach mit vielen verborgenen Schiebetüren. An dem letzten geheimen Ort stößt man vielleicht auf den Stein einer Rosette, eine „Rosenknospe”, einen Schlüssel zu seiner Arbeit. Da der einzige Weg zu dem „warum” eines schöpferischen Künstlers über die hinterlassenen Spuren und das, was der Künstler zu offenbaren beschloss, führt, veranlassen diese verstreuten Spuren neugierige Autoren dazu, bequeme Schuhe anzuziehen und zu beginnen.

—GerrySouterArlingtonHeights,Illinois

NiemandkanndieRichtung,diedieMalereiindennächstenJahreneinschlagenwird,korrektvorhersagen,abermirscheinteseineAbscheuvorderErfindungwillkürlicheroderstilisierterEntwürfezugeben.Ichglaube,eswirdeinenVersuch,wiederdieÜberraschungenundZufälleinderNatureinzufangen,sowieeineintimereundeinfühlsamereUntersuchungihrerStimmungenzusammenmiteinemerneutenErstaunenundeinerneuenDemutderjenigenMenschen,diezueinersolcheinfachenReaktionfähigsind,geben.

— Edward Hopper, 1933

NotesonPainting (Auszug)

Jo beim Malen, 1936.

Öl auf Leinwand, 46,3 x 41,3 cm.

Nachlass von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Le Pont Royal, 1909.

Öl auf Leinwand, 60,9 x 73,6 cm.

Nachlass von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Entstehung – eine Welt aus Licht und Schatten

„MeinZielbeiderMalereihatstetsindermöglichstexaktenÜbertragungmeinerintimstenEindrückevonderNaturbestanden.WenndiesesZielerreichbarist,danngiltdies,könntemansagen,auchfürdieVollkommenheitjederanderenIdealvorstellungvonderMalereioderjederanderenmenschlichenTätigkeit.”

—EdwardHopper

Edward Hopper wurde am 22. Juli 1882 in der mittelgroßen, wohlhabenden Stadt Nyack am Hudson, New York, geboren. Hoppers Vater versuchte sein Glück als Händler und eröffnete schließlich einen Kurzwarenladen, der allerdings kein großer Erfolg wurde. Edward kam zwei Jahre nach seiner Schwester Marion als zweites Kind der Familie auf die Welt.

Während sich Hopper senior mit Knöpfen, Stoffballen und Zelluloidkragen abmühte, versorgte Edwards Mutter ihren Sohn und ihre Tochter mit kreativen Werkzeugen aus der Welt der Kunst und des Theaters. Kreide und eine Schiefertafel stellten für den jungen Edward schon früh ein wertvolles Besitztum dar. Er konnte nach Herzenslust zeichnen und auswischen, aber dafür mangelte es auch gelungenen Schöpfungen an Dauerhaftigkeit. Er begann früh damit, Skizzen zu zeichnen und zu malen und nahm bei seinen häufigen Ausflügen in die nahe gelegene ländliche Umgebung sein Skizzenbuch mit.

Das Haus der Hoppers am North Broadway 82 gehörte Elizabeths verwitweter Mutter, Martha Griffiths Smith, und war 1879 der Schauplatz der Heirat von Liz und Garrett gewesen. Es handelte sich um ein zweistöckiges, von Bäumen geschütztes, mit Simsen dekoriertes Haus, das an der Vorderseite eine Veranda hatte und dessen Wände unter tief sitzenden Dachvorsprüngen Fenster mit Fensterläden aufwies. Für Edward verkörperte dieser Ort mit seinen dunklen Fenstern, die nichts von dem Leben innen verrieten, sein Zuhause, persönliche Einsamkeit und einen Zufluchtsort in seinen frühen Jahren. In seinen Bildern sollten häufig Pendants dieses Hauses zu sehen sein.

Edward und seine ältere Schwester Marion besuchten Privatschulen und kamen heim in die von einer irischen Dienstmagd geputzten Räume. Botenjungen brachten Lebensmittel und andere in der Stadt getätigte Einkäufe ins Haus. Seine gesamte High School-Zeit über hatte Edward überdurchschnittliche Zensuren. Französisch war eines seiner Lieblingsfächer und er erlernte diese Sprache so gut, dass er sein ganzes Leben hindurch Französisch lesen konnte.

