Ein Name - in Blei geritzt - G.F. Barner - E-Book

Ein Name - in Blei geritzt E-Book

G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Die sehen mich an, dachte Brad Ellis, als habe ich die Pest. Alle starren mir nach, flüstern hinter meinem Rücken, sobald ich vorbei bin. In ihren Augen bin ich ein Mörder, ich oder Mike Pershing, Ed Robbins oder Luke Marvin. Einer von uns muß den wilden Jungen Kid Carlton getötet haben. Das denken sie. Und nun warten sie seit zwölf Tagen darauf, daß der Bruder dieses wilden Jungen kommt, der große Frank Carlton, Sheriff von Las Cruces in New Mexico, vorher US Marshal, Town Marshal in dieser Stadt Jefferson City und davor Weidedetektiv hier. Brad Ellis starrte in sein Glas. Er trank sonst nie, aber diesmal war er in den Jefferson City Saloon des dicken, glatzköpfigen Ken Willard gegangen. Inzwischen hatten alle anderen Gäste den Raum verlassen. »Noch einen«, sagte der Revolvermann Brad Ellis. Er war nicht mehr ganz jung, er war auch kurzsichtig und hätte eine Brille tragen müssen. Aber ein Revolvermann mit Brille? »Willard!« Der Kugelkopf klebte an seinem Flaschenregal hinter dem Tresen und war grau im Gesicht. Auf seiner Haut stand der Schweiß in dichten Perlen. Und die Angst hatte dieses Gesicht verzerrt. Etwas tauchte in Brads Blickfeld auf, kullerte messingfarben blinkend heran und prallte gegen seine Hand. Die Patrone lag da, Kaliber 45. In das Bleigeschoß war etwas eingeritzt. Er sah aus wie ein Name. Du großer Gott, dachte Ellis, ganz ruhig, nur nicht durchdrehen. Sie haben gesagt, er käme so leise wie ein Raubtier, er sei nicht zu hören, aber plötzlich sei er immer genau dort aufgetaucht, wo man ihn am

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G.F. Barner – 111–

Ein Name - in Blei geritzt

G.F. Barner

Die sehen mich an, dachte Brad Ellis, als habe ich die Pest. Alle starren mir nach, flüstern hinter meinem Rücken, sobald ich vorbei bin. In ihren Augen bin ich ein Mörder, ich oder Mike Pershing, Ed Robbins oder Luke Marvin. Einer von uns muß den wilden Jungen Kid Carlton getötet haben. Das denken sie. Und nun warten sie seit zwölf Tagen darauf, daß der Bruder dieses wilden Jungen kommt, der große Frank Carlton, Sheriff von Las Cruces in New Mexico, vorher US Marshal, Town Marshal in dieser Stadt Jefferson City und davor Weidedetektiv hier.

Brad Ellis starrte in sein Glas. Er trank sonst nie, aber diesmal war er in den Jefferson City Saloon des dicken, glatzköpfigen Ken Willard gegangen. Inzwischen hatten alle anderen Gäste den Raum verlassen.

»Noch einen«, sagte der Revolvermann Brad Ellis. Er war nicht mehr ganz jung, er war auch kurzsichtig und hätte eine Brille tragen müssen. Aber ein Revolvermann mit Brille? »Willard!«

Der Kugelkopf klebte an seinem Flaschenregal hinter dem Tresen und war grau im Gesicht. Auf seiner Haut stand der Schweiß in dichten Perlen. Und die Angst hatte dieses Gesicht verzerrt.

Etwas tauchte in Brads Blickfeld auf, kullerte messingfarben blinkend heran und prallte gegen seine Hand.

Die Patrone lag da, Kaliber 45. In das Bleigeschoß war etwas eingeritzt. Er sah aus wie ein Name.

Du großer Gott, dachte Ellis, ganz ruhig, nur nicht durchdrehen. Sie haben gesagt, er käme so leise wie ein Raubtier, er sei nicht zu hören, aber plötzlich sei er immer genau dort aufgetaucht, wo man ihn am wenigstens vermutet hätte. Halte die Hände auf dem Tresen, Brad, nicht zu den Revolvern greifen. Wessen Name mag das sein?

Da drüben links stand jemand am Hinterausgang und wirkte wie ein Schatten. Der Mann hatte die Patrone über den Tresen rollen lassen.

