Ein Job auf Mallorca - Emilia Lewald - E-Book

Ein Job auf Mallorca E-Book

Emilia Lewald

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Beschreibung

Emilie van Steen, 38 Jahre, hübsch, studierte Immobilienwirtin Hobbys: Gucci-Schuhe und Boxen Besondere Kennzeichen: Teufelshörnchen, die aber meistens durch die blonde Mähne ganz gut verdeckt sind Bekommt einen Job auf Mallorca bei einem Promimakler. Sie bietet mehr oder weniger kaufkräftigen Interessenten der unterschiedlichsten Couleur sogenannte Luxusimmobilien zum Kauf an, taucht ein in die Welt der Reichen und Schönen oder zumindest in die Welt derer, die sich dafür halten, verliebt sich unsterblich in einen verdammt gutaussehenden Russen und gerät ganz nebenbei in die Fänge der Baumafia. Mit klugem Köpfchen, Witz, einer guten Portion Dreistigkeit, etwas Naivität und ganz viel Glück meistert sie jede Lebenslage und rettet sich auch aus brenzligen Situationen.

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Buch

Emilie van Steen, 38 Jahre, recht hübsch, studierte Immobilienwirtin, Hobbys: Gucci Schuhe und Boxen, besondere Kennzeichen: Teufelshörnchen, die aber meistens durch die blonde Mähne ganz gut verdeckt sind, bekommt einen Job auf Mallorca bei einem Promimakler.

Sie bietet mehr oder weniger kaufkräftigen Interessenten der unterschiedlichsten Couleur sogenannte Luxusimmobilien zum Kauf an, taucht ein in die Welt der Reichen und Schönen oder zumindest in die Welt derer, die sich dafür halten, verliebt sich unsterblich in einen verdammt gutaussehenden Russen und gerät ganz nebenbei in die Fänge der Baumafia. Mit klugem Köpfchen, Witz, einer guten Portion Dreistigkeit, etwas Naivität und ganz viel Glück meistert sie jede Lebenslage und rettet sich auch aus brenzligen Situationen.

In Liebe für

Paulchen

Let me take you far away

You'd like a holiday

Let me take you far away

You'd like a holiday

SCORPIONS

“Holiday”

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Kapitel Fünfzehn

Kapitel Sechzehn

Kapitel Siebzehn

Kapitel Achtzehn

Kapitel Neunzehn

Kapitel Zwanzig

Kapitel Einundzwanzig

Kapitel Zweiundzwanzig

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig

Kapitel Fünfundzwanzig

Kapitel Sechsundzwanzig

Prolog

Mallorca, den 30. November 2011, abends.

Der Sturm hat endlich nachgelassen. Die großen Pinien, links und rechts an der Auffahrt, die sich der Kraft des Sturmes gebeugt haben, kreischen und knarren noch leise. Die lange Auffahrt, die sanft den kleinen Hügel hinaufführt, scheint silbern im Mondlicht, fast scheint es, als wäre die schmale Straße mit Pulverschnee bedeckt, so hell leuchtet sie. Unschuldig, friedlich. Ich weiß nicht, wie lange ich in meinem Wagen sitze und das Anwesen betrachte, das vor mir liegt. Es brennt nur ein kleines Licht über dem Eingangsportal. Die alten Mauern und der jahrhundertealte ehemalige Wehrturm zeichnen sich schwarz gegen den Nachthimmel ab.

Ginge es nach dem Willen des Mannes, der sich irgendwo in diesem Haus aufhält, werde ich heute Nacht sterben.

Ich starte den Motor und fahre langsam auf das Haus zu.

EINS

Mallorca, den 1. September 2011, morgens.

„Verflixt! Wo sind meine Gucci-Schuhe?“ Mann, in 30 Minuten muss ich im Hafen sein. El Señore Feige himself, von deeem Maklerbüro in Malle, wartet höchstpersönlich auf mich, um mir meinen neuen Arbeitsplatz zu zeigen.

„David, hast Du sie gesehen?“ Mein Mitbewohner David, bildschön, aber leider stockschwul, liegt noch im Koma. Claro, würd ich auch nach einer Flasche Mandellikör. Mein Sweetheart, mit dem gemeinsam ich vor drei Wochen die Flucht aus der ehemaligen Zone, genauer gesagt aus Leipzig, angetreten habe, hat gestern wieder einmal das Ende einer ganz großen Liebe verarbeiten müssen. Aber diese Dramen kenn ich ja schon aus Leipsch.