Hopper verbrachte seine Kindheit und die Pubertät mit Spaziergängen am Ufer eines nahe gelegenen Sees, an dem im Winter Eis abgebaut wurde. Er skizzierte die Boote, die Menschen und die Landschaft. Die Bootindustrie florierte in Nyack, und die Docks am Fluss wurden für Edward und seine Freunde beliebte Aufenthaltsorte. Sie gründeten den BoysYachtClub und segelten mehr oder weniger gut. Edward erhielt sich sein ganzes Leben hindurch eine Liebe zum Meer und zu Booten.

Hoppers religiöse Erziehung in der baptistischen Sonntagsschule bildete einen Kontrast zu der Freiheit seiner Jugend. Er sog die Lehren über den Lohn einer bescheidenen Lebensführung und die rechtschaffene Notwendigkeit auf, sich von den Freuden der Lust und Sexualität und anderem „unmoralischen Verhalten” fernzuhalten. Seine Zurückhaltung und sein häufig lang anhaltendes Schweigen gingen später in Phasen tiefer Depression über, wenn seine von ihm selbst erkannten Fähigkeiten ihn im Stich ließen und seinen Ehrgeiz nicht länger stützen zu können schienen. Er hatte schon in seiner Jugend eine gelassene Maske entwickelt, hinter der er sich verstecken konnte und hinter der er die seine Karriere prägenden Dämonen scheinbarer Unzulänglichkeit einsperren konnte.

Wenn Garrett Hopper seinem Sohn überhaupt etwas hinterließ, so seine Leseleidenschaft. Während Hopper senior sich mit seinen Konten und Geschäftsbüchern abmühte, fühlte er sich in seiner Bibliothek mit Regalen voller englischer, französischer und russischer Klassiker wirklich wohl. Edward flüchtete sich in die Bücher von Hugo, Tolstoi und Turgenjew, um Worte für die Gefühle zu finden, die er nicht offenbaren konnte. Er nutzte die Bücher seines Vaters als Zufluchtsort.

Bereits 1895 kam Hoppers natürliche Begabung in seinen technisch gut ausgeführten Ölbildern deutlich zum Ausdruck. Er fand großen Gefallen an Details in seinen makellosen Zeichnungen von Marineschiffen und der sorgfältig beobachteten Takelage der in den Werften von Nyack gebauten Rennjachten. Sein ganzes Leben hindurch kehrte er immer wieder zum Meer und zur Küste zurück, zu dem sich auf unterschiedlichen Blautönen immer wieder in Weiß neu darstellenden Himmel und zu den wellenförmigen Felsen vor sich lang hinziehenden und mit Gräsern bedeckten Dünen.

Im Jahr 1899 hatte er die High School abgeschlossen und wandte nun seinen Blick auf die große Stadt den Hudson hinunter, das Zentrum der amerikanischen Kunst. Hoppers Mutter achtete darauf, dass Edward und Marion mithilfe von Büchern, Drucken, Zeitschriften und Abbildungen Bekanntschaft mit der Kunst machten. Sie gab eine beträchtliche Summe für Farben, Kreide, Pinsel, Bleistifte, Malpapier, Tuschefedern und Skizzenbücher aus. Während Marion sich mehr für das Schauspiel interessierte, übte Edward unterschiedliche Kunsttechniken. Er beobachtete, wie das Licht den Gegenständen Kontur verlieh oder diese nahm und wie die Linien Formen schufen und das Auge lenkten. Während seiner Schulzeit kopierte er die Zeitschriften-Titelbilder der großen Illustratoren der damaligen Zeit: Edwin Austin Abbey (1852-1911), Charles Dana Gibson (1867-1944) oder Gilbert Gaul (1855-1919) sowie die Skizzen alter Meister wie Rembrandt (1606-1669) und Jean-Auguste-Dominique Ingres (1780-1867). Hopper absorbierte all diese großartigen Vorbilder, erhielt sich aber seinen Sinn für Humor, quasi als Sicherheitsventil, um unter Druck einige der hohen Erwartungen ablassen zu können. Seine Karikaturen und spöttischen Schriften blieben ihm auch erhalten, als sein der Welt zugewandtes Antlitz mit zunehmendem Alter immer härter wurde. Auf diese Weise artikulierte er häufig tief empfundene Emotionen, aber verkleidet durch Witz, um die Aufmerksamkeit nicht auf den Menschen hinter dem Bleistift zu lenken.

Ermutigt durch die faktische Zustimmung seines Vaters und die auf einen Beruf orientierte Unterstützung seiner Mutter, entschied er sich für eine Laufbahn als kommerzieller Illustrator und schrieb sich in der NewYorkSchoolofIllustrating in der West 34th Street 114 ein.

