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Ach, Egon wusste bestens, wie unpopulär "Gott" geworden ist. Wenn ein neues Videospiel schon auf dem Cover "noch mehr Gewalt und Sexualität" verspricht, interessieren sich die Leute tendenziell stets für jenes, welche die noch grössere Ablenkung verspricht. Ablenkung von was aber, fragte sich Egon. In solchen Situationen, und solche, wo eine Wertepriorität vorliegt, gibt es sehr viele im Alltag, wandte sich Egon meistens ab. Er selber hatte nämlich keine Gelegenheit für Ablenkung. Zu stark wurde er gelenkt, zu heftig waren die Manöver. Er musste nach innen, er wurde gewiesen, gedrängt, dahin gezwungen. Von wem? Je weiter er nach innen ging, desto klarer wusste er: er hatte recht mit seinem persönlichen Vorzug. Denn hier drinnen glich alles immer mehr diesen Videospielen. Er fand das zum Davonreisen! Wohin? Es gab nur eine Antwort. Für viele war sie missverständlich, unlust- oder sogar angstbesetzt. Für Egon war sie als einzige "verbindlich", "ver-lässlich", und zwar sowohl im Guten, wie im Zweitbesten. Er meinte zu wissen, dass Gott es anders sah. Nach seinem Auge schaute er aus. Wenn er sich darin fand, ja nicht einmal das; wenn er nur schon seinen Blick sah, erhaschte, ganz kurz einmal, neben ihm, dann war er erlöst. Dann war er sich nicht mehr auf den Fersen.
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Seitenzahl: 128
Christoph Weisser
Egons Wirklichkeit
Anhand biografisch kommentierten Visualisationen
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Anstelle einer Einleitung
83 Minidrama
165 Feng Shui für Sportler
203 Tanzdarbietung
204 Kunstturnen
308 Der müde Tierhalter
339 Spät noch einmal jung
370 Speed Demon
371 Kindstrotz
374 Menschlich verzweckt
382 Kellertheater
385 Hypochonder
392 Die Linke
395 Kinderpflichten
412 Live
419 Sichtweisheit
423 Vom Senfkorn
424 Nicht frei schweben
438 Neue PS
471 Viehschau
473 Doppelwesen
481 Exkurs über die Nabelschnur
484 Die Zaubergrenze
486 Wegen Knochen grosse Kebap-Feier geplatzt
487 Eros and politics
490 Himmelsritt
493 Schnee, der auf der Haut nicht schmilzt
497 Jagdtrophäe in Spe
501 Die Glotze
507 Rob
508 Q-Manager
525 Geschoren
526 Hohnspots
527 Alles Laien
530 Fussabstreifer
540 Besticht
546 Am Sterbebett
554 Vorbildcharakter
555 Kinder?!
562 Offene Rollläden
565 Run, Ronnie
566 Aquis submersus
567 Jojo
573 Videografik
575 Numerologisch
582 Bildhafte Einfühlung
595 Elixier mit Glas
606 Heilungseinsicht
610 Hemoccult
611 Fright
633 Fremdenergie
657 Sorgerecht
658 Adolf Nobel
661 Letzte Ehre
663 Mahnrufe
664 Tolle lege
666 Lie-B-B-B-e
669 Zyprexa
671 Geist und Körper
672 Spekulation
673 Mitgift
674 Limou
679 Komplett von der Stange
687 Das dritte Ohr
689 Hörhilfe
695 Zweiteilig&zeitweilig
696 Kniffs und Co.
698 Das Staunen üben
704 Der seidene Schuh
705 Mein hochverehrtes Bühnenbild
714 Schwachheit
745 Wettbewerbstauglich
763 Déformation professionnelle
767 Die Ameise hatte nämlich den Löffel geschmissen
771 Nur eine Wirklichkeit
772 Schwanensee
774 Art und weise
781 Der Rhythmus im Selbstportrait
783 Aufgebort (Die Party)
786 Still
792 Der Graf
793 Der Korb
795 Man sieht nur mit den Fühlern gut
796 Schriftlich
802 Das Tier in dir
814 Alternative Wohnkultur
822 Vergeblich oder Metabolismus des Geistes
829 Verlustzuwachs
832 Näher
834 Bodenständig
885 Darstellerische Ergänzung
900 Wiener Hofreitschule goes Pop
901 Ich komme zur Welt
909 Autodafé der Aasgeier
913 Unlauterer Wettbewerb
916 Voll daneben
917 Zauber (I don’t like Mondays)
920 Traumwunsch
925 Äusserst skrupulös
926 Gesunde Verdauung
932 Eigenregie
933 Fetisch
953 Zeitzeichen
956 Aboriginell
957 Pferderücken
981 My oh my
982 Ungetrennt
Impressum neobooks
Eine unsystematische Reflexion über Egons Grundvoraussetzungen
Was war es, was konnte es sein, das Egons Sinn für Wirklichkeitandersmachte? Ganz einfach: seine Introversion.
Für wen immer die Introversion zutrifft, der wird seinen Sinn für Wirklichkeit auf die Reflexion der Umgebung auf seinindividuellesInnere abstützen.
Egons individuelles Innere: da wird es allerdings schon schwieriger. Zu bestimmen, beispielsweise, ob sein Inneres mit „Seele“ gleichzusetzen wäre, denn bleibt die „Seele“ inihremInnern nicht ungerührt, „selig“, blind vertrauend und doch „sehend“, bei allen stürmischen Gedanken, Gefühlen und Treiben?
Egons Innere umschlossbeide Bereiche: Die Stürmeunddie Stille. Gleichzeitig über- und hintereinander.
Manchmal fegten Stürme über alles hinweg und liessen scheinbar alles in Fetzen zurück. Und dennoch blieb etwas unangetastet.
Egon fühlte sich ein wenig gefangen zwischen dem Fluch und dem Segen dieses Umstandes. Ein Umstand, den vermutlich jeden traf, aber ihn, wie es ihm schien, am deutlichsten, am „klarsten“. Er „litt“ darunter und wollte sich befreien. Aber er war doch eigentlich schon frei; er war im Quervergleich mit anderen jedenfalls schon ziemlich frei, wenn es denn wirklich um einen „Befreiungs-Prozess“hinsichtlich dieses Empfindens ging. Nur fühlte er sich seiner nicht mächtig. Er fand nicht, dass er sein Leben meisterte. Das Leben „meisterte“ ihn, und dieses letztere kam ihm vor,wie ein verrücktes, schwarzes Pferd; eines, das ausschlug, biss und herumwirbelte, obwohl jeder gesagt hätte, dass kaum einer stiller, ruhiger, vielleicht sogar bedachter wirkte als Egon. Dann sah man allerdings nicht sehr genau hin. Denn ständig war Egon damit beschäftigt, sein aufgeschrecktes Innere zu besänftigen; „spontanen“ Anflügen von Ideen und Emotionen Vernunft, Geduld,Hoffnungentgegen zu tragen. Hoffnung worauf? Diese irrationale Angst zu verlieren, diesen Schreck, der ihm die Kraft raubte… Die Kraft wozu?
Nun, dieses Innere formt für alles die Basis, nicht wahr? Sie bildet eine Existenzgrundlage. Und wenn das Innere ständig bebt… Wenn man es nicht merkte, wäre es dann besser? Aber Egon spürte das Innere ständig beben; nichts besänftige dauerhaft sein verrücktes Pferd. Eine Fliege mochte von der Stallluft angezogen werden und schon begann der gewaltige Leib des Tieres zu zittern, so dass die schwere Masse für einen Bruchteil der Sekunde ihr Gewicht verlor, es sie ab Boden hob, die Masse scheinbar fliegen konnte…
In einem solchen Moment war Egon hellwach. Nachdem er sich an die Gegenwart der Fliege gewöhnt hatte, beruhigte er sich wieder, fühlte sich ein wenig flau, und das Herz galoppierte weiter…
Ein solcher Umstand, selbst wenn er hier übertrieben dargestellt wäre – was führte denn zu dieser Übertreibung, wenn nicht die Beschreibung ihrer Ursache? – wirkt natürlich prägend. Es braucht keine grosse Fantasie sich vorzustellen, dass eine Lebens-Einstellung– noch vor jederBewältigung– mit solch einer „Basis“, ein wenig alternativ ausfallen wird. Ihr werden sich Prioritäten aufzwingen, die sich von anderen Zugängen der Selbstverwirklichung unterscheiden.
