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Linda Winterberg

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Beschreibung

Drei Frauen gegen alle Widerstände.

Berlin, 1957: Der Krieg liegt nun schon einige Jahre zurück, doch er hat Spuren hinterlassen im Leben von Edith, Margot und Luise. Während Margot noch immer unter dem Verlust ihrer großen Liebe leidet, kümmert Luise sich um vier Pflegekinder, die sie kurz vor Kriegsende bei einem Bombenangriff retten konnte. Und Ediths Tochter Jule hat sich als Hebammen-Schülerin beworben.
In die Klinik werden immer wieder Frauen eingeliefert, die sich gezwungen sahen, zu „Engelmacherinnen“ zu gehen, um nicht als ledige Mutter zu enden. Als es dabei sogar zu Todesfällen kommt, wollen die Hebammen nicht länger tatenlos zusehen und versuchen, auf eigene Faust herauszufinden, wer hinter diesen illegalen Abtreibungen steckt ...

Die große Hebammen-Saga: historisch fundiert, atmosphärisch und voller liebenswerter Figuren.

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Über das Buch

Drei Frauen gegen alle Widerstände.

Berlin, 1957: Der Krieg liegt nun schon einige Jahre zurück, doch er hat Spuren hinterlassen im Leben von Edith, Margot und Luise. Während Margot noch immer unter dem Verlust ihrer großen Liebe leidet, kümmert Luise sich um vier Pflegekinder, die sie kurz vor Kriegsende bei einem Bombenangriff retten konnte. Und Ediths Tochter Jule hat sich als Hebammen-Schülerin beworben. In die Klinik werden immer wieder Frauen eingeliefert, die sich gezwungen sahen, zu »Engelmacherinnen« zu gehen, um nicht als ledige Mutter zu enden. Als es dabei sogar zu Todesfällen kommt, wollen die Hebammen nicht länger tatenlos zusehen und versuchen, auf eigene Faust herauszufinden, wer hinter diesen illegalen Abtreibungen steckt.

Die große Hebammen-Saga: historisch fundiert, atmosphärisch und voller liebenswerter Figuren.

Über Linda Winterberg

Hinter Linda Winterberg verbirgt sich Nicole Steyer, eine erfolgreiche Autorin historischer Romane. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern im Taunus. Im Aufbau Taschenbuch und bei Rütten & Loening liegen von ihr die Romane »Das Haus der verlorenen Kinder«, »Solange die Hoffnung uns gehört«, »Unsere Tage am Ende des Sees«, »Die verlorene Schwester«, »Für immer Weihnachten«, »Die Kinder des Nordlichts« sowie die ersten beiden Teile der großen Hebammen-Saga »Aufbruch in ein neues Leben« und »Jahre der Veränderung« vor.

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Linda Winterberg

Ein neuer Anfang

Die Hebammen-Saga

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

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Kapitel 1 – Berlin, März 1957

Kapitel 2 – Berlin, April 1957

Kapitel 3 – Berlin, Mai 1957

Kapitel 4 – Berlin, Juni 1957

Kapitel 5

Kapitel 6 – Berlin, Juli 1957

Kapitel 7 – Berlin, August 1957

Kapitel 8

Kapitel 9 – Berlin, September 1957

Kapitel 10 – Berlin, Oktober 1957

Kapitel 11 – Berlin, November 1957

Kapitel 12

Kapitel 13 – Berlin, Dezember 1957

Kapitel 14 – Berlin, Dezember 1957

Kapitel 15 – Berlin, Februar 1958

Kapitel 16 – Berlin, März 1958

Kapitel 17 – Berlin, März 1958

Kapitel 18 – Berlin, April 1958

Kapitel 19 – Berlin, Mai 1958

Kapitel 20

Kapitel 21 – Berlin, Juni 1958

Kapitel 22 – Berlin, Juli 1958

Kapitel 23

Kapitel 24 – Berlin, August 1958

Kapitel 25

Kapitel 26 – Berlin, Oktober 1958

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29 – Berlin, November 1958

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32 – Berlin, Dezember 1958

Kapitel 33 – Berlin, Dezember 1958

Kapitel 34 – Berlin, Januar 1959

Kapitel 35 – Berlin, April 1959

Nachwort

Dank

Impressum

— 1 — Berlin, März 1957

Edith schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, setzte sich an den Tisch im Schwesternzimmer und seufzte. Eine anstrengende Nachtschicht mit gleich drei Geburten lag hinter ihr. Bei einer Frau war sie bereits die vierte Hebamme gewesen, die sie begleitet hatte. Die Ärmste hatte sich bis zur Geburt ihres gesunden Jungen über dreißig Stunden gequält. Dagegen war es bei einer weiteren Patientin die reinste Sturzgeburt gewesen. Gerade so hatte sie noch das ihr zugewiesene Bett erreicht, da war das Kleine schon auf der Welt. Dazu kam noch eine Zangengeburt.

Bis zu ihrem offiziellen Dienstende verblieb noch eine halbe Stunde, doch dieses Mal würde sie hart bleiben, sollte noch eine Patientin auftauchen, würde sie sie an die diensthabende Kollegin übergeben. Die Angewohnheit, eine Patientin vom Beginn bis zum Ende einer Geburt zu betreuen, war heute in den Kliniken nicht mehr zeitgemäß. Die anderen Hebammen im Haus hielten sich an die Schichtpläne. Außer Margot und Luise. Die beiden handhabten es ähnlich wie Edith. Obwohl Luise sowieso keine Arbeitszeiten kannte. Sie und ihr Ehemann Max, der Arzt an der Klinik war, kannten das Wort Feierabend nicht. Sie wohnten neuerdings sogar direkt gegenüber der Klinik in einem neu gebauten Wohnkomplex. Eine hübsche Dreizimmerwohnung mit eigenem Bad, Zentralheizung und Balkon. Edith gönnte den beiden die Verbesserung ihrer Wohnverhältnisse von Herzen. Bis vor Kurzem hatten sie noch in einem Zimmer in einem notdürftig renovierten Haus in der Nähe vom Richardplatz gehaust, wohnen hatte man es nicht nennen können. Toilette auf dem Treppenabsatz, kein Badezimmer, und immer war es kalt gewesen.

Margot trat ein. »Guten Morgen, Edith. Wie war die Nacht?«

»Ich war beschäftigt«, antwortete Edith. »Drei Geburten.«

»Besser als rumsitzen und sich langweilen«, antwortete Margot und schenkte sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein. »Untätigkeit habe ich an Nachtschichten schon immer verabscheut. In der Dunkelheit ziehen sich die Stunden stets ewig. Alle Babys gesund?« Sie setzte sich Edith gegenüber und nippte an ihrer Tasse.

»Ja, alle wohlauf. Zwei Jungen, ein Mädchen.«

Edith musterte Margot genauer. Ihr entgingen nicht die dunklen Schatten unter ihren Augen, und ihr halblanges braunes Haar saß nicht perfekt. Edith wusste, dass Margot es inzwischen färben ließ, denn sie verabscheute die grauen Strähnen, die mit den Jahren immer mehr wurden. Auch Edith färbte ihr blondes Haar, und jeden Tag schien irgendwo in ihrem Gesicht eine weitere Falte hinzuzukommen. Älter werden ist nichts für Feiglinge. Wo hatte sie diesen Spruch nur zuletzt gehört?

»So wie du aussiehst, hast du aber auch nicht viel Schlaf bekommen«, bemerkte Edith. »Gibt es etwas, was ich wissen sollte? Einen Mann?«

»Wo denkst du hin?«, antwortete Margot. »Ich war bei Siegrid. Sie hatte gestern Geburtstag und hat zu einem Umtrunk geladen. Ich soll lieb von ihr grüßen.«

»Unsere Siegrid. Es ist schön, dass ihr eure Freundschaft noch pflegt. Wie lange arbeitet sie nun schon nicht mehr als Hebamme? Zehn Jahre? Wie alt ist sie geworden?«

»Vierunddreißig«, antwortete Margot. »Im September sind es elf Jahre. Sie hat 46 geheiratet. Weißt du noch, wie verliebt sie und ihr Jochen damals waren? Es war eine so schöne Hochzeit. Ich gönne ihr das Glück, obwohl Berlin eine hervorragende Hebamme verloren hat. Es ist wirklich schade, dass sie sich nicht dazu entschlossen hat, ihren Beruf weiter auszuüben.«

Margot hatte Siegrid im Gefängnis an der Barnimstraße kennengelernt und war zu ihrer Vertrauten in diesen schwierigen Zeiten geworden. Und obwohl Margot das Gefängnis und all das dort Erlebte für immer hatte ausblenden wollen, hatte sie es nicht fertiggebracht, den Kontakt zu Siegrid abzubrechen. Erlebtes ist ein Teil von dir, auch die harten Zeiten prägen dich. Nimm das Gute mit und lass das Schlechte zurück. Wieder eine Lebensweisheit von Luises Oma. Siegrid war eindeutig das Gute.

»Sie ist übrigens schon wieder schwanger«, sagte Margot.

