Ein Mann im Haus - Ulla Hahn - E-Book

Ein Mann im Haus E-Book

Ulla Hahn

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Beschreibung

Eine Frau schmiedet ihrem Geliebten goldene Fesseln und kettet ihn an sich, an ihr Haus, an ihr Bett. Sie macht ihn sich in einem präzise erdachten, grausamen Unterwerfungsprozeß untertan: die Rache für die jahrelange Verfügbarkeit und Willfährigkeit, die von ihr erwartet wurde.

Ulla Hahn hat einen Roman geschrieben, der mit Grenzen spielt: keinen Liebesroman, aber mit grausamer Konsequenz von nichts als der Liebe erzählend; keine Pornographie, aber ohne Respekt vor Tabus; kein feministisches Lehrbuch, aber rückhaltlos und ausschließlich die weibliche Perspektive zeigend.

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Seitenzahl: 164

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Inhaltsverzeichnis

Bas BuchDer AutorIIIIIIIVVVIVIIVIIIIXXCopyright

Bas Buch

Ulla Hahns Prosadebüt ist mehr als ein Roman, der keine Tabus kennt. Eine Frau erzählt die Geschichte einer bizarren Liebesbeziehung: zärtlich, boshaft, gewalttätig und voller Erbarmen.

Jahrelang ist Maria die Geliebte eines verheirateten Mannes. Doch dann verkehren sich die Verhältnisse, wird Liebe zur Grausamkeit, das Opfer zum Täter. Ulla Hahn erzählt von einer Frau, die das bekannte Spiel durchbricht, um es mit vertauschten Rollen zu inszenieren. Was im verborgenen und geheimen unter dem öffentlichen Schutz einer doppelten Moral gedeihen konnte, zeigt sich nun in seiner wahren, erschrecken den Gestalt: Maria fesselt ihren Liebhaber – an ihr Bett, an ihr Heim, an sich.

Ebenso wirkungsvoll, fast grausam fesselt der Text seinen Leser, indem er die Figuren grell, überhell beleuchtet hervortreten läßt, und sie mit der Unerbittlichkeit eines Laborversuchs betrachtet. Unter dem harten Licht dieser Prosa verfremdet sich das Geschehen, balanciert es auf der Grenze zwischen wahrscheinlicher und absurder Welt, Wirklichkeit und Parabel.

Deutsche Verlags-Anstalt

Der Autor

Dr. phil. Ulla Hahn, geboren 1946 in Brachthausen/Sauerland, war nach dem Studium der Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie Lehrbeauftragte an den Universitäten Hamburg, Bremen und Oldenburg. Sie arbeitet als Redakteurin für Literatur beim Rundfunk in Bremen, wo sie jedoch seit 1987 beurlaubt ist.

Ulla Hahn erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise, unter anderem 1981 den Leonce-und-Lena-Preis, 1985 den Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg v.d. Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg v.d. Höhe und 1986 die Roswitha-von-Gandersheim-Medaille. 1987/88 war sie Stadtschreiben von Bergen-Enkheim.

Schutzumschlagentwurf: Brigitte und Hans Peter Willberg, unter Verwendung einer Graphik und Aubrey Beardsley

Wovon man nicht laut spricht, das ist nicht da.

Friedrich Nietzsche

I

Sie spielte mit dem Gedanken an einen weißen Hals nicht erst seit gestern, liebte es, Todesarten, Motive, Opfer und Täter durchzuprobieren, hin und her zu kombinieren, ließ Eifersuchtsdramen in Stürzen von Klippen und wackligen Brücken gipfeln, Streitigkeiten in Zyankali verzucken, hinter jeder Mülltonne lauerte irgendein Triebtäter einer Rotznase auf. Im Herbst konnte sie an keinem Gemüseladen vorbeigehen, ohne in ihrem Pilzgericht zu schwelgen. Man nehme ein leckeres Häufchen Waldchampignons, bereite es nach den Regeln der Kunst mit Speck, saurer Sahne, einem Hauch von Knoblauch vielleicht und rüste in einem gesonderten Töpfchen, das niemand niemals zu Gesicht bekommen darf, gleicherweise den tödlich giftigen Pantherpilz, der dem Waldchampignon zum Verwechseln ähnlich sieht. Man versammle seine besten Freunde und seinen liebsten Feind an einem heiteren Oktoberabend zu frischem Zwiebelkuchen und neuem Wein, die Krönung sollte das Pilzgericht sein. Indem das Trüpplein sein Opfermahl selbständig zusammenklaubt, läßt sich der Vorgang verfeinern. Den Giftpilz hält man natürlich im voraus bereit. Alsdann serviere man die Champignons in einer Schüssel, das Giftgericht wird sauber in die Kelle placiert und dem Erwählten mit Gastgeberschwung als Auszeichnung eigenhändig auf den Teller getan. Daraufhin die Kelle unbedingt fallen lassen und in der Küche abspülen. Alle anderen werden aus der Schüssel bedient, wobei man den Kandidaten mit einem Nachschlag bedenken sollte.