Ein Haufen Dinge fallen zum vorne herein weg. Um Statussymbole zu sichern, dazu fühlt sich so einer kaum in der Lage. Was sich eher anbietet ist eine Vogelstrausspolitik, im besten Sinn: man schaut zu, wie die Wirklichkeit unter der Oberfläche aussieht. Und hier gibt’s bei wachem Sinn und offenem Auge einiges zu entdecken, selbst wenn der Sand etwas heiss oder es zu dunkel wäre, um wirkliche Dinge zu erkennen. Als Mensch, solang man lebt, sieht man trotzdem…
Egon nannte seine Sichtaufnahmen „Visualisationen“.
Es war nicht so, dass Egon im eigentlichen Sinne „blind“ war gegenüber der Weltwirklichkeit. Nur vermochte diese lediglich in Ausnahmeerscheinungen sein Inneres beruhigen. Das meiste, was sie vorwies, scheuchte dieses eher auf. Egon mochte noch so sehr ihre beschaulicheren Anteile für sich herausfiltrieren, sie erwiesen sich in den konkreten Umständen doch als zu wenig essentiell und tragend. Aber just dazu exzerpierte Egon ja eigentlich seine Bildausschnitte. Er bearbeitete sie mit Kniffs und all jenem Werkzeug, das ihm in seiner Schreibbude zur Verfügung stand; er hobelte und verdichtete, um sie gemäss seinen seelischen Bedürfnissen und seinem geistigen Anspruch zu assimilieren…
So fügte sich, in kleinen Stücken,seineWirklichkeit zusammen.
Die Kiste lässt sich nach vier Seiten hin öffnen und offenbart ein Miniaturtheater (hinter Kipptürchen befinden sich Figuren) das von kleinen Spots beleuchtet wird. Hier werden zeitgenössische Stücke in klassischer Manier aufgeführt.
Egon hatte diese Vorstellung des Innern als eine dunkle Kiste. Sie ist nicht ganz so harmlos. Was sich darin findet, das hängt ab von unterschiedlichen Konditionen. In gewissen Zuständen finden sich grässliche Dinge drin. Es mag einem ähnlich gehen mit den Träumen. Aber Egon wusste um die Kiste auch als „Kapital“, ohne damit an wirkliche Geldressourcen zu denken. Schätze können daraus geborgen werden, man braucht sie nur vorsichtig zu „liften“.
Egon dachte sich diese Kiste auch gern als Raum und warum nicht als unvoreingenommner, unverzweckter Raum: als Bühne, als leere Fläche? Wäre damit die Ausgangslage nicht sogar doppelt kreativ? Hierauf würde man doch Dinge stellen können – nein, nicht nur Gegenstände; auch Figuren, Atmosphären und „Geschichten“ – die sich auf noch ganz anderen „Böden“ dieser grossen „Innenkiste“ befinden.
An diesem Punkt des Gedankenganges angekommen, leuchteten in Egons oft trübem Geist wieder die ersten Lichter wie Funken von Bühneneffekten auf. „Ein Raum, ein kultivierter Raum“, sprach er zu sich, „wo alles, ja all dies stattfinden kann, was mich bewegt, nur welches ich in mir selber nicht bewegen kann!“
Oh, er hatte manch eine „Geschichte“ zu erzählen! Ganze Skriptrollen füllten seine Kistenunterder Bühne. Sie standen geschrieben in einer alten, verschlüsselten, unverständlichen Sprache von Symbolen…
Zwei Bodenturner führen in einem Ring mit leuchtend gelber Matte einen rituell wirkenden Kampf aus, indem sie einander als Pferd für Kunstsprünge standhalten.
Egon machte jeden Tag Gymnastik. Diese körperliche Disziplin war für ihn Pflicht. Ermusste- er hatte keine Wahl - sich stärken, wenn er bestehen wollte. Und er musste bestehen, denn die Alternative dazu war etwas grob. Er bestand nämlich schon wenig genug; er schaffte grad, mit Ach und Krach, das Minimum.
Kam dazu eine gewisse Eitelkeit, aber das machte einen – wörtlich verstanden – verschwindend kleinen Anteil an der Sache aus. Er wusste: er konnte trainieren, soviel er wollte, er würde keine „Muskeln“ bilden im eigentlichen Sinn. Dazu waren andere vorbestimmt, die dafür nicht mal gross trainieren mussten. Das einzige, was Egon herausholen konnte, war eine gewisse Haltung. Eine gewisse Körperhaltung, ja, aber auch eine Art innerer Streitbarkeit. Er mochte Streiten ursprünglich nicht besonders; er war sogar traumatisiert von gewissen, scheinbar vollkommen fruchtlosen Kämpfen - wobei „fruchtlos“ ein Kosename ist. Das glaubte er zumindest. Und vom Glauben, nicht wahr, hängt so vieles Weitere ab.