Um die Jahrhundertwende erlebte das Genre der Illustration für Zeitschriften und Plakate sein „Goldenes Zeitalter”. Die Drucktechnik transformierte mittels der fotografischen Methode der Übertragung mit einem Raster die vollendete Zeichnung auf die Druckplatte. Die Freiheit, zahlreiche unterschiedliche Medien einsetzen zu können, stattete den Künstler mit einem ganzen Spektrum der Interpretation aus.

Da es sehr viele Geschichten, Plakate, Zeitschriften und Werbeprospekte zu illustrieren gab, herrschte große Nachfrage nach Illustratoren, die Termine einhalten konnten und intelligent genug waren, die Kernidee für ein Bild zu erfassen. Man konnte in diesem Beruf gut verdienen. Publikationen und Unternehmen, die ihren öffentlichen Auftritt mithilfe der Arbeit dieser Männer gestalteten, achteten die Arbeit der erstklassigen Vertreter dieser Kunst hoch.

Hopper pendelte täglich zwischen Nyack und New York und arbeitete in den Kursen und zu Hause an den vom „Dekan” der Schule, Charles Hope Provost, erstellten „Übungsblättern”. Hopper hatte nach der High School bereits viel Zeit damit verbracht, Illustrationen seiner Lieblingskünstler zu kopieren und auf der Basis der Literatur eigene Skizzen von Szenen und Charakteren zu zeichnen. Nach einem Jahr von Provosts oberflächlichem Unterricht wollte Hopper neben der kommerziellen Illustration auch die Schöne Kunst studieren. Seine Eltern stimmten zu, auch diese monatliche Kursgebühr von 15 Dollar zu zahlen, und 1900 war sein Portfolio gut genug, um die Aufnahme an der NewYorkSchoolofArt

Île Saint-Louis, 1909.

Öl auf Leinwand, 59,6 x 72,8 cm.

Schenkung von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Après-Midi de juin (Nachmittag im Juni), 1907.

Öl auf Leinwand, 59,7 x 72,4 cm.

Nachlass von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Chase war ein Produkt des europäischen Akademiesystems des 19. Jahrhunderts. Er stammte aus Williamsburg, Indiana, zeigte schon früh künstlerisches Talent und fand in St. Louis ausreichend Unterstützung, um in Europa studieren zu können. So ging er 1872 an die KöniglicheAkademie in München. Bei seiner Rückkehr in die USA gegen Ende der 1870er Jahre gingen die Kunstkritiker und die Kunstszene davon aus, dass er einer der großen amerikanischen Maler werden würde. Sie sollten jedoch enttäuscht werden.

Chases Stil war vom europäischen Realismus geprägt, und seinen Themen mangelte es an einer „amerikanischen” Note. Da das moralische Klima sich einer erbaulicheren Fiktion zu- und von der niedrigen und ungeschminkten Realität des Lebens in Amerika gegen Ende des 19. Jahrhunderts abwandte, nahm er die Pose des flâneur ein, ein französischer Terminus für einen distanzierten Beobachter des Lebens. Chase malte nach dem Leben, aber nach einem erbaulichen, moralischen, zivilisierten Leben, das die Kunstkäufer aus der Oberschicht und Kunststudenten, die ihre Bilder verkaufen wollten, ansprach. Seine Lektionen über die Komposition und seine makellose Technik waren jedoch für viele seiner Schüler, die ihn übertreffen sollten, sehr wertvoll: Marsden Hartley (1877-1943), Charles Demuth (1883-1935), Georgia O’Keeffe (1887-1986) und Edward Hopper.

Der junge Kenneth Hayes Miller (1876-1952) war ein weiterer Lehrer Hoppers. Während er an der Kunstschule in New York unterrichtete, entwickelte Miller seinen Malstil, der zu Beginn der 1920er Jahre zur Blüte gelangte. Ein Kunstkritiker bezeichnete seine üppigen urbanen Gemälde als einen „… Versuch, Tizian auf der 14th Street heimisch werden zu lassen und Veronese in ein Kaufhaus zu zwängen.” Er wandte auch die Maltradition des 19. Jahrhunderts an, seinen Figuren dadurch Gewicht und Substanz zu verleihen, dass er unter dünnen Farbschichten mehrere Schichten Impasto aufbaute. Weil Miller die Realität der Straße darstellte, zog Hopper Miller eindeutig William M. Chase (1849-1916) vor, dessen verfeinerte Fiktionen noch in der Tradition der europäischen Akademien verhaftet waren.