»Ach du je«, antwortete Edith. »Das wievielte ist es denn?«

»Das fünfte. Sie freut sich drauf. Und ihr Jochen erst! Er hätte am liebsten eine ganze Fußballmannschaft.«

»Welche Woche?«

»Sechzehnte, und sie ist schon arg rund. Sie wird mit jedem Kind fülliger. Aber sie sieht trotz der Übelkeit, die sie mal wieder plagt, glücklich aus.« In Margots Stimme schwang Wehmut mit.

Edith wusste, woher dieser Anflug von Traurigkeit kam. Margots Leben war von Verlusten geprägt. Richard, ihre Jugendliebe, war während des Ersten Weltkrieges gewaltsam zu Tode gekommen. Ihr Mann Georg war bei einem Bombenangriff auf einen Zug gestorben. Sie hatten alle gehofft, dass Margot nach dem Ende des Krieges wieder jemanden finden würde. Doch das war nicht der Fall gewesen. »Ich bringe es nicht mehr fertig, mich zu verlieben«, hatte sie einmal zu Edith gesagt. »Ich könnte es nicht verkraften, noch einmal jemanden zu verlieren.«

Edith konnte sie einerseits verstehen, andererseits brauchte ihrer Meinung nach jeder Mensch einen Partner an seiner Seite, dem er bedingungslos vertrauen konnte. Auch in ihrem Leben hatte es eine Zeit gegeben, in der sie niemanden an sich hatte heranlassen wollen. Bis sie Jonas begegnet war und er alles auf den Kopf gestellt hatte. Mit ihm hatte sie Berlin den Rücken gekehrt und war in die Schweiz gegangen. Damals, kurz vor der Machtergreifung Hitlers. Da hatten sie noch gedacht, der Nationalsozialismus wäre ein kurzes Strohfeuer. Ihr Weggang nach Zürich hatte ihnen das Leben gerettet. Ihre Mutter, ihre Schwester und deren Familie hatten nicht solches Glück gehabt. Edith hatte ihre Spuren nach dem Krieg verfolgt und die traurige Gewissheit erhalten, dass sie Ende 1942 in Auschwitz ums Leben gekommen waren. Sie war die letzte Überlebende der Familie Stern, einer Familie, die einst in Potsdam hoch angesehen gewesen war. Ihrem Vater hatte dort das größte Kaufhaus gehört, bis es in einer Bombennacht dem Erdboden gleichgemacht worden war. Die Villa, in der Edith aufgewachsen war, ihr Zuhause, war wiederaufgebaut worden und gehörte heute einem Rechtsanwalt, der darin seine Kanzlei betrieb und mit seiner Familie im ersten Stock wohnte. Edith hatte überlegt, Ansprüche auf das Haus zu stellen, es dann jedoch gelassen. Für einen langwierigen Rechtsstreit hatte ihr die Kraft gefehlt.

Luise betrat den Raum und wünschte ihnen lächelnd einen guten Morgen. Wie gewohnt trug sie eine dunkelblaue Strickjacke über ihrer Schwesterntracht, ihr brünettes Haar war zurückgebunden. Mit ihr schien das Leben in den Raum zu kommen. Luise umgab eine besondere Aura, die nur schwer zu beschreiben war. Sie schien angekommen und mit sich selbst im Reinen zu sein. Dieser Umstand kam einem Wunder gleich, wenn man ihre Vergangenheit kannte und um die vielen Verluste wusste, die ihr Leben geprägt hatten. Sie schien dadurch nur stärker geworden zu sein. Ihre Oma, bei der sie aufgewachsen war, war ebenfalls Hebamme gewesen und hatte all ihr Wissen an sie weitergegeben. Sie wäre stolz auf Luise.

»Margot, meine Liebe. Du bist schon da«, sagte sie und besah sich die kläglichen Kaffeereste in der Kanne. »Wie geht es Siegrid? Plagt sie noch immer die Übelkeit?«

»Du weißt von ihrer Schwangerschaft?«, fragte Margot überrascht.

»Aber gewiss doch«, antwortete Luise. »Sie war vor ein paar Tagen in der Beratungsstelle, als ich gerade Dienst hatte. Max hat sie untersucht. Ich nehme an, du willst auch dieses Kind auf die Welt holen?«

»Natürlich«, antwortete Margot. »Siegrid würde eine andere Hebamme nicht einmal in ihre Nähe lassen.«

Luise wandte sich an Edith. »Schon aufgeregt?«

Edith sah sie verdutzt an.

»Du hast es nicht etwa vergessen, oder?«

»Was vergessen?«

»Na, heute wird doch verkündet, wer im neuen Ausbildungsjahrgang angenommen wird. Jule hat sich beworben.«

Edith verschluckte sich an ihrem Kaffee und begann zu husten. Margot klopfte ihr kräftig auf den Rücken.

»Jule hat was?«

»Sie hat sich beworben. Ich hatte die Unterlagen deiner hübschen Tochter auf dem Tisch.«

»Aber sie wollte doch Innenarchitektur studieren. Wie kommt sie jetzt bloß auf die Idee, sich für die Ausbildung zur Hebamme zu bewerben? Und dann auch noch ausgerechnet an dieser Klinik?«

»So abwegig finde ich das nicht«, antwortete Margot. »Immerhin ist sie im Haus eines Arztes und einer Hebamme großgeworden.«

»Du hast davon gewusst«, sagte Edith und sah Margot vorwurfsvoll an.

Margots Miene wurde schuldbewusst. »Könnte sein. Sie hat mich vor einer Weile dazu ausgefragt.«

»Hebamme«, sagte Edith. »Mit ihrem guten Abitur könnte sie Ärztin werden.«

Luise verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie wortlos an. Ihr Blick sagte alles.

»Ja, ich weiß. Ihr habt ja recht. Ich will schließlich auch keine Ärztin werden. Jonas ist immer noch der Meinung, dass ich es tun sollte, noch einmal studieren und zur Universität gehen. Zu den jungen Leuten, in meinem Alter. Was er sich dabei nur denkt? Aber Jule könnte es.«

»Sie sieht nicht nur aus wie du, sie hat auch deinen Dickkopf«, erwiderte Margot.

»Ja, leider«, antwortete Edith und seufzte. »Ich sollte stolz sein auf ihre Schönheit, denn dann krieg ich sie wohl gut verheiratet. Das hat neulich unsere Nachbarin, die Köhler, zu mir gesagt. ›Die Jule ist so hübsch‹, hat sie gesagt, ›kann sich den Besten aussuchen. Die muss sich keine Sorgen um ihr Auskommen machen.‹«

»Oh, wie ich solche Sprüche verabscheue«, antwortete Margot und schüttelte den Kopf. »Heirate gut, dann bist du versorgt. Angeblich soll die Berufstätigkeit junger Frauen dazu führen, dass sie außer Kontrolle geraten. Neulich erzählte mir ein Mädchen in der Beratungsstelle doch glatt, dass sie nicht mehr lesen dürfe, da es in den Romanen hauptsächlich um die Liebe gehe und sie auf falsche Ideen kommen könne. Das arme Ding war vollkommen aufgelöst und dachte, sie wäre schwanger. Vom Küssen! Dabei war sie noch Jungfrau.«

»Ja, die Unwissenheit bei den Mädchen ist erschreckend«, antwortete Edith. »Da wussten die jungen Dinger in den Zwanzigern ja besser Bescheid. Aber damals ist man ja auch nicht an der eigenen Prüderie erstickt. Eine Sexualberatungsstelle wie die, in der ich damals gearbeitet habe, wäre heute undenkbar. Kostenlos Kondome verteilen … Sodom und Gomorra.« Sie leerte den Rest ihres Kaffees und verzog das Gesicht. »Jetzt ist er kalt.«

»Macht angeblich schön«, erwiderte Margot und grinste.

Edith zog eine Grimasse, stand auf und stellte ihre Tasse ins Spülbecken.

»Und was ist jetzt mit Jule? Stellt ihr sie ein?« Sie sah Luise fragend an.

»Sie ist in der engeren Auswahl. Aber die endgültige Entscheidung liegt bei Professor Jung. Er wollte mir heute Bescheid geben, welche Frauen angenommen sind.«

Edith nickte. »Hätte ich davon gewusst, ich hätte ihr zu einer Bewerbung in einer anderen Klinik geraten. Hier wird sie immer meine Tochter sein.«

»Sie wollte an der besten Frauenklinik Berlins ihre Ausbildung machen. Und das ist im Moment eben die unsere. Nicht ohne Grund laufen uns Frauen aus sämtlichen Stadtteilen die Bude ein«, entgegnete Margot.

»Da ist was dran«, antwortete Edith.

In den letzten Jahren war eine Menge in der Klinik passiert. Die Amerikaner hatten Neukölln aufgrund der hohen Geburtenraten zu einem Demonstrationsbezirk für Geburtsmedizin ernannt, und die Klinik wurde mit einer Anschubfinanzierung gefördert. Dadurch konnte sie modernisiert und ausgebaut werden. Aktuell war ein zweiter Operationssaal in Planung. Luise war traurig darüber gewesen, dass Professor Bracht, der die Klinik nach dem Krieg geleitet hatte, sein Amt an Professor Jung abgegeben hatte, denn sie hatte ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu ihm gepflegt. Doch auch Professor Jung war äußerst engagiert und baute die Klinik im Sinne seines Vorgängers weiter aus. Sein Hauptaugenmerk lag weiterhin auf der Geburtsmedizin, aber auch die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs war ihm, ebenso wie seinem Vorgänger, wichtig. Auf diesem Gebiet war die Frauenklinik in Berlin nun führend.