In der Tat beging Egon seine körperliche Fitness mit wachsender Zuverlässigkeit. Hätte ihn jemand aufgefordert, dreimal ums Haus zu laufen und fünfmal die Treppe hoch und runter, das wäre wohl eine der wenigen Herausforderungen gewesen, die ihn nicht so leicht in Verlegenheit gebracht hätten. Nach spätestens einer halbe Stunde wäre ja alles wieder vorbei gewesen. Er tat sich in der Tat immer noch schwer genug an allem, selbst wenn er in der Lage war, sich ein paar Mal vom Boden zu stemmen.
Wie immer: ästhetische Vorstellungen, auch im Belang von Sport und Fitness, gehörten zu seinen… Nennen wir sie einmal „innere Animationsbilder“. Er mochte sich eine Situation ausdenken wie im kleinen Text hier drüber, und es ging ein bisschen die Sonne in ihm auf. So war er denn mit dem Arrangement, der Ausstattung seines Bildes sehr zufrieden: Waren hier doch nicht nur einfach zwei sportliche Talente bei der Sache; sie fanden sich auch noch in einem quasi spirituellen Dekor vor, in den sie sehr hübsch einpassten. Das war doch nicht unwichtig.
Egon wollte fit sein. Und zwar nicht ausschliesslich zum Leben, vor allem nicht zumÜberleben; auch nicht für den Alltag, sondern noch grundsätzlicher: Er wollte es „charakterlich“ sein oder erst werden. Selbst wenn er sterben würde - das würde er sowieso, das wusste er jeden Tag - gerade dann musste es stimmen. Ja dann, das glaubte er fest, musste esder ganze Dekortun.
Egon trainierte alleine; immer. Das war denn der andere Grund, weshalb er sein Bild mochte: Es wäre oft einfach praktischer und zweifellos lebhafter gewesen bei einer doppelt so grossen Mannschaft.
Die Partygesellschaft verwandelt sich in eine Tanztruppe, in welcher jeder individuell und expressiv zu den dynamischen Rhythmen auftritt.
So einfach der Satz - die Fantasie - da steht, fast wirkt sie banal, fast überflüssig. Aber es gibt einen Hintergrund, einen zweifachen sogar, der macht ihn exzeptionell genug!
Natürlich schämte sich Egon diese Erinnerung zu erzählen, aber was soll’s; das Leben rächt doch jede verschmähte Wahrheit! Als Klosterschüler ging er manchmal am Mittwochnachmittag in eine Jugenddisco und tanzte ziemlich auffällig, als totaler stranger! Ihm gefiel das halbwegs. Gewisse Musikstücke fand er überwältigend. Das war, wie wenn man den Planeten wechselt; zu einem hinübersteigt, wo die Sache erst endlich läuft. Er war hin, und musste sich bewegen. Auch das fand er ok. Er fühlte sich lebendig wie das Feuer, hatte Energien wie ein Pferd. Gewisse chemische Prozesse im Hirn lösten zudem das Empfinden aus, dass er dabei toll aussehen musste. So spielerisch und einfallsreich sich seine Bewegungen veränderten, musste sich das nicht „automatisch“ - formgesetzmässig – auswirken? Aber hier ging die Fantasie - der Traum - überhaupt nicht auf!
Zweite Niederlage (vermutlich bloss eine Folgeerscheinung): Er fühlte sich allein, nein noch schlimmer: eingebunkert. Sein Tanzstil tauschte offenbar kein „Wort“ mit den anderen aus; auch non-verbal nicht.
Diese Tanzerfahrungen, die nicht mit dieser Jugenddisco endeten, sondern erst anfingen, wiederholten sich noch eins, zwei, drei Jahrzehnte auf anderen Böden. Auf dem alleruntersten von ihnen entstand schliesslich diese einfache, „simple“ Fantasie. Wie würde es einst sein, wenn die persönlichen Barrieren auf einmal fallen, sich auflösen ins Nichts, ins Dasein? Auch wenn die Tendenz gegenläufig wäre, es lohnt sich. Sie lohnt sich, diese kleine Fantasie.
