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Der einzige Mann in Illas Leben ist drei Jahre alt. Das soll sich ändern. Denn irgendwann möchte man mehr als Gespräche über Kräne und Bagger. Also antwortet Illa auf die Kontaktanzeige von "Mondgesicht". Aus einer E-Mail werden viele. Doch ist sie wirklich bereit, etwas Neues zu beginnen oder hängt sie etwa doch noch an Lukas' unzuverlässigem Vater Stefan, der immer wieder auftaucht? Und was ist eigentlich mit dem neuen Nachbarn, der Illa ständig in peinliche Situationen bringt? Aber vor allem: Kann sich Illa überhaupt noch an die Regeln für Dates erinnern? Eine romantische Komödie, die gute Laune macht.
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Julia Wohlgemuth
Ein Mann für meine Mama
Dieses eBook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
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Impressum
1
Für einen Moment herrschte himmlische Ruhe. Ich atmete langsam aus und spürte, wie sich mein angespannter Körper in seine natürliche Form zurückbegab und die Hose im Bauchbereich wieder eng saß, dieses kleine bisschen zu eng, das man sich aus Eitelkeit nicht gern eingesteht, wenn man neue Hosen kauft und eigentlich und vernünftigerweise die nächste Größe kaufen sollte, so wie ich das immer mache. Dann setzte das Schreien wieder ein, falls dies möglich war um einige Dezibel lauter.
“ABER ICH WIHILL DIE”, schluchzendes Luftholen und noch einmal etwas lauter “SCHOKOLADE.”
Mein Sohn Lukas stand mit hochrotem Gesicht vor dem Schokoladenregal und deutete auf einen Schokoriegel mit einer fröhlichen Comicfigur auf der Verpackung. So viel Heiterkeit wünschte ich mir in diesem Moment auch. Leider bin ich nicht eine von diesen supertollen, verständnisvollen Muttis, die ganz auf Ausdiskutieren mit dem Kind setzen. Sonst hätte ich mich in diesem Augenblick neben meinen Sohn auf den Gang gesetzt (denn selbstverständlich wäre es mir als supertolle Mutti ganz egal, was andere Leute von mir denken), hätte ihm direkt in die Augen geblickt und gesagt “Lieber Lukas, du kannst jetzt die Schokolade nicht bekommen, denn wir werden in 30 Minuten zu Abend essen und außerdem sind Süßigkeiten gar nicht gut für deine Zähne.” Und selbstverständlich hätte Lukas daraufhin sofort zu weinen aufgehört und hätte gesagt “Na klar, da hast du recht Mami. Aber vielleicht kann ich ja wenigstens schon mal einen supergesunden Apfel essen.”
Da die Erfahrung mich jedoch gelehrt hatte, dass Diskussionen mit meinem Sohn nur einen Verlierer kannten und dass das die Person mit den meisten grauen Haaren von uns beiden war, meine Toleranzgrenze nach einem langen Arbeitstag extrem niedrig und es mir durchaus nicht egal war, was meine Mitmenschen von mir dachten, versuchte ich es zunächst mit einem strengen “Nein”. Erwartungsgemäß hatte dies jedoch den gleichen Effekt wie Blumen bei einem Regenguss zu gießen, nämlich überhaupt keinen und man könnte es ebenso gut lassen. Als Nächstes versuchte ich es mit Ignorieren. Eine Technik, die für den Erfolg gute Nerven und ein bisschen Zeit voraussetzte. Beides hatte ich in diesem Moment nicht und als ich auch noch Frau Kling um die Ecke biegen sah, entschloss ich mich schnellstens zu Schritt Drei der Wutanfallsbekämpfung: nachgeben. Pädagogisch natürlich völlig falsch und selbstverständlich würde es ohne einen Zweifel dazu führen, dass mein Kind ein kleiner Tyrann würde, der spätestens mit fünf Jahren Angst und Schrecken unter Kindergärtnerinnen verbreiten würde und mit 11 dem Jugendrichter erklären würde “Aber meine Mutter hat mir immer Schokolade gegeben”. Schließlich hatte ich genug Erziehungsratgeber gelesen, um das zu wissen. Aber ich bin mir sicher, dass alle Autoren von Erziehungsratgebern Frau Kling nicht kannten.