Brad Ellis nahm langsam die Linke hoch, die Patrone zwischen den Fingern. Und dann war es ihm, als schlüge ihm jemand eine Faust in den Magen. Fünf Buchstaben, ein Name: Ellis.

Sein Name!

»Nein, Frankie!« entfuhr es Willard in diesem Augenblick.

Jetzt bin ich dran, dachte Ellis, denn ich habe hundert Geschichten von ihm gehört. Auch die, daß er seinen kleinen Bruder als Hilfssheriff beschäftigte und ihm dieser wilde Junge so viel Ärger gemacht hat, daß er ihm den Orden abnehmen mußte. Ich habe Kid den Colt aus der Hand geschossen, weil ich es leid war, jedes Großmaul töten zu müssen. Kein Mensch weiß bis heute, daß ich auf seinen Colt zielte und seinen Ellbogen traf und den mit der Kugel zerschmetterte. Er wäre ein Krüppel geblieben, er tat mir sogar leid, aber ich habe ihn nicht durch das Fenster hinterrücks erschossen.

»Ellis!«

Der stellte die Patrone aufrecht hin, legte dann beide Hände flach auf die Tresenplatte.

»Du kannst ziehen«, sagte der Revolvermann und frühere US Deputy-Marshal Brad Ellis mit seiner tiefen Stimme. »Ich schieße mich nicht mit dir, auch wenn du mich zwingen willst.«

Das war es. Genau so hatte er es schon vor elf Tagen beschlossen, als der Sheriff aus Fair Play auf die Rudney Ranch gekommen war und seine Fragen gestellt hatte.

»Auf der Kugel steht dein Name, Ellis. Und weißt du, wer ihn eingeritzt hat?«

»Nein. Wer denn?«

»Mein kleiner Bruder Joe, den man Kid Carlton nannte. Sein Partner, der Kutschenfahrer Nigel Hull, hielt ihm dabei die Hand. Joe wäre sonst zu schwach gewesen. Joe starb, nachdem er den Namen des Mannes ins Blei geritzt hatte, den er für jenen hinterhältigen Schuft hielt, der durch das offene Fenster die tödliche Kugel auf ihn abgefeuert hatte – deinen, Ellis. Bist du es gewesen, dann drehe dich um. Du hast jede Chance und…«

Weiter kam er nicht. Er wirbelte so plötzlich herum, daß es Ellis, der sofort seinen Kopf wandte, vorkam, als schösse ein Puma zur Seite.

Es war das unglaublichste Schauspiel, das Ellis jemals gesehen hatte. Er begriff nicht, wie es jemand schaffen konnte, Luke Marvin zu entkommen, demselben Marvin, der früher unter den Namen Gorilla-Marvin einer der bekanntesten Faustkämpfer im Mittelwesten der Staaten gewesen und noch immer schnell wie der Blitz war.

Die ausgestreckten Arme des baumlangen, breitschultrigen Mannes, der wie Ellis aus den Südstaaten stammte, stachen ins Leere. Marvin hatte sich aus der offenstehenden Hintertür auf den Mann gestürzt, aber dieser Mann war nicht mehr da. Er zuckte in diesem Moment bereits zurück.

Allmächtiger, dachte Ellis nur noch, Marvin!

Carlton scheint förmlich zu explodieren, und Ellis begriff, warum einige Leute immer noch, obwohl Carlton die Stadt vor zehn Jahren fluchtartig verlassen hatte, nur mit gedämpfter Stimme von ihm sprachen.

Frank Carlton schnellte zurück, hatte Marvin an Hosenbund und Hemdrücken gepackt, ehe der anhalten konnte. Brad Ellis traute seinen Augen nicht. Carlton duckte sich nach links. Der schwere Luke Marvin wurde mitgerissen. Carlton hob diesen Klotz von Mann so glatt aus wie ein Fliegengewicht.

Frank Carlton, der ehemalige Townmarshal von Jefferson City, wirbelte zweimal um die Achse, während Marvin ein so schauriges Gebrüll ausstieß, wie er es vielleicht vor dem Beginn seiner zahllosen Faustkämpfe von sich gegeben hatte, um seine Gegner in Angst und Schrecken zu versetzen. Der Gorilla Marvin – er war am ganzen Körper behaart wie ein richtiger Affe – flog plötzlich durch die Luft. Und dann ließ ihn Carlton los.

