Ein unheimlicher Gast - Gillian White - E-Book
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Ein unheimlicher Gast E-Book

Gillian White

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Beschreibung

Wenn die Ehefrau zum größten Feind wird: Der Psychothriller „Ein unheimlicher Gast“ von Bestsellerautorin Gillian White jetzt als eBook bei dotbooks. Ein perfektes Paar mit dunklen Abgründen … Es soll ein Romantikurlaub werden – denn wo kann man den 30. Hochzeitstag besser feiern als in Venedig? Doch kurz vor der Abreise entdeckt Rose, dass Michael sie mit einer jüngeren Frau betrügt. Die heile Welt, die vielen glücklichen Jahre – soll das alles nur ein Traum gewesen sein? Zuerst bricht Rose zusammen. Doch dann zeigt sie, dass sich in jeder liebenden Ehefrau auch etwas anderes verbirgt. Etwas Kaltes. Etwas Brutales. Etwas höchst Gefährliches … Von der Autorin des Bestsellers „Das Ginsterhaus“: „Gillian White schreibt wundervolle Geschichten über die ganz alltägliche Niedertracht.“ Fay Weldon Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Domestic-Thriller „Ein unheimlicher Gast“ von Gillian White - für Fans von Claire Douglas und Gillian Flynn. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 485

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Über dieses Buch:

Ein perfektes Paar mit dunklen Abgründen … Es soll ein Romantikurlaub werden – denn wo kann man den 30. Hochzeitstag besser feiern als in Venedig? Doch kurz vor der Abreise entdeckt Rose, dass Michael sie mit einer jüngeren Frau betrügt. Die heile Welt, die vielen glücklichen Jahre – soll da alles nur ein Traum gewesen sein? Zuerst bricht Rose zusammen. Doch dann zeigt sie, dass sich in jeder liebenden Ehefrau auch etwas anderes verbirgt. Etwas Kaltes. Etwas Brutales. Etwas höchst Gefährliches …

»Gillian White schreibt wundervolle Geschichten über die ganz alltägliche Niedertracht.« Fay Weldon

Über die Autorin:

Gillian White stammt aus Liverpool und arbeitete mehrere Jahre als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Mit ihrem Mann und zwei Hunden lebt sie in Totnes, Devon. Vier ihrer Romane wurden vom britischen Fernsehen erfolgreich verfilmt.

Bei dotbooks veröffentlichte sie ihre Romane »Das Ginsterhaus«, »Denn du bist mein«, »Hexenwiege«, »Das Familiengrab«, »Das Hotel bei den Klippen«, »Der Peststein«, »Der Fluch der alten Dame«, »Du kannst uns nicht entkommen«, »Die Einsamkeit der Lüge« und »Der Nachmieter«.

***

eBook-Neuausgabe Juli 2016

Copyright © der Originalausgabe 2001 Gillian White

Die Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Night Visitor« bei Bantam Press, a division of Transworld Publishers, London.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2002 Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Gabriele Martini

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-750-5

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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***

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Gillian White

Ein unheimlicher Gast

Roman

Aus dem Englischen von Isabella Bruckmaier

dotbooks.

Für Rosie. Pass auf dich auf, Engel. Du fehlst mir.

Danksagung

Ich möchte mich bei dem Tiermediziner Hugh Peplow und dem Humanmediziner Dr. Michael Loverock für die Hilfe und die Zeit, die sie mir schenkten, bedanken und mich zugleich bei ihnen dafür entschuldigen, ihre wertvollen Informationen nicht genutzt zu haben, wenn sie meiner Geschichte nicht dienlich waren.

1. Kapitel

»Nein! Nein! Es ist gut, Baby, es ist schon gut. Ich bin ja bei dir, ich bin ja bei dir.«

Ein Furcht erregendes Heulen zerriss unvermittelt das Schweigen der Nacht.

Hellwach.

Krank vor Angst.

Die Aura epiléptica.

Mittlerweile spürte Rose, wenn es wieder so weit war. Der schöne Otterhund wälzte sich unruhig auf seinem Lager in der Zimmerecke und Rose hatte geistesgegenwärtig schon ihr Nachttischlämpchen eingeschaltet, bevor die Glieder des Hundes in ihren starren Tanz verfielen, diesen Tango aus der Hölle, bevor seine sanften braunen Augen sich verdrehten und ihm der Schaum vor das Maul trat.