Eigentlich hieß Frau Kling Frau Müller aber wir nannten sie Frau Kling nach Else Kling aus der Lindenstraße, da sie deren Eigenschaften Klatschsucht und übergroßes Interesse an den Angelegenheiten anderer Menschen bis zur Perfektion beherrschte. Sie wohnte mit ihrem Mann in der Parterrewohnung des Hauses, in dem auch Lukas und ich eine Wohnung mieteten. Denn Leute wie Frau Kling wohnen ja immer in der Parterrewohnung, wie sollten sie sonst alle Bewegungen im Haus mitbekommen. Ich verspürte gelegentlich Mitleid mit ihrem Mann, von dem ich noch nie mehr als ein “Guten Tag” gehört hatte, denn ich stellte mir vor, dass er selten Gelegenheit hatte, mehr als ein Guten Tag zu sagen. Aber vielleicht kam ich nur zu diesem Schluss, da er mich an meinen Vater erinnerte, der wiederum selten in mehr als Zwei-Wort-Sätzen kommunizierte.
Ich gab Lukas den begehrten Schokoriegel, was ihn augenblicklich verstummen ließ, schnappte ihn mir und setzte ihn in den Einkaufswagen, was er, in Anbetracht der Süßigkeit in seiner Hand, willig über sich ergehen ließ. Zügig bewegte ich nun den Wagen weiter und wollte, Eile vortäuschend, mit einem kurzen Nicken in Frau Klings Richtung zur Kasse oder irgendwohin, jedenfalls weit weg von unserer neugierigen Nachbarin. Doch es war zu spät. Frau Kling war offensichtlich in ganz besonders klatschsüchtiger Laune und ließ sich auch nicht von meinem schnellen Schritt oder zugegeben vorgetäuschter Hektik abhalten, mir ein Gespräch aufzudrängen.
“Ach die Frau Hasemann.”
Notgedrungen blieb ich stehen. “Hallo Frau Müller.”
Ich war nur froh, dass Lukas ganz mit seinem Schokoriegel beschäftigt war und deshalb Frau Kling ignorierte. Nachdem er sie vor einigen Wochen mit Frau Kling angesprochen hatte und auf ihre Berichtigung hin insistierte “Mama sagt immer Kling”, war ich sehr vorsichtig geworden, was ich in Gegenwart von Lukas sagte (denn Frau Kling waren noch einige der schmeichelhafteren Dinge, die mir durch den Kopf gingen und gelegentlich auch aus meinem Mund kamen) und versuchte nun stets Lukas abzulenken, wenn wir Leute wie Frau Kling auf der Straße trafen.
“Und der kleine Lukas. Ich hab dich schon vom anderen Ende des Supermarktes gehört.” Lukas muffelte weiter an seiner Schokolade und es war ihm offensichtlich völlig egal, ob sie oder der Rest der Menschheit in Honolulu oder sonst wo ihn gehört hatten. Ich brachte ein kurzes falsches Lächeln zustande in der Hoffnung, dass das Thema damit abgehakt sei. Aber nichts da. “Und dabei bist du doch schon so ein großer Junge. Wenn du so weitermachst, tanzt du deiner Mutti bald auf dem Kopf rum. Und Schokolade ist gar nicht gut für deine Zähne und dann musst du zum Zahnarzt und der tut dir ganz sehr weh.”
“Wenn man sich regelmäßig die Zähne putzt, dann schadet Schokolade den Zähnen gar nicht und hören Sie gefälligst auf, meinem Sohn Angst vorm Zahnarzt zu machen und überhaupt geht Sie das gar nichts an Sie alte Kuh mit ihrem großen Gebiss, da bekommt ja der Wolf aus Rotkäppchen noch Angst davor.” Nein, das habe ich natürlich nicht gesagt. Das hätte ich zwar sehr gern, aber ich bin, wie erwähnt, nicht immun gegen die Meinung meiner Mitmenschen. Eine Charaktereigenschaft, die mir gepaart mit meinem ebenfalls nervenden Drang, mich bei anderen Menschen beliebt machen zu wollen, egal ob ich sie leiden kann oder nicht, schon so manche Stunde bei langweiligen Gesprächen, Konzertbesuchen, Filmen, Partys etc. beschert hat. Ich ließ es daher mit einem weiteren kurzen angedeuteten Lächeln bewenden und schickte mich an, nun endgültig meinen Wagen weiterzuschieben. Aber Frau Kling war offensichtlich noch nicht fertig.
“Haben Sie schon unsere neuen Nachbarn kennengelernt?”