In einem verklemmten Bewegungsseminar im uniformen Sportdress wird ein schüchterner Teilnehmer nach vorne gebeten für eine simple Übung. Leise Musik spielt. Auf einmal springt der Teilnehmer aus dem Stand und turnt eine fetzige Kür zur laut gewordenen Musik, was den ganzen Klassenverband belebt.
Man kennt Egon inzwischen schon ein bisschen. Fast kann man ihm über die Schultern sehen und sich sein Leben vorstellen?
Wie ging es ihm in der Schule, im Klassenverband?
Das ist eigenartig: er konnte wie in zwei „Gegenwelten“ sein. Am besten liesse es sich anhand seiner Sekundarschul- und Gymnasiumerfahrung exemplifizieren: In der ersteren war er (noch?!) einigermassen integriert und relativ populär, in der zweiten nicht mehr. Was war der Unterschied? Was immer dieser sein konnte: er war ziemlich gross!
Besser fragt man nicht, was das Problem war: Es geht hier nicht um „Problemliteratur“, zumindest nicht vorsätzlich!
Jedenfalls fand er, um dieser oder ähnlichen Erinnerungen Ausdruck zu verleihen, sie gleichermassen zu überarbeiten, eine noch so bescheidene Infragestellung, als wäre diese ein freier Vogel in seinem Kopf, und als wäre dieser als solcher damit beschäftigt, flügge zu werden: Wie wäre es, wenn im Schülerlabor statt der Chemie aus den Kolben, wovon er die Zusammenhänge übrigens gar nicht kennen wollte (er konnte mit seiner Willenseinstellung allerdings nicht allzu konsequent sein an dieser Schule), ein Lied über den Lautsprecher ginge, wo das wahre Pulver drin hockt?
Das mag einem nun vorkommen, als wäre Egon besonders geltungsbedürftig gewesen. Das Gegenteil war der Fall: er war extrem nicht geltungsbedürftig. Alles, was er verstand und wusste, behielt er – ziemlich konsequent – für sich. „Das war für später“, sagte er sich. Für viel später sogar, wie sich noch herausstellen würde.
Ich gehe zum Tierarzt und bitte ihn, alle meine kranken Tiere einzuschläfern.
Egon hatte manchmal Einfälle; man mochte meinen, der Junge hat Humor! Was besonders gelungen daran war: Man konnte nicht wirklich den Eindruck haben, dass es ironisch gemeint sein könnte. Von „sarkastisch“ keine Rede. Es war einfach ehrlich und sehr frappant.
Übrigens hatte Egon selbst keine Tiere. Zumindest keine Haus-Tiere, die man hätte einschläfern können.
Ich begebe mich in ein Gebrauchtwarenlager zur Wiederaufbereitung. In sorgsamer Arbeit und der Verwendung von wertvollen natürlichen Produkten stellen sie mich so her, wie ich seit meiner Zeugung hätte werden können. Nun kann ich – im Präsens - meine Vergangenheit neu schreiben.
Egon mochte das Schreiben. Dabei ging es ihm ähnlich wie beim Tanzen!
Nein, der Vergleich hinkt. Er tat beides oft und gern in seiner Jugend, die ewig währte, aber beim Schreiben gelangte er in eine „grössere Tiefe“, die beim Tanzen durch den Fussboden (und die Decke!) etwas limitiert war.
Diese Tiefe beim Schreiben war übrigens nicht unbedingt ein Qualitätsmerkmal. Sie mass eher eine Quantität: How low Egon damit schon gesunken war! Aber trifft es das wirklich? Will fragen: Widmete er sich vorsätzlich trüben Tatsachen? Jein!
Wäre das Innere wie ein Kosmos, würde es sich selbstverständlich erübrigen von „Höhe“ und „Tiefe“, höchstens im Sinne von räumlicher Tiefe zu sprechen. Ja, dies lohnte sich dann allerdings schon. Ergo! Es stimmt eben doch mit dieser „grösseren Tiefe“, wenn Egon schrieb. Braucht nur noch berücksichtigt zu werden, dass er – einmal mehr – allein war bei seiner Expedition. Wie schon damals beim Tanzen in der Menge.
Draussen im All gibt es relativ wenig Orientierungsstützen, vor allem, wenn einer – Egon nämlich, wer sonst? - den Erkenntniswissenschaften gegenüber praktisch ablehnend gegenüberstand. Das war natürlich Rebellion! Und Kapitulation!