Luke Marvin segelte auf die Pendel zu. Die drei Männer, die draußen am Flachwagen gestanden hatten und nun der Tür entgegenstürmten, sahen ihn zu spät kommen. Marvins Kopf prallte zuerst gegen den linken Türpfosten, dann wurde der Körper herumgeschleudert. Mit den Beinen voran sauste er durch die Schwingflügel.

Der erste Mann, der ihn sah, war Ed Robbins, der immer noch leicht humpelte, weil ihm Kid Carlton vor zwölf Tagen einen Streifschuß am linken Bein verpaßt hatte. Robbins, beinahe genau so schnell wie Ellis mit dem Revolver, groß, breit und massig, sah die Stiefel und dann nichts mehr. Als er hintenüberflog, riß er Mike Pershing mit, den vierten rauhen Burschen des alten John Rudney. Danach stürzten sie alle drei auf Jim Rudney, den einzigen Sohn jenes wilden Alten, der seit mehr als 20 Jahren mit Big Bill Jefferson Streit hatte.

»Das also«, sagte Frank Carlton so ruhig, als hätte er nicht das größte Rauhbein dieser Gegend hinausgefeuert, »war Luke Marvin, wenn ich mich nicht irre. Und die anderen freundlichen Pilger Pershing und Robbins. Und wer war dieser junge Mister, Ellis?«

»Allmächtiger!« ächzte Brad Ellis. »Jimmy Rudney, Carlton. Mann, oh, Mann, wie hast du das gemacht?«

»Was habe ich denn gemacht?« fragte Frank Carlton gelassen. »Ellis, du hast etwas gemacht.«

»Ich – was?« stammelte Ellis völlig verwirrt.

»Du hast nicht zu einem deiner Revolver gegriffen«, sagte Frank Carlton. Der große, breitschultrige Texaner nahm seinen flachkronigen Hut mit der hellen Kordel ab, kam zum Tresen und griff nach der Patrone. »Joe hat geglaubt, einer von euch wäre es gewesen, Nigel Hull war auch davon überzeugt. Dem Sheriff aus Fair Play genügte eure Aussage. Ihr hättet um die Zeit, zu der mein Bruder erschossen wurde, die Hälfte der Strecke zur Rudney Ranch hinter euch gebracht. Das hätte gelogen sein können, da euch niemand kommen hörte und ihr in einem Anbau am Ranchhaus Old John Rudneys wohnt.«

»Gott der Gerechte!« entfuhr es Ellis. »Mein Wort, Carlton, wir waren es nicht. Ich würde nie…«

»Ich weiß es jetzt«, unterbrach Carlton ihn gleichmütig. »Du schießt nicht von hinten auf jemand, noch dazu, wenn der schon wehrlos ist. Du hattest jetzt die Chance, auf mich zu feuern und hast sie nicht genutzt. Ich habe mich nach euch erkundigt. Ihr seid keine Heckenschützen. Ellis, sage den Narren, sie sollen friedlich bleiben!«

»Oaach, mein Rücken!« stöhnte Pershing. »Den Kerl bringe ich auf der Stelle um. He, was ist mit Luke? Er sagt nichts mehr und rührt sich nicht.«

»Bleibt friedlich da draußen!« rief Ellis. Er hastete zur Tür, stieß sie auf und fixierte seine Männer. »Fangt nichts an. Dieser verdammte Ochse Luke. Will immer gleich drauflos, statt erst zu üblegen. Jimmy, hast du was abgekriegt?«

»Nur die Rippen eingedrückt, glaube ich«, stöhnte der junge Rudney. »Welcher Tornado hat Marvin durch die Tür gewirbelt? Wie kommt dieser Gorilla überhaupt vorn heraus? Er war doch hinten im Stall, um nach meinem Pferd zu sehen, Brad.«

»Er ist dem Mann begegnet, den dein Vater einen verfluchten Hundesohn und die rechte Hand Big Bill Jeffersons genannt hat.«

Jim Rudney zuckte zusammen und verfärbte sich. Pershing stellte sein Stöhnen ein, und Robbins blieb wie angeleimt am Rand des Vorbaues sitzen.

»Und – und du lebst noch?« stammelte Jim Rudney. »Warum hat er nicht geschossen?«

»Weil er sich nach uns erkundigte, ehe er herkam. Viel mehr weiß ich nicht. Ich denke, ich werde jetzt mit ihm reden. Ihr anderen bleibt bei Marvin. Macht ihn munter, und dann sagt ihm, er solle es nicht noch einmal wagen, sich ohne Befehl in irgend etwas einzumischen. Jimmy, komm rauf, ich will, daß du dabei bist.«

Die Neugierigen, die von allen Seiten herbeigerannt waren, blieben stehen.

»Geht nach Hause, Leute, hier gibt es nichts zu sehen!« knurrte Ellis. »Und keiner betritt den Saloon. Kapiert?«

Sie hatten erlebt, wie unter seiner Führung die Rudney-Mannschaft mit der von Big Bill Jefferson aufgeräumt hatte und dabei Willards Saloon zu einem Trümmerhaufen geworden war. Es war der erste Sieg der Rudneys über die Jeffersons gewesen, und das seit zwanzig Jahren. Seitdem kamen die Mannschaften der beiden Ranches umschichtig an je einem Wochenende in die Stadt. Sie gingen sich aus dem Weg, weil jeder der beiden alten Streithähne gesunde Leute auf der Weide brauchte. Wenigstens in der Beziehung waren sich die beiden alten Narren einig.

Der düster und melancholisch wirkende Revolvermann hielt die Tür auf. Jim ging an ihm vorbei, und als Ellis hinter ihm die Tür schloß, warf er einen Blick auf Ken Willard. Der kugelköpfige Salooner war immer noch leichenblaß. Kein Zweifel, Willard hatte eine geradezu panische Angst vor Carlton. Warum, sollte Rudney erst später erfahren.

*

Carltons stahlgraue Augen waren ohne Anzeichen von Grimm auf den Revolvermann gerichtet.

»Es war nicht meine Schuld«, beteuerte Ellis. »Die verdammte Geschichte wäre anders gelaufen, wenn sich dein Bruder nicht eingemischt hätte, Carlton. Hull geriet mit Marvin aneinander, drüben an der Overland Station von Watkins. Sie sahen nur zu. Hull hatte Marvin, als der vor Wochen…«

»Ich weiß, Marvin bestieg die Stagecoach in Buena Vista. Er war schon angetrunken, leerte unterwegs noch eine Flasche und belästigte die Passagiere. Daraufhin beförderte Hull den Betrunkenen hinaus und schlug ihn zusammen. Stimmt das so?«

»Haargenau. Hull hat dir, als er dich in las Cruces aufsuchte und dir die Sachen deines Bruder brachte, nichts vorgelogen. Die Patrone – brachte er die auch mit?«

»Ja«, antwortete Carlton. Er griff in die Taschen, nahm sie in die Hand und schob sie Ellis hinüber. »Behalte sie. Eine dumme Sitte, den Namen eines mutmaßlichen Mörders in eine Kugel zu ritzen. Hull sagte, Joe hätte ohne jede Warnung auf Robbins gefeuert, weil der sich in den Kampf einmischte?«

»Von Einmischung kann keine Rede sein«, gab Ellis zurück. »Marvin war diesmal nüchtern. Hull war bereits am Ende, und er stolperte rückwärts gegen Robbins. Der stieß ihn von sich. Das war alles. Dein Bruder – er fuhr ja als Transportbegleiter mit, wenn die Stage Geld an Bord hatte – war in der Bank gewesen. Er hatte sein Gewehr im Anschlag und schoß auf sechzig Schritt Robbins durch die Hose. Die Kugel zog einen tiefen Riß über Eds Bein und brachte ihn zu Fall. Dann bedrohte dein Bruder uns. Er forderte mich heraus. Hundert Leute sahen zu. Was sollte ich tun? Er wollte auf mich schießen, wenn ich zu feige sei, den Kampf anzunehmen.«

»Genau so hat es mir auch Hull geschildert. Ich verstehe, du hättest dein Gesicht in dieser Stadt verloren und deinen Job bei Old John Rudney sicher auch. Ist er immer noch so wild, Jim?«

»Was heißt wild« fragte Jim Rudney zurück. »Mein Vater sagt immer das, was er denkt. Und er denkt…«

»Laß das jetzt, Jim«, schnitt Ellis ihm das Wort ab. »Ich will erst die Dinge klären, so weit sie uns betreffen und mit Kid zu tun haben. Carlton, ich denke, du hast deinen Bruder besser als jeder hier gekannt.«