Neue Nachbarn? Na das waren ja wirklich mal interessante Neuigkeiten, die sie zu verbreiten hatte. “Nein, habe ich nicht. Und Sie?” Selbstverständlich wusste ich, dass die Antwort Ja sein würde. An Frau Müller-Kling kam keiner vorbei.
“Ein Paar ohne Kinder anscheinend. Die räumen schon den ganzen Tag Umzugskisten rein. Und sie fahren einen Porsche.” Frau Kling sprach das letzte Wort mit größter Verachtung aus. “Die Frau scheint nicht sehr nett zu sein, gegrüßt hat sie schon mal gar nicht und sie kam vorhin mit ihrem Auto angerast, dass sie fast meinen armen Eberhard umgefahren hätte. Also ich weiß ja nicht, ob die bei uns reinpassen werden.”
“Schade, ein anderes Kind im Haus wäre schön gewesen für Lukas.” Wir wohnten in einer hübschen kleinen Altbauwohnung nicht zu weit vom Leipziger Stadtzentrum entfernt. Außer Frau Kling und uns wohnten nur noch andere Erwachsene im Haus, die sehr viel zu arbeiten schienen, weshalb ich die meisten gar nicht kannte. Der Grund, warum wir uns die Wohnung überhaupt leisten konnten, war die Lage im Dachgeschoss, da es erstens keinen Lift gab und zweitens das Dach trotz Sanierung schlecht isoliert war, weshalb es im Winter recht kalt und im Sommer schnell zu heiß wurde. Aber bis auf diese Nachteile liebte ich mein kleines Reich, in dem ich schon gewohnt hatte, bevor es Lukas gab. Man hatte einen herrlichen Blick über die Innenstadt vom Neuen Rathaus bis zum Uniriesen.
Nach meinem wöchentlichen Einkauf hatte ich jedoch regelmäßig den Wunsch umzuziehen. So auch heute. Nachdem Frau Kling uns noch bereitwillig mit allen Informationen über unsere neuen Nachbarn versorgt hatte (es waren nicht viele, es sei denn man wäre an der Anzahl und Größe der Umzugskartons interessiert, ich war es nicht), waren wir ihr und dem Supermarkt endlich entkommen. Wir waren mit meinem Rad durch Schneematschwetter nach Hause gefahren, immer darauf bedacht nicht auszurutschen (ein diesbezüglicher Unfall vor einigen Wintern, der mit einer zerrissenen Hose geendet hatte, die zudem noch neu gewesen war, hatte mich in der Hinsicht sehr vorsichtig werden lassen; das Ganze war auf dem Weg zu einer ersten Verabredung passiert und ich bin bis heute überzeugt, dass es nur daran lag, dass es zu keiner zweiten Verabredung kam, doch das ist eine andere Geschichte). Der erwähnte Porsche parkte direkt vor der Hintertür, die ich für mein Fahrrad benutzten musste, denn leider war mit der letzten Sanierung unser begrünter Hinterhof einem Parkplatz gewichen. Wütend quetschte ich mich mit Lukas und dem Fahrrad an dem Auto vorbei, um ins Haus zu gelangen. Als ich dann mit meinen schweren Taschen, nassen und rutschigen Schuhen und inzwischen wieder quengelndem Lukas die Treppe heraufkeuchend auch noch über eine Umzugskiste stolperte, verlor ich ein bisschen die Nerven. Am liebsten hätte ich so einen richtig schönen Tobsuchtsanfall bekommen, wie er auch Lukas würdig gewesen wäre. Nur so ist es zu erklären, dass ich entrüstet bei den neuen Nachbarn klingelte. Normalerweise bin ich nämlich ein friedlicher Mensch und ganz liebenswert, zumindest erwecke ich gern den Eindruck.
Ein Mann, den ich in besserer Laune wahrscheinlich als gut aussehend bezeichnet hätte, öffnete mir die Tür. Er war groß und hatte hellgrüne Augen, die durch seine dunklen Haare noch hervorhoben wurden.
“Also wissen Sie, müssen Sie Ihre Kartons hier mitten im Weg stehen lassen? Ich wäre mit meinem Kind gerade fast darüber geflogen”, kam ich ohne Begrüßungsworte direkt zur Sache.
“Na hören Sie mal, Sie sehen doch, dass der Umzug gerade erst stattfindet. Die Kartons wären schon gleich weg gewesen, wenn man hier Zeit dazu bekommen würde und nicht ständig von den Nachbarn abgehalten würde.” Aha, Frau Müller war auch schon da gewesen. Ich musste ihr in ihrer Meinung ja fast recht geben. Der entschuldigte sich noch nicht mal, sondern wurde gleich pampig. Na warte, arroganter Schnösel.
“Und Ihr Auto parkt auch so, dass man die Haustür gar nicht aufbekommt. Das ist überhaupt gar nicht erlaubt, so zu parken. Da würde sich sicher das Ordnungsamt dafür interessieren.”
Er warf mir einen wütenden Blick zu und rief dann ins Wohnungsinnere: “Sabine, kommst du mal? Es geht um dein Auto.”
“Ja?” Eine Frau, bei der so normale Frauen wie ich Minderwertigkeitskomplexe bekommen, kam an die Tür. Selbst an ihrem Umzugstag sah sie perfekt aus, die Haare saßen alle so, wie sie sollten und mit kurzem Rock und Stiefeln war sie auch irgendwie unpassend gekleidet, aber man konnte sich bei ihr ohnehin nicht vorstellen, dass sie viel mit anpackte. Sie musterte mich abschätzend von oben bis unten. Obwohl mich das normalerweise einschüchtern würde, war ich in dem Moment zu sauer. Ich wiederholte meine Anschuldigung.
“Ah, es bleibt sowieso nicht lange da stehen, keine Sorge.” Mit diesen Worten ging sie wieder zurück in die Wohnung.
“War’s das dann?” Herr Arrogant klang ungeduldig. Hätte nur noch gefehlt, dass er mit seiner Fußspitze auf dem Boden getippt hätte.
Da ich meinem Ärger nun Luft gemacht hatte und meine Wut wie ein Luftballon zerplatzt war, wusste ich eigentlich auch nicht mehr, was ich sagen sollte. “Ähm, ja. Guten Abend.”
Bereits auf dem letzten Treppenabsatz zu unserer Wohnung begann ich, mich für meinen Auftritt zu schämen. Das war ja nicht gerade ein guter Auftakt zu guter Nachbarschaft. Schließlich war heute erst ihr Umzugstag. Und immerhin hätte ich ja erstmal Guten Tag oder Willkommen im Haus sagen können, bevor ich losgepoltert hätte. Dass bei mir Handeln vor dem Denken kam, wenn ich wütend war, war bei mir leider manchmal ein Problem und hatte mich schon in manch unangenehme Situation gebracht, woraus ich aber nichts lernte. Schien Lukas von mir geerbt zu haben. Wenn die neuen Leute nur ein kleines bisschen netter gewesen wären, wäre ich wahrscheinlich sofort umgedreht, um mich zu entschuldigen. Aber so tat es mir dann auch wieder nur bedingt leid und eine neuerliche Begegnung wollte ich ganz bestimmt vermeiden.
Als Lukas endlich im Bett war, hätte ich mich am liebsten gleich dazu gelegt. Doch ich hatte noch etwas anderes vor. Es ging um ein Versprechen, das Claudia und ich uns zu Neujahr gegeben hatten. Claudia war Lukas’ Patentante und meine beste Freundin seit Schulzeiten.
Zu Silvester kurz nach Mitternacht, nachdem wir beide nicht mehr ganz nüchtern waren (das hieß für mich nach meinem zweiten Glas Wein; seitdem ich Lukas hatte und kaum noch wegging, bedurfte es nur eines Glases und ich tanzte bereits auf den Tischen), hatte Claudia ein ernstes Wort mit mir zu sprechen. Es hörte sich ungefähr so an: “Furrrsneujahr, neur Mann hicks,dumusstrendlischdnstefnvergessn.”
Ich starrte sie an als spräche sie chinesisch und mit enormer Konzentration wiederholte sie es nochmals für mich:
“Fürs neue Jahr wollen wir uns vornehmen, dass wir neue Männer kennenlernen. Du musst endlich diesen Stefan vergessen. Und ich will endlich auch einen Mann kennenlernen, mit dem ich Kinder bekommen kann, Lukas ist so süß.” Bei dem Gedanken an Lukas, der hoffentlich schon friedlich bei meinen Eltern schlief, lächelte ich ein sentimentales weinseliges Lächeln.
“Ja, issrnichsuss.” Ich hatte auch Probleme zu sprechen.
“Genau, und Lukas braucht einen zuverlässigeren Vater als seinen eigenen.”
“Aber wo finden wir die neuen Männer?” Ich schaute mich in der Kneipe um, wo wir Silvester feierten. Die Männer waren entweder Teil eines Pärchens oder sahen so aus, als wüsste man schon von vornherein, warum sie nicht Teil eines Pärchens sind.
Claudia war meinem Blick gefolgt. “Internetdating. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass allein stehende Männer öfter zu Hause sitzen und daher nicht ohne weiteres in Kneipen anzutreffen sind.”
Ich war mir ziemlich sicher, dass Claudia sich das gerade ausdachte. “Es ist wissenschaftlich erwiesen” war eine ihrer Lieblingsreden und wenn man genauer nachforschte, was denn das genau für eine wissenschaftliche Studie gewesen sein sollte, murmelte sie in der Regel etwas von “Institut Dr. Fresenius”. Ah ja. Aber wo sie recht hatte, hatte sie recht. Wissenschaft hin oder her. Lukas war fast drei Jahre alt und fast genauso lange war ich nicht mehr mit Lukas’ Vater oder irgendeinem anderen Mann zusammen gewesen. Für eine lange Zeit hatte mich die Tatsache Mutter zu werden und ohne Lukas’ Vater zu leben emotional so sehr beschäftigt, dass mir nichts gefehlt hatte, aber in letzter Zeit hatte es doch den einen oder anderen Moment gegeben, wo ich dachte, wie schön es doch wäre, sich mal wieder zu verlieben.
So kam es zu unserem Pakt. “Wir haben bis Ende März beide mindestens ein Internetdate vorzuweisen. Drei Monate von heute. Das dürfest ja sogar du schaffen Illa.” Leider war ich bekannt dafür, manchmal etwas langsam zu sein. Wir tranken noch ein Glas Rotkäppchens Besten darauf und am nächsten Morgen hatte ich das Ganze völlig vergessen. Oder vielleicht auch verdrängt.
Bis mich Claudia zwei Wochen später daran erinnerte.
“Hast Du schon ein paar E-Mails geschrieben?”
Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
Ihre Stimme wurde streng. “Du erinnerst dich doch an unseren Pakt von Silvester?”
“Hm, ja na klar” erwiderte ich unsicher. Erst mal ja sagen schien mir das Sicherste.
“Also?”
“Also was?”
“Na, hast Du schon ein potenzielles Date?”
Hierbei setzte meine Erinnerung ein und gleichzeitig die Erkenntnis, dass Claudia meine Antwort, wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde, nicht gefallen würde und Claudia konnte ziemlich Furcht erregend sein, wenn ihr Antworten nicht gefielen. Deshalb hatte sie es beruflich auch wesentlich weiter gebracht als ich. ”Och naja, weißt du”, versuchte ich es erst mal wage. “Und du?”
Ich hatte Glück. Sie hatte ein potenzielles Date, sogar zwei, und war daher zu beschäftigt, mir davon zu erzählen als weiter in mich zu drängen. Aber ich wusste, dass ich beim nächsten Mal nicht so viel Glück haben würde und ein Pakt war schließlich ein Pakt, und obwohl ich es mir kaum eingestehen wollte, ein klitzekleines bisschen hoffte ich ja auch, dass da irgendwo im Netz jemand zu finden wäre, der meine romantischen Träume mit Leben erfüllen würde. Also gut, nur so zwischen uns, ich hoffte ein größeres bisschen.
Und so kam es, dass ich an diesem Abend, statt ins Bett zu gehen, vor dem Computer saß. Am Ende hatte ich mich doch fürs Erste gegen einschlägige Internetdatingseiten entschieden; irgendwie kam mir der Gedanke daran mehr nach Fleischmarkt als nach romantischem Beginn einer Liebesbeziehung vor (obwohl von Claudia wärmstens empfohlen “Schon allein wegen der Bilder”). Just an dem Tage hatte ich nämlich an einem Laternenpfahl einen Zettel gesehen:
Punkt, Punkt, Komma, Strich
Papa sucht ne Frau wie dich.
Darunter war ein kleines Strichmännchen gemalt und eine E-Mail-Adresse. [email protected]. Irgendwie hatte ich das Ganze lustig gefunden und sofort beschlossen, meinen Teil des Silvesterpaktes damit zu erfüllen. Vielleicht war es nur, weil ich Lukas tausendfach Mondgesichter gemalt hatte bestehend aus Punkt-Punkt-Komma-Strich-fertig-ist-das-Mondgesicht.