Ein Hund zu Weihnachten - Greg Kincaid - E-Book

Ein Hund zu Weihnachten E-Book

Greg Kincaid

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Beschreibung

Ein Hund lehrt die Menschen die wahre Bedeutung von Weihnachten

Der junge Todd McCray lebt bei seinen Eltern auf einer Farm in Kansas. An einem verschneiten Dezembertag hört er im Radio, dass das örtliche Tierasyl Gastfamilien sucht, bei denen Heimhunde die Weihnachtszeit verbringen können. Todd ist hellauf begeistert, aber sein Vater will nichts davon wissen. Todd muss all seine Überzeugungskunst einsetzen, und die Familie nimmt schließlich einen schwarzen Labradormischling auf, dem der Junge den Namen Christmas gibt. Doch was ist mit all den anderen Hunden im Tierheim? Werden auch sie ein Zuhause für die Weihnachtszeit finden? Diese Frage lässt Todd nicht mehr los und er hat da schon eine Idee …

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© Doug Clark

DER AUTOR

Greg Kincaid arbeitet im Hauptberuf als Rechtsanwalt und ist auf Familienrecht spezialisiert. Zusammen mit seiner Frau lebt er auf einer Farm in Kansas, die auch drei Pferden, zwei Hunden und zwei Katzen Platz bietet. Greg Kincaid engagiert sich bei www.petfinders.com dafür, dass herrenlose Haustiere neue Besitzer finden.

Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House GmbH Verlagsgruppe

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cbj Taschenbuch Oktober 2012

Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform

Originalausgabe © Greg Kincaid 2008

Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel

»A Dog Named Christmas« bei Doubleday, an imprint

of The Doubleday Broadway Publishing Group,

a division of Random House, Inc., New York.

Deutschsprachige Ausgabe © Page & Turner/Wilhelm

Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe, 2009

This translation published by arrangement with

Doubleday Religion, an imprint of The Doubleday

Publishing Group, a division of Random House, Inc.

Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten durch cbj Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Aus dem amerikanischen Englisch von

Gabriele Zigldrum

Umschlagfotos: Istockphoto

(Jan Tyler, Jill Chen, Viorel Sima) Umschlaggestaltung:

init.büro für gestaltung, Bielefeld MI · Herstellung: cb

Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN: 978-3-641-27866-3V001

www.cbj-verlag.de

Dieses Buch ist meiner Frau gewidmet.

Sie hat mir so vieles beigebracht.

Vor allem hat sie mir klargemacht,

was für ein Segen ein treuer Hund sein kann.

INHALTSVERZEICHNIS

PROLOG

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

ANMERKUNG DES AUTORS

DANKSAGUNG

BESONDERER DANK

PROLOG

Jake schien sich bei den Conners wohl zu fühlen, und doch war sein Abschied vorauszusehen. Mr und Mrs Conner wohnten am Rande einer wachsenden Stadt, wo die kleinen Parzellen in riesige Grundstücke übergehen und die Leute allzu oft ihre leeren Bierdosen, Fastfood-Verpackungen und unerwünschten Haustiere entsorgen.

Jake lief immer weiter, verwahrlost, halb verhungert und ohne Hundemarke. Mr Conner fand ihn eines Tages im Februar auf der Veranda hinter dem Haus, wo er sich ausruhte. Der eiskalte Wind türmte den Schnee in der Auffahrt des bescheidenen Farmhauses hoch auf. Sie gaben Jake etwas zu fressen, bürsteten ihm das Fell und ließen ihn impfen. Dann warteten sie einfach ab. Sie hängten Flugblätter mit der Überschrift »Hund zugelaufen« auf, aber es meldete sich niemand.

Ein Streuner wie Jake ist kein normales Haustier, das man sich anschafft. Ein zugelaufener Hund kann einfach wieder davonlaufen, sagten sich die Conners.

Die Wochen vergingen, und Jake blieb. Mr und Mrs Conner konnten nicht verstehen, wie man einen solchen Hund aussetzen konnte. Der Tierarzt hatte ihnen zwar bestätigt, dass Jake schon etwas älter war, aber er war einer der bezauberndsten Hunde, die die Conners je erlebt hatten. Er war aufmerksam, eifrig, stubenrein, gut erzogen und beherrschte die Kommandos Sitz, Platz und Bleib. Er war ein guter Kamerad und blieb immer in der Nähe, ohne sich aufzudrängen. Außerdem war er neugierig und lernte schnell.