Herbst für Herbst entwarf Maria neue Gelage. Früher hatten die Opfer häufig gewechselt. Seit drei Jahren gab es nur noch eines. Hansegon war groß, schön und magerte sie mittels heimlicher Liebe ab bis auf die Knochen. Er war mit der Tochter des hiesigen Wurstfabrikanten verheiratet, der sich zu dieser Position vom Metzgergesellen emporgeschlachtet hatte. Sie besaß das Geld, das Hansegon, der selbst aus kleinen Verhältnissen kam, zur Pflege seiner feinsinnigen Künstlernatur nun einmal benötigte.

»Warte, bis die Kinder groß sind«, hatte Hansegon gesagt. Nun waren die Kinder längst aus dem Haus, aber Hansegon immer noch drin. »Was ist dir?« fragte er, wenn Maria mitten im Akt mit den Zähnen knirschte, ihr Gesicht sich unwillkürlich zur Fratze verzog. Nur der Körper funktionierte noch wie ein dressiertes Tier, jahrelanges Versteckspiel hatte sie das Verbergen gelehrt.

Hansegon war Küster, er liebte sein Küsteramt. Es ließ ihm genügend Zeit für die Leitung des Kirchenchors, den er weit über die Grenzen der Kleinstadt hinaus bekannt gemacht hatte. An Wochenenden war er bisweilen auf Konzertreisen unterwegs. Daß er aber mit seiner Frau verreisen werde – müsse, sagte er –, teilte er Maria aus heiterem Himmel mit. Nein, keine Auftritte, einfach so. Seine Frau wolle mit diesem Urlaub einen neuen Anfang machen.

Am Abend vor der Reise richtete Maria ein feines Abschiedsessen an. Hansegon hielt sich gern in ihrer Wohnung auf, die mit einigen Erbstücken sparsam möbliert war. »Nur bei dir bin ich zu Haus«, sagte er immer wieder und auch heute zu ihr, während ihm die heiße Butter übers Kinn in den Hemdkragen tropfte. Er hatte sich daheim für einen Verdauungsspaziergang abgemeldet, vielleicht noch auf einen Sprung in die Kirche an die Orgel.

Sie legte die Linzer von Mozart auf, ein großer roter Rosenstrauß duftete vom Buffet, weiches Kerzenlicht machte das Paar jung und schön, die Flasche Champagner war leer, Maria hatte zwischendurch in der Küche noch ein paar Gläser Sherry getrunken, und da die Zeit drängte, gingen sie nicht ins Bett, weihten vielmehr die frisch aufgepolsterte Récamiere ein, die Maria bei einer Auktion billig ersteigert hatte. Das Möbel zwang die beiden in eine ungewohnte Stellung zwischen Sitzen und Liegen, Hansegons Beine hingen am hinteren Ende ins Ungewisse. Schließlich brachten sie die Sache auf dem Perser zu Ende, daß ihnen die Muster zu wilden Formen und Farben erblühten.

»Ich muß gehn«, sagte Hansegon mit einer Stimme, die hören ließ, daß er schon längst woanders war.

»Aushöhlen müßte man dich«, erwiderte sie und verleibte sich versonnen einen Keks ein, der zu Boden gefallen war. »Aushöhlen, ausbeinen, ausbluten – eine dauerhafte Mumie, eine perfekte Fassade.«

Hansegon lachte verlegen. »Ich muß gehen«, sagte er.

»Nein«, sagte sie, biß ihn in Hals und Ohren, spielerisch, leicht, wie schon so oft. Sie hatte ihm niemals weh tun wollen.

Er lachte, ärgerlich jetzt, wollte sie mit einer Armbewegung, einem kurzen Ruck seines Beckens von seinem Körper abstoßen. Sie klammerte sich, die Arme im Nacken, die Beine unterhalb seines Hinterns verschränkt, an ihm fest.

»Jetzt aber Schluß!« Er bäumte sich auf, sie sich mit. Kein Lachen war mehr in seiner Stimme.