„Lidia bist Du noch da?“ Keine Antwort. May I introduce my lovely other WG member to you: Lidia Villacorto, 28, echte Mallorquinerin und graduierte Absolventin der Sporthochschule Barcelona.

Lidia arbeitet seit zwei Jahren als Personal Trainerin in dem angesagtesten Edelclub der Insel im unerschrockenen Kampf gegen Zellulitis, Speck und allem, was ab der zweiten Lebenshälfte noch so Falten wirft.

Der Playa de Sol Country Club ist aber nicht nur wegen seines wirklich guten Fitness- und Spabereichs berühmt-berüchtigt, sondern auch der "geheime" Treffpunkt für manche gelangweilte Ehefrau, die ein wenig Abwechslung vom tristen Ehemann sucht. Da dies auch dem einen oder anderen jungen Mann, der sein nicht allzu üppiges Gärtner- oder Kellnergehalt durch kleine Zuwendungen etwas aufstocken möchte, bekannt ist, findet sich das eine oder andere ungleiche Pärchen hier zum Tête-à-Tête beim süffigen Cocktail im Bar- oder Poolbereich des weitläufigen Clubgeländes.

Der Fitnessbereich des Clubs wird am Vormittag nicht selten von dem gut situierten Herrn in den besten Jahren mit Wohlstandsbäuchlein und nicht mehr ganz vollem Haar, das gerne auch mal zum kecken Zöpfchen im Nacken zusammengezwirbelt wird, gemeinsam mit der jungen Freundin aufgesucht. Typ: lange Haare, Brüste Model "Kokosnusshalbschale" und Knackarsch.

O.k. ich geb's ja zu, über Letzteres würde ich auch selber gerne verfügen.

Beschriebene junge Dame liebt älteren Herrn aus tiefstem Herzen, klar doch, schließlich ist ihr Gefährte ja nicht moppelig, sondern sehr kräftig – und was ist schon der Body eines durchtrainierten 25-jährigen Jünglings gegen die Lebenserfahrung eines Mannes in den besten Jahren? Schließlich kommt es uns Frauen ja bekanntlich auf die inneren Werte an.

Selbigen Herrn trifft man im Club dann häufig am Nachmittag, mit etwas dezenterer Laune, in Begleitung der Gattin.

Kurzum, wer Melrose Place liebt, liebt auch den Country Club. David und ich jedenfalls gieren nach dem Tratsch und Klatsch aus dem Leben der Reichen und Schönen, den wir allabendlich von Lidi serviert bekommen.

Aha, da wären nun auch meine geliebten wunderschönen Gucci Schuhe, ordentlich im Schrank – wo sonst?

Wie die meisten Frauen pflege auch ich ein liebevolles Verhältnis zu meinen Schuhen. Nicht, dass Ihr glaubt, ich wäre so ein Gucci-Püppchen. Nee, nee. Ich wurde vor 38 Jahren in einem nicht weiter erwähnenswerten Kaff in Ostwestfalen-Lippe geboren und auf den Namen Emilie-Luise van Steen getauft. Ich weiß …, aber Doppelnamen waren Anfang der 80er Jahre nun mal in Mode, und meine kleine Schwester hat's eindeutig schlimmer getroffen: Marlene-Chantal.