Jake blieb den ganzen Sommer, nahm an Gewicht zu und gewann immer mehr Vertrauen in seine Umgebung. Doch als der Herbst kam und er wieder ganz zu Kräften gekommen war, wirkte er auf einmal ruhelos, wie ein Pionier, der sein eigenes Land erobern will. Immer öfter lief er abends fort und blieb tagelang verschwunden, einmal sogar eine ganze Woche. Seine Streifzüge wurden immer ausgedehnter. Die Conners versuchten es mit Zäunen, banden ihn an und sperrten ihn sogar abends ins Haus, aber Jake ließ sich einfach nicht halten. In einer Vollmondnacht, als sich der erste Frost auf das noch grüne Gras legte, verließ Jake die Conners, um zu tun, was er tun musste.

Natürlich wurde viel spekuliert. Am wahrscheinlichsten schien es Mr Conner zu sein, dass Jake nach Hause gelaufen war, wo auch immer das sein mochte: Mrs Conner vermutete, dass ihn eine listige Hündin fortgelockt hatte. Die inzwischen erwachsenen Kinder der Conners dachten, dass er vielleicht eine Familie mit kleinen Kindern gefunden hatte, die mit ihm spielten, so wie ihre eigenen Kinder, wenn sie an den Wochenenden zu Besuch bei den Großeltern waren. Die ersten Tage waren die Conners zwar traurig, machten sich aber keine Sorgen. Jake war ein wichtiger Teil ihrer Familie gewesen, aber sie nahmen an, dass er seinen eigenen Regeln folgte. Als aus den Tagen Wochen und aus den Wochen Monate wurden, erschien ihnen Jakes Verschwinden ganz natürlich, und sie fanden sich damit ab. Ein Streuner kann auch einfach wieder verschwinden, sagten sie sich.

Wenn sie an ihn dachten, sagten sie etwa: »Er hat noch etwas zu erledigen. Wenn er will, wird er von selbst zurückkommen.«

Als der Winter kam, war die Erinnerung an Jake bereits zu einem verblichenen Foto aus dem Familienalbum geworden. Manchmal erzählten sie sich beim Abendessen Geschichten, die sie mit ihm erlebt hatten, und lachten. Einmal hatte ein Nachbar ihn bis in die Einfahrt ihres Hauses verfolgt und versucht, eine riesige schwarze Mülltüte zurückzuerobern, die Jake stolz im Maul hielt. Ein andermal war er einem Hasen bis auf einen zugefrorenen Weiher nachgejagt und dort herumgewirbelt wie ein Eiskunstläufer bei den Olympischen Spielen. Der Hase war stehen geblieben und hatte zugesehen, als würde er Jake auslachen. Auch Jake schien die Sache Spaß gemacht zu haben, denn er war aufgesprungen und hatte es noch einmal versucht, mit dem gleichen Ergebnis.

Wenn Mrs Conner an Jake dachte, wurde sie oft ganz still. Dann sagte Mr Conner so was wie: »Reich mir bitte die Kartoffeln … ich bin sicher, dass es ihm gut geht.«

Jake hielt sich nach Westen, als er von den Conners und aus der Stadt fortlief. Es war schön, ein Streuner zu sein. Er war niemandem etwas schuldig. Er genoss eine Freiheit, die sich nur wenige zutrauen. Er schlief unter dem Sternenhimmel, unter Brücken, in Höhlen, auf Wiesen, hinter einem Baumstumpf verborgen oder auf der Veranda einer wohlwollenden Seele, die sich nicht an einem Landstreicher störte. Er fraß Dinge, die nicht unbedingt als Hundefutter geeignet waren. Er tat, was er tun musste, um sich zu ernähren. Dazu verfeinerte er seine Instinkte, die tief in ihm schlummerten. Er schärfte sein Gehör, sein Geruchssinn wurde feiner, und er nahm Bewegungen wahr, die ihm in seiner Zeit als Haustier entgangen wären.

Er jagte wie ein wildes Tier. Er wartete. Er lief immer weiter. Er wusste nicht, wie lange es dauern würde oder wie weit er laufen müsste. Wenn er sein Ziel erreicht hätte, würde er es wissen. Er überließ sich vollkommen seinen Instinkten.

Ähnlich wie Gänse, Lachse und manche Schmetterlinge zog es Jake zu einem ganz bestimmten Ort. Oft war es gefährlich. Er kam durch unfreundliche Gegenden, wo die Bewohner ihm auf ihre eigene Art klarmachten, dass einer wie er unerwünscht war. Sie würdigten ihn kaum eines Blickes und taten, als ob er Luft wäre. Sie fürchteten, dass ein wenig Freundlichkeit ihn nur zum Bleiben ermutigen könnte und sie ihn dann nie mehr loswürden.

Wenn sie ihn nicht einfach ignorierten, drückten sie sich deutlicher aus. Einmal warf ein Mann einen Stein nach ihm. Als ihn ein paar junge Kerle in einem Auto eines Abends am Straßenrand entlanglaufen sahen, hielten sie genau auf ihn zu, als würde es ihnen Spaß machen, ihn zur Seite springen zu sehen. Jake blieb unverletzt, aber die Botschaft war eindeutig. Er musste weiter, immer nach Westen.

Auch das Tierreich meinte es nicht gut mit ihm: Hunde verbellten ihn, Stinktiere sprühten ihn an, er wurde von Zecken gebissen, und Dornenhecken zerkratzten seine Flanken. Trotzdem lief er immer weiter, denn er wusste, dass er sein Ziel noch nicht erreicht hatte.

Solche Zwischenfälle störten Jake wenig. Er war glücklich und zufrieden. Wenn er am Morgen aufwachte und sich streckte, spürte er seine müden Knochen, aber er hatte sich nie besser gefühlt. Er hatte ein schönes Leben, und Mühsal gehörte eben dazu. Für Mensch und Tier kann es keinen größeren Seelenfrieden geben, als nach der eigenen Bestimmung zu leben. Diese Harmonie von Existenz und Sinn ist so selten, dass wir vergessen haben, dass es sie gibt. Nicht so Jake. Und insbesondere nicht an diesem Tag.

Als die Sonne mittags ihren höchsten Punkt erreicht hatte, ruhte sich Jake auf einem bewaldeten Hügel aus und beobachtete, wie ein junger Mann mit leuchtend roten Turnschuhen am Ufer eines Flusses entlangwanderte. Gedankenverloren warf er dabei ein paar Steinchen auf die dünne Eisschicht des Kill Creek, wie die einheimischen Indianer dieses Gewässer unverblümt genannt hatten, in Anspielung auf die üppigen Jagdgründe voller Leben und Tod, die sich an seinen Ufern ausbreiteten.

Er beobachtete den jungen Mann und spürte ein unbestimmtes Gefühl der Erleichterung und Vertrautheit. Dennoch blieb er liegen und wartete erst einmal ab, denn er witterte, dass irgendetwas nicht stimmte. Als der Mann vorbeigegangen war, trottete Jake zum Fluss hinunter und trank in tiefen Zügen das kalte Wasser, das der Regen am Vortag gebracht hatte. Gerüche tanzten am Ufer entlang, von Wildblumen, süßem Heu, altem Eichenholz und nassem Moos, das auf Kalksteinboden wächst. Dann war da noch ein fremder, ungewohnt herber Duft, den er nicht zuordnen konnte. Gerade versuchte er den Duft genauer zu bestimmen, als er ein kaum hörbares Geräusch wahrnahm. Er fuhr herum und sah, wie ein Schatten im dichten Wald von Hickory- und Redbud-Bäumen, Walnusssträuchern und Eichen verschwand, der an den Fluss grenzte. Jake schlich zu den Bäumen, und der Duft wurde stärker. Dann fand er die Spuren und begriff blitzschnell. Es waren die Spuren einer Katze. Einer riesigen Katze. Diese Begegnung wollte er lieber vermeiden. Er würde nicht warten, bis der Mann zurückkam. In der Ferne hörte er das Geräusch von Automotoren, das schrille Pfeifen der Eisenbahn, Hundegebell, Kirchenglocken und Kinderlachen.

Jake blieb stehen und hielt nach dem Mann mit den leuchtend roten Turnschuhen Ausschau, dann wandte er sich den Geräuschen der Stadt zu, in der Hoffnung, endlich das zu finden, wonach er eigentlich suchte. Was es auch immer war, was ihn anzog – es wurde stärker, intensiver, und es war ganz in der Nähe.

EINS

Ich blicke inzwischen eher zurück als in die Zukunft, lasse die Jahre vor meinem inneren Auge vorüberziehen und verweile bei den wichtigen Ereignissen in meinem Leben. Vielleicht bin ich eine Ausnahme, aber mal abgesehen von gelegentlicher Traurigkeit, wie sie jeder von uns kennt, kann ich nicht über irgendwelche größeren Enttäuschungen klagen. Ganz im Gegenteil, ich habe jede Menge schöne Erinnerungen und kann auf viele bereichernde Erfahrungen zurückblicken. Jeder von uns hat Schlüsselerlebnisse in seinem Leben. In meinem Fall war das ein auf den ersten Blick perfektes Weihnachtsfest.

Vier meiner fünf Kinder, drei Jungen und eine Tochter, sind inzwischen erwachsen und stehen im Berufsleben, aber sie wohnen alle noch in der Nähe der alten Farm, die wir seit vier Generationen unser Zuhause nennen. An den Feiertagen kommen sie zurück, manchmal auch zum Abendessen, holen sich einen ungefragten Ratschlag ab, leihen sich Werkzeug aus oder sitzen einfach nur ruhig auf der Veranda, strecken ihre Beine über das Geländer und lauschen den Geräuschen der Farm, die uns auch in den schlechtesten Zeiten aufmuntern. Sie sind hier auf dem Land aufgewachsen, das mein Ururgroßvater von den Blackfoot-Indianern gekauft hat. Südlich von unserem Haus haben sich Schwertlilien über den Waldboden ausgebreitet und die Überreste seiner ersten Hütte zugedeckt. Wir haben nur gute Erinnerungen an diese Farm.

Mary Ann, meine Frau, unterrichtet Englisch und Rhetorik an der Crossing Trails High School, wo alle vier Generationen der McCrays ihren Abschluss gemacht haben. Die beiden letzten Generationen wurden von einem Schulbus verwöhnt. Die beiden ersten mussten die acht Meilen hin und zurück auf dem Pferderücken zurücklegen und erzählten oft und gerne von diesen mühsamen Wegen.

Und dann ist da noch Todd, mein Jüngster. An jenem Weihnachtsfest wäre er zwar alt genug gewesen, um auf eigenen Füßen zu stehen und einen Job anzunehmen wie seine Geschwister. Aber seine Unmündigkeit, eine natürliche Folge seiner Behinderung, hielt ihn zuhause bei seiner Mutter und mir.

Todd sah wie jeder andere gesunde Zwanzigjährige aus, aber er hatte seinen eigenen Kopf. Man musste ihm nur zusehen oder kurz mit ihm reden, um zu merken, dass irgendetwas an ihm anders war. Wir haben in all den Jahren manchen verstohlenen Blick und so manches Geflüster hingenommen und lernten mit der Zeit, uns nichts daraus zu machen. Wir liebten unser jüngstes Kind genau so, wie es war. Er war ein Nachzügler und kam gut zehn Jahre, nachdem wir eigentlich schon mit dem Thema Windeln abgeschlossen hatten. Mary Ann, mit der ich seit beinahe vierzig Jahren verheiratet bin, quält sich mit dem Vorwurf, dass Todds Probleme mit ihrer späten Schwangerschaft zusammenhingen.

Ich habe inzwischen erkannt, dass es für jede Unzulänglichkeit, die man an Todd entdecken mag, eine besondere Fähigkeit gibt, die man nicht gleich sieht.

Todd hatte seine Hände immer in den Hosentaschen vergraben und schien nie genau zu wissen, in welche Richtung er gehen sollte, wenn er aus der Tür trat. Seine Kleider passten nur selten zusammen, und sein Haar, das die Farbe eines sonnengebleichten Lassos hatte, war voller Wirbel und Locken. Manchmal saß er einen ganzen Tag lang neben einer Schafherde und sah einfach nur den Tieren zu. An anderen Tagen kam er zufällig an einem Fluss vorbei und folgte ihm flussaufwärts auf der Suche nach der Quelle. Er konnte sie nie finden, was ihn aber nicht davon abhielt, es immer wieder zu versuchen.