Wenn der junge Edward jeden Morgen in Nyack aufstand, um den Zug nach Hoboken und die Fähre nach New York zu nehmen, war er ein faktisch autodidaktisch ausgebildetes, nach Orientierung suchendes Rohtalent. Dieses Talent verschaffte ihm rasch den Spitzenplatz in Chases Illustrationskurs, wo er mit lebenden Modellen in verschiedenen Kostümen und der Herausforderung konfrontiert wurde, sich in einen Raum voller arbeitender Künstler „einzufügen”. Seine Mitstudenten waren ein wilder Haufen energiegeladener junger Männer, die nach der stundenlangen Beschäftigung damit, wie ein Schatten die Form einer Wange definiert oder nach endlosen Übungen mit der Kante eines Kohlestifts auf vollkommene Weise die Rundung des Oberschenkels des Modells unmittelbar über dem Knie abzubilden, nach Entspannung suchten. Und diese war so intensiv wie die Konzentration.

Viele dieser „Jungen” sollten Ikonen der amerikanischen Kunstwelt werden: George Bellows (1882-1925), Rockwell Kent (1882-1971), Guy Pène du Bois (1884-1958), Clarence Kerr „Chat” Chatterton (1880-1973) und Walter Tittle (1883-1966). Andere, wie der Dichter Vachel Lindsay (1879-1931) und der Schauspieler Clifton Webb (1889-1966) akzeptierten ihre mangelnde Begabung für das Zeichnen und wurden herausragende Figuren in der Welt der Literatur und des Theaters.

Die kommerzielle Illustration und ihre praktische Anwendung nahmen in Hoppers Ausbildung immer noch einen Platz ein, da auch Rechnungen bezahlt werden mussten. Hoppers Studien beinhalteten Kurse mit den Illustratoren Arthur Keller (1866/1867-1924) und Frank Vincent DuMond (1865-1951). Er beneidete die großen Illustratoren seiner Zeit immer noch um ihre Fähigkeit, das Leben auf einer Seite einzufangen.

Um die Jahrhundertwende hatte der Impressionismus mit seinem hauchfeinen Spiel mit dem Licht von Malern wie Edgar Degas (1834-1917), Claude Monet (1840-1926), Georges Seurat (1859-1891) und Camille Pissarro (1830-1903) sowie den greifbaren Formen von Künstlern wie Édouard Manet (1832-1883), Vincent van Gogh (1853-1890) und Paul Cézanne (1839-1906) Europa völlig durchdrungen. Sowohl Chase als auch Hoppers nächster großer Einfluss, Robert Henri (1865-1929), der 1902 seine Lehrtätigkeit an der NewYorkSchoolofArt aufnahm, schickten Hopper und seine Mitstudenten in das MetropolitanMuseumofArt, um dort Édouard Manet zu studieren.

Henri (ausgesprochen: RYE) hatte in Frankreich studiert, strebte einen neuen Ansatz in seiner Lehrtätigkeit an und las und diskutierte in seinen Kursen auch verschiedene Autoren. Hopper, der chronische Leser, war von Henris Verschiebung der kreativen Prioritäten fasziniert. So wie Chase die Kunst um der Kunst willen gelehrt hatte, lehrte Henri die Kunst um des Lebens willen.

Hoppers Aktstudien unter Henris Anleitung aus den Jahren 1902 bis 1904 zeigen die Modelle als von Licht und Schatten geformte massive Körper und weniger als lineare, im Raum schwebende Figuren. Ihre Gesichter weisen keine Identität auf, aber jeder Körper wird architektonisch gestützt, und die vom Licht modulierten Oberflächen unterliegen auf jeder Ebene der Schwerkraft und der Individualität. Hopper malte eine dieser Studien nach der anderen und eine nach der anderen erhielten sie in der Ecke Henris roten Farbtropfen als Zeichen seiner Anerkennung.

Bis zum Jahr 1905 hatte Hopper eine Ablehnung gegen Chases Stillleben und seine inszenierten Vorlesungen an die ganze Klasse von der Staffelei eines glücklosen Studenten aus entwickelt. Henri sprach leise mit jedem einzelnen Künstler. Seine Erwartung, dass die Studenten über die Grenzen des Ateliers hinaus auf ihre eigene Welt blickten, führte in den Jahren von 1904 bis 1906 zu einigen von Hoppers am deutlichsten die Zukunft vorwegnehmenden Arbeiten. Diese vertikalen Kompositionen zeigen Schnappschüsse des Landlebens und nehmen Hoppers zukünftigen minimalistischen Ansatz, seinen starken Kontrast zwischen Licht und tiefen Schatten, um Massen aufzuhäufen und mit das Auge auf sich ziehenden Details zu verzieren, vorweg. Es mangelt ihnen jedoch an der Reife seiner späteren Arbeiten zu vergleichbaren Motiven.

Hopper aber wurde ein herausragender Student. Er gewann ein Stipendium für das Zeichnen nach dem Leben und während eines Wettbewerbs der Kunstschule den ersten Preis für Ölmalerei. Seine Ausbildung wurde in den Jahren 1903 und 1904 durch diese Auszeichnungen, die dazu führten, dass er selbst Samstagskurse im Zeichnen nach dem Leben, in Komposition und im Zeichnen und Malen gab, vorangetrieben.

Edward Hopper blickt uns aus den gerahmten Selbstbildnissen aus dem Jahr 1905 (u.a.) unter kompromisslosen Augenbrauen aus tiefblauen Augen und über einer wohlgeformten und nicht zu großen Nase an. Der verdrießliche, breit gestreckte Mund mit der dünnen, gegen die herausfordernde, energische Oberlippe gepressten Unterlippe verrät ihn jedoch. Hopper malte sich ungeschminkt und präsentierte auf der Leinwand ein Bild der Unerbittlichkeit. Seine ruhelose und rücksichtslose Natur trieb ihn sein gesamtes Leben.

Hopper begann, in Teilzeitarbeit Aufträge als kommerzieller Illustrator anzunehmen. Er produzierte zwar einige Arbeiten, war aber nicht mit dem Herzen bei der Sache. Er hatte sieben Jahre studiert und eine große Menge an Wissen angesammelt, das jetzt nach Anwendung verlangte. Während er seine Technik in verschiedenen Medien verbessert und verfeinert hatte, war auch sein Denken über die Kunst berührt worden. Er musste nun wissen, ob seine eigene Persönlichkeit, die Summe seiner Erfahrungen, auf die bemalte Oberfläche übertragen werden konnte und ein Publikum finden würde. Er suchte nach einer Gelegenheit, seine Sehnsucht, ein echter Künstler zu werden, umzusetzen.

Les Lavoirs à Pont Royal (Die Waschküchen am Pont Royal), 1907.

Öl auf Leinwand, 74,9 x 88,3 x 4,4 cm (Rahmen).

Nachlass von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Parc de Saint-Cloud (Park von Saint-Cloud), 1907.

Öl auf Leinwand, 74 x 86,7 cm.

Nachlass von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Paris, Impressionisten und wahre Liebe

Im Oktober 1906 wählte Hopper den Weg, den die meisten Künstler der damaligen Zeit beschritten: eine Reise nach Paris, dem kulturellen Schrein der Welt. Der große Junge aus Nyack, New York, machte sich im Alter von 24 Jahren auf den Weg, diese Kunstmetropole zu sehen. Im gleichen Monat, in dem Hopper seine Reise antrat, starb Paul Cézanne, dessen Werk erst später Aufmerksamkeit erregen sollte. Von der mächtigen Gruppe impressionistischer und post-impressionistischer Maler, die die Kunstwelt umgekrempelt hatten, war nur noch Edgar Degas übrig. Er lebte, praktisch blind, nach wie vor in Paris und schuf mithilfe seines Tastsinns Tonskulpturen. Die Öffentlichkeit nahm auch ihn erst nach seinem Tod wirklich wahr.

Aber die neue Kunstrichtung hatte sich doch schon einen gewissen Ruf erworben, sodass junge Männer – und einige hartnäckige junge Frauen – mit Farbkästen und faltbaren Staffeleien die Ufer der Seine mit ihren Brücken, das Quartier Latin und den Montparnasse bevölkerten. Sie füllten die Tische im Dôme und im Moulin Rouge. Die Prostituierten machten ebenso gute Geschäfte wie die Zuhälter, und viele junge Künstler, aus denen letzten Endes doch nichts werden sollte, verkauften ihr Talent für billigen Wein oder Absinth und saßen an mit Gläsern und kleinen Tellern auf mit Graffiti vollgekritzelten Papiertischdecken bedeckten Cafétischen.