Mich nennen die meisten Emi, und damit kann ich ganz gut leben. Wenn ich mich beschreiben soll, mmmhhh, was würde ich sagen: ich bin 1,70 m (in Wirklichkeit 1,69 m), bin relativ schlank (führe aber wie die meisten von uns den täglichen Kampf gegen meine ewig hungrigen Fettzellen), habe schulterlanges blondes Haar(seitdem diese Anti-Fizz-Produkte auch mein Bad erobert haben, kann ich auch von Haaren sprechen, vorher trug ich bei der geringsten Luftfeuchte Sauerkraut auf dem Kopf, kennen die Blondierten unter Euch ja sicher auch), ein Ex von mir hat immer gesagt, ich hätte eine "Rehkitzfresse", was immer das ist. Nach der Fachhochschulreife hab ich Immobilienwirtschaft studiert und bin dann meiner großen Liebe (inzwischen auch ein Ex) von Hannover nach Leipzig gefolgt. Da habe ich dann ein paar Jahre bei einem Bauträger gearbeitet. Bei so einem Typ mit gegelten Haaren, Porsche und Schampus zum Frühstück. Seine eigentlich durchaus akzeptable Stimme hat sich bei jedem Handytelefonat im Volumen verdreifacht, und ansonsten hat er "nur in ganz großen Immobilien gemacht", unsere Buchhaltung hatte selbstverständlich nur mit Transaktionen im Millionenbereich zu tun, da blieb am Monatsende oft keine Zeit für Nebensächlichkeiten wie unsere Gehälter. Mein Kollege Alex und ich haben unseren Chef, Herrn Gröler, von der Gröler-International-Realestate Gruppe immer inoffiziell "die große Hoffnung der deutschen Bauwirtschaft" genannt. Leider haben die Banken das irgendwann nicht mehr so gesehen, und die große Luftblase des Grölerʼschen Imperiums ist mit einem lauten Knall geplatzt.

Für mich ein großes Glück, ich habe mit meiner ständigen Träumerei über ein Leben im Süden ernst gemacht und einen Job auf Mallorca, in Puerto Portals bei Feige und Partner angenommen, als Immobilienmaklerin.

Ganz allein hab ich mich dann aber doch nicht getraut und meinen allerbesten Freund David überredet, seinen Job als Friseur zu schmeißen, mit mir nach Malle zu ziehen, um ein "Leben unter Palmen" zu führen.

Ja und nun ist heute mein erster Arbeitstag …

ZWEI

Mit dem Bus fahre ich von unserem WG Appartement in Santa Ponsa nach Puerto Portals und laufe dann von der Haltestelle in den Yachthafen.

Mein neuer Arbeitsplatz befindet sich in einem gläsernen Eckbüro am Ende einer Flanierpassage, in der sich Gucci, Prada, Dolce & Gabbana und Co. dicht aneinanderreihen. Wow, ich bin beeindruckt und eingeschüchtert, als ich das weiße, minimalistisch eingerichtete Designerbüro betrete. Vier Schreibtische stehen in zwei Reihen, auf jedem ein schicker Laptop und ein Telefon im Future-Design, sonst nichts. Nach Arbeit sieht es hier nicht wirklich aus. Auch meine neuen Kolleginnen machen einen sehr entspannten Eindruck und sehen eher aus wie frisch aus dem Modemagazin entsprungen.

„Hi, ich bin die Monique.“ Eine der beiden kommt auf mich zu und streckt mir zur Begrüßung die Hand entgegen. Das Mädel ist ungefähr in meinem Alter und sieht eher aus, als wäre sie eine extravagante Kundin, die sich für eine der im Schaufenster präsentierten Luxusvillen interessiert. Es funkelt, raschelt, klackert und blitzt. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Neben Monique mit ihrem extravaganten, auffälligem Schmuck und …, ich weiß nicht, ist das nun noch das sexy Moonlight Makeup von letzter Nacht, oder spachtelt sie morgens schon so dick auf? Wie auch immer, ich fühle mich trotz meiner Gucci-Schuhe wie eine graue Maus. Meine Stimmung sinkt deutlich.

„Du bist die Emilie aus Dresden, oder?“ „Ne, ich komme aus Leipzig, und bitte sag Emi zu mir.“

„Alles klar. Der Chef freut sich schon auf Dich.“ Lächelt sie dabei freundlich oder etwas fies? Egal, während Lara von der Leine, so der Name meiner anderen neuen Kollegin, wie ich von Monique erfahre, ganz relaxt weitertelefoniert, die teuer beschuhten Füße auf dem Schreibtisch drapiert und mir kurz zunickt, kommt aus dem hinteren Büro ein weiß gekleideter Mann auf mich zu. Ist er's? Er muss es sein. Herr Feige höchstpersönlich. Er kommt mir fast wie ein alter Bekannter vor, so vertraut erscheint er mir, auf Grund der vielen Artikel in der Bunten und der Gala, die ich über ihn gelesen habe. Meine Güte, der Mann hat sein Leben wirklich gelebt. Wenn ein Gesicht eine Geschichte erzählt, steht mir gerade die deutsche Nationalbibliothek gegenüber.