»Halte durch, Kleiner, halte durch.«

Diese heftigen Anfälle hatte Baggins meistens in Vollmondnächten, gegen vier Uhr morgens, als riefe die in den vom Mond silbern beschienenen Fluss drängende Flut die ältesten Seelen. Und die Seele dieses Hundes war alt, war wunderbar und fand sich hervorragend zurecht auf diesem winzigen Planeten. Rose erschien seine Krankheit eindrucksvoll und schrecklich zugleich.

»Alles wird wieder gut. Ist schon gut, Kleiner, ich lass dich nicht allein.«

Inzwischen waren diese Anfälle zu einem Ritual geworden wie das nächtliche Aufstehen damals, als Rose ihre Babys stillte. Der einzige Unterschied war, dass Roses nächtlicher Imbiss zu jener Zeit aus Limonensaft und Cadburyschokolade bestanden hatte, während sie nun, mit fünfzig, Milch und Cashewnüsse bevorzugte. Und dass sie jetzt, statt Windeln zu wechseln und mit heraushängenden Brüsten auf den Sonnenaufgang zu warten, am Boden neben ihrem Hund kauern und ihm gut zurede musste, während sie ihm die zuckenden Flanken streichelte und auf das Nachlassen der Krämpfe wartete, um Baggins sodann die Treppe hinunter in die Küche und durch die anschließende Phase zu helfen.

Dort unten konnte er dann eine Stunde lang herumtoben, durch die Hintertür in den Garten und wieder zurück, zitternd und im Zickzack, sich zwischendurch ängstlich zusammenkauernd, bis sich seine Sinne langsam wieder erholten.

Schmerzlich langsam.

Doch diese Sinne, die einmal hervorragend funktioniert hatten – seine scharfen Augen und sein scharfer Geruchssinn hatten ihn über Hügel und Felder jagen lassen, ohne dass er für die menschliche Stimme erreichbar gewesen wäre waren durch diese grausamen Anfälle allmählich zerstört worden.

Homöopathische Mittel zeigten keine Wirkung.

Als Baggins schließlich fünf Jahre alt war, fand er nicht mehr alleine nach Hause, musste ständig aus Tierheimen abgeholt werden. Der Hundewart kannte bereits seinen Namen.

Einmal tauchte er im Schlafzimmer wildfremder Leute auf und gab den Pavarotti. Es ging nicht anders, Baggins musste an die Leine und verlor seine geliebte Freiheit.

Er konnte immer schlechter sehen. Schließlich gelang es ihm nicht mehr, Stöcke aus dem schlammbraunen Fluss und den Teichen zu holen. Groß und schwer wie er war, stieß er gegen Laternenpfosten und geparkte Autos, wobei manche Stoßstange eine Delle abbekam.

Am schlimmsten jedoch war, dass er durch die Medikamente vorzeitig alterte. Er hatte kaum Energie für seine Spaziergänge, und wenn er zurückkam, fiel er erschöpft um. Von vierundzwanzig Stunden verschlief er zwanzig, aber wovon konnte er schon träumen? Ständig schien ihm schwindlig zu sein und er schwankte nur noch oder lag herum und schnarchte, furzte und zuckte mit den Gliedern. Die Anfälle wurden häufiger und stärker, weil die Medikamente ihn so schwächten, daher beschloss Rose, die Barbiturate abzusetzen und der Natur ihren Lauf zu lassen.

Dabei ging sie behutsam vor.

Doch dann kam diese fatale Nacht, als Rose, eine ganz normale, anständige Frau, die sich nie etwas hatte zu Schulden kommen lassen, dieses Verbrechen beging, das einzige, das sie in ihrem ganzen Leben wissentlich begangen hatte. Sie hatte es nicht geplant, aber es war dennoch schwerwiegend. Und möglicherweise verhalf ihr ihr makelloser Charakter dazu, damit durchzukommen.

***

Der Tierarzt kam am frühen Abend, nachdem Baggins eine Reihe von Anfällen über sich hatte ergehen lassen müssen, die insgesamt sechs Stunden dauerten.

Er hatte sich völlig verausgabt und war am Ende.

Der Tierarzt, ein freundlicher, attraktiver Mann, ging sofort hinaus zu seinem Renault Kombi, hob die Heckklappe hoch und suchte nach einer Ampulle Pentobarbiton, einem gefährlichen Medikament. Rose und Michael sahen erleichtert, dass Baggins mit seinem leidenden Blick und dem Schaum vor dem Maul endlich vollkommen friedlich wurde und einschlief. Dem Tod ganz nah zu sein schien.

»Sechsunddreißig Stunