Ein Stern fiel vom Himmel - Hans Dominik - E-Book

Ein Stern fiel vom Himmel E-Book

Hans Dominik

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Beschreibung

Professor Eggerths Stratosphärenpiloten beobachten, wie ein riesiger Meteor auf die Erde stürzt und in den Eiswüsten der Antarktis niedergeht. Sie untersuchen den fremden Himmelskörper, der sich als unverhoffte Rohstoffquelle entpuppt. Ein Kampf entbrennt. Die Schätze aus dem All sollen der gesamten Menschheit zugute kommen. Dominik ist einer der bedeutendsten Pioniere der Zukunftsliteratur in Deutschland. Seine Science-Fiction-Erzählungen erfreuen sich seit Anfang des vorigen Jahrhunderts bis in die Gegenwart großer Beliebtheit. Sie wurden in hohen Auflagen gedruckt und werden bis heute immer wieder neu aufgelegt. Neben Science Fiction hat Dominik auch Sachbücher und Artikel mit technisch-wissenschaftlichem Inhalt geschrieben. (Quelle: Wikipedia)

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Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Ein Stern fiel vom Himmel

1

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Über den Autor

Impressum

Hinweise und Rechtliches

E-Books Edition Loreart (Auswahl):

 

Hans Dominik

 

Ein Stern fiel vom Himmel

 

Roman

 

Edition Loreart

 

 

 

Ein Stern fiel vom Himmel

 

 

1

 

 

Ein leuchtender Fleck in der dunklen Polarnacht. Auf hohen Masten erstrahlen vier mächtige Lampen. Ihre Lichtflut wird von schimmernden Schneemassen zurückgeworfen. Sie beleuchten ein Gebäude, halb Haus, halb Schuppen, das der Forscherdrang eines Gelehrten in der Eiswüste der Antarktis entstehen ließ. Ihre Strahlen brechen sich in glänzenden Reflexen an physikalischen Instrumenten, die frei im Schnee stehen, und lassen die Umrisse eines Flugschiffes erkennen.

Schwer und massig wie der Leib eines» gestrandeten Riesenwals lastet der mächtige Metallrumpf auf dem Schneefeld. Keine Räder, kein Kufengestell, die ihm eine Möglichkeit zum Starten geben können. Wurde das Schiff von seiner Besatzung verlassen? Ist es dazu verdammt, bis an das Ende aller Tage in der Schneewüste liegenzubleiben?

Als wolle es Antwort geben auf die Fragen, schlägt das Ungeheuer die Augen auf. Zwei gläserne Luken an seinem Kopfteil erstrahlen plötzlich in hellem Licht, und fast gleichzeitig beginnen im Rumpf die Maschinen ihr rauschendes Spiel. Der Donner der Motorexplosionen dröhnt durch die eisige Luft.

Noch liegt der Leib des Flugdrachens regungslos auf dem Schnee, während seine leuchtenden Augen wie zornig in die Ferne starren. Und dann hebt es sich aus dem Rücken des Flugschiffes, wächst empor und beginnt sich wirbelnd zu drehen. Schneller und immer schneller rotiert die mächtige Hubschraube, lauter brüllen die Motoren. In schimmernden Wolken stiebt der Propellerwind den Schnee auf, schon beginnt der Zug der Hubschraube zu wirken. Schwerelos hebt sich der gewaltige Metallbau vom Boden und schwebt senkrecht empor. Jetzt hat er die Höhe der Lampen erreicht. Jetzt ist er über ihnen und im Augenblick von der Dunkelheit verschlungen.

Immer höher steigt das Schiff. Jetzt ist es nur noch ein leuchtender Punkt.

Zwei Kilometer zeigt der Höhenmesser im Kommandoraum, da setzen mit voller Kraft die sechs Düsenmotoren ein. Schon tragen die Schwingen den Leib des Drachens, und langsam senkt sich die gesträubte Rückenflosse. Die Hubschraube wird in den Rumpf zurückgezogen. Hermetisch wird der ganze Bau geschlossen. Immer höher steigt die Maschine und stürmt durch die Polarnacht dahin. ›St 8‹, das neueste und größte Stratosphärenschiff der Eggerth-Reading-Werke in Bay City, hat seinen Rückflug begonnen.

Im Kommandoraum des Flugschiffes saß Hein Eggerth vor der Steuerung. Sein Blick hing an dem Höhenmesser, dessen Zeiger langsam über die Skala dahinglitt. 13 Kilometer ... 14 Kilometer ... 15 Kilometer ... Seine Hand bewegte ein blankes Gleitstück an dem Steuerapparat, und der Zeiger des Höhenmessers stellte seine Wanderung ein. Eine kurze Zeit noch beobachtete Eggerth das Instrument, dann erhob er sich von seinem Platz.

»So, Wolf! Der Automat ist eingestellt. Vorläufig können wir ›St 8‹ sich selber überlassen.«

Wolf Hansen stand an der großen Backbordscheibe des Stratosphärenschiffes. Zusammen mit Georg Berkoff, dem dritten Mann der Besatzung, schien er dort durch das starke Kristallglas hindurch irgend etwas zu beobachten. Auf die Worte Eggerths hin wandte er sich um.

»Der Robot tut seine Schuldigkeit, Hein? Um so besser! Da draußen ist allerlei zu sehen. Können wir das Licht ausmachen? Es stört die Beobachtung.«

Hein Eggerth nickte und bewegte einen Schalthebel. Die hellen Lampen im Kommandoraum erloschen.

»Was habt ihr denn da, was euch so interessiert?« fragte er.

Noch während er es sagte, bemerkte er, daß von außen her Licht in den Kommandoraum fiel. Licht, das seine Farbe fortwährend änderte. Jetzt eben noch bläulich-grünlich, dann wieder gelblich-rötlich. Einen Augenblick später schien alles wie blutübergossen.

»Ein Südlicht, Hein«, rief ihm Hansen zu, »so schön habe ich noch keins gesehen.«

Hein Eggerth schaute eine kurze Weile mit den beiden andern zusammen hinaus, dann schaltete er das Licht wieder ein.

»Kommt in den Mittelraum. Da werden wir es viel besser beobachten können.«

Die Decke des Mittelraums bestand zum größten Teil aus klarem Kristallglas.

»Alle Wetter, Wolf! Hein hat recht!« rief Berkoff, als sie in den Mittelraum traten. In der Tat konnten sie hier viel besser als vorher das wunderbare magnetische Feuerwerk beobachten.

»Man merkt, daß wir den 80. Breitengrad überflogen haben«, sagte Hansen mit einem Blick auf seine Uhr. »So schön wird Dr. Wille an seinem magnetischen Südpol da unten die Lichter kaum jemals zu sehen bekommen.«

Berkoff schüttelte den Kopf. »Du bist im Irrtum, mein Lieber. Dr. Wille hat sich ja gerade an den magnetischen Südpol gesetzt, weil er ihn für den Einfallspunkt der Sonnenelektronen hält — also sozusagen für den Keimpunkt aller Südlichter.«

»Theorie und Praxis!« lachte Wolf Hansen. »Während der drei Wochen, in denen wir ihm seine Station einrichteten, haben wir kein Südlicht zu sehen bekommen. Hier ein paar hundert Kilometer nördlicher treffen wir sofort auf ein großartiges Exemplar der Gattung.«

»Macht mir den Dr. Wille nicht schlecht!« mischte sich Hein Eggerth ein. »Der Mann hat schon seine guten Gründe dafür, daß er sich gerade auf den magnetischen Südpol gesetzt hat.«

»Ah bah«, warf Hansen ein, »magnetischer Pol, Drehpol, Kältepol. Alles vielleicht ganz interessante wissenschaftliche Punkte, aber schließlich doch einer so scheußlich wie der andere. Die Herren Entdecker sind in diese gottverlassene Gegend gekommen, haben allerlei schöne Namen hinterlassen, aber geerbt haben sie bei ihren abenteuerlichen Fahrten nichts. Die ganze Gegend ist keinen Schuß Pulver wert. Bester Beweis dafür: Keine einzige der verschiedenen Nationen ist bisher auf die Idee gekommen, hier etwa Land zu annektieren.«

»Stimmt nicht, Wölfchen«, widersprach Berkoff, »seit 1840 behaupten beispielsweise die Franzosen, daß ihnen Adélie-Land südöstlich von Dr. Willes Station gehört. Die Vereinigten Staaten beanspruchen Marie-Byrd-Land für sich, und die Engländer sind der Meinung, daß der ganze antarktische Kontinent von Rechts wegen englisch ist.«

»Theorien!, Georg«, warf Eggerth dazwischen. »Im Ernst denkt keiner daran, hier irgendwelche Ansprüche geltend zu machen. Die Unkosten für einen Gouverneur und die Zollwächter würden sich nicht lohnen.«

»Meinetwegen Theorie!« verteidigte sich Berkoff. »Aber die Ansprüche sind da und könnten unter Umständen eines Tages geltend gemacht werden, wenn ...«

Hansen lachte laut auf: »... wenn, ja, wenn man vielleicht plötzlich entdecken sollte, daß die Erdachse 100 Meter dick ist und aus purem Gold besteht. Dann würden sich die Norweger darauf versteifen, daß ihr Amundsen am 14. Dezember 1911 als erster am Südpol gewesen ist, und würden die bergmännische Ausbeutung der Erdachse für sich beanspruchen.«

»Und dann würden die Engländer und Amerikaner natürlich anderer Meinung sein, und wir hätten den schönsten internationalen Konflikt am Südpol«, meinte Eggerth, »vielleicht ist es wirklich ein Glück, daß es hier nur Schnee und Eis gibt.«

»Und außerdem eine mittlere Sommertemperatur von 40 Grad unter Null und Schneestürme, die den stärksten Mann umwerfen«, führte Hansen die Aufstellung Eggerths weiter. »Sogar Eisbären ziehen es vor, hier nicht zu existieren. Ich bewundere Dr. Wille, der ein volles Jahr in dieser Schneewüste aushalten will.«

Während die drei Freunde so ihre Meinungen über den Wert oder Unwert der Antarktis vertraten, war das bunte Spiel der leuchtenden, zuckenden Bänder über ihnen schwächer geworden. Schließlich erloschen die letzten Lichtstreifen. Tiefschwarz wölbte sich das Firmament. Deutlich konnten die drei Insassen des Stratosphärenschiffes durch das klare Kristallglas der Decke hindurch die funkelnden Sterne erkennen.

»Ah, eine Sternschnuppe! Ich habe mir was gewünscht«, rief Hansen. »Da! Schon wieder eine! Da eine dritte! Hoffentlich geht mein Wunsch in Erfüllung.«

»Merkwürdig«, Berkoff strich sich über die Stirn, »wir schreiben den 9. August, die Tränen des heiligen Laurentius wären also nach dem Kalender fällig. Aber ich habe noch nie gehört, daß sie auch in den Polarzonen auftreten.«

»Da! Schon wieder eine, hier noch eine!« Hansen deutete mit der Rechten zum Firmament. »Laurentius hin, Laurentius her, wie es scheint, fließen seine Tränen auch am Südpol.«

Schweigend blickten die drei Freunde während der nächsten Minuten in die Höhe.

»Ein ganz hübscher Schwarm, der unserer alten Erde da das Fell kratzt«, meinte Hansen.

»Du wolltest wohl sagen, der ihr die Atmosphäre ankratzt«, verbesserte Eggerth. »Wenn all die Sternensplitter, die da in der Nähe der Erdbahn im Weltraum treiben, wirklich bis zur Erdoberfläche kämen, wäre es schlecht um die Menschheit bestellt. Ein Glück, daß unsere Atmosphäre uns vor diesen Weltraumbummlern schützt.«

»Sagen wir: einigermaßen schützt«, unterbrach ihn Berkoff. »Die meisten Boliden tauchen ja nur in die äußersten dünnsten Schichten unserer Atmosphäre ein, kommen dabei durch die Reibung für einige Sekunden zum Glühen und zum Leuchten und verschwinden dann wieder im Weltraum. Aber bisweilen kommt doch mal ein ordentlicher Brocken ’runter, und wer den auf den Kopf kriegt, der braucht keinen neuen Hut mehr.«

Das Gespräch schlief ein. Schweigend standen die drei in dem von unsicherem Sternenlicht erfüllten Raum. Eggerth betrachtete die leuchtenden Skalenscheiben der Instrumente, die auch hier den Kurs, die Geschwindigkeit und die Höhenlage des Flugschiffes anzeigten. Hansen schaute nach wie vor durch die gläserne Decke und zählte Sternschnuppen. Berkoff ließ sich in einen Sessel fallen und hing seinen Gedanken nach.

»Ah, da! Seht doch nur, eine Sternschnuppe! Nein, ein Meteor!« Hansen hatte die letzten Worte mehr geschrien als gesprochen. Im Augenblick waren die beiden anderen neben ihm, starrten ebenso gebannt zum Firmament wie er.

Eine Sternschnuppe war es, die Hansen gesehen hatte, aber wie hatte sich ihr Aussehen in wenigen Sekunden verändert. Ein fahler Lichtstreifen war es zuerst. Ein rötlich strahlender Stern war es inzwischen geworden.

Ein fallender Stern, eine Sonne, die vom Firmament stürzte. Jetzt stand sie senkrecht über dem Stratosphärenschiff. Grell fielen ihre Strahlen durch das gläserne Dach in den Raum und erleuchteten ihn taghell bis in die letzten Winkel.

Würde der Bolide das Stratosphärenschiff treffen und zerschmettern? Schon schien die glühende Kugel größer als die Sonnenscheibe zu sein. Unerträglich wurde der Glanz, der von ihr ausging. Nur noch blinzelnd vermochten die drei im Strätosphärenschiff nach ihr hinzuschauen — und sahen dabei, wie das strahlende Gestirn langsam von Steuerbord nach Backbord über der Deckenscheibe entlangzog. In Sekunden wurde es ihnen klar, daß der Bolide links ab vom Flugschiff die Erdoberfläche treffen würde.

Als erster stürmte Eggerth aus dem Mittelraum zu der Kommandostelle. Eilend folgten ihm die andern. Hier waren ja Seitenscheiben vorhanden, durch die man die Erdoberfläche sehen, den Aufprall des Boliden vielleicht beobachten konnte.