„Guten Tag, Frau van Steen, ich freue mich, Sie in unserem Team zu begrüßen. Haben Sie sich schon etwas umgesehen? Gefällt's Ihnen? Na, Sie werden bestimmt bei uns einiges lernen können. Wissen Sie, wir gehören ja zu den ganz Großen in der Branche. Klar wissen sie das. Entsprechend sind natürlich auch unsere Kunden. Gerade noch hab ich mit dem Guido, also dem Guido Westerwelle, gesprochen. Er sucht auch was Nettes hier auf Malle. Äh, ich mein ein nettes Haus … Hahaha ... kleiner Scherz … Ja, ich hab auch gar nicht viel Zeit, ich treff mich jetzt gleich noch mit der Christine, Sie wissen schon, der Christine Neubauer. Sie interessiert sich für eine wirklich ganz außergewöhnliche Villa, direkt neben der Thyssenvilla, unterhalb der Villa, die jetzt der Boris gekauft hat, die, für die sich auch schon mal der Gerd interessiert hat. Super Location und nur gute Leute in der Nachbarschaft. So meine Liebe, jetzt haben wir aber genug geschwätzt. Ich muss los. Tschüss, tschüss.“

Boah, Antworten auf seine Fragen braucht der Mann nicht, er weiß sich offensichtlich auch so gut zu unterhalten.

„So, und das ist Dein Arbeitsplatz, Süße“, zwitschert Monique fröhlich drauf los.

Hey, das ist ja noch besser als in meinen schönsten Träumen. Mein Tisch steht direkt am Fenster, vor mir Meer, blauer Himmel und Mega-Yachten.

Wenn ich da an mein kleines Office bei der "großen Hoffnung der deutschen Bauwirtschaft" in Leipzig denke! Neonröhren unter der tristen Decke, weiße Wände, grauer Linoleumboden, mein ständig welkender Philodendron und draußen meistens grauer Himmel. Juchz, ich freu mich. Das Leben geht los.

DREI

20 Uhr Feierabend. Ich treffe mich mit David in Palma in einer kleinen Tapasbar etwas abseits von den Touristenströmen. Im September ist ohnehin nicht mehr so arg viel los; und so sind außer uns fast nur spanische Gäste da.

„Na, Emi wie war Dein erster Tag, schon ein Luxushäusle an den Mann gebracht?“, möchte David neugierig wissen.

„Nein, ich hab mir heute erst mal einen Überblick über unsere Immobilien verschafft. Kannst Du Dir vorstellen, dass wir so gut wie kein Haus unter einer Million im Angebot haben?“

„Nee, voll krass.“

Zu Davids bevorzugten Vokabeln gehört zurzeit "voll krass" und "keine Ahnung".

Wir bestellen bei dem niedlichen Ober ein paar Tapas und Agua sin Gas.

David ist am Nachmittag auch schon bei seinen neuen Arbeitskollegen vorstellig geworden, auch wenn er erst in einer Woche offiziell anfangen muss. Er ist richtig happy, weil er einen Job im Friseursalon bei Bruno Stolz hat. Der Salon befindet sich im Charivall, einem echten Luxushotel. Wie wir gehört haben, sollen sich die Promis dort die Klinke in die Hand geben.

Wir essen, trinken, plaudern, und ich erfahre alles Wissenswerte und noch viel mehr über Davids neue Kollegen, alle Promis, die zurzeit im Charivall abgestiegen sind, sowie sämtliche neue Haarpflegeprodukte, die im Salon zur Anwendung kommen.

Gegen 24 Uhr verlassen wir schließlich das Lokal, nachdem David noch flux die Telefonnummern mit dem niedlichen Kellner ausgetauscht hat. Tja, so ist mein David, gestern noch getrauert und heute schon wieder schwer verguckt.

Mittlerweile hat sich die Temperatur deutlich abgekühlt und in den schmalen, verwinkelten Gassen der Altstadt ist leichter Nebel aufgekommen. Die Gassen werden überwiegend mit alten Gaslaternen beleuchtet. Die Stimmung ist fast etwas mystisch und ich bin froh, dass ich den Weg durch die verlassenen Gassen zur Bushaltestelle nicht alleine antreten muss. Ich hake mich bei David unter, und nett plaudernd schlendern wir los.