Luise empfand wieder Stolz, wenn sie auf die Klinikanlage blickte, die vor wenigen Jahren noch in Trümmern gelegen hatte. Die abscheulichen Machenschaften des leitenden Professors Benno Ottow, eines überzeugten Nazis, gehörten der Vergangenheit an. Die Frauenklinik am Mariendorfer Weg war wieder zu dem Bollwerk für das Leben geworden, das Professor Hammerschlag einst erschaffen hatte. Er war leider vor einigen Jahren in Persien verstorben und konnte am Wiederaufbau seiner Klinik nicht mehr mitwirken.

Die Tür öffnete sich, und eine Schwesternschülerin blickte in den Raum.

»Guten Morgen«, grüßte sie. »Es gibt einen Neuzugang. Starke Wehen, drittes Kind.« Sie blickte in die Runde. Margot erhob sich.

»Ich komme.« Bevor sie den Raum verließ, wandte sie sich noch einmal an Luise: »Du sagst mir doch Bescheid, ob Jule angenommen wurde, oder? Hach, es ist wunderbar. Ediths Tochter tritt in unsere Fußstapfen.« Sie sah zu Edith, die eine Grimasse zog. So richtig schien ihr Jules Bewerbung noch immer nicht zu gefallen.

Luise wusste, dass es ihr nicht um die Ausbildung zur Hebamme ging. Es bedrückte sie, dass sie von ihrer Tochter ausgeschlossen wurde.

Sie trat neben Edith und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Du hast es damals auch niemandem gesagt.«

Edith nickte. In ihren Augen schimmerten nun Tränen. Sie wischte sie rasch ab. »Aber ich bin doch nicht meine Mutter.«

»Aber du bist ihre Mutter, und du hättest versucht, es ihr auszureden. Das wissen wir beide. Sie ist volljährig, es ist ihre Entscheidung. Und es ist ein guter Weg.«

»Ja, das ist er«, antwortete Edith und legte ihre Hand auf die von Luise. »Sie könnte abgelehnt werden.«

»Könnte sie. Glaube ich aber nicht. Sie ist eine der besten Bewerberinnen. Jung wäre ein Idiot, wenn er sie nicht annehmen würde. Sei stolz auf sie. Sie wird ihren Weg machen.«

»Ja, das wird sie«, erwiderte Edith und erhob sich. »Als Mama fällt es eben schwer loszulassen. Aber hier in der Klinik werde ich sie dann ja noch eine Weile um mich haben.« Sie streckte sich und gähnte. »Ich gehe jetzt nach Hause. Ich bin todmüde. Rufst du mich an, wenn die Entscheidung gefallen ist?«

»Mach ich«, antwortete Luise. »Noch vor Margot, denn du bist ihre Mutter.« Sie zwinkerte Edith zu, wünschte ihr eine gute Nachtruhe und verließ den Raum.

— 2 — Berlin, April 1957

Helga saß auf der Treppe und beobachtete eine Spinne dabei, wie sie sich vor ihren Augen abseilte. Im Gegensatz zu vielen ihrer Freundinnen hatte sie kein Problem mit den Tieren. Hielten sie sich in einem Raum auf, bedeutete es, dass es dort ein gutes Klima gab. In einer Schimmelbude baut sich keine Spinne ein Netz. So hatte es ihre mürrische alte Nachbarin Gertrude Bauer einmal gesagt, die jeden Freitag das Treppenhaus wischte. Sie hatte alle drei Söhne im Krieg verloren. Sie wohnte im ersten Stock links, und ihre liebste Tagesbeschäftigung lag darin, am Fenster zu stehen und die Leute zu beobachten, gern auch mal zu maßregeln. Straßenkreide auf den Wegen konnte sie nicht leiden, Getrampel im Treppenhaus auch nicht. Besonders das Klackern von Absatzschuhen verabscheute sie.

Helga trug oft welche, denn sie ging gern aus. Am liebsten in die Milchbar. Dort lief den ganzen Tag die Musikbox, und es wurde zu den neuesten Hits getanzt. Doch vielleicht war nun bald Schluss damit. Sie betrachtete den Briefumschlag in ihren Händen. Absender war die Frauenklinik in Neukölln. Dort hatte sie sich für die Ausbildung zur Hebamme beworben. Sie hatte bereits ein Probearbeiten als Krankenschwester absolviert und während dieser Zeit einige Wochen auf der Entbindungs- und Säuglingsstation gearbeitet. Dort hatte sie den Entschluss gefasst, Hebamme zu werden. Ihre Mutter war von der Idee nicht sonderlich begeistert. Sie war der Meinung, dass Helga heiraten sollte. Immerhin war sie bereits zweiundzwanzig, in dem Alter hatten andere bereits ihr erstes Kind. Doch Helga war anders als die vielen jungen Frauen, die nur die neueste Mode und Frisuren im Kopf hatten und ständig um die heiratsfähigen Burschen herumtippelten, als wären sie Preispokale.

Obwohl, einen Mann hätte Helga schon gern gehabt. Manfred war sein Name gewesen. Ein Jurastudent aus reichem Haus, gut aussehend, mit dem süßesten Lächeln auf der ganzen Welt. Nur leider gab es da ein Problem: Er kannte sie nicht. Stets beobachtete sie aus der Ferne, wie er von den Frauen umschwärmt wurde. Von all den schönen Mädchen, zu denen sie weiß Gott nicht gehörte. Ihre Freundin Jule sah das zwar anders, aber die hatte leicht reden. Jule war die hübscheste Blondine, die Berlin jemals gesehen hatte. Jedenfalls in Helgas Augen. Fülliges Haar, das sich sanft auf ihre Schultern wellte, dazu ein Gesicht wie eine Madonnenfigur aus der Kirche und die perfekte Figur. Neben ihr fühlte sich Helga stets wie ein Trampel mit ihrem braunen glatten Haar ohne Fülle, den Sommersprossen auf ihrer zu breiten Nase, Storchenbeinen und ohne Rundungen an den richtigen Stellen. Bisher hatte sie in der Milchbar kaum ein Mann angesprochen, und wenn es einer tat, dann war er so gar nicht nach ihrem Geschmack.

Helga drehte den Umschlag in den Händen hin und her. Und was wäre, wenn sie sie ablehnten? Dann müsste sie vermutlich auf ewig im Wäschegeschäft Kaiser die Unterhosen sortieren und die Schilder für die Rabattaktionen schreiben, weil ihre Handschrift so schön war. Das wäre ein verdammt trauriges Leben.

Die Haustür öffnete sich, und ihre Nachbarin Lotte Grossmann betrat das Treppenhaus. Sie war diejenige gewesen, die Helga vorgeschlagen hatte, das Probearbeiten an der Klinik zu machen. Lotte Grossmann hatte während des Krieges als Hebamme sogar Babys im Keller des Reichstags auf die Welt geholt. Sie arbeitete in der Klinik am Mariendorfer Weg, allerdings nicht mehr lange, denn inzwischen war sie verlobt. Helga wusste es, weil Lotte einen Ring mit einem kleinen Diamanten am Finger trug und öfter von einem blonden gut aussehenden Mann in den Dreißigern mit einem Auto abgeholt wurde. Er hatte bestimmt eine Menge Geld und einen guten Beruf, wenn er sich einen solch schicken Wagen leisten konnte. Seine Frau würde gewiss nicht arbeiten müssen. Heute trug Lotte nicht ihre Schwesternuniform, sondern ein hellrosa Kleid, das hervorragend mit ihrem brünetten Haar harmonierte. Dazu hatte sie ein dezentes Make-up aufgelegt. Ein Hauch ihres blumigen Parfüms erfüllte die Luft.

»Helga«, sagte Lotte verdutzt. »Was machst du denn hier?« Ihr Blick blieb an dem Briefumschlag hängen. »Lass mich raten: Du hast Nachricht von der Klinik.«

Helga nickte.

»Und, was schreiben sie?«

»Ich hab den Brief noch nicht geöffnet«, antwortete Helga. Lottes Blick wurde sanft, und sie setzte sich neben sie auf die Treppenstufe.

»Weißt du es?«, fragte Helga.

Lotte schüttelte den Kopf. »Wir bekommen nicht immer alles mit, was in der Verwaltung passiert. Luise Kirchner, unsere Oberhebamme und eine liebe Freundin von mir, weiß es mit Sicherheit. Aber sie ist mir heute nicht über den Weg gelaufen. Mach ihn auf. Ich bin mir sicher, dass sie dich genommen haben. Du hast deine Sache beim Probearbeiten hervorragend gemacht und eine großartige Beurteilung bekommen.«

Helga atmete tief durch, riss den Briefumschlag auf, holte das Schreiben heraus und überflog den Text.

»Sie haben mich genommen«, sagte sie erleichtert.

»Gratuliere dir!« Lotte umarmte sie. »Das ist großartig. Die erste Hürde ist geschafft. Wir hatten über einhundert Bewerberinnen. Du kannst stolz auf dich sein, unter den zehn Auserwählten zu sein. Ich nehme an, am ersten Mai ist Dienstbeginn?«

»Ja. Das muss ich gleich Jule erzählen.« Helga umarmte Lotte noch einmal und bedankte sich. »Vielen Dank für alles. Ohne dich würde ich für die Ewigkeit zwischen Wäscheangeboten versauern.« Sie stand auf und lief die Treppe nach oben.