Todd liebte Malerarbeiten. Er strich jedes Gebäude an, vor das ich ihn stellte. Aber die Sache hatte einen Haken. Seine Mutter hatte Angst, dass er vergessen könnte, auf einer Leiter zu stehen, hinunterfallen und sich verletzen könnte. Wir hatten ihm streng verboten, höher als auf die dritte Sprosse zu klettern, sodass viele Streichprojekte halb vollendet blieben.

Zu allem Überfluss schienen unsere Nachbarn Spaß daran zu haben, Todd ihre Farbreste zu überlassen. Auch wenn das nett gemeint war, so führte es doch selten zu harmonischen Farbergebnissen. Unsere Farm war mit Farbresten angepinselt, die andere sonst ausgemustert hätten – oft aus gutem Grund. Aber auch hier gewöhnten wir uns an die Gaffer, und niemand amüsierte sich mehr über die Außenansicht unseres Hauses als wir. Wir sagten uns immer, dass das ja nur die Vorstreichfarbe sei, die wir irgendwann übertünchen würden, aber wie so oft bei Hässlichkeiten, nahmen wir sie nach einiger Zeit gar nicht mehr wahr. Wenn Leute an unserem Haus vorbeikamen, erzählten wir stolz, dass wir das Testzentrum der Firma Todd-Farben im Mittleren Westen wären.

Todd redete nicht viel, außer wenn ihm etwas sehr wichtig war. Aber er pfiff jede Melodie, die er irgendwann im Radio, seinem Freund und treuen Gefährten, gehört hatte, auswendig und falsch nach. Ich musste ihn immer bitten, die Kopfhörer abzunehmen, damit ich mit ihm reden konnte. Er folgte der Aufforderung gerne, nahm sie aber von sich aus nur ganz selten ab.

Das Wichtigste in Todds Leben war seine Beziehung zu Tieren. Er kümmerte sich um sie, zog sie auf, liebte sie und lachte mit ihnen. Ich bin den ganzen Tag draußen und versorge meine Tiere. Nach Feierabend möchte ich die Arbeit hinter mir lassen, deswegen versuche ich, alle Tiere aus meinem Haus fernzuhalten. Aber wann immer ein Tier in eine Lattenkiste, einen Handwagen, einen kleinen oder einen großen Stall passte, versuchte Todd, es in unserem Schuppen oder in der Garage unterzubringen und in den meisten Fällen auch in sein Zimmer zu schmuggeln. Das war bei Eichhörnchen, Hasen und Vogeljungen in Ordnung, schwierig wurde es bei Stinktieren, Schlangen und Kröten. Darüber hinaus herrschte in Todds Zimmer immer schreckliche Unordnung, sodass sich alle möglichen Arten von ungeladenen Gästen perfekt tarnen konnten.

Als er älter wurde, sah Todd endlich ein, dass er wilden Tieren ihre Freiheit zurückgeben musste. Alles andere wäre grausam gewesen. Einzige Ausnahme waren Tiere, die verletzt waren oder aus einem anderen Grund nicht für sich selbst sorgen konnten. In der Folge fand jedes verletzte, verstümmelte oder verlassene Tier aus dem ganzen Land direkt den Weg auf unsere hintere Veranda.

Wir hatten kein Geld für einen Tierarzt, und so übernahm Todd diese Rolle. Er kannte keine Zurückhaltung, wenn es darum ging, telefonisch Rat einzuholen. Oft musste ich mir einiges einfallen lassen, um ihn vom Telefon fernzuhalten.

Wenn es um seine Rettungsaktionen ging, war Todd äußerst hartnäckig. Selten wimmelte jemand ihn ab, weil er zu beschäftigt war. Die Leute redeten auch nicht aus Mitleid mit ihm. Vielmehr hatte Todd die Gabe, andere mit seinem Enthusiasmus anzustecken, und ehe man es begriff, war Todds Bedürfnis auch das eigene.