Von irgendwo hören wir Schritte hallen.

„Voll krass, kennst Du diesen Film, der in Venedig spielt“, fragt David, „der mit dem kleinen Zwerg, der einen langen Mantel mit einer riesigen Kapuze trägt, die ständig sein Gesicht verhüllt und, keine Ahnung, irgendwie läuft der nachts ständig durch die Gassen und killt mit einem langen Messer scheinbar wahllos seine Opfer, keine Ahnung, aber voll krass diese düstere Stimmung. Wie hier, stell Dir mal vor, keine Ahnung, aber irgendwie geht hier gleich eine von den alten Türen auf und der Kapuzenmann zieht uns in die alten Katakomben dieser Stadt und wir sind für immer …“

„David! Halt den Mund! Du weißt genau, dass ich ein riesen Schisser bin!“

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie er schmunzelt. Trotzdem, es beschleicht mich irgendwie ein komisches Gefühl. Eine Vorahnung? Ach was, ich bin eine echte Dramaqueen. Hey, ich bin im sonnigen Spanien. Dolce Vita. Alles ist schön.

Es knallt, ein schriller Schrei und ein Heulen folgen. Ist das ein kleines Kind? Ausgerechnet jetzt fängt auch noch die alte Gaslaterne an zu flackern. Die uralten Natursteinmauern werden nur noch vom Mondlicht beschienen.

„Mist, was ist da los?“

David schaut auch nicht mehr ganz so spaßig, sagt aber: „Keine Ahnung, das war bestimmt eine Katze.“ Plötzlich hören wir wieder diesen Schrei. Nur eine Katze, ich weiß nicht. Ich hab das Gefühl ich bin im falschen Film. Woher kommt das? Ich fühl mich wie erstarrt und hör das Blut in meinen Ohren rauschen. Wir stehen ganz still und schauen uns zu allen Seiten um. Es brennt kein einziges Licht hinter einem der wenigen kleinen, meist vergitterten Fenster. Ich schau nach oben und sehe hinter der meterhohen Mauer, neben der wir stehen, die Silhouette einer majestätisch anmutenden großen Palme, die sich schwarz gegen den Nachthimmel abzeichnet. Alles besteht nur noch aus dunklen Grau-, Braun- und Grüntönen, der Nebel lässt alles noch trüber und düsterer erscheinen. Ein Motor springt an und wir hören von irgendwo ein Fahrzeug. Das Motorengeräusch wird lauter, wir sehen das Licht von Scheinwerfern, die eine alte Kirche, die vor uns liegt, beleuchten. Langsam biegt ein Fahrzeug um die Ecke. Das grelle Licht der Scheinwerfer blendet uns. Der Wagen bleibt einen Moment oder eine Ewigkeit stehen, dann fährt er langsam auf uns zu. Die Gasse ist so eng, das man an keiner Seite des Autos vorbeikommt. Ich sehe mich um, ein paar Meter hinter uns liegt ein Hauseingang, der etwas zurückspringt. Es scheint so, als wären wir die einzigen Menschen in einer Geisterstadt. Meine Hände sind kalt und feucht und ich merke, dass auch David Schiss hat.

„Komm, wir stellen uns in den Eingang dort vorne.“ Das Auto bleibt wieder stehen, der Motor läuft, die grellen Scheinwerfer blenden uns.

„Mist, was soll das? Wollen die was von uns?“

„Keine Ahnung, voll krass, komm wir laufen zurück.“

Wie die Blöden rennen wir den Weg Richtung Kneipe zurück. Ich komm mir albern vor, aber gleichzeitig hab ich auch echt Panik im Nacken. Der Wagen nimmt wieder Fahrt auf und folgt uns.

„Komm schnell, hier rechts rein.“, David zieht mich in eine stockdunkle ganz schmale Gasse zwischen zwei mehrgeschossigen alten Gebäuden, wir rennen weiter. Am Ende der Gasse dreh ich mich um und sehe das Auto, einen großen dunklen Geländewagen. Der Motor läuft, der Wagen steht still und die Silhouette einer Person am Steuer ist zu erkennen, die anscheinend zu uns schaut. Wir rennen weiter, bis wir auf den Ramblas sind, die hell erleuchtet sind. Ein Pärchen schlendert eng umschlungen an uns vorbei; und ein Stückchen weiter sehen wir zwei junge Männer, die sich lautstark unterhalten.

Mit einem Mal ist der ganze Spuk vorbei.

„Scheiße, was war denn das für ʼne Nummer. Wollte der was von uns?“, keucht David.

„Ich weiß nicht, wahrscheinlich sind wir überspannt und ganz schön albern – und der Fahrer denkt, wir haben einen an der Klatsche, tröste ich ihn“; aber ein komisches Gefühl, dass ich auch noch eine Stunde später zu Hause in unserem WG Appartement beim Einschlafen habe, bleibt.

VIER

Am nächsten Morgen scheint die Sonne. Lidia und ich sitzen am Frühstückstisch und genießen unseren Latte Macchiato mit Sojamilch.

Leider kann ich nicht allzu lange genießen, mein zweiter Arbeitstag liegt vor mir.

Um kurz vor zehn Uhr stehe ich hochmotiviert vor dem Büro und lerne auch gleich unseren Geschäftsführer Mr. Jones kennen, der gerade die Tür aufschließt. Mr. Jones. Ja … ,wie soll man ihn beschreiben? Wahrscheinlich Ende 50, aber … jung geblieben, würde meine Omi sagen … wilde Mähne bis auf die Schultern im Look "Testosteron pure edition - hey Leute bin gerade aus dem Bett und hatte noch gar keine Zeit mich zu frisieren, ein männlicher Griff in die Mähne musste reichen", tatsächlich verbringt man für so ein Styling, wie dem von Mr. Jones, je nach Übungsgrad bis zu einer Stunde im Bad, wie ich aus eigener Erfahrung mit dem schönen Fabio, meinem Ex, weiß.

Aber zurück zu Mister Jones. Bemerkenswert ist auch seine ausgeprägte Kiefermuskulatur, die er wahrscheinlich durch jahrelanges, kontinuierliches, energisches Kauen, wie auch jetzt gerade, auf einem Kaugummi erworben hat.

Das weiße Slim-Fit-Hemd, das er trägt, betont nicht nur seinen respektablen Bauchansatz, der natürlich zu einem richtigen Mann gehört, es erlaubt auch den Blick auf seine braungebrannte Brust, die sicherlich in den letzten Jahrzehnten viel Sonne, aber wenig Sonnencreme gesehen hat. Gebannt wird der Blick aber erst durch seine grobgliedrige, silberne Halskette, … du meine Güte, wo bekommt man das denn noch …, an der baumelt doch tatsächlich ein großer Raubtierzahn....wrrrrrr.......der Typ ist wirklich ein ganzer Kerl!

Zur ausgewaschenen Jeans trägt Mr. Jones dann auch noch, als kleinen kecken Stilbruch, schwarze Lackschuhe, die er, wie ich noch beobachten werde, zu jedem Outfit trägt und denen er seinen niedlichen, ihm nicht bekannten Spitznamen "Lackschühchen", den ich ihm verpassen werde, verdankt.

„Lackschühchen“ scheint auf jeden Fall hocherfreut zu sein, mich zu sehen, und begrüßt mich mit Küsschen links und rechts. Ich erröte leicht, was auch an meinen lästerlichen Gedanken liegt.......pöööse, pöööse Frau......wird David heute Abend zu mir sagen, wenn ich ihm beim Gläschen Rotwein die Beschreibung von Mr. Jones offeriere … und dabei wird er frech grinsen.

Kaum sind mein Schreibtisch und ich einsatzbereit, was heißt, Make-up ist perfekt, Haare sitzen, Kaffee steht dampfend auf dem Tisch, kommt mein Chef, Herr Feige, ins Büro und überrascht mich mit der freudigen Botschaft, dass ich gleich meinen ersten Außentermin habe. Ich treffe mich mit einem Herrn Rettenbach, der sich eine noch im Bau befindliche Villa in Son Vida, einem Vorort von Palma, in dem die Reichen und Schönen leben, ansehen will und hoffentlich auch kaufen wird.

Klasse, das krieg ich bestimmt hin, schließlich verfüge ich über ein gewisses verkäuferisches Talent. Der Hauptteil meiner Einnahmen bei Feige und Partner generiert sich aus meinen noch zu erwirtschaftenden Verkaufsprovisionen, ich beziehe lediglich ein relativ geringes Festgehalt. Das ist für mich aber kein Problem, da ich wie bereits gesagt ein Verkaufstalent bin.