Automobile mit Speichenrädern fuhren vorüber und kündigten sich an Kreuzungen mit ihrem Hupen an. Sie trugen mit ihren Abgasen und dem Aroma verbrennenden Rizinusöls zu dem Holz- und Holzkohlenrauch aus Millionen von Schornsteinen zu der über der Stadt hängenden Dunstglocke bei. Die Straßen waren mit Pferdeäpfeln bedeckt. Öffentliche Toiletten und Abwasserwagen steuerten jeden Morgen ihre Gerüche bei, die fast denjenigen der Baguettes übertünchten, die in Karren von Bäckereien zu Restaurants gebracht wurden, damit sie gegessen werden konnten, bevor sie sich in hartes, krümeliges Vogelfutter verwandelten. Paris war ein Schmelztiegel der Aktivität, der Gerüche, großartiger Architektur und wies viele Inseln geruhsamer Zeitlosigkeit auf. All dies war einem Amerikaner, der von dem Drang erfüllt war, erfolgreich zu sein, völlig fremd.

Am 24. Oktober traf Edward Hopper in der von Mme Louise Jammes, einer Witwe mit zwei Söhnen im Teenageralter, geleiteten ÉgliseEvangéliqueBaptiste in der rue de Lille 48 ein. Die Hoppers kannten sie durch ihre Kirche. Sobald er nur konnte, trug Edward eine Grundierung aus Gesso (ital.: Begriff für Gips oder Kreide) auf einige etwa 40 x 20 cm große Holztafeln auf und machte sich mit seinen Farben und Pinseln auf den Weg. Die Farben in seinem Kasten spiegelten die dunkleren Töne wider, mit denen er unter Henris Anleitung in New York gearbeitet hatte: Braun- und Grautöne, Creme, Umbra, Himmelblau und Ockergelb. Sein Auge suchte sofort nach Konstellationen geometrischer Formen. Lichtstrahlen und -streifen auf Oberflächen verliehen den Bildern Tiefe und eine gewisse Dynamik der Erwartung. Wo keine Menschen waren, wirkte es so, als ob gerade jemand von einem Fenster zurückgetreten oder eine Menschenmenge gerade über eine nun verlassene Brücke gegangen war.

Nach Jahren, in denen er in der Kunstschule lebende Modelle gemalt und für seine kommerziellen Illustrationen fröhliche junge Menschen gezeichnet hatte, verschwanden die Menschen nun weitgehend aus seinen Bildern und erschienen nur noch als entfernte Elemente der Komposition – bloße Tupfer des Pinsels oder Objekte mit der Gestalt von Menschen.

Auf der anderen Seite skizzierte er, wenn er nicht in Öl malte, die Bevölkerung der Pariser Straßen und schuf Wasserfarbenkarikaturen aus der demi-monde und den unteren Schichten der französischen Gesellschaft. Diese Charaktertypen waren nicht neu für ihn. Noch während der Kunstschulzeit hatte er auf der 14th Street ein kleines Atelier angemietet, und in dieser Gegend spazierten die Prostituierten mit unverschämtem Selbstbewusstsein durch die Straßen. In seinen Briefen nach Hause erwähnte Hopper die Grazie der französischen Frauen und die verkümmerten Erscheinungen der französischen Männer.

Le Pont des Arts, 1907.

Öl auf Leinwand, 59,5 x 73 cm.

Nachlass von Josephine N. Hopper,

Whitney Museum of American Art, New York.

Nach dem schmutzigen Chaos von New York jedoch erschien Paris sauber und einladend. Gekleidet in seinen Maßanzug, ein Hemd, eine Krawatte und, wenn das Wetter es zuließ, mit einem Strohhut auf dem Kopf, verbrachte Hopper viel Zeit damit, durch die Parks und über die baumbesäumten Wege des JardindesTuileries zu wandern, den Kapellen in den Gartenlauben zuzuhören und dabei zuzuschauen, wie die Kinder in den Springbrunnen ihre Boote schwimmen ließen. Während das Leben bei den Hoppers eine ruhige Oberfläche aufgewiesen hatte und es verpönt gewesen war, Gefühle öffentlich zu zeigen, muss Paris auf den gehemmten jungen Künstler wie ein Süßwarengeschäft mit weit geöffneten Türen gewirkt haben.

Hopper hatte für die berühmten Straßencafés am Boulevard du Montparnasse und Boulevard Saint-Germain nur wenig übrig. In den Worten von Patricia Wells von der NewYork