Als Erstes rief er Jim Morton, unseren Tierarzt, an, der ihm wiederum die Nummer des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums oder des National Park Service gab, je nachdem, ob Todds aktueller Patient laufen, klettern, fliegen oder kriechen konnte. Es konnte passieren, dass man zufällig ins Zimmer kam und Todd gerade mit einem Professor für Vogelkunde an der Universität über einen gebrochenen Vogelflügel konferierte. Binnen kurzem hatte man den Eindruck, dass das gesamte amerikanische Universitätssystem Themen wie Welthungerhilfe und Quantenphysik aufgegeben hatte – schließlich war da das Problem mit Todds Vogel, dem man sofort die nötige Aufmerksamkeit widmen musste.

Todd hatte seine eigene Art, die Dinge ins Rollen zu bringen. Und wenn er das tat, ließen wir alles liegen und stehen. Was diesmal kommen sollte, traf mich allerdings vollkommen unvorbereitet.

An einem Nachmittag Anfang Dezember stürzte Todd mit seinem Radio in der Hand in unseren Schuppen und versuchte hektisch, eine Telefonnummer aufzuschreiben. Dann gab er mir den zerknitterten Zettel.

»Die ist für einen Weihnachtshund«, sagte er.

»Jetzt mal langsam, Todd. Wovon redest du?«

»Das Tierheim sucht Leute, die über die Weihnachtsfeiertage einen Hund aufnehmen.«

»Todd, die suchen ständig Leute, die einen Hund aufnehmen. Das ist ihre Aufgabe. Im Übrigen brauchen wir hier nicht noch ein Tier, und schon gar keinen Hund.«

Wir hatten seit vielen Jahren keinen Hund mehr auf der Farm gehabt, und so sollte es meiner Meinung nach auch bleiben. Meine Gründe, warum ich keinen Hund wollte, lagen in der Vergangenheit. Es war bisher immer schlecht ausgegangen, wenn ich einen Hund in mein Leben gelassen hatte, und ich wollte es auf keinen Fall noch einmal versuchen. Ich hatte zwanzig Jahre lang Todds Brüdern und seiner Schwester den Wunsch nach einem Hund abgeschlagen und sah keinen Grund, meine Haltung nun zu ändern.

»Ist ja nur über Weihnachten«, sagte Todd in einem Ton, der für seine Verhältnisse schon ziemlich streitlustig war. »Danach kann man ihn wieder zurückbringen, wenn man will. Sie haben viele Hunde, die kein Zuhause haben.«

Ich schob den Zettel in meine Hosentasche und hoffte, Todd würde die Sache vergessen. Aber Todd beharrte auf dem Thema mit der ihm eigenen unschuldigen Hartnäckigkeit, die einem auf die Nerven fallen konnte und doch irgendwie auch liebenswert war.

»Darf ich anrufen?«, bat er, als ich gerade gehen wollte.

»Todd, es hat keinen Sinn, dort anzurufen. Wir haben das schon so oft besprochen. Es kommt kein Hund auf diese Farm. Wir müssen uns schon um so viele Tiere kümmern. Wir brauchen nicht noch mehr. Und jetzt wartet Arbeit auf uns.«

Er sah mich enttäuscht an. Ich wollte ihm Zeit geben, sich mit der Entscheidung abzufinden, denn ich wusste, dass das schwer für ihn war. »Lass uns an die Arbeit gehen, vielleicht können wir später noch mal darüber reden.«

»Dann ist es zu spät. Dann haben sie geschlossen, und alle Hunde sind weg.« Seine Stimme zitterte. Er stampfte mit dem Fuß auf und ließ den Kopf hängen. Ich wusste, dass er gleich anfangen würde zu weinen. Es war nie einfach, Todd etwas abzuschlagen.

Ich zog mein rotes Taschentuch aus meiner Jackentasche und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Wie für uns alle war es für Todd manchmal schwer zu akzeptieren, dass er nicht immer alles haben konnte, was er wollte. Es würde Zeit brauchen, bis wir diese Sache ausgestanden hätten. Ich nahm ihn aus Spaß in den Schwitzkasten und strubbelte ihm so lange den Kopf, bis er anfing zu lachen. Dann ließ ich ihn los, fasste ihn bei den Aufschlägen seiner Jacke und sagte: »Komm schon, Todd, lass uns die Arbeit fertig machen, und dann reden wir heute Abend noch mal darüber. Diese Hunde laufen uns nicht davon, und wenn sie es täten, dann wären sie ja fein raus.«