In der Wohnung eilte sie sofort zu dem auf der Kommode im Flur stehenden Telefonapparat und wählte Jules Nummer. Es klingelte quälend lange, bis die Freundin endlich abhob.

»Es gibt Neuigkeiten«, sagte Helga. »Treffen in zwanzig Minuten in der Milchbar?«

Jule sagte zu, und Helga legte auf. Der Hörer lag noch keine Sekunde auf der Gabel, da drang die Stimme ihrer Mutter an ihr Ohr.

»Was sind denn das für wichtige Neuigkeiten?«

Helga wandte sich um und bemühte sich um ein Lächeln. Ihre Mutter stand in ihrer üblichen Alltagskleidung, einem grauen Rock, einer dunkelblauen Bluse und ihrer Küchenschürze vor ihr. In den Händen hielt sie einen Kartoffelschäler. Zum Abendessen würde es Eintopf mit Würstchen geben. Helga hatte diese erst vorhin beim Metzger Schrader an der Ecke abgeholt.

»Ich bin an der Klinik angenommen worden«, antwortete Helga und wusste aber, dass sich ihre Mutter darüber nicht sonderlich freuen würde.

»Angenommen also.« Ihre Stimme klang kühl. Unter guten Neuigkeiten verstand sie wohl eher eine Verabredung mit einem Jungen, und sei es im Kino, wenn es unbedingt sein musste. Dabei mochte Dorothea Gärtner es nicht sonderlich, wenn ihre Tochter ins Kino ging. Die romantischen Filme brachten sie auf falsche Gedanken. Aber um ihre Tochter unter die Haube zu bekommen, würde Dorothea auch eine Verabredung im Kino akzeptieren. Helga wollte jedoch unter keine Haube. Sie wollte Babys auf die Welt holen. Der Augenblick, wenn ein Kind das Licht der Welt erblickte und seinen ersten Atemzug tat, war etwas unbegreiflich Schönes. Dieses Erlebnis erfüllte Helga mit einem süchtig machenden Glücksgefühl. Heiraten würde sie nur dann, wenn es wahre Liebe wäre. So wie in dem Film Vom Winde verweht. Das war richtige Leidenschaft. Was sich in der Milchbar und in der Tanzschule abspielte, war im Vergleich zu Scarlett O’Hara und Rhett Butler schlagartig fade. Ein Jammer, dass die Kurbel, ihr Stammkino, den Film nach über drei Jahren aus dem Programm genommen hatte. Sie hätte ihn noch Hunderte Male sehen können.

»Ich habe erst vor einigen Tagen mit deinem Vater über deine Flausen gesprochen«, sagte ihre Mutter. »Wir sind beide der Meinung, dass du, solange du deine Füße unter unseren Tisch stellst, keine Ausbildung zur Hebamme beginnen wirst. Ich spiele mit dem Gedanken, dich in dem Institut für Hauswirtschaft von Frau Hansen anzumelden. Diese Einrichtung hat einen guten Ruf, und dort wirst du auf die Pflichten eines Ehelebens vorbereitet. Dieser Firlefanz mit der Hebammenausbildung ist nur Zeitverschwendung.«

Helga sah ihre Mutter fassungslos an.

»Ich bin volljährig. Ich kann selbst entscheiden. Dass du so gegen mich bist, Mutti, das hätte ich niemals gedacht. Eher sterbe ich, als in solch ein dämliches Institut zu gehen.« Sie ballte die Fäuste, lief an ihrer Mutter vorbei zur Wohnungstür und knallte sie laut hinter sich zu.

Auf der Straße empfingen sie das warme Abendlicht und ein milder Wind. Die Sonne stand bereits tief, einige Schleierwolken zogen über den Himmel. Sie lief zur nahen U-Bahn-Station. Die Bahn brachte sie zum Ku’damm, wo ihr Stammlokal, die Milchbar Scheurer lag.

Sie sah Jule schon an ihrem Stammplatz am Fenster sitzen. Sie hatte nach ihr Ausschau gehalten und winkte ihr durch die Scheibe zu.

Helgas Wut verrauchte beim Anblick von Jule etwas. Sie betrat die modern eingerichtete Milchbar. Der Tresen war in hellem Blau lackiert, darüber hing der rot beleuchtete Schriftzug Milchbar. Überall verteilt standen weinrote Barhocker und Stühle mit runden Tischen, auf denen Getränkekarten und Aschenbecher lagen. Auf einer Freifläche wurde getanzt. Wichtigster Einrichtungsgegenstand war die in einer Ecke stehende Jukebox. Gerade wurde das Lied Bim-Bam-Bim-Bam-Bina von Caterina Valente gespielt, das einen mit seinen Klängen nach Italien entführte.

Helga setzte sich Jule gegenüber und bestellte bei der Bedienung einen Vanille-Milchshake.

»Also, was sind das für Neuigkeiten?«, fragte Jule und zündete sich eine Zigarette an.

»Ich habe es dir noch nicht erzählt, weil ich mir nicht sicher war, ob es klappen wird. Ich hatte mich vor einigen Wochen in der Klinik am Mariendorfer Weg für eine Ausbildung zur Hebamme beworben. Heute kam die Nachricht, dass ich angenommen wurde. Ist das nicht großartig? Jetzt können wir dort gemeinsam die Ausbildung machen. Ich hatte so darauf gehofft.«

»Wie wunderbar«, antwortete Jule, die schon seit einigen Tagen wusste, dass sie angenommen worden war, zog an ihrer Zigarette und bestellte bei der vorübereilenden Bedienung ebenfalls einen Vanille-Milchshake.

Helga war enttäuscht über die zurückhaltende Reaktion. Sie hatte geglaubt, Jule würde sich mit ihr freuen. Doch ihre Miene wirkte ernst. Lag da etwa Traurigkeit in ihrem Blick?

»Was ist los?«, fragte Helga.

Jule nahm einen kräftigen Zug und blies den Rauch in die Luft.

»Wolfgang hat um Uschis Hand angehalten«, antwortete Jule. »Eben hat es mir Ilse erzählt.« Sie nickte zum Tresen, wo die hellblonde Ilse mit einem jungen Mann stand und ein gekünsteltes Lachen ausstieß, als hätte er den Witz des Jahrhunderts gemacht. Ilse hatte ihre Angel ausgeworfen. So viel war klar.

»Und das, obwohl Wolfgang die letzten Wochen wie ein Hündchen hinter mir hergelaufen ist«, sagte Jule. »Ich dachte, er könnte es sein. Gut aussehend, angehender Staatsanwalt.«

»Tatsächlich?«, fragte Helga verdutzt. »Du hast ihn nie eines Blickes gewürdigt.«

»Natürlich nicht«, antwortete Jule. »Ich hab das in einem Liebesroman gelesen. Männer wollen Frauen erobern und nicht, dass man ihnen nachläuft.«

»Und wie ist es dann zu erklären, dass er jetzt Uschi heiratet?«, erkundigte sich Helga.

»Das frage ich mich auch«, antwortete Jule und seufzte.

»Wieso denkst du überhaupt ans Heiraten?«, fragte Helga. »Du willst doch eine Ausbildung zur Hebamme machen. Dafür hast du deine Pläne, ein Studium zu beginnen, über den Haufen geworfen und deine Eltern vor den Kopf gestoßen. Und jetzt willst du wieder etwas anderes?«

Jule zog eine Grimasse und stützte das Kinn auf die Hand. Ihr Blick bekam etwas Sehnsüchtiges.

»Ach, ich habe eben ein wenig von der Liebe geträumt. Das darf man doch mal machen. Eine Hebammenausbildung klingt genauso wenig romantisch wie ein Studium der Innenarchitektur. Das ist nicht so wie bei Scarlett und Rhett Butler. Wie oft haben wir den Film eigentlich gesehen?«

»Sehr oft«, antwortete Helga und grinste. Jule war und blieb ein wankelmütiger Charakter. Den einen Tag wollte sie dies, den anderen das. Aber irgendwann musste man sich im Leben nun mal für einen Weg entscheiden. So war es doch immer, oder? Vielleicht lag es daran, dass Jule aus einem gut betuchten Haushalt stammte. Ihr Vater leitete erfolgreich seine eigene Praxis, ihre Mutter arbeitete als Hebamme am Mariendorfer Weg. Sie bewohnten eine luxuriöse Wohnung in der Nähe des Ku’damms, mit sechs Zimmern, Zentralheizung und eigenem Badezimmer. War Jule verzogen? Vielleicht ein wenig. Aber sie war auch großmütig, stets ehrlich, und man konnte herrlich mit ihr albern sein. Sie liebte das Kino ebenso wie Helga und tanzte gern Rock’n’Roll.

Lieber Gott, wenn Helgas Mutter wüsste, dass Helga sich mit ihren Freundinnen in schummrigen Kellerclubs herumtrieb, sie würde sie umbringen. Die abscheuliche Musik und dieser fürchterliche Tanz gingen ihrer Meinung nach gar nicht. Sie sah darin den endgültigen Verfall der guten Sitten.