Wie von vollem Sonnenlicht beleuchtet erblickten sie die Eiswüste unter sich, als sie die Gesichter an die Scheiben preßten. Die Atmosphäre in der Tiefe war klar. Aus einer Höhe von 15 Kilometern konnten sie deutlich die vergletscherten Kämme eines Gebirgszuges erkennen. In tausend Lichtern spielte das bläulichgrüne Gletschereis.

Noch starrten sie wie fasziniert auf das wunderbare Schauspiel, als eine neue, noch viel stärkere Lichtflut sie zwang, die Augen zu schließen. Eine Sonne kam vom Himmel herab. Eine Feuerkugel stürzte backbords vom Stratosphärenschiff auf den Erdball. Und dann drang ein dumpfes Pfeifen und Brausen in ihr Gehör und übertönte das Spiel der Motoren. Ein donnernder Lärm erfüllte die ganze Atmosphäre. —

Ein schweres Schwanken des Flugschiffes riß sie aus ihrer Erstarrung. Mit einem Satz war Hein Eggerth am Steuerapparat und suchte die Maschine durch verzweifelte Manöver wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Minutenlang hatte er zu kämpfen. Die ganze Stratosphäre, jene hohe, von allen Stürmen und Orkanen der Erde unberührte Luftschicht, war in ein brodelndes, kochendes Meer verwandelt. Das Flugschiff stampfte und schlingerte wie ein Dampfer in schwerster See.

Während Eggerth sich mühte, das Schiff vor dem Absturz zu bewahren, beobachteten Hansen und Berkoff die Katastrophe weiter. Einen Feuerball sahen sie auf die verschneite Ebene aufschlagen, sahen die Ebene um die feurige Kugel herum aufschwellen und in Sekunden zu gewaltiger Höhe emporwachsen, bis sie wie das Ringgebirge eines Kraters rings um die Glut stand. Noch starrten sie auf den neuen Feuerberg, als Nebel von ihm aufstieg. Auf weite Entfernungen hin verdampften Eis und Schnee, und wie eine dichte Wolkenwand legten sich die Dampfmassen über die Einschlagstelle. Kurze Sekunden noch sahen die beiden das Licht des glühenden Boliden durch den Nebel schimmern, dann verbargen es die Wolken.

Eggerth hatte das Stratosphärenschiff wieder in der Gewalt, als Berkoff zu ihm trat. Kurze Frage und Antwort, dann griff Eggerth in die Seitensteuerung. Das Schiff drehte nach Backbord ab, bis es rechtwinklig zu seinem bisherigen Kurs stand. Geradehin auf die Einschlagstelle ging jetzt der Flug.

In weitem Bogen kreiste das Schiff über dem Schauplatz der Katastrophe. In langen Spiralen ging es mit gedrosselten Motoren nach unten. Der Zeiger des Höhenmessers begann zu fallen. 10 Kilometer ... 8 Kilometer ... 5 Kilometer ..., da gerieten sie in die brodelnden, kochenden Wolken. Im Augenblick war jede Sicht verschwunden. Weiß und milchig schimmerte es im Licht der Lampen an den Scheiben des Kommandoraums.

»Es hat keinen Zweck, tiefer zu gehen«, sagte Eggerth und griff in die Höhensteuerung.

Das Schiff schraubte sich wieder empor ... 5,5 Kilometer ... 6 Kilometer ... da kam die Sicht langsam wieder, aber das Schiff flog in dichtem Schneegestöber. Noch einmal 500 Meter höher, dann hatten sie das Schneetreiben unter sich. Das Schiff stand über dem Grenzgebiet, in dem sich die emporgerissenen Dampfmassen in der Kälte der Polarnacht zu Schneeflocken verdichteten.

In, 10 Kilometer Höhe kreiste die Maschine über dem Wolkenberg. Berkoff stand im Mittelraum und arbeitete mit einem Sextanten. Er notierte Sternhöhen, schlug Tabellen auf, rechnete, schrieb schließlich zwei Zahlen nieder: 83 Grad 14 Minuten Süd, 158 Grad 12 Minuten Ost. Das Papier mit den Zahlen in der Hand kam er in den Kommandoraum zurück.

»Den genauen Ort haben wir, was machen wir jetzt?«

»Merkwürdige Frage«, erwiderte Eggerth, »wir haben den Auftrag, nach unserem Walkenfelder Werk zu fliegen. Alles übrige kann uns egal sein.«

Noch während er es sagte, brachte Eggerth das Schiff wieder auf den alten Kurs. »Wir müssen uns dranhalten, wenn wir morgen mittag in Walkenfeld sein wollen.«

»So eilig ist es doch nicht, Hein«, widersprach Hansen, »dein alter Herr kann sich für einige Zeit auch ohne uns behelfen. Ich hätte verdammt Lust, mir erst noch mal den Boliden aus der Nähe anzusehen.«

»Junge, Junge, da kannst du dir eklig die Finger verbrennen«, warf Berkoff ein, »der Brocken, der da ’runter kam, war wohl einen Kilometer dick. Was meinst du, was das für eine Portion Hitze bei dem Anprall gegeben hat. Es wird wenigstens Wochen dauern, ehe man sich der Einschlagstelle nähern kann.«

Hansen machte ein betrübtes Gesicht.

»Schade! Ich habe mir das so schön gedacht, den Fall gleich auf frischer Fahrt zu untersuchen. Na, denn nicht! Du hast doch wenigstens die genaue Ortsbestimmung, Georg, damit wir die Stelle beim nächstenmal wiederfinden?«

»Habe ich, Wolf. Fürchte aber, daß es beim nächstenmal noch zu früh sein wird. Übrigens könnten wir ja mal den guten Wille anklingeln, ob er was von dem Boliden gesehen hat.«

Berkoff ging zur Funkstation des Schiffes und schob die Kopfhörer über die Ohren. Die Morsetaste begann zu klappern. Schon nach kurzer Zeit hatte er die Verbindung mit der Station hergestellt.

»Gesehen haben sie etwas, aber nicht viel«, rief er Eggerth zu. »Außer vielen Sternschnuppen wollen sie auch dicht über dem Südhorizont eine Feuerkugel beobachtet haben. Dr. Wille nimmt an, daß ein kleiner Meteorit in etwa hundert Kilometer Entfernung von seiner Station niedergegangen ist.«

Hansen lachte auf:

»Hundert Kilometer! Da hat sich der gute Mann gründlich verkalkuliert. Tausend Kilometer war das Ding von ihm ab. Kleiner Meteorit, na, ich danke, mir war der Brocken groß genug!«

Eggerth setzte das Flugschiff wieder auf seinen alten Kurs. Mit voller Maschinenkraft stürmte es durch die Stratosphäre und brachte in jeder Minute 25 Kilometer hinter sich.

Für die nächsten Stunden verschwand der Bolide aus der Unterhaltung der drei. Schon hatte ›St 8‹ den südlichen Drehpunkt des Erdballes überflogen und folgte einem Kurs auf dem 15. Grad östlicher Länge. Die Nacht wurde lichter. Als sie den 70. Breitengrad kreuzten, tauchte die Sonne auf.

Noch einmal zwei Stunden und der Südatlantik war überflogen; der afrikanische Kontinent erreicht. Mit unverringerter Geschwindigkeit raste das Stratosphärenschiff weiter nach Norden. Eine Nacht kam und ging. Am folgenden Morgen war es über Walkenfeld.

 

Fünf absonderliche Pelzwesen hatten dem Stratosphärenschiff kurze Zeit nachgeschaut, als es die Station in der Antarktis verließ. Aber die grimmige Kälte und der schneidende Wind luden nicht zu längerem Verweilen im Freien ein. Sobald ›St 8‹ ihren Blicken entschwand, kehrten sie in das Stationshaus zurück, in dem die elektrische Heizung eine behagliche Wärme verbreitete.

Hier waren die gewaltigen Bärenpelze nicht mehr vonnöten, und als sie abgelegt wurden, kamen menschliche Gestalten zum Vorschein. Aus dem ersten Pelz schälte sich ein mittelgroßer Herr, der etwa in der Mitte der Vierziger sein mochte. Seine hohe Stirn und die klugen Augen verrieten den Gelehrten. Es war Dr. Rudolf Wille, der die Station hier am magnetischen Südpol unter 73 Grad Süd und 115 Grad Ost aus eigenen Mitteln, aber mit tatkräftiger Unterstützung der Eggerth-Reading-Werke, errichtet hatte.

Die Gestalt neben ihm, zwei Köpfe größer und sehr viel dünner, entpuppte sich als sein Assistent, Dr. Schmidt. Aus dem dritten Pelz sprang ein schlanker Junge von siebzehn Jahren, Rudi Wille, der Sohn des Stationsleiters. Aus dem vierten kroch Karl Hagemann, Mechaniker von Beruf und Faktotum bei Wille. Daneben noch Maschinist, Proviantmeister, Koch und Hans Dampf in allen Gassen. Alles in allem ein Universalgenie und für die Station unentbehrlich. Dem fünften Fell endlich entschlüpfte der blonde Jens Lorenzen, von der friesischen Wasserkante, früher Funker bei der Marine, jetzt absoluter Herr über das Funkwesen in Willes Station.

Während Dr. Wille seine vereiste Brille reinigte, verstaute Hagemann die schweren Pelze mit bemerkenswerter Geschwindigkeit in einem Nebenraum und fragte:

»Brauchen mich Herr Doktor jetzt?«

Wille schüttelte den Kopf. »Vorläufig nicht, Hagemann. Kümmern Sie sich um das Abendbrot.«

»Sehr wohl, Herr Doktor.«

Hagemann tauschte einen kurzen Blick mit Rudi Wille und verließ zusammen mit ihm den Raum. Ihr Weg führte sie durch einen schmalen Gang zu dem an einem Ende des Stationshauses angebauten Vorratsschuppen. Hagemann öffnete die Tür, schaltete die Beleuchtung ein. Das Licht der elektrischen Birnen zeigte einen Vorrat an Lebensmitteln, der für fünf Personen der Station auf Monate reichen mußte.

»Schauen Sie her, Rudi«, sagte Hagemann, »Sie haben die Herrlichkeiten noch gar nicht gesehen, die uns ›St 8‹ mitgebracht hat.«

Er deutete dabei auf Regale, die mit Konserven aller erdenklichen Art gefüllt waren.

Rudi zuckte die Schultern.

»Konserven, Hagemann, Konserven und noch mal Konserven. Ich habe genug von dem ewigen Blechbüchsenfutter.«

»Sehr richtig, Rudi. Ist auch nur für den Notfall gedacht. Als Reserve, wenn die regelmäßige Zufuhr ausbleiben sollte. Aber sehen Sie sich mal das hier an!« Er öffnete die Tür zu einem Nebenraum, in dem die elektrische Heizung so schwach eingestellt war, daß die Temperatur nicht viel über dem Gefrierpunkt lag.

Rudi Wille blickte in die Kammer und sah Dinge, die sein Herz erfreuten. Da lagen frische Gemüse und Kartoffeln in Mengen. Da hingen an Haken ausgeschlachtete Kälber und Schweine und daneben Geflügel aller Art. Hagemann stieß ihn in die Seite.

»Was, Rudi? Das ist ein Fressen für Götter. Vorläufig brauchen wir keine Blechbüchsen aufzumachen. Ja, ja! Die Eggerth-Reading-Werke! Wenn wir die nicht hätten, sähe es traurig um uns aus. Na, für heute wollen wir uns mal ein feudales Roastbeef mit Bratkartoffeln leisten.«

Während er es sagte, säbelte er von einem Rinderviertel ein tüchtiges Stück herunter. »So, das soll uns schmecken! Ich will’s gleich in die Pfanne hauen.«

Das Fleisch in der Hand, verließ er den Vorratsraum. Rudi Wille begleitete ihn nur ein Stück. Dann verabschiedete er sich, um zu Lorenzen zu gehen.

Hagemann trat in die Küche. »Alte Bastlerseele«, knurrte er vor sich hin, »immer bei Lorenzen in der Funkerbude hocken und morsen ... Na, meinetwegen kann er das Vergnügen haben. Wer weiß, zu was es gut ist ... Ist wenigstens noch einer in der Station, der den Funkraum versteht, wenn Lorenzen mal der Schlag treffen sollte.«

So vor sich hinbrummend, machte sich Hagemann daran, die Kartoffeln für das Abendbrot zu schälen. Währenddessen saß Rudi schon bei Lorenzen und vertrieb sich die Zeit damit, Funksprüche aus allen Teilen der Erde aufzufangen.

Lorenzen ließ ihn gewähren. Er war aufgestanden und schaute durch das Fenster in die dunkle Ferne. Ganz weit im Süden dicht über dem Horizont sah er bunte Streifen aufwallen und wieder verschwinden, den Abglanz eines fernen Südlichtes. Dann blickte er zum Himmel empor, sah Sternschnuppen häufiger und schöner fallen als in früheren Nächten und sah schließlich auch einen besonders starken und glänzenden Meteor am fernen Horizont hinabschießen.

»Schade, Rudi! Da haben Sie etwas versäumt. Eine wunderbare Sternschnuppe, war schon beinahe eine Feuerkugel. Höchstens hundert Kilometer kann das Ding von uns abgewesen sein.«

Rudi Wille hörte nur mit einem Ohr zu. Am anderen behielt er das Telefon und verfolgte mit sichtlichem Interesse einen Depeschenwechsel zwischen zwei Dampfern in der Nähe von Kapstadt. Da sagte Lorenzen:

»Es geht nicht, Rudi, daß Sie hier den ganzen Äther abfrühstücken. Der Empfänger muß auf unserer Stationswelle stehen.

Besonders jetzt, wo ›St 8‹ unterwegs ist.« Und er stellte den Empfänger wieder auf die mit den Eggerth-Reading-Werken verabredete Geheimwelle ein. Rudi warf den Kopfhörer auf den Tisch.

»Gemeinheit, Lorenzen! An der interessantesten Stelle haben Sie mir das Gespräch abgekniffen. Aber ich weiß, was ich tue.«

»Na, was denn, mein Jungchen?« lachte der Funker.

»Sehr einfach! Morgen fange ich an und baue mir einen eigenen Empfänger. Wir haben ja genug Einzelteile im Lager.«

Und nun begann Rudi zu erzählen, was für einen großartigen Empfänger er sich bauen würde und begeisterte sich dabei immer mehr für den eben erst gefaßten Plan. Mitten in seine Schilderung hinein brummte der Summer des Stationsempfängers.

»Wie gut, Rudi, daß wir richtig auf Empfang stehen«, meinte Lorenzen, während er den Kopfhörer überschob.

Es war ›St 8‹, das anfragte, ob man auch auf der Station etwas von dem Boliden gesehen habe. Da konnte nun Lorenzen dienen, und da er seine eigenen Ansichten mit der Autorität von Dr. Wille bemäntelte, gab es ein längeres Hin- und Herfunken, bis die Station wieder auf Empfang stand und Rudi seine Baupläne weiter ausspinnen konnte.

In einem Mittelraum des Stationshauses hatte Dr. Wille sein erdmagnetisches Kabinett eingerichtet. Als Observatorium war es ursprünglich gedacht, aber in den wenigen Monaten, die sie hier waren, war daraus bereits zum Teil ein Laboratorium mit ganz ungewöhnlichen Apparaten und Einrichtungen geworden. Neben den üblichen Magnetometern für die fortlaufende Registrierung der erdmagnetischen Intensitäten standen hier auch hochempfindliche elektrische Meßinstrumente, und schließlich nahmen bizarr geformte Glasröhren, in denen Dr. Wille den Einfall der Sonnenelektronen studieren wollte, einen guten Teil des Raumes in Anspruch.

Nach dem Abflug des Stratosphärenschiffes hatte sich Wille mit seinem Assistenten hierhin begeben, und jetzt waren die beiden Gelehrten in eine lebhafte Meinungsverschiedenheit geraten. Schmidt, eine international anerkannte Kapazität auf dem Gebiet des Erdmagnetismus, hatte an der Elektronentheorie Willes allerlei auszusetzen.

»Sie geben doch wenigstens zu, Herr Schmidt, daß ein Zusammenhang zwischen den Sonnenflecken und den Änderungen des Erdmagnetismus besteht«, rief Dr. Wille, ärgerlich über die Einwände des andern.

Schmidt kniff die Lippen zusammen und antwortete zögernd, wie wenn er jedes Wort abwägen müsse. »Ein Zusammenhang scheint vorhanden zu sein, aber wir kennen das Wesen dieses Zusammenhanges noch nicht.«

Wille griff nach einem kleinen Modell. Es stellte eine Erdkugel dar, an deren beiden Polen eigenartig gewundene Drähte angebracht waren.

»Der Zusammenhang muß für jeden denkenden Menschen vollkommen klar sein«, fuhr er fort. »Aus den Sonnenflecken werden Unmengen von Elektronen mit enormen Geschwindigkeiten in den Weltraum geschleudert. Ein Teil davon kommt der Erde so nahe, daß er unter den Einfluß des erdmagnetischen Feldes gerät. Und dann...« Er fuhr mit den Fingern an den Drähten des Modells entlang, »sausen sie in Kurven um den großen Erdmagneten herum, bis sie an einem der beiden Pole in den Erdball eintreten.«

»Man hat sie noch nicht eintreten sehen«, warf Schmidt ein.

»Ich werde Ihnen den Eintritt in diesen Vakuumröhren zeigen, Herr Schmidt. Aber Sie haben ihn auch schon vorher gesehen. Jedes Nordlicht, jedes Südlicht ist ja nichts anderes als ein solcher Elektronenhagel in der obersten dünnen Atmosphäre.«

»Eine hübsche Theorie, aber noch nicht bewiesen«, widersprach Schmidt.

»Am Modell im Laboratorium klipp und klar bewiesen, Sie ungläubiger Thomas!« ereiferte sich Wille. »Geben Sie endlich den Elektronenfluß von der Sonne her in die beiden Erdpole zu?«

»Höchstens als Arbeitshypothese, Herr Wille, deren Wahrheitsgehalt sich erst erweisen muß«, sagte Schmidt.

»Meinetwegen können Sie auch Hypothese statt Theorie sagen. Jedenfalls ist dieser riesige Elektronenfluß nichts anderes als ein enorm starker elektrischer Strom, der den Erdmagneten umfließt und ihn in seiner Intensität beeinflussen muß!«

»Wenn er tatsächlich vorhanden ist!« warf der unverbesserliche Schmidt ein.

»Schmidt! Bei Ihnen kamt man die Geduld verlieren. Kommen Sie! Wir wollen zu den Instrumenten auf dem Hof gehen und noch mal sehen, wie schnell die Kondensatoren sich aus der freien Luft aufladen — mit Sonnenelektronen, Herr Schmidt. Darum dreht sich’s.«

Immer noch in ihren Disput verwickelt, zogen die beiden Gelehrten sich die vorsintflutlichen Pelze über und traten auf den Hof hinaus. Die Einrichtungen, die Wille hier aufgebaut hatte, erinnerten einigermaßen an die Freiluftanlagen eines modernen Umspannwerkes. Da standen mannshohe Zylinder aus Eisenblech, die wetterfest eingebaute Hochspannungskondensatoren enthielten. Über jedem Eisenzylinder standen auf Isolatoren zwei blinkende Messingkugeln, die mit den beiden Belägen des Kondensators verbunden waren, Dr. Wille trat an einen der Apparate heran, griff nach einem Funkenzieher und berührte die beiden Kugeln damit.

»Der Kondensator ist leer, Herr Schmidt. Nicht das kleinste Fünkchen ist zu sehen. Nun passen Sie bitte auf!«

Er bewegte einen Luftschalter und erdete dadurch den einen Kondensatorpol. Er bewegte einen anderen Schalter und brachte dadurch den zweiten Pol mit einer Leitung in Verbindung, die an einem hölzernen Gittermast etwa hundert Meter in die Höhe ging und dort in einem Gebilde von metallischen spitzen Kämmen endete.

»9 Uhr 5 Minuten 10 Sekunden Greenwichzeit, Herr Schmidt«, fuhr er mit einem Blick auf seine Taschenuhr fort. Er behielt die Uhr in der Hand und folgte dem Fortschreiten des Sekundenzeigers.

Die Sekunden verstrichen. Als die fünfzigste herankam, begannen die Kugeln zu knistern, hin und wieder huschte ein bläulicher Schimmer über sie hin. Als die Minute voll war, schlug ein krachender heller Blitzfunke zwischen ihnen über. Wille steckte seine Uhr wieder in die Tasche.

»Eine Minute, Herr Schmidt, um einen Kondensator von hundert Mikrofarad auf eine Spannung von 50 000 Volt aufzuladen. Wie denken Sie jetzt über die Sonnenelektronen?«

Dr. Schmidt hatte noch ein gutes Dutzend Einwände auf Lager. Aber es fror ihn zu sehr, um sie hier draußen an den Mann zu bringen.

»Ich schlage vor, daß wir die Sache drinnen besprechen«, sagte er — wollte er sagen —, da kam ein dumpfes Brausen durch die Luft. Dann traf ein orkanartiger Sturmstoß die beiden. Einen Augenblick sah Schmidt noch die hohen Lichtmasten wie Streichhölzer zusammenknicken und niederstürzen. Dann wurde es dunkel. Er sah nichts mehr, fühlte sich nur von dem Orkan mit unwiderstehlicher Kraft in wirbelndem Schnee über den Hof gerissen und stürzte nieder. Über ihm häufte sich der Schnee zu einer starken Wehe.

Um die gleiche Zeit saß Rudi immer noch mit Lorenzen zusammen und schmiedete hochfliegende Empfängerpläne. Die beiden hörten das aufkommende Brausen und Dröhnen, vernahmen etwas von dem Krachen der niederstürzenden Masten, sahen den Hof dunkel werden. Erschreckt starrten sie sich an. Da fühlten sie den Boden unter sich beweglich werden. In jähem Ruck hob sich die ganze Funkerbude, wirbelte durch die Luft, drehte sich dabei und schlug seitlich auf den Boden. Dichte Schneemassen fegten darüber hin.

Karl Hagemann hatte den elektrischen Herd eingeschaltet und sein Roastbeef eben in die Pfanne getan. Mit Gott und der Welt zufrieden, stand er dabei und freute sich, wie das Fleisch in dem brodelnden Fett briet. Da schleuderte ihn ein jäher Stoß in die Ecke neben dem Herd. Er hörte Wände brechen. Schneewirbel umgab ihn. Ehe er sich rühren, sich aufrichten konnte, war er von dichten Schneemassen bedeckt. Im Schnee begraben waren im Laufe weniger Sekunden alle fünf Insassen der Station.

Was war geschehen? Mit Schallgeschwindigkeit hatte sich eine explosionsartige Luftwelle von der Einschlagstelle des Boliden her nach allen Seiten ausgebreitet. Fünfzig Minuten nach dem Sturz des Boliden erreichte die Explosionswelle Dr. Willes Station und verwandelte sie im Augenblick in einen Trümmerhaufen.

Mit unverminderter Geschwindigkeit stürmte die Welle weiter und brachte noch Sturm und Unwetter über die südlichen Teile von Afrika, Australien und Amerika. Die Meßinstrumente in allen Bebenwarten der Erde gerieten in Aufruhr und zeichneten ein schweres Fernbeben in der Antarktis auf. Geologen und Meteorologen zerbrachen sich ihre Köpfe über die möglichen Ursachen. Den wahren Ursprung all dieser Erscheinungen vermochte niemand anzugeben. Nur die Besatzung von ›St 8‹ hatte den Boliden stürzen sehen, der schuld an alledem war.

Von den Türmen Walkenfelds läutete es zu Mittag, als ›St 8‹ an seiner Hubschraube über dem Hof der Eggerth-Reading-Werke hing.

»Allerhand Volk scheint sich ja zu unserem Empfang versammelt zu haben«, meinte Hansen nach einem Blick durch die Fenster des Kommandoraumes.

»Wird sich am Ende auch so gehören«, sagte Berkoff, »wir haben ja unsere Ankunftszeit genau gefunkt.«

Während das Stratosphärenschiff langsam tiefer sank, fuhr Hansen fort, die Menschengruppe auf dem Werkhof zu betrachten. Plötzlich wandte er sich zu Hein Eggerth.

»Du Hein, dein alter Herr ist nicht dabei.«

Hein fand keine Zeit zur Erwiderung. Die sichere Navigierung des großen Flugschiffes nahm ihn voll in Anspruch. Jetzt schwebte der mächtige Bau nur noch wenige Meter über dem Rasen des Hofes. Jetzt setzte er sanft auf dem Traktorengestell auf, das ihn in die Halle bringen sollte. Eggerth schaltete den Vertikalmotor aus. Noch einige matte Drehungen machte die gewaltige Hubschraube. Dann stand sie still und sank in den Rumpf des Flugschiffes hinein.

Eggerth erhob sich aus dem Sessel vor der Steuerung und fuhr sich mit einem Taschentuch über die Stirn: »So, da wären wir wieder glücklich zu Hause. Sagtest du etwas zu mir, Wolf?«

»Nichts von Bedeutung, Hein«, erwiderte Hansen, der bereit» dabei war, den luftdichten Verschluß der Tür zu lösen.

Dann standen sie auf dem heimatlichen Boden und sahen sich einer großen Menschenmenge gegenüber. Heilrufe aus hundert Kehlen, Armwinken und Tücherschwenken, doch vergeblich sah sich Eggerth nach einer der leitenden Personen des Werkes um. Der alte Meister Wulicke, der schon seit einem Menschenalter im Werk war, trat auf ihn zu.

»Herzlich willkommen zu Haus, Herr Eggerth, und ich soll Sie für den Herrn Professor begrüßen, weil er selber nämlich jetzt keine Zeit hat.«

Hein Eggerth schüttelte dem alten Faktotum herzlich die Hand.

»Ich danke Ihnen, lieber Wulicke. Was hat denn mein Vater vor, daß er seinen erstgeborenen Sohn nicht selber begrüßt?«

Meister Wulicke kraulte sich den Kopf.

»Schwere Sitzungen, Herr Eggerth. Immerzu sitzen die Herren jetzt zusammen. Tag und Nacht geht das jetzt mit den Konferenzen. Japaner sind auch wieder da. Das soll nämlich wegen der neuen Linien sein, die mit den neuen Düsen-Schiffen eingerichtet werden sollen.«

Hansen unterbrach den Alten lachend.

»Also der Laden geht, das Geschäft blüht, Wulicke? Ist ja großartig! Aber unser gutes altes Kasino haben die Herren doch hoffentlich nicht auch mit Beschlag belegt?«

»Nein, Herr Hansen, durchaus nicht! Die Herren sitzen nämlich immer in dem großen Konferenzzimmer, und der Koch hat auch schon feines Essen für Sie da. Es gibt Gulasch mit Nudeln«, schloß er seinen Bericht.

»Na, denn wollen wir mal!« sagte Eggerth und setzte sich in der Richtung auf das Kasino in Bewegung. »Ich habe nachgerade etwas Appetit bekommen.«

»Bei mir könnte man’s schon fast Hunger nennen«, meinte Berkoff.

»Mir hängt der Magen bis in die Kniekehlen«, schloß Hansen die Debatte.

Im Kasino fanden sie alles, was Meister Wulicke ihnen in Aussicht gestellt hatte, und noch einiges mehr. Aber der Tag verging, ohne daß sie einen der leitenden Herren zu Gesicht bekamen. Erst am nächsten Vormittag konnte Hein seinem Vater über den Flug von Bay City nach der antarktischen Station berichten. Im Arbeitszimmer Professor Eggerths saßen sie sich gegenüber. Professor Eggerth nickte und legte die Aufstellung, die ihm Hein überreicht hatte, wieder aus der Hand.

»Sehr gut, Hein. Fünfzig Tonnen Nutzlast, 15 000 Kilometer Flugstrecke, dafür ist der Brennstoffverbrauch erfreulich gering.

Diese Zahlen werden uns bei unseren augenblicklichen Verhandlungen sehr nützlich sein.«

»Ich hörte es schon gestern von Wulicke, daß ihr hier in Walkenfeld in dicken Verhandlungen über neue Linien steckt«, fiel ihm Hein ins Wort. Der Professor winkte ab.

»Davon später, Hein. Die Verhandlungen scheinen allerdings recht aussichtsvoll zu sein, aber vorläufig wollen wir bei der Expedition von ›St 8‹ bleiben. Ihr habt das Material für Dr. Wille aus Bay City hingebracht und auch noch geholfen, es mit einzubauen. War alles auf der Station in Ordnung?«

»Alles tadellos, Vater. Wille stürzte sich sofort auf die neuen Röhren. Er war ganz in seinem Element.«

Professor Eggerth lächelte. »Nun, mit allem Nötigen sind sie ja nun für längere Zeit versehen. Wenn sie etwas brauchen, werden sie sich schon melden. Das ist recht gut so. Wir müssen den Kopf jetzt für andere wichtige Dinge frei haben. Wir war’s mit dem Rückflug?«

Hein räusperte sich. »Der Rückflug war auch ganz schön, Vater, aber um ein Haar wären wir dabei mit ›St 8‹ zum Teufel gegangen!«

»Was? Wie war das möglich? War etwas im Schiff in Unordnung?«

»Nein, die Geschichte kam von außen her. Ein mächtiger Bolide, der rund 200 Kilometer von uns entfernt auf die Erde stürzte ...«

Hein Eggerth berichtete nun ausführlich das Abenteuer, das sie auf dem Rückflug, kurz nach ihrem Start, gehabt hatten. Als er geendet hatte, saß der Professor eine ganze Weile schweigend und sinnend da.

Nach einiger Zeit begann Hein weiterzusprechen. »Ich habe die Absicht, bei dem nächsten Flug in die Antarktis die Stelle zu besuchen, um genauer zu sehen, was da eigentlich vom Himmel gefallen ist. Es interessiert mich doch ...«

»Tue das, Hein«, unterbrach ihn Professor Eggerth, »aber sprich bitte zu niemandem über diese Angelegenheit. Verpflichte auch Berkoff und Hansen zum Schweigen.«

Hein sah ihn erstaunt an. »Warum so geheimnisvoll, Vater? Ich verstehe nicht recht, warum wir ...«

»Weil die Sache wichtiger und wertvoller sein kann, als ihr ahnt. Du schätzt den Durchmesser des Meteors auf rund einen Kilometer?«

»Auf wenigstens soviel, soweit eine genaue Schätzung aus zweihundert Kilometer Entfernung überhaupt möglich ist. Ich kann nur immer wieder sagen, es war ein Mordsbrocken, der da ’runterkam. Aber warum interessiert dich die Größe so sehr?«

Professor Eggerth strich sich über die Stirn. »Es ist schon öfter vorgekommen, Hein, daß solche Mordsbrocken, wie du dich auszudrücken beliebst, aus dem Weltraum auf die Erde stürzten. Das letztemal geschah es in dem Jahr vor dem Ersten Weltkrieg. Da ist ein Meteor von ähnlicher Größe in die ostsibirische Tundra eingeschlagen. An der Einschlagstelle hat sich auch ein kraterartiges Ringgebirge gebildet. Man ist jetzt dabei, den Meteoriten, der aus reinem Nickeleisen besteht, bergmännisch auszubeuten.«

Hein schaute interessiert auf. »Ich beginne zu begreifen, Vater. Du meinst, wir könnten etwas Ähnliches mit dem Meteoriten in der Antarktis unternehmen.«

Professor Eggerth schüttelte den Kopf. »Nicht ganz so, wie du denkst, Hein. Ein Eisenbergwerk am Südpol, das würde wahrscheinlich unrentabel sein. Aber es könnte sich auch um Wertvolleres handeln.

In Arizona in den Vereinigten Staaten ist ein Bolide von ungefähr derselben Größe niedergegangen und hat ein Loch von 500 Meter Tiefe in die Erdkruste geschlagen. Das soll, wie die Geophysiker behaupten, schon vor 50000 Jahren geschehen sein, doch das ist unwesentlich. Hauptsache ist, daß dieser Meteorit noch vorhanden ist und daß er nicht aus einfachem Nickeleisen, sondern aus einem platinhaltigen Eisen besteht. Obwohl man mehr als 300 Meter in die Tiefe gehen muß, um an den Boliden heranzukommen, ist man doch kräftig dabei, das kostbare Mineral abzubauen, und tut es mit gutem wirtschaftlichem Erfolg.«

Hein sprang auf. »Alle Wetter, Vater! Das wäre eine Sache. Platin ist meines Wissens ebenso wertvoll wie Gold. Da könnte man schnell Millionen verdienen.«

Eggerth schüttelte den Kopf. »So einfach ist die Sache nicht, mein Junge. Das ist auch gar nicht der Zweck der Übung, daß der eine oder andere von uns da Reichtümer sammelt. Aber für Europa, für die Weltwirtschaft könnte die Angelegenheit von größter Bedeutung werden, wenn ... ja, das müßt ihr eben bei eurem nächsten Flug feststellen, was da eigentlich vom Himmel gefallen ist. Erst wenn wir Teile des Meteoriten genau analysiert haben, läßt sich sagen, ob die Geschichte sich lohnt. Und dann, ich binde es dir nochmals auf die Seele... tiefstes Stillschweigen über alles, was ihr da etwa seht oder findet.«

Er warf einen Blick auf die Uhr. »Jetzt mußt du mich entschuldigen. In zehn Minuten beginnt die Besprechung mit den Japanern. Baron Okuru ist selber aus Tokio gekommen, um die Verhandlungen schneller vorwärtszubringen.«

Hein überlegte einen Augenblick. »Okuru ... Baron Okuru? Mir ist es, als ob ich den Namen schon einmal gehört habe.«

»Höchstwahrscheinlich, Hein. Der Mann ist Abteilungschef In der amerikanisch-japanischen Fernost-Luftfahrt-Gesellschaft. Es handelt sich um eine Linie Tokio—Frisko, die flugplanmäßigen Anschluß an unsere Linie Frisko—New York bekommen soll. Um eine Nordsüd-Linie von Korea über die Japanischen Inseln bis nach Formosa und um eine mandschurische Linie. Das alles soll mit unseren Stratosphärenschiffen beflogen werden.«

»Großartige Sache, Vater!«

Der Professor nickte. »Ich muß jetzt in die Besprechung. Auf Wiedersehen später!«

In den nächsten Tagen und Wochen wurden die drei Piloten von ›St 8‹ vollkommen von ihrer Ingenieurtätigkeit in dem Walkenfelder Entwicklungswerk in Anspruch genommen. Von Professor Eggerth bekamen sie kaum etwas zu sehen. Bis über den Hals steckte er in Unterhandlungen nicht nur mit den japanischen Bevollmächtigten, sondern auch mit südamerikanischen Interessenten.

Gegen Ende der zweiten Woche nach der Rückkehr von ›St 8‹ wurden endlich die japanischen Verträge von allen Kontrahenten unterzeichnet, und fünf Tage später kamen auch die brasilianischen Abmachungen glücklich unter Dach und Fach.

Professor Eggerth sah angegriffen und überarbeitet aus, als er seinen Namen unter den letzten Vertrag schrieb, aber noch durfte er sich keine Ruhe gönnen. Er mußte nach Bay City. Die neuen Schiffe mußten dort sofort auf Stapel gelegt, das ganze Werk auf drei Arbeitsschichten umgestellt werden, denn nur so war es möglich, die vereinbarten Bauzeiten einzuhalten.

Mit dreifacher Belegschaft ging es an die Ausführung der großen neuen Aufträge. Mr. Kelly und alle Ingenieure des Werkes, aber auch Hein Eggerth, Hansen und Berkoff, die mit hinübergeflogen waren, steckten so tief in der Arbeit, daß sie oft nicht wußten, wo ihnen der Kopf stand.

Für eine kurze Mittagspause waren die drei ins Kasino gegangen, noch ganz erfüllt von Ideen über die praktische Durchführung der Umkonstruktionen und Verbesserungen für die neuen ›St‹-Schiffe auf Grund ihres letzten Probefluges. Zwischen Suppe und Braten fragte Hein unvermittelt:

»Hat sich eigentlich Dr. Wille wieder gemeldet?«

Die Frage riß die beiden anderen aus ihren Gedanken. Dr. Wille ... die Station in der Antarktis. Daran hatte in dem Trubel der letzten Wochen keiner von ihnen gedacht.

»Keine Ahnung«, sagte Hansen lakonisch. »Ich weiß es auch nicht«, fügte Berkoff hinzu.

»Dann wollen wir mal nach dem Essen zu unserer Funkstation gehen und hören, ob in Walkenfeld Nachrichten vorliegen«, schlug Hein vor.

Die Auskunft, die sie dort erhielten, beunruhigte sie stärker, als sie es wahrhaben wollten. Seit Wochen war kein Funkspruch aus der antarktischen Station an das Werk gekommen.

Auf Veranlassung von Hein Eggerth versuchte der Werkfunker über Radio-City die Verbindung mit Dr. Willes Station aufzunehmen. Doch sooft Mr. Bourns sie auch auf der verabredeten Geheimwelle anrief, der Äther blieb stumm.

Ein Entschluß wurde gefaßt. Als die Abenddämmerung hereinbrach, lag ›St 8‹ startbereit auf dem Werkhof, beladen mit allen erdenklichen Dingen, die der antarktischen Station für den Fall eines Unglückes vonnöten sein konnten.

2

 

 

Ein Trümmerhaufen, vergraben unter Schneewehen, verloren in der dunklen, eisigen Polarnacht war die Station, nachdem jene fürchterliche Sturmwelle über sie hinweggebraust war. Hatte die Katastrophe auch fünf Menschenleben ausgelöscht?

Stöhnend griff Karl Hagemann im Dunkeln um sich. Langsam kam ihm das Bewußtsein wieder. Sein Kopf schmerzte, mit Mühe brachte er die Hände empor und ertastete an seiner Stirn eine Wunde. Dann spürte er, wie es ihm von hinten her feucht in den Nacken tropfte. Er versuchte sich zu erheben und fühlte sich dabei durch irgend etwas gehemmt, das ihn von allen Seiten umgab.

Nach langem Mühen glückte es ihm, auf die Knie zu kommen, sich umzudrehen. Seine suchenden Hände faßten etwas Hartes, Eckiges, das sich warm anfühlte. Erinnerung kam ihm dabei zurück. Der elektrische Kochherd mußte das sein. Neben ihm hatte er ja gestanden, gegen den war er geschleudert worden, als das Unheimliche, Unerklärliche hereinbrach. Nun wurden seine Gedanken klarer. Er begann zu begreifen, was sich ereignet hatte. An dem heißen Herd war etwas von den hereinwirbelnden Schneemassen geschmolzen. Daher die Nässe, die er zuerst gefühlt.

Mit beiden Händen griff er nach der oberen Herdkante und zog sich in die Höhe. Jetzt endlich stand er aufrecht, bis an die Schultern noch in pulvrigem Schnee, aber den Kopf hatte er frei, konnte endlich tief und kräftig atmen. Und nun erschaute er auch im unsicheren Sternenlicht etwas von den Verwüstungen, welche die Katastrophe angerichtet hatte.

Allmählich kamen seine Gedanken wieder in Gang. Was war geschehen? Wo waren die anderen? Er mußte sie suchen, mußte ihnen Hilfe bringen.

Langsam gewöhnten sich seine Augen an das unsichere Licht. Er erkannte, daß die Schneewehe nach außen zu flacher wurde.

Mit den Armen rudernd, stampfend und schnaubend arbeitete er sich von der Herdwand fort ins Freie. Schon ging ihm der Schnee nur noch bis zu den Knien, dann stand er auf nacktem Felsboden. Aber nun spürte er auch die Kälte, gegen die ihn der Schnee so lange geschützt hatte.

Mit klappernden Zähnen eilte er zu dem Mittelbau des Stationshauses. Auch hier Verwüstung und Trümmer. Die Wände zum Teil eingedrückt und umgerissen. Durch ein Fenster gelangte er in das Innere, atmete auf, als er dem tödlichen Frost entronnen war, griff nach einem Lichtschalter. Vergeblich, kein Strom in der Leitung. Im Dunkeln tastete er sich weiter zur Kammer hin, in der die Pelze lagen. Als er das schwere Bärenfell über die Schultern zog, fühlte er sich vor dem Schlimmsten geborgen. Erschöpft ließ er sich zu Boden sinken, schloß minutenlang die Augen. Dunkelheit und tiefe Stille umgaben ihn.

Doch nein, ein pochendes, tickendes Geräusch drang an sein Ohr. Er lauschte schärfer ... Die Maschine mußte es sein, der Dieselmotor, der trotz allem, was geschehen, unermüdlich weiterlief. Der Motor, das pochende Herz der Station, das Wärme, Licht und Leben gab.

Licht! Licht war das erste, das Notwendigste, was er haben mußte, ehe er nach den andern suchen konnte. Der Gedanke riß ihn empor, trieb ihn wieder hinaus in Nacht und Frost.

Durch Trümmer und Schneewehen arbeitete er sich bis zum Maschinenschuppen hin. Auch hier ein Bild der Zerstörung. Aber der Motor lief noch, lief leer, wie er am Maschinengeräusch sofort erkannte. Die Katastrophe mußte einen schweren Kurzschluß in der Leitung verursacht haben. Die Hauptsicherungen waren durchgeschlagen, die Dynamomaschine dadurch entlastet worden.

Hagemann fühlte seine Hände in der Kälte erstarren, steckte sie in die Taschen des Pelzes und hatte eine Streichholzschachtel zwischen den klammen Fingern. Licht! Eine Möglichkeit, sich Licht zu verschaffen. Ein Streichholz flammte auf, ein Kerzenstumpf nährte ein spärliches Flämmchen. Es genügte ihm, um Werkzeug zu finden. Mit Schraubenzieher und Zange begann er zu hantieren, ungeschickt erst noch und unsicher mit den froststarren Händen. Doch schon spürte er, wie die Arbeit sein Blut in Bewegung brachte, schon ging es schneller und besser, als er nun Drähte zog.