Für meine Fahrt nach Son Vida habe ich einen schicken kleinen Firmenwagen, einen Mini mit großem Firmenemblem, bekommen. Im strahlenden Sonnenschein mach ich mich auf den Weg, das Radio dröhnt. Ich bin allerbester Stimmung, geradezu etwas euphorisch. Ich überlege, was ich mir für meine erste dicke Provision kaufen werde. Hm ..., in Palma hab ich doch so einen schicken Louis-Vuitton-Laden gesehen. Ein Täschchen von Louis Vuitton. Hm ..., cremefarben mit kleinen Louis-Vuitton-Emblemen, das wär's. Würd auch total schick aussehen zu meinem roten Minikleid. Hm, Schuhe bräuchte ich natürlich noch passende, aber die sind auch drin, bei meiner fetten Provision. Außerdem steh ich natürlich total gut bei meinem Chef da. Kaum hab ich angefangen, mach ich auch schon 'nen fetten Abschluss. Das sollen meine Kolleginnen Monique und Lara von der Leine mir erstmal nachmachen. Tja, schickes Outfit und viel Pling helfen da eben auch nicht, Mädels, da muss man schon etwas mehr drauf haben, freu ich mich.

Im Radio läuft gerade "Crazy" von Gnarls Barkley … voller guter Laune sing ich mit:

And I hope that you are having the time of your life.

.....

Come on now.

Who do you,

who do you,

who do you

think you are.

Ha, ha, ha

bless your soul

You really think you are in control

Well, I think you are crazy,

I think you are crazy

Just like me.

Voilà, ich bin am Treffpunkt. Radio aus und jetzt bloß nicht mehr grinsen wie ein Honigkuchenpferd. Ich setze mein ernstes Businessgesicht auf. Oh, Herr Rettenbach ist auch schon da. Na, mit dem komm ich klar. Netter, leicht verklemmter Typ, sieht gar nicht nach so viel Kohle aus.

„Hallo, Herr Rettenbach, ich bin Emilie van Steen von Feige und Partner. Na, was sagen Sie, ist das nicht ein phantastischer Ausblick von hier oben? Palma liegt zu Ihren Füßen. Und wir haben hier eins der ganz seltenen Grundstücke in Son Vida mit Meerblick, … unverbaubar.“

An dieser Stelle mach ich erst mal eine kleine Pause, damit Herr Rettenbach alles auf sich wirken lassen kann.

„Gefällt mir gut. Wir suchen ja schon etwas länger, aber das hier scheint das Richtige zu sein.“ Er grinst etwas verlegen.

Klasse, den hab ich an der Angel. Ich glaub, ich erlaub mir ´nen kleinen Vorschuss und fahr heute Nachmittag schon nach Palma, dann kann ich das Täschchen heute Abend schon ausführen, suuuuper!

Ich räuspere mich ernst, um meiner Seriosität noch einmal Ausdruck zu verleihen und mein professionelles Auftreten zu unterstreichen, dann sag ich mit tiefer Stimme: „Tja, Herr Rettenbach, ein weiterer großer Vorteil dieses Anwesens besteht darin, dass der Rohbau schon fertig ist, sie also nur noch eine sehr kurze Bauzeit vor sich haben, die Innenausstattung, Bäder, Fußbodenbeläge, Wandfarben können Sie aber noch nach Ihrem eigenen Geschmack gestalten.“

Herr Rettenbach strahlt mich weiter an. Es gefällt ihm. In dem Moment kommt eine ältere, sehr teuer gekleidete Dame aus dem Rohbau getrippelt. Na ja, jetzt erklärt sich auch, warum Herr Rettenbach sich in jungen Jahren schon so ein Anwesen leisten kann, von Beruf Sohn, claro. Frau Rettenbach strahlt ihren Spross an und ruft ihm zu: „Darling, das Haus ist phantastisch, das nehmen wir.“

Na, wer sagst denn, da muss der Chef eben nur ´nen Profi wie mich rausschicken und schon flupt's. Mist, ich muss mir wirklich mein Siegergrinsen verkneifen.