Im Gegensatz zu Jule war Helga ein rechter Sturschädel, wie ihre Mutter gern sagte. Wenn sie sich mal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war sie nur schwer davon abzubringen. Und sie wollte Hebamme und kein Heimchen am Herd werden.

»Was sagt eigentlich deine Mutter dazu, dass du Hebamme werden willst?«, fragte Jule. Wieder einmal schien es so, als könnte sie in ihren Kopf gucken, dachte Helga. Bisher war es ihr niemals gelungen, etwas vor Jule zu verbergen.

»Sie ist dagegen.«

»Dachte ich mir«, antwortete Jule. »Sie will dich bestimmt rasch verheiratet sehen, damit sie dich aus dem Haus hat.«

»Ich soll in das Hauswirtschaftsinstitut von Frau Hansen gehen«, sagte Helga. »Keine zehn Pferde bringen mich dahin.«

»Das kann ich mir vorstellen«, antwortete Jule. »Diese Institute sollen schrecklich sein. Da wirst du zur Hausdienerin für deinen Ehemann erzogen. Das weiß ich von Karin. Sie war ein Jahr dort und wurde mit einem schrecklichen Zeugnis rausgeworfen. ›Klöße machen und die Tischdecken faltenfrei bügeln, das ist nichts für mich‹, hat sie zu mir gesagt. Und jetzt tut sie es wohl doch. Ist ja seit drei Monaten mit Klaus verheiratet und soll angeblich bereits schwanger sein. Immerhin ist er keine schlechte Partie. Arbeitet ja bei seinem Vater in der Mühlenapotheke und wird sie eines Tages übernehmen.« Jule zündete sich erneut eine Zigarette an.

»So ist es wohl immer, oder?«, fragte Helga. »Wie viele in unserem Alter sind denn nun noch unverheiratet? Wir sind jetzt zweiundzwanzig, noch drei oder vier Jahre, und wir gelten als alte Jungfern.«

»Dann ist das eben so«, antwortete Jule und zuckte die Schultern. »Liebe geht nicht ohne Leidenschaft, und die passt nun mal nicht zu einer Zweizimmerbude in einem der neu gebauten Häuser, auch wenn sie Zentralheizung hat. Oder zu einer Hochzeit im Pfarrsaal, und danach tanzen alle Foxtrott und Walzer, die Hände brav auf dem Rücken des Tanzpartners. Der Start in ein spießiges Eheleben, aber immerhin biste versorgt.«

Helga erwiderte nichts. Sie hatte sich den Moment, in dem sie Jule von ihrer Annahme an der Klinik erzählte, in den schönsten Farben ausgemalt. Sie hatte sich vorgestellt, wie sie auf ihre gemeinsame Zukunft als Hebammen anstießen. Doch nun war alles anders. Jule wirkte nicht so, als würde sie sich auf die Ausbildung freuen. Am Ende würde sie auch dieses Mal wieder ihre Meinung ändern und etwas ganz Neues beginnen wollen. Plötzlich fühlte sich Helga niedergeschlagen. War es vielleicht auch für sie die falsche Entscheidung? Wie sollte sie ohne Jule an ihrer Seite in der Klinik klarkommen? Zu zweit war doch immer alles leichter. Plötzlich wollte sie nur noch weg.

»Ich muss los«, sagte sie. »Ich hab Frau Weber versprochen, ihr heute im Laden den Kassensturz zu machen.«

Es war eine Ausrede, aber Jule bemerkte die Lüge nicht. Rasch umarmten sich die beiden zum Abschied.

Eine Weile später stand Helga vor ihrer rot gestrichenen Wohnungstür und betrachtete verwundert den abgewetzten braunen Lederkoffer. Sie ahnte, was es zu bedeuten hatte, dass er im Hausflur stand. Aber das konnte nicht sein. Ihre Eltern konnten sie doch nicht vor die Tür setzen, nur weil sie Hebamme werden wollte. Sie klingelte und klopfte, doch die Tür öffnete sich nicht. Verzweiflung machte sich in ihr breit, und sie hämmerte gegen die Tür und läutete Sturm. Endlich öffnete ihre Mutter, hatte jedoch die Kette vorgehängt. Lockenwickler zierten ihren Kopf, ihr Blick war abweisend.

»Was soll das?«, fragte Helga und deutete auf den Koffer.

»Dein Vater und ich haben uns entschieden«, sagte Dorothea Gärtner mit kühler Stimme. »Du bist aufmüpfig und widerspenstig, treibst dich ständig in dieser Milchbar und anderen Etablissements herum. Ich weiß das von Gundel Haberstock aus dem Nachbarhaus. Sie hat dich dort gesehen. Ich hab nichts gesagt, dachte lange Zeit, das gibt sich, wenn du erst einmal verheiratet bist. Aber nun willst du nicht einmal das tun, sondern diese Ausbildung beginnen. So geht das nicht, mein Fräulein. Wir füttern dich nicht länger durch. Sieh also zu, wie du allein klarkommst. Du bist volljährig, wie du selbst sagst. Also steh auf eigenen Beinen. Ohne einen Mann, der sie anständig versorgt, ist eine Frau heute nichts. Das wirst du auch noch lernen. Aber du willst ja wieder deinen verdammten Sturkopf durchsetzen. Wirst schon sehen, was du davon hast.« Sie machte die Tür wieder zu.

Fassungslos blickte Helga auf das rot gestrichene Holz. Ihre Eltern hatten sie tatsächlich rausgeworfen. Gottverdammte Gundel Haberstock, elende Tratschtante. Ihr Geschwätz sollte ihr ein für alle Mal im Halse steckenbleiben.

Helga nahm ihren Koffer und überlegte kurz, was sie jetzt tun sollte. Sie ging die Treppe nach oben und läutete an Lottes Tür. Als diese öffnete, brach Helga in Tränen aus. So hatte sie sich den Beginn ihrer erträumten Zukunft nicht vorgestellt.

— 3 — Berlin, Mai 1957

Luise stand vor dem Spiegel, schloss den obersten Knopf ihrer Bluse und legte ihre Schürze an. Heute war ein großer Tag für die Frauenklinik, denn der neue Jahrgang, den sie als Oberhebamme betreuen würde, begann seine Ausbildung. Bereits 1946 war mit der Ausbildung der Hebammen wieder begonnen worden. Allerdings hatte man sie nur ein Jahr darauf wegen Raummangels eingestellt. Nun aber war alles so weit vorbereitet und eingerichtet. Die Vorlesungen würden wieder in dem großen Saal im obersten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes stattfinden. Die Schülerinnen sollten während ihrer Ausbildung wieder in der Schule wohnen. Die ersten Schichtpläne waren ausgearbeitet, und in wenigen Minuten würde Luise die zehn jungen Damen in Empfang nehmen und sie durch die Klinik führen.

Sie war etwas aufgeregt, obwohl sie bereits einige junge Hebammen ausgebildet hatte. Aber das letzte Mal lag elf Jahre zurück, und sie hatte die Schülerinnen eher durch eine Trümmerlandschaft geführt als durch ein Krankenhaus. Sie erinnerte sich daran, wie sie selbst im Jahr 1917 in der Klinik angefangen hatte und wie aufregend alles gewesen war. Damals hatte Auguste Marquard sie in Empfang genommen. Nun war sie bereits so viele Jahre tot. Luise konnte bis heute nicht sagen, ob sie die Aufgabe der Oberhebamme ebenso gut ausführte wie Auguste. Die Klinik war ihr Leben gewesen. Luise dagegen hatte Max und vier Pflegekinder, die sie während des Kriegs aus diesem abscheulichen Barackenlager hatten retten können. Heidi, Maria, Juliane und Martin waren inzwischen zwölf Jahre alt. Sie wohnten im Heim, denn Luises und Max’ stramme Dienstpläne in der Klinik, oftmals Doppelschichten und Wochenenddienste, ließen die Versorgung von vier Kindern nicht zu. Doch die beiden kümmerten sich, so gut es ging. Sie fuhren mit ihnen am Wochenende an den Wannsee oder gingen ins Kino. Weihnachten hatten sie zusammen gefeiert. Alle vier hatten im Krippenspiel mitgemacht. Der kleine Martin hatte den Josef gespielt und seine Sache großartig gemacht. Luise tat ihr Bestes, doch noch immer suchte das schlechte Gewissen sie heim. Sie hatte damals nicht alle Kinder retten können. So viele waren an jenem Tag im Bombenhagel ums Leben gekommen. Babys, wenige Wochen oder Monate alt, die Hilflosesten in diesem gottverdammten Krieg. Sie hätte gern die Mütter der Kinder ausfindig gemacht. So oft hatte sie darüber nachgedacht, wo sie waren, was aus ihnen geworden war, ob sie ihre Kinder vermissten. All diese Fragen würden unbeantwortet bleiben. Der Krieg hatte so viele Familien auseinandergerissen. Im letzten September hatte Willy Brandt das Eintreffen des millionsten Flüchtlings im Notaufnahmelager Marienfelde bekannt gegeben, inzwischen waren es wieder Tausende mehr. Sie hatten ihre Heimat verloren, waren oftmals unerwünscht und wurden behandelt wie eine zusätzliche Last. Auch Luise war in Ostpreußen aufgewachsen. In Eckersberg, der Heimat ihrer Großmutter. Die heile Welt ihrer Kindheit existierte nur noch in ihren Träumen.