»Stimmt. Ich konnte ihn in Las Cruces nicht halten. Er ging nach Denver, um sich wie er mir sagte, dort einen Namen zu machen. Zuerst schrieb er mir, er wäre Deputy geworden, dann kam eine Weile nichts und dann die Nachricht, daß er als Geldtransportbewacher bei der Overland angefangen hätte. In der Zwischenzeit erfuhr ich aus Denver, daß er wegen einer Schießerei seinen Orden verloren hatte. Ich war drauf und dran, ihn zurückzuholen, als Hull auftauchte. Ja, ich kannte meinen Bruder. Mit ihm konnte es nicht lange gutgehen. Ich mache dir keinen Vorwurf, Ellis, du hättest ihn töten können.«

»Ich wollte nicht. Er hatte keine Chance gegen mich. Es wäre Mord gewesen. Ich wollte ihm nur den Colt aus der Hand schießen, mußte zu schnell ziehen und verfehlte sein Eisen um einen Zoll. Tat mir leid, als er mit verwundetem Arm zu Boden ging.«

Carlton blickte aus dem Fenster und biß sich auf die Lippen.

»Wenn er wenigstens nicht gejammert hätte.«

Ellis wußte genau, was der große, breitschultrige Mann, dessen Schläfen bereits ergraut waren, dachte. Er schämte sich für seinen Bruder.

»Weiter, Ellis!«

»Wir verbanden Robbins, nahmen unsere Pferde und verließen die Stadt. Es war kurz vor Einbruch der Dunkelheit, und wir mußten wegen Robbins langsam reiten. Als wir die achtzehn Meilen bis zur Rudney Ranch hinter uns hatten, war es zwei Uhr früh. Ich wollte es nicht Old John melden, deshalb verhielten wir uns leise, um ihn nicht wach zu machen. Am nächsten Tag kam der Sheriff und stellte blöde Fragen. Keine Ahnung, ob er uns glaubte. Wir konnten alle nur dasselbe aussagen, Carlton. Niemand hatte uns unterwegs gesehen, und danach war die Stadt voller Gerüchte. Ich bin mir vorgekommen, als hätte ich die Pest. Die anderen kochten vor Grimm, besonders Marvin, der wütend wird, wenn man ihm etwas in die Schuhe schiebt, was er nicht getan hat. Wahrscheinlich ist er deshalb gleich auf dich losgegangen.«

»Hm, und wer könnte es deiner Meinung nach getan haben, Ellis?«

»Das weiß ich nicht, obwohl ich seit elf Tagen darüber nachdenke. Es gibt vielleicht eine Erklärung. Dein Bruder hat in Denver nicht nur diese eine Schießerei gehabt. Hull, ein Hüne, wich auch keiner Schlägerei aus. Weißt du das?«

»Er hat so etwas angedeutet«, erwiderte Frank Carlton. »Worauf willst du hinaus, Ellis?«

»Ich vermute, daß jemand, mit dem dein Bruder und Hull gewaltigen Ärger hatten, ihnen von Denver bis hierher folgte.«

»Interessant, du hast dieselbe Idee, die ich schon unterwegs hatte. Ich wollte mit Hull in Colorado Springs reden. Er fährt jetzt die Strecke von Colorado Springs über den Wilkerson Paß nach Salida. Sie haben ihn wegen der Geschichte versetzt. Als ich hinkam, war er weg, und sie erwarten ihn nicht vor übermorgen zurück. Du glaubst, jemand ist ihnen gefolgt, sah zu, wie er dich forderte und dann in die Station geführt wurde, und da beschloß der Kerl…«

»Genau das«, unterbrach Ellis. »Es ist die einzig logische Erklärung, Carlton. Hull und dein Bruder hätten am nächsten Morgen weiterfahren sollen. Dein Bruder hatte verdammte Schmerzen, er wanderte dauernd auf und ab. Hull war ziemlich fertig, konnte auch nicht schlafen, und dein Bruder öffnete das Fenster. Er hatte es kaum aufgemacht, als jemand vom Schuppen aus quer über den Hof auf ihn schoß. Der Strolch sah ihn deutlich gegen das Lampenlicht, feuerte einen zweiten Schuß auf Hull und floh.«

»Und er konnte beinahe sicher sein, daß man euch den Mord in die Schuhe schieben würde, wie es auch später kam. Ich muß so schnell wie möglich zur Paß-Station und mit Hull reden. Der soll mir die Namen aller Leute geben, mit denen er und Joe jemals Streit hatten, besonders jener Burschen, die Joe und ihm blutige Rache schworen. Wer immer es war, er muß mit beiden Ärger gehabt haben, sonst hätte er kaum auch noch auf Hull gefeuert. Ich werde mich ein paar Stunden aufs Ohr legen und dann losreiten. – Willard!«

»Ja?« fragte Willard hinter seinem Tresen.