Frau Rettenbach tänzelt gerade gefährlich wackelnd vom Eingangspodest auf einer Holzplanke, die eine kleine Baugrube überbrückt, zu uns herüber. Sonor gurrend sage ich zu Sohnemann: „Herr Rettenbach, seien Sie so lieb und helfen doch mal der Frau Mama!“

..........

Totenstille. Kein Vogel singt mehr und jetzt zieht auch noch eine fette Wolke vor die Sonne und es wird schlagartig kälter und grau. Das Gesicht von Frau Rettenbach ist zur Totenmaske erstarrt und Sohnemann ist kalkweiß geworden.

Scheiße, was ist denn jetzt los? Mein Herz setzt aus, ich registriere alles in Slow Motion. Nichts passiert. Alles ist wie eingefroren. Ich schlucke, weiß nicht, was ich sagen soll … dann durchbricht die schneidende Stimme von Frau Rettenbach die klamme Stille.

„Vielen Dank, das schaff ich auch ohne meinen Mann!“

Sie rauscht an mir vorbei, Sohnemann, nein ihr Gatte, mit gesenktem Kopf hinter ihr her, sie steigen in den Bentley und sind weg.

Mein Kopf dröhnt, mir wird schwindelig. Bitte, bitte das darf doch nicht wahr sein. Alles zerplatzt wie eine Luftblase ... wie soll ich das meinem Chef erklären? ... Ich fühle mich so klein und so armselig.....

Who do you,

who do you,

who do you

think you are

Ha, ha, ha,

bless your soul

You really think you are in control

Well I think you are crazy

..........you are crazy

........

FÜNF

Die erste Arbeitswoche ist wie im Flug vergangen. Zum Glück scheint Herr Feige auch nichts von meinem kleinen Missgeschick mit den Eheleuten Rettenbach mitbekommen zu haben. Jedenfalls ist das Betriebsklima gut und die Arbeit macht Spaß.

Heute ist Samstag; und David und ich sind gerade auf dem Weg zu einer megacoolen Party. David hat die Einladung an Land gezogen über einen Kollegen aus dem Salon, der jemanden kennt, der wiederum jemanden kennt usw. – wie auch immer, David hat eine Einladung, und ich bin seine Begleitung.

Die Party soll auf einem Boot in Port Adriano steigen. Wir sind so gespannt und auch ziemlich aufgeregt. Bis wir das richtige Outfit hatten, sind Stunden vergangen. Aber ich denke, das Ergebnis ist ganz gelungen. Ich habe mich letztlich für ein bodenlanges, farbenfrohes Kleid im Missoni Look entschieden, und David trägt eine cremefarbene, lässige Leinenhose und ein knallenges T-Shirt mit kleinem V-Ausschnitt von Guess. Bei David vermutet man nicht, dass er schwul ist. Im Gegenteil, er wirkt eher wie ein Macho und sieht aus wie ein Model aus einer Cavalli- oder Versace-Werbung. Die Frauen verfallen ihm reihenweise, und ich werde mit neidischen Blicken bedacht, wenn wir zusammen ausgehen.

Wow, gerade sind wir von der Hauptstraße abgebogen und unser Taxi steuert die kleine Zufahrtsstraße zum Hafengelände hinunter. Wir schauen hinab auf einen langen Pier, der das offene Meer und das Hafenbecken voneinander trennt. Im Meer spiegelt sich die untergehende Sonne, der Himmel besteht aus zinnoberroten, violetten, rosa und orangen Tönen. Es ist unglaublich. Ein solches Farbenspiel habe ich noch nie gesehen. Die meisten Boote liegen im vorderen Teil des Hafens, im hinteren Teil liegen ein paar Megayachten, die einem den Atem verschlagen.

Wir nennen dem Taxifahrer den Liegeplatz, zu dem wir wollen, und er steuert zu unserem Erstaunen gleich den letzten Anlegesteg an, bleibt stehen und nennt uns den Fahrpreis.

Mich durchfährt ein Blitz, und David schaut mit weiten Augen zwischen mir und der Yacht, vor der wir stehen, hin und her.

Was ich sehe, kann ich kaum glauben, und am liebsten möchte ich sofort wieder zurück in meine kleine Welt, in der ich mich sicher fühle und mir alles vertraut ist.