Aber heute wollte sie nicht grübeln. Es war ein guter Tag, und auch die letzten Jahre waren gut gewesen. Berlin wurde wiederaufgebaut, die Trümmergrundstücke waren mit jedem Tag weniger geworden, die Menschen blickten wieder nach vorn. Sie hatte Max und war nicht mehr allein. Edith war wieder bei ihnen und würde niemals wieder fortgehen. Und ihre Tochter Jule war eine derjenigen, die heute ihre Ausbildung beginnen würden. Luise lächelte. Es kam ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, als sie selbst hier angekommen war. Als sie Margot nachgelaufen war, in diesen gruseligen Hinterhof.

Ein Klopfen an der Tür riss Luise aus ihren Gedanken. Eine der Hilfsschwestern verkündete, dass die Schülerinnen eingetroffen waren.

»Ich komme.« Ein letztes Mal sah sie in den Spiegel und überprüfte den Sitz ihrer Schwesternhaube, dann nahm sie ihre bereitliegenden Unterlagen zur Hand und folgte der Hilfsschwester aus dem Raum.

Als sie in den Warteraum neben der Pforte trat, erhoben sich die jungen Frauen. Luise sah auf ihre Armbanduhr. Es war acht Uhr. Sie war pünktlich.

»Guten Morgen, die Damen«, grüßte sie in die Runde. »Mein Name ist Luise Kirchner, und ich bin die Oberhebamme in diesem Haus. Ich bin Ihre Ansprechpartnerin und Ausbilderin. Ich freue mich sehr, Sie an unserer Klinik begrüßen zu dürfen, und bin überzeugt davon, dass ich jeder Einzelnen von Ihnen in achtzehn Monaten ein ausgezeichnetes Zeugnis überreichen werde. Sie waren die Besten von über hundert Bewerberinnen. Der Beruf der Hebamme ist verantwortungsvoll und oftmals auch anstrengend. Wir betreuen die Frauen während der Niederkunft, nehmen ihnen ihre Ängste und holen neues Leben auf die Welt. Und ich verspreche Ihnen: Es gibt keinen schöneren Moment, als ein neugeborenes Kind zum ersten Mal im Arm zu halten.« Sie lächelte, und es entstand eine kurze Pause. Die Mienen der Frauen waren ernst, sie wirkten angespannt. Luise konnte sie verstehen. Sie selbst war damals auch aufgeregt gewesen, obwohl sie von ihrer Oma im Vorfeld bereits alles gelernt hatte, was eine gute Hebamme ausmachte. Aber es war schon eine große Sache, eine Ausbildung an einer renommierten Klinik anzutreten.

»Nun zu den organisatorischen Dingen«, sagte Luise und holte die Liste mit den Namen hervor. Sie rief die Schülerinnen der Reihe nach auf und hakte ihre Namen ab. Ein Häkchen fehlte jedoch. Irritiert sah Luise hoch und wiederholte den Namen: »Marion Keller?« Sie blickte in die Runde. Die Frauen zuckten mit den Schultern. »Gewiss gibt es einen guten Grund für ihre Verspätung«, sagte Luise. »Fräulein Keller wird bestimmt noch zu uns stoßen. Trotzdem sollten wir beginnen. Als Erstes zeige ich Ihnen Ihre Schlafräume. Sie befinden sich im obersten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes. Es gibt zwei Dreibettzimmer und jeweils ein Doppelzimmer. Das Badezimmer sowie die Toiletten liegen auf dem Flur. Bitte folgen Sie mir.«

Sie öffnete die Tür des Warteraums. Im oberen Geschoss verteilten sich die Schülerinnen sogleich auf die Zimmer. Jule, der Luise selbstverständlich keine Sonderbehandlung zuteilwerden lassen wollte, hatte mit Helga Gärtner eines der Dreibettzimmer bezogen, das dritte Bett blieb vorerst leer. Luise wusste von Lotte, dass Helgas Mutter sie rausgeworfen hatte, weil ihr die Ausbildung ihrer Tochter zur Hebamme ein Dorn im Auge war. Seit dem Kriegsende hatte sich die Unsitte, dass Frauen so schnell wie möglich heiraten sollten, um versorgt zu sein, immer mehr ausgebreitet. Oftmals gingen junge Frauen in diese schrecklichen Institute für Hauswirtschaft oder brachen ihre Ausbildung, gar ein Studium ab, um im Hafen der Ehe einzufahren und der gesellschaftlichen Erwartung gerecht zu werden. Luise schimpfte häufig darüber und nannte diese Haltung abfällig die Kinder-Küche-Kirche-Ideologie. Sie konnte nur darauf hoffen, dass ihre Hebammenschülerinnen die Ausbildung beenden und einige von ihnen in der Berufstätigkeit bleiben würden.

Luise hatte eine halbe Stunde Zeit und konnte erst mal durchatmen. Die Damen sollten ihre Schwesterntracht anziehen, die auf ihren Betten bereitlag. Danach würde die Führung durch das Haus beginnen.

Sie wollte die kurze Pause nutzen, um nach einer ihrer Patientinnen zu sehen. Inge Mangold hatte gestern nach stundenlanger Quälerei einen Jungen zur Welt gebracht, der jedoch mit einer Hasenscharte geboren worden war. Die arme Frau war untröstlich darüber gewesen und hatte sich nur schwer beruhigen lassen. Nun wollte Luise sehen, wie es ihr ging, und sich erkundigen, ob der Kinderarzt bereits mit ihr gesprochen hatte. Es wäre kein Problem, die Missbildung durch eine Operation zu entfernen.

Sie wollte schon über den neu errichteten Übergang im ersten Stock vom Verwaltungsgebäude ins Entbindungshaus gehen, entschied sich dann jedoch dagegen und lief ins Erdgeschoss. Vielleicht war Marion Keller inzwischen aufgetaucht. Luise trat zur Pforte. Hinter der Glasscheibe saß Erich Strauch. Der Mittfünfziger mit dem schütteren grauen Haar war seit einigen Jahren als Pförtner tätig. Seine Hilde war an Brustkrebs gestorben. Das hatte ihn arg mitgenommen. Der einzige Sohn war im Krieg gefallen, irgendwo in Russland, wo genau, wusste er nicht. »Die Hilde hat das nie verkraftet«, hatte er Luise vor einer Weile bei einem Plausch erzählt. »Nicht einmal ein Grab hatten wir, an dem wir trauern konnten.«

Luise kannte viele solcher Geschichten. Doch inzwischen sprachen nur noch wenige über ihren Kummer aus den Kriegsjahren. Es galt, nach vorne zu schauen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Das Land wurde wiederaufgebaut, die Läden und Geschäfte waren voller Menschen, der Wohlstand kehrte zurück. Geschichten über Kriegsverlierer passten nicht in das Bild des westdeutschen Wirtschaftswunders.

Erich sah sie überrascht an. »Ach, die Frau Kirchner. Gerade wollte ich Sie anrufen. Ein Fräulein Keller wartet nebenan auf Sie. Sie ist eine der neuen Schülerinnen, hat sie gesagt, aber da gibt es wohl ein Problem. Sie hat ein Kind dabei. Am Ende ist sie eine ledige Mutter. Man weiß ja, was man von solchen Frauen zu halten hat. Werden Fräuleins mit Kindern zur Ausbildung überhaupt zugelassen?«

Luise sah Erich missbilligend an. »Jetzt lass uns die Frau nicht gleich verurteilen. Ich rede mit ihr.«

Als sie den Warteraum betrat, erhob sich eine dunkelhaarige junge Frau. Laut den Bewerbungsunterlagen war sie im März einundzwanzig geworden, sah aber jünger aus. Hätte Luise es nicht besser gewusst, sie hätte die zierliche Frau auf sechzehn, höchstens siebzehn geschätzt. Marion war blass, ihre Augen waren gerötet. Hatte sie etwa geweint? Sie trug einen dunkelblauen Rock, dazu eine hellblaue Bluse. Im Arm hielt sie einen Säugling, Luise schätzte ihn auf ein halbes Jahr. Dem rosa Jäckchen zufolge war es ein Mädchen.

Luise trat näher und begrüßte sie mit einem Lächeln.

»Guten Tag, mein Name ist Luise Kirchner. Ich bin hier die leitende Oberhebamme. Ich hatte Sie bereits vermisst. Und wer ist das junge Fräulein?«

»Guten Tag«, antwortete Marion leise. »Es tut mir schrecklich leid, dass ich zu spät komme. Aber heute war leider der Wurm drin.«

Luise nickte ihr aufmunternd zu. Das kleine Mädchen auf Marions Arm war bester Laune. Es streckte ihr sein kleines Ärmchen entgegen und quietschte fröhlich. Luise nahm lächelnd die Hand der Kleinen.

»Ihr Name ist Marta. Eigentlich sollte sie bei meiner Großmutter Emmi bleiben, aber die ist heute Morgen auf der Treppe gestürzt. Ich glaube, sie hat sich das Bein gebrochen. Der Krankenwagen hat sie in die Städtische gebracht.«

»Und jetzt wissen Sie nicht, wohin mit der Kleinen?«, zog Luise die richtigen Schlüsse.

Marion senkte den Blick. »Es ist kompliziert. Oma Emmi hat gesagt, wir bekommen das gemeinsam hin. Sie wollte sich um Marta kümmern, während ich die Ausbildung mache. Meine Großmutter ist ganz anders als meine Eltern. Die haben mich rausgeworfen, nachdem sie von der Schwangerschaft erfahren hatten. Und der Dieter, der elende Schuft, behauptet steif und fest, dass die Marta nicht sein Kind wäre. Derweil ist sie ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Angeblich hätte ich auch noch mit anderen was gehabt. Und jetzt heiratet er die Silke.«

Luise kannte einige solcher Geschichten. Gerade ledige Mütter traf die gesellschaftliche Verachtung besonders hart. Sie ahnte, was Marion als Nächstes sagen würde.

»Ich bin nur gekommen, damit Sie nicht denken, ich wäre unzuverlässig. Aber so, wie es im Moment aussieht, kann ich die Ausbildung nicht antreten. Dabei hatte ich es mir so sehr gewünscht. Und Oma Emmi hat mir auch einen Teil der Ausbildungsgebühr gegeben.« Nun begann Marion zu weinen. »Jetzt, da sie im Krankenhaus ist …«

Die kleine Marta schien zu spüren, dass es ihrer Mutter nicht gutging, und fing nun auch zu weinen an. Luise seufzte innerlich. Normalerweise müsste sie Marion wegschicken. Sie konnte mit dem Kind keine Ausbildung beginnen. Doch ihr kam das Kinderheim in den Sinn, in dem ihre vier Schützlinge aus dem Lager untergebracht waren. Sie war inzwischen eng mit der Leiterin, Henriette Detmann, befreundet. Das Heim nahm auch Säuglinge auf. Vielleicht hatten sie ja Glück, und Marta konnte dort fürs Erste untergebracht werden. Luise wusste, dass es ihr in dem Heim an nichts fehlen würde, und Marion konnte ihre Tochter besuchen, wann immer sie wollte. Das war in vielen Säuglingsheimen, in denen Kinder von ledigen Müttern oder Prostituierten untergebracht waren, nicht der Fall. Oftmals kamen Kinder auch gegen den Willen der Eltern in diese Heime, weil man der Ansicht war, dass sich diese aufgrund der Lebensumstände nicht richtig um sie kümmern konnten. »Sozialwaisen« wurden sie genannt, und ihre Zukunft sah in der Regel düster aus.

Luise hatte die Bewerbungen genauestens studiert und wusste, dass Marion ihnen das Kind verschwiegen hatte. Ansonsten stände sie trotz ihres guten Schulabschlusses – sie hatte ein glänzendes Abitur abgelegt und könnte damit auch Medizin studieren – nicht hier. Bewerbungen mit »unsauberen Lebensläufen« wurden von den Verwaltungsdamen sofort aussortiert.

»Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal«, beschwichtigte Luise. »Es könnte sein, dass wir eine Lösung für das Betreuungsproblem finden. Ich habe da schon eine Idee. Und Ihre Großmutter ist ja bestimmt nur vorübergehend außer Gefecht gesetzt.«

»Sie schicken mich nicht weg?«, fragte Marion verdutzt.

»Nein, das tue ich nicht«, antwortete Luise. »Sie warten jetzt hier, und ich führe rasch ein Telefonat.« Marion nickte. Luise reichte ihr ein Taschentuch und lächelte sie aufmunternd an. »Das wird schon. Früher wären Sie hier als Hausschwangere aufgenommen, versorgt und in Anstellung vermittelt worden. Aber leider gibt es diese Praxis nicht mehr. Wir finden schon einen Weg. Und vergessen Sie mal rasch diesen Dieter. Er ist es nicht wert, dass Sie Gedanken an ihn verschwenden.«

Luise verließ den Warteraum und ging rasch in die Poststelle neben dem Empfang, die Gertrude Bauers Reich war. Sie machte gerade ihre erste Pause, wie jeden Tag um neun Uhr. Gewiss stand sie wieder mit einer der Küchenhilfen rauchend und schwatzend an einem der Hinterausgänge. Auf manche Dinge war Verlass. Luise griff zum Telefonhörer und wählte die Nummer des Säuglingsheims, die sie im Kopf hatte. Es meldete sich zu ihrem Glück gleich Henriette Detmann persönlich, und Luise schilderte ihr das Problem.

»Das ist ja wirklich ein Unglück«, sagte Henriette. »Es ist schön zu hören, dass die Großmutter ihre Enkeltochter so unterstützt. Kommt ja leider eher selten vor. Wir können die kleine Marta gerne bei uns aufnehmen. Wenn Sie möchten, schicke ich eine Kinderschwester vorbei, die sie abholt.«

»Das wäre ganz wunderbar«, antwortete Luise erleichtert. »Haben Sie vielen Dank.«

»Gern geschehen, Frau Kirchner«, antwortete die Heimleiterin. »Wir sehen uns am Sonntag? Sie haben unseren Basar nicht vergessen, oder? Die Kinder haben Lieder und einen Tanz für die Besucher einstudiert. Sie sind schon ganz aufgeregt.«

»Natürlich habe ich den Basar nicht vergessen«, antwortete Luise. »Mein Mann und ich lassen uns auch nicht von irgendwelchen auf die Welt kommenden Babys davon abbringen. Fest versprochen. Wir freuen uns schon auf den Nachmittag. Richten Sie den Kindern liebe Grüße von mir aus.«

Luise verabschiedete sich und legte den Hörer auf. Sie spürte ein herrlich warmes Gefühl in ihrem Inneren, und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Es war schön, anderen Menschen helfen zu können.

Sie ging zurück in den Warteraum und erklärte Marion Keller, was sie erreicht hatte. Marion reagierte zurückhaltend.

»In ein Heim«, sagte sie. »Das wollten die vom Jugendamt auch schon machen. Wir konnten es gerade so abwenden. Oma hat gesagt, wir seien ein anständiger Haushalt und dass sie die Verantwortung übernehmen würde. Sie habe vier Kinder großgezogen und das Mutterkreuz bekommen. Damit war die Tante vom Amt einigermaßen zufrieden. Sie hat uns alle paar Wochen mal besucht und nach dem Rechten gesehen. Bisher lief alles gut. Ich hätte Marta in dem Heim gar nicht besuchen dürfen.«

»Bei Henriette Detmann kannst du sie besuchen. Und wenn es deiner Großmutter bessergeht, kann Marta auch wieder zu ihr. Niemand wird sie dir wegnehmen. Versprochen.« Luise war zum vertraulichen Du übergegangen.

Marion nickte. »Wieso machen Sie das? Ich dachte, Sie sind wie all die anderen, die mich abfällig ansehen, als wäre ich eine Hure. Vielleicht hab ich es ja auch nicht anders verdient. Das sagt jedenfalls meine Mutti. Sie hat gesagt, ich wäre eine Schande, und sie würde sich in Grund und Boden schämen.«

»Um ehrlich zu sein«, antwortete Luise, »hättest du die kleine Marta in deinen Lebenslauf geschrieben, wir hätten deine Bewerbung sofort aussortiert. Aber du warst ein kluges Mädchen und hast es nicht getan. Es klärt euch ja niemand darüber auf, was passieren kann. Wir haben hier viele Fälle wie dich. Es ist keine Schande, ein Kind zu bekommen, auch wenn du allein bist. Es ist eher eine Sauerei, dass dieser Dieter keine Verantwortung übernimmt und die Gesellschaft dich ausschließt. Aber nun ist es ja gut, und wir haben eine Lösung gefunden. Wir bringen die kleine Marta jetzt rasch zur Kinderstation. Dort wird sich eine Schwester bis zu ihrer Abholung um sie kümmern. Und den anderen Schülerinnen werden wir erst einmal nichts von deinem Mädchen erzählen. Wenn ihr euch erst mal angefreundet habt, ist es gewiss leichter.« Sie zwinkerte Marion zu. Tränen der Erleichterung rannen über deren Wangen. Die kleine Marta hatte den Kopf gegen ihre Schulter gelehnt, und ihre Augen waren halb zugefallen. Der ungewohnte Ausflug in die Klinik schien die Kleine ermüdet zu haben.

Luise brachte die beiden zur Kinderstation, wo Marion das Mädchen einer Säuglingsschwester übergab. Danach ging es zu den anderen Schülerinnen, und Marion betrat das Zimmer von Jule und Helga mit schüchternem Blick.

»Hier kommt unsere Nachzüglerin und eure neue Mitbewohnerin«, sagte Luise lächelnd. »Marion ist ihr Name. Ihre arme Großmutter hatte heute Morgen einen Unfall. Deshalb hat sie sich verspätet. Wir sehen uns dann in zehn Minuten im Vortragsraum. Doktor Jung, der Leiter der Klinik, wird ebenfalls anwesend sein und sich kurz vorstellen. Ich erwarte also Pünktlichkeit.«

Sie schloss die Tür und hielt auf dem Flur kurz inne. Er sah nicht mehr wie früher aus. Neue Türen waren eingebaut, die Wände in einem freundlichen Gelb gestrichen. Gerahmte Bleistiftskizzen von Säuglingen hingen daran. Trotzdem erinnerte sie dieser Bereich der Klinik an die Zeit, als sie zum ersten Mal gemeinsam mit Edith und Margot in ihrer Kammer gewesen war. Drei so unterschiedliche junge Frauen. Doch mit den Jahren waren sie mehr als Freundinnen geworden. Margot und Edith waren ihre Familie. Und vielleicht würden auch Jule, Helga und Marion Freundinnen werden. Sie wirkten auf den ersten Blick so verschieden wie sie damals.

Ach, immer diese Sentimentalitäten. Die Zeit rann dahin, und sie rannten mit. Luise hatte noch fünf Minuten, bis der Tagesplan weiterging.

Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging in den Vortragsraum. Dort traf sie auf Max. Überrascht sah sie ihn an. Er grinste verschmitzt, und Luise spürte das warme Kribbeln in ihrem Inneren. Es war verrückt. Nun waren sie bereits über zehn Jahre verheiratet, doch er schaffte es noch immer, diese Gefühle in ihr auszulösen. Sie hatte nach Günters Tod nicht mehr an die Liebe glauben wollen, hatte sich im Nachtleben Berlins verloren. Als sie getaumelt und ihr die Kraft gefehlt hatte, war er plötzlich da gewesen. Und seitdem taumelte sie nicht mehr.

»Meine Liebe«, sagte er, ging auf sie zu und küsste sie kurz auf die Lippen. »Unser Klinikleiter lässt sich entschuldigen. Ein Notfall ist eben reingekommen. Eine seiner Patientinnen, mehr weiß ich nicht. Er bat mich, für ihn einzuspringen. Wie sieht es aus? Wie sind die Damen so?«

»Ach«, antwortete Luise, »alle noch grün hinter den Ohren. Aber wir werden gute Hebammen aus ihnen machen. Das weiß ich bestimmt.«

— 4 — Berlin, Juni 1957

Helga hatte es von Anfang an gewusst. Es war keine gute Idee gewesen, in den Klinikgarten zu gehen. Nun stand sie hier mit ihrer Patientin, und die Fruchtblase war geplatzt. Wie hatte Margot nur auf die Idee kommen können, ein Spaziergang wäre zuträglich?

»Und nun?«, fragte Rita Fiedler, eine blonde junge Frau. Sie blickte auf die Pfütze zwischen ihren Beinen. Es war ihr erstes Kind, und die arme Frau quälte sich bereits seit dem Vorabend mit Wehen. Nichts hatte die Geburt so recht vorantreiben können. Weder der Einlauf noch stundenlanges Auf-und-Ab-Laufen auf dem Flur hatten geholfen. Die Abstände der Wehen lagen weiterhin bei fünf Minuten, der letzte Befund der Untersuchung vor einer Stunde war niederschmetternd gewesen. Mit gutem Willen war der Muttermund einen Zentimeter eröffnet. Helga hatte inzwischen gelernt, dass er zehn Zentimeter offen sein musste, damit das Baby auf die Welt kommen konnte. Luise Kirchner war eine großartige, aber auch strenge Lehrerin, ebenso Doktor Jung, der dreimal wöchentlich Vorträge hielt. Zusätzlich hatten sie alle ein Hebammenlehrbuch erhalten, das sie studieren sollten. Jede Woche gab es einen Test über ein vorgegebenes Thema. Es war eine Menge Theorie, die sie lernen mussten. Darin war Helga nie gut gewesen. Sie liebte eher das Praktische. Ihr erster Test über die geburtshilfliche Untersuchung war dann auch nicht sonderlich gut ausgefallen, und sie war in Tränen ausgebrochen. Ihre Eltern hatten sie rausgeworfen, weil sie unbedingt Hebamme hatte werden wollen. Was, wenn sie die Ausbildung nun nicht schaffte? Wenn sie an dem ganzen theoretischen Krempel scheiterte? Sie hörte schon jetzt die Worte ihrer Mutter: »Das hab ich dir doch gleich gesagt. Es war von vornherein eine Schnapsidee.« Jule hatte sie getröstet und ihr versprochen, mit ihr zu lernen. Sie war eine wahre Freundin.

»Ihre Fruchtblase ist geplatzt«, erklärte Helga. »Das ist gut, da will jemand auf die Welt kommen. Jetzt geht es bestimmt schneller voran. Wir sollten besser zurückgehen.«

Sie standen auf einem Kiesweg zwischen den Rosenbeeten. Es war ein schwülwarmer Tag, und die Wolken am Himmel begannen sich bereits zu Bergen aufzutürmen. »Wenn Gewitter in der Luft liegen, dann gibt es viele Babys.« So hatte es eine der Hebammen am Morgen im Schwesternzimmer gesagt. Und ihre Aussage schien sich zu bewahrheiten. Heute war tatsächlich der Teufel los. Sämtliche Betten im Kreißsaal waren belegt, und durch einen grassierenden Magen-Darm-Infekt in der Klinik herrschte Personalmangel. Es hatte gleich fünf von den Hebammen erwischt. Auch Jule lag flach, was bedauernswert war, denn sie hatten heute, an ihrem freien Abend, tanzen gehen wollen.

Sie waren nur wenige Schritte gelaufen, dann wurde Rita Fiedler unruhig. »Jetzt tut es schlimm weh«, sagte sie und stöhnte. »Es zieht böse in den Rücken.« Sie stützte sich auf der Lehne einer Parkbank ab.

Helga massierte ihren unteren Rücken und fand tröstende Worte. Nachdem die Wehe abgeebbt war, gingen sie weiter. Rita Fiedler schnaufte kräftig und blieb immer wieder stehen. »Grundgütiger, ist das anstrengend. Und diese Hitze! Mir ist schon ganz schummrig.«

In diesem Moment war plötzlich ein Donnergrollen zu hören. Helga blickte alarmiert zum Himmel. Aus dem eben noch recht harmlos aussehenden Wolkenberg war eine bedrohliche schwarze Wand geworden.

»Wo kommt das denn so plötzlich her?«, sagte sie verdutzt. Im nächsten Moment donnerte es erneut, und ein böiger Wind wirbelte den Staub aus den Beeten auf.

»Uh, jetzt geht das schon wieder los«, jammerte Rita und begann zu wimmern. »Es drückt nach unten und tut so weh.«

Erste Regentropfen fielen vom Himmel, innerhalb weniger Sekunden gab es einen Wolkenbruch. Das Donnergrollen schwoll zu einem lauten Poltern an.

Helga zuckte zusammen. Sie war wie erstarrt. Neben ihr jammerte Rita Fiedler. Sie waren beide schon vollkommen durchnässt, als eine Gestalt auf sie zugelaufen kam. Es war eine der Krankenschwestern mit einem Rollstuhl.

»Was machen Sie beide denn hier draußen im Regen?«, sagte sie vorwurfsvoll. »Kommen Sie, schnell!«

Sie half Rita in den Rollstuhl, und so eilten sie zum Hintereingang des Entbindungshauses. Dort liefen sie ausgerechnet Doktor Jung in die Arme. Etwas pikiert blickte er von der Krankenschwester zu Helga und zu Rita, die laut aufstöhnte.

»Die Damen. Sie sehen etwas mitgenommen aus. Gewiss findet sich irgendwo ein Handtuch. Es scheint so, als wollte jemand zur Welt kommen. Sie sollten sich beeilen.«

Helga wollte etwas antworten, sich erklären, doch kein Wort kam aus ihr heraus. Der Arzt ging weiter.

»Schnell«, sagte die Krankenschwester. »Ich denke, das Kind kommt bald.«

Rasch ging es zum Fahrstuhl, der sie in den ersten Stock beförderte. Nun noch den Flur hinunter, gleich waren sie wieder im Kreißsaal. Ihre durchweichten Schuhe quietschten auf dem Linoleumfußboden, die feuchten Haare tropften. Ein erneuter Donnerschlag ließ sie zusammenzucken. Im Kreißsaal wurden sie von einer verwundert dreinblickenden Margot in Empfang genommen.

»Liebe Güte, was ist passiert?«, fragte sie, übernahm den Rollstuhl von der Krankenschwester und brachte Rita zu ihrem Bett zurück.

»Das Gewitter hat uns überrascht«, antwortete Helga. »Eben war der Himmel noch blau, und plötzlich fing es zu donnern und zu schütten an. Es ging alles ganz schnell.«

»Es tut so verdammt weh«, jammerte Rita. Margot zog rasch die Vorhänge zu und wies eine der Krankenschwestern an, ein frisches Hemd und Handtücher zu besorgen.

»Ich sterbe«, jammerte Rita. »Ganz bestimmt. Es tut so weh.«

»Nein, Sie sterben nicht«, antwortete Margot. Sie hatte Rita rasch untersucht. »Der Muttermund ist nun vollständig eröffnet. Es kann endlich losgehen. Bei der nächsten Wehe müssen Sie fest pressen. Helga wird Ihnen dabei helfen.« Helga trat ans obere Ende des Bettes und schob Rita zusätzliche Kissen in den Rücken. Die Wehe kam, und Rita schrie schrecklich laut.

»Gut! Sie machen das großartig. Noch ein Stück, ein wenig noch. Schieben, schieben. Hervorragend!« Die Wehe ließ nach, und Rita entspannte sich. Ihr Gesicht war gerötet, das feuchte Haar klebte ihr an der Stirn. Noch immer trug sie das nasse