»Setz Kaffee auf!«

»Ich – ich bin schon unterwegs«, dienerte der Kugelkopf.

Carlton sah den Revolvermann an.

»Okay, die Schießerei mit meinem Bruder kann dir kein Mensch zum Vorwurf machen, Ellis.«

Er streckte ihm die Hand hin. Brad schlug ein.

»Seltsam, diejenigen, die meist fair und anständig kämpften, aber irgendwann von einem Hundesohn erwischt wurden, der sich nicht an die Regeln hielt, stammten alle aus dem Süden. Wir haben unseren eigenen Ehrbegriff, oder nicht, Carlton?«

»Ja, da hast du recht. Südstattler wie wir sind eine eigene Sorte Menschen. Jim, was hast du denn geglaubt, ich käme her und ginge auf eure Männer los?«

Jim Rudney starrte auf die Tischplatte.

»Mr. Carlton, was sollten manche Leute denken? Old John stellte vier rauhe Burschen ein, um Bill Jefferson endlich die Zähne zu zeigen. Diese vier werden verdächtigt, Ihren Bruder erschossen zu haben. Und was passiert, wenn Sie kommen, Sie, Bill Jeffersons bester Mann, sein Townmarshal, sein Weidedetektiv?«

Frank Carlton zuckte leicht zusammen, blickte erst Ellis und dann Jim Rudney an, aber der starrte immer noch auf den Tisch.

»Alle Teufel!« entfuhr es Carlton. »Jimmy, wer hat das behauptet, etwa dein Vater? Antworte schon!«

»Ich… Verdammt, wenn Sie gleich gekommen wären, hätten Sie in fünf Tagen hier sein können«, stieß Jim hervor. »Am sechsten Tag fuhr Bill Jefferson nach Denver, gestern erst kam er zurück. Heute früh meldete uns der alte Trevor, den wir oben in der alten Weidehütte über den Wasserloch am Ruby Creek als Posten haben, er hätte einen Reiter gesehen, der große Ähnlichkeit mit Ihnen…«

»Jimmy, hör auf!« knurrte Ellis. »Was soll dieser Unsinn, Junge?«

»Unsinn? Ich kann doch bis zehn rechnen, oder? Jefferson, dieser gemeine Kerl, kam gestern zurück, und kein Mensch weiß, wohin er von Denver aus gefahren sein kann. Und heute taucht Carlton hier auf. Warum soll da nicht jemand auf die Idee kommen, daß Jefferson bestimmten Leuten mit ein paar großen Scheinen lockt und…«

»Waaas?« schnaufte Frank Carlton zornig. »Junge, wenn ich deinen Vater nicht kennen würde, könntest du jetzt was erleben. Ich habe von Bill Jefferson seit zehn Jahren weder etwas gesehen noch gehört, und das ist die reine Wahrheit, Jimmy, ich habe mich noch nie bestechen lassen.«

Jim Rudney, beinahe das Ebenbild seines Vaters, genauso stämmig und krausköpfig, biß die Zähne zusammen. Ellis aber sagte leise: »Old John hat uns damals geholt, als er das Gebiet um den Kenosha Paß kaufte und damit den Weg für Jefferson Herden nach Denver sperrte. Seitdem befürchtet er, daß Jefferson seine Drohung wahr macht. Er würde alles, was Rudney heißt, mit Stumpf und Stil ausrotten. Old John läßt Jim nie mehr allein reiten, und heute mußten wir gleich mit zwei Mann hinter ihm her, als Trevor meldete, er hätte dich gesehen. Jim war mit Marvin und Robbins zur Stadt gefahren. Was hast du, Carlton?«

»Verdammt! Was hat Old John nur dazu getrieben, den Paß für Jefferson zu sperren? Das muß irgendwann Ärger geben. Will er ihn denn schon wieder herausfordern?«