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Ein rosaroter Traum Aurelia war immer sehr traurig, weil sie stets rosafarbene Kleider tragen musste. Keine Farbe auf dieser großen, weiten Welt war ihr mehr zuwider. Schuld daran war ganz allein Aurelias Mutter. Als eines Morgens Aurelias Mutter erwachte, entschloss sie sich, ihren rosaroten Traum in die Tat umzusetzen. Unverzüglich ließ sie die besten Handwerker der Stadt kommen. Vom geschicktesten Schneider über den schnellsten Maler bis zum genauesten Tischler versammelte sie die besten Meister ihres Fachs. Als Frau Rosa herrschaftsbewusst mit ihrem rosafarbenen Samtmorgenmantel auf der Veranda ihrer Villa stand und mit inbrünstiger Stimme befahl, dass alles - und damit meinte sie wirklich alles, selbst die Bäume im Garten - in dieser Farbe - sie streifte ihren Morgenmantel ab und warf ihn in die Handwerkermenge - umzuwandeln sei, schlief Aurelia noch tief und fest. Im schnellen Wechsel drücken sich die Autoren Harald Brachner, Petra Pilgerstorfer, Valsirion Scharona und Reyhan Schmid die Feder in die Hand. Von Erlebnisberichten bis Fantasy, von Lyrik bis Prosa, Romanze oder markaber, Emigration, Globalisierung oder Bodenständigkeit. Geschichten aus dem Leben. Geschichten für das Leben.
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Seitenzahl: 97
Veröffentlichungsjahr: 2020
Ein rosaroter Traum (P. Pilgerstorfer)
Brückenschlag (R. Schmid)
Brückenschlag (V. Scharona)
Kein Brückenschlag (H. Brachner)
Brückenschlag (P. Pilgerstorfer)
Frühsommerzyklus. (H. Brachner)
Der Wirbel vor dem Sturm (V.Scharona)
Flucht und Sehnsucht (R. Schmid)
Der Duft der Blumen (H. Brachner)
Der Fischer (V. Scharona)
Die Stunde des Einhorns (H. Brachner)
Sprachprobleme (V. Scharona)
(
Lebens-)Notwendige Fragen (V. Scharona)
Die Begegnung (H.Brachner)
dominus domino (H. Brachner)
Spinnerei (V. Scharona)
Katamarane der Sehnsucht (H. Brachner)
Wachsen (V. Scharona)
Schen is des Lebm (H. Brachner)
Gerti, die Zuckerbäckerin (V. Scharona)
Fenster (V. Scharona)
Versetzt ins Mittelalter (V. Scharona)
Zünglein auf der Waage (V. Scharona)
Fehl am Platz (R. Schmid)
"Wer stört?" (V. Scharona)
Die Autoren stellen sich vor
Petra Pilgerstorfer
Es war einmal ein kleines, rothaariges Mädchen namens Aurelia. Aurelia war immer sehr traurig, weil sie stets rosafarbene Kleider tragen musste. Keine Farbe auf dieser großen, weiten Welt war ihr mehr zuwider. Schuld daran war ganz allein Aurelias Mutter. Frau Rosa, wie die Menschen in der Stadt die Frau Mama nannten, war eine etwas verrückte Person, die vor Jahren so viel Geld von ihrer Großmutter erbte, dass sie damit die ganze Stadt aufkaufen konnte. Folglich war sie in der gesamten Gesellschaft ein gern gesehener Gast. Der Bürgermeister dieser Stadt führte ihr zu Ehren sogar einen Feiertag ein. An diesem Tag wurde dann in Frau Rosas Garten ein Fest gefeiert, bei dem alle Bürger dieser Stadt sehr herzlich eingeladen waren. Ob jung oder alt, es waren alle dort. Bis tief in die Nacht wurde gefeiert, gesungen, gescherzt und gelacht. Für Aurelia war das immer der schönste Tag im Jahr, denn alle ihre Freunde und Schulkammeraden waren bei ihr.
Aber leider blieb nichts beim Alten, denn in einer dieser darauffolgenden Nächte hatte Frau Rosa einen Traum, der das Leben der kleinen Aurelia völlig verändern sollte. Und das ereignete sich so:
Als am nächsten Morgen Frau Rosa erwachte, entschloss sie sich, ihren Traum sogleich in die Tat umzusetzen. Unverzüglich ließ sie die besten Handwerker der Stadt kommen. Vom geschicktesten Schneider über den schnellsten Maler bis zum genauesten Tischler versammelte sie die besten Meister ihres Fachs. Als Frau Rosa herrschaftsbewusst mit ihrem rosafarbenen Samtmorgenmantel auf der Veranda ihrer Villa stand und mit inbrünstiger Stimme befahl, dass alles – und damit meinte sie wirklich alles, selbst die Bäume im Garten – in dieser Farbe – sie streifte ihren Morgenmantel ab und warf ihn in die Handwerkermenge – umzuwandeln sei, schlief Aurelia noch tief und fest.
„Koste es, was es wolle!", rief sie den Handwerkern zu.
Verdutzt schauten sich die Arbeiter an. Keiner traute sich, etwas zu sagen. Alle sahen das viele Geld, welches Frau Rosa in Aussicht stellte.
Noch bevor die Arbeiter mit ihrer Wahnsinnstat begannen, wurde Aurelia von ihrem sprechenden Kater Nepomuk, der alles mitgehört hatte, aus ihren Träumen gerissen.
„Miau, Aurelia! Miau, Aurelia! Etwas Schreckliches wird passieren!"
„Ach was!", erwiderte Aurelia schläfrig. „Nichts kann so schrecklich sein, wie dein ständiges Wecken in der Früh!"
„Miau, Aurelia! Miau, Aurelia! Bitte glaube mir, was ich dir zu erzählen habe! Deine verrückte Mutter will ....", weihte der Kater Aurelia in Frau Rosas Pläne ein.
„Wie soll denn das vor sich gehen?", glaubte Aurelia Nepomuk kein Wort.
Nepomuk meinte, zerspringen zu müssen, weil ihm Aurelia nicht glaubte.
„Du weißt doch!", beschwor Nepomuk mauzend. „Deine Mutter ist zu allem fähig! Erinnere dich doch, wie sie einst unseren Pfarrer Wilhelm aufforderte, die Kirchenglocken zu entfernen, nur weil sie ihr zu laut läuteten. Der Geldbetrag, welchen sie Pfarrer Wilhelm dafür bot, hat den armen Priester so aus dem Häuschen gebracht, dass er Wochen später noch immer nicht fähig war, die Heilige Messe zu zelebrieren. So schwer hatte er sich die Entscheidung gemacht! Einerseits hätte er das viele Geld schon sehr gut für ein neues Kirchendach gebrauchen können. Andererseits stellte er sich die berechtigte Frage, was eine Kirche ohne Glocke wert sei. Seine Kirchengeher haben ihm dann die Entscheidung etwas erleichtert, weil beinahe alle für das neue Kirchendach waren. Und so hatte Frau Rosa wieder einmal gesiegt.
Jetzt frage ich dich, Aurelia. Wem wäre das noch gelungen, außer deiner verrückten Mutter?"
Aurelia wurde plötzlich kreidebleich im Gesicht.
„Niemanden, außer meiner Mutter!", entfuhr es ihr.
Jetzt war es Aurelia klar, dass Nepomuks Bericht tatsächlich stimmen musste. Aurelia sprang aus ihrem Bett, eilte die Stufen hinunter, die geradewegs in das Speisezimmer führten, und rief nach ihrer Mutter. Diese schenkte sich gerade genüsslich eine Tasse Kaffee nach.
„Ach, guten Morgen, mein kleines Aurelia-Schätzchen! Was um alles in der Welt brüllst du hier so laut herum?"
„Mutter, bitte sag, dass es nicht stimmt!", keuchte Aurelia noch immer ganz aufgeregt.
„Was soll denn nicht stimmen, mein Schätzchen?"
„Dass du unser schönes Haus und den herrlichen Garten in Rosarot verunstalten willst!"
„Du nennst es vielleicht „verunstalten"!", erwiderte Frau Rosa verärgert.
„Ich aber sage dir, es wird ein rosaroter Traum, den es nur einmal auf dieser Erde geben wird. Und noch eins, liebe Aurelia: nicht nur das Haus und der Garten bekommen diese Farbe, sondern alles, was dein Auge hier erblicken kann. Und damit meine ich wirklich alles!"
„Willst du vielleicht auch mich und Nepomuk verunstalten?", schrie Aurelia zornig ihre Mutter an.
Ein klaren „Ja" kam aus Frau Rosas Mund.
„Und heute, Aurelia", hob Frau Rosa mahnend ihren Zeigefinger, „wird dir der beste Schneider dieser Stadt eine neue Garderobe nähen, und um Nepomuk wird sich der alte Hexenmeister Fantasius kümmern!"
„NEIN!!!"
Aurelia schrie so erbärmlich, dass die Handwerker, die mit der Arbeit schon begonnen hatten, ihr Werkzeug weglegten. Aurelia warf sich weinend vor die Füße ihrer Mutter und bat sie flehentlich, sich doch noch einmal alles genau zu überlegen. Hartherzig wies Frau Rosa Aurelia zur Seite.
„Tut mir leid, mein Kind. Jetzt ist es schon zu spät! Und nun entschuldige mich, bitte."
Aurelia fleht ihre Mutter an
„Es ist nie zu spät!", schrie Aurelia ihrer Mutter nach, aber diese hörte sie nicht mehr oder tat zumindest so, als ob.
Weinend stürmte Aurelia auf ihr Zimmer. Sie wusste, dass sich ab nun ihr Leben völlig verändern sollte. Es dauerte nicht lange, da klopfte auch schon der Schneider an Aurelias Tür.
„Öffnen Sie mir bitte. Ich bin der Schneider Knopf und muss Ihnen laut Anordnung von Frau Rosa neue Kleider nähen."
„Ja, ich weiß", antwortete Aurelia verweint. „Bitte treten Sie ein."
In der Türe erschien ein etwas älterer, sehr fröhlich wirkender Herr.
„Junge Frau, Sie weinen? Das sehe ich aber gar nicht gern!", scherzte Herr Knopf.
„Ob Sie das jetzt gern sehen oder nicht ist mir völlig egal!", fertigte ihn Aurelia harsch ab. „Zum Scherzen bin ich jetzt weiß Gott nicht aufgelegt. Nehmen Sie mir die Körpermaße ab und verschwinden Sie!"
„Na, na, na! Wer wird denn da so böse sein?"
Schneider Knopf blieb gelassen. Vorsichtig erkundigte er sich nach dem Grund ihrer Trauer.
„Das wissen Sie nicht, Herr Knopp?"
„Knopf, mein Name!"
„Oh, entschuldigen Sie, Herr Knopf. Ich vergaß!" fühlte sich Aurelia verschaukelt.
Natürlich wusste Herr Knopf von dieser Wahnsinnstat. Er trug ja auch gerade sein Scherflein bei. Aber er wollte es von Aurelia hören, die ihn mittlerweile schon sehr leid tat.
„Nun, Herr Knopf, Sie nähen mir Kleider, die ich in dieser Farbe mein Leben lang hassen werde. Und wissen Sie, warum ich sie hassen werde?"
„Ich glaube, ja."
„Sehen Sie aus dem Fenster, Herr Knopf, wie sich die rosarote Pest schon breitgemacht hat!
Der alte, mächtige Lindenbaum, die schöne Birke. Je nach Jahreszeit erfreuten sich die Menschen mit ihren unterschiedlich gefärbten Blätterkleidern.
Sehen Sie dort die Blumenwiese? Alles wurde damit schon angesteckt!
Ich wünschte mir, dass das alles nur ein böser Traum wäre und er bald enden würde!"
In Aurelias Augen standen die Tränen, die Regentropfen gleich über ihre aufgeheizten Wangen rannen. Der Schneidermeister konnte nicht mehr mitansehen, wie Aurelia litt. Er nahm sie tröstend in die Arme, wie nur ein Vater es kann. Nach einiger Zeit wurde Aurelia immer ruhiger. Schließlich schlief sie in seinen Armen ein. Behutsam brachte sie Herr Knopf ins Bett, deckte sie liebevoll zu und verließ auf Zehenspitzen ihr Zimmer. Just in diesem Moment stand auch Frau Rosa vor der Türe, die gerade nachsehen wollte, ob der Schneider schon Aurelias Körpermaße genommen habe.
„Guten Tag, Herr Schneidermeister! Schon fertig mit der Arbeit?"
Ein bissig-spöttisches „Ja, gewiss!" entgegnete ihr Herr Knopf.
„Was soll das heißen?", schöpfte Frau Rosa Verdacht.
„Wie ich schon sagte: ich bin fertig!
Fertig mit Ihnen. Fertig mit Ihrer verrückten Idee, die nur Leid über Ihre eigene, reizende Tochter bringt. Mit mir brauchen Sie nicht mehr zu rechnen, und mit Ihren teuflischen Plan will ich nicht zu tun haben! Er wird Ihnen kein Glück bringen, das verspreche ich! Küss die Hand, gnä' Frau!"
Kaum ausgesprochen, hastete er so schnell aus dem Haus, dass Frau Rosa nicht einmal mehr Zeit hatte, zu antworten. In ihrer Ehre verletzt stürmte sie in Aurelias Zimmer.
„Raus aus dem Bett!", schrie sie. „Um die Zeit wird nicht mehr geschlafen! Du wirst jetzt sofort Nepomuk zum alten Hexenmeister Fantasius bringen! Das befehle ich dir! Hast du mich verstanden? Und jetzt verschwinde!"
Wortkarg zog Aurelia ihren Mantel an, nahm wie befohlen Nepomuk und ging mit ihm zu Fantasius Zauberhütte. Der verwahrloste, hässliche Hexenmeister wartete schon vergnügt auf die beiden. Nichts bereitete Fantasius mehr Freude, als seine Zauberkraft unter Beweis zu stellen.
„Guten Tag, ihr beide!", krächzte er. „Wie geht's euch denn?"
„Sparen Sie sich Ihre blöden Floskeln!", gab ihm Aurelia zur Antwort. „Hier haben Sie meinen Kater. Sie wissen ja, was zu tun ist!"
„Ach, was bist du denn für ein niedliches, kleine Kätzchen?" heuchelte Fantasius.
Nepomuk hasste es, wenn man ihn ein niedliches, kleines Kätzchen nannte. Statt einer Antwort bekam der Hexenmeister Nepomuks Krallen im Gesicht zu spüren.
„So ein Biest!", schimpfte Fantasius. „Dir werd' ich ein Mittel verabreichen, das du in deinem ganzen Katzenleben nie mehr vergisst!"
Fantasius flößte Nepomuk einen Zaubertrank ein, der ihn hexenhurtig von den Barthaaren bis zur Schwanzspitze in die grässliche Farbe verwandelte. Innerlich zerrüttet und ohne weitere Worte verließen die beiden Fantasius' Hütte und machten sich auf den Heimweg.
„Fein!", rief Frau Rosa schrill, als sie Nepomuk sah. „Jetzt muss ich nur noch meine kleine Aurelia dazu bewegen, meinem rosaroten Traum zu folgen!"
„Niemals!", schrie Aurelia ihre Mutter an.
Aber so sehr sie sich dagegen wehrte, es half ihr nichts. Schon am nächsten Tag wurde ein anderer Schneidermeister ins Haus gerufen, der dem Mädchen jene Kleider nähte, die Frau Rosa sich für ihre Tochter wünschte. Aurelia verspürte ab diesem Tag, an dem ihr persönlicher Leidensweg begann, nur noch das Gefühl der Rache. Sie wusste nur noch nicht, wie sie sich bei ihrer Mutter revanchieren konnte. Aber dass sie es Frau Mama heimzahlen werde, schwor sie sich.
Die Zeit arbeitete für Aurelia. Obwohl ihre alten Freunde und Bekannten zu ihr hielten, erlebte Aurelia im Laufe der Jahre endlos Hänseleien und Spott von Kindern wie Erwachsenen, die nicht den verrückten Plänen der Frau Rosa folgten. Aber gerade die Sticheleien und Bosheiten machten Aurelia selbstbewusst und stark.
Die Jahre vergingen und Aurelia wuchs zu einer schönen, jungen Frau heran. An ihrem achtzehnten Geburtstag fasste sie sich den Mut, um mit ihrer Mutter über ihre zukünftige Garderobe zu sprechen.
„Es wäre heute doch ein passender Anlass", dachte sie sich.
Vorsichtig tastete sich die junge Dame an ihre Mutter heran.
„Mutter, ich möchte dich um etwas bitten", begann sie tapfer. „Ich weiß, dass wir uns in den letzten Jahren nicht mehr viel zu sagen hatten. Aber weil heute mein achtzehnter Geburtstag ist, ersuche ich dich, mich von dieser rosaroten Kleidung zu befreien. Ich bitte dich, erhöre meinen Wunsch!"
Barsch wies Frau Rosa Aurelia zurück.