»Ich muß fort«, sagte er.

»Nein«, sagte sie. Auch in ihrer Stimme klang ein ungewohnter Ton. Er verdoppelte seine Anstrengungen, aufzustehen, sie die ihren, ihn niederzuhalten. Sie balgten sich auf dem Boden, zwei verliebte Katzen, bevor es soweit ist. Ihr Kichern war ein wenig zu schrill, es gluckste ihr auf dem Trommelfell wie Wasser in den Ohren. So süß war es, den Widerstand seines Fleisches zu spüren, und es gab nach, wie ihr der Wille des Mannes nie nachgegeben hatte.

»Mein Herz«, stieß er hervor, und sie glaubte zuerst, er meinte sie, doch ließ er sie fahren, griff sich an die Brust und wäre mit dem Hinterkopf auf den Perser geschlagen, hätte sie ihn nicht im Fall gefangen und behutsam hinabgleiten lassen.

»Scht, seht«, machte sie beschwichtigend wie zu einem kleinen, bockigen Kind und strich ihm ein paar Strähnen aus der Stirn. »Seht, es ist nichts, wir gehen jetzt ruhig ein bißchen schlafen.«

Schlaff und gelb lag Hansegon auf dem Teppich. Sie hatte mittlere Dosen dreier verschiedener Schlaftabletten in sein Kerbelsüppchen gemischt, was ihn zu dem Ausruf »pikant! pikant!« und einem kennerischen Zungenschnalzen veranlaßt hatte. Sein Herz schlug schwach, aber regelmäßig. Morgen früh würde er wieder hellwach sein.

So griff sie in seine schweißtriefenden Achselhöhlen und schleifte ihn aus dem Wohnzimmer durch den Flur in ihr Schlafkabinett. Sie hatte das Bett mit Seide bezogen und, obwohl es für die rechte Blütezeit noch zu früh war, eine Gardenie besorgt, die sich süß und faulig in die Dunkelheit verströmte. Die Kerzen im siebenarmigen Silber wandten ihre Flammen Hansegon zu, als sie seinen massigen Männerleib auf ein stabiles Brett bugsierte, das schräg an der hohen Bettstatt lehnte. Sie hatte es mittags herangeschafft, um mittels Hebelwirkung der Schwerkraft zu begegnen. Wippend landete Hansegon in den Laken.

Die kühle Seide sirrte und machte seinen nackten Körper schaudern. Sie bettete ihn ordentlich der Länge nach auf den Rücken und schloß ihm Hände und Füße an sechs Goldbarren, ein liebes letztes Andenken an Onkel Leopold, der, bevor er das Metall gemäß seiner Profession in kariösen Zähnen hatte unterbringen können, einem Herzinfarkt erlegen war. Nach Mustern aus einem Buch über die Pestinsel in Neuguinea hatte sie das Gold zu einer geschmackvollen, soliden Fesselung verarbeitet. Die Reifen schimmerten matt – Hansegon liebte das Understatement – und waren zu seinem Komfort innen mit weichem lila Samt gepolstert. Der Mann verdiente Maßarbeit, und Maria liebte ihren Beruf. Kaum hatte sie nach ihrem Umzug in die Kleinstadt die Goldschmiedewerkstatt eröffnet, da bestellte der Küster einen Meßkelch bei ihr. Über der Planung und Ausführung dieses Sakramententrägers kamen sie sich näher, und als er stattlich und bereit auf dem Altar stand, stand Hansegon ebenso vor ihrer Tür.

Maria zog sich aus und schmiegte ihren heißen Körper an den des Mannes, spürte, wie er sich erwärmte, schob die gefesselten Hände beiseite und griff nach seinem Glied. Er seufzte im Schlaf. Wie müde war sie, wie zufrieden.

II

Seit die Nachbarskatze an Rattengift eingegangen war, erwachte Maria jeden Morgen früh vom Geschnatter der Vögel. Heute mischte sich Hansegons Schnarchen mißtönend dazu. Sein Mund stand weit offen, und Speichel lief aus dem linken Mundwinkel auf die Kissen, färbte die dunkelrote Seide schwarz, spitz stach die Nase in die Morgendämmerung. Maria küßte sie leicht, ging ins Bad, duschte und pfiff das Lied vom Vogelfänger. Ach! Überwältigend süß war dieser Augenblick gewesen, als sie mit ihm gerungen hatte! Sie setzte Teewasser auf und machte sich daran, das Armband einer Kundin, dessen Silberfäden sich verfangen hatten, zu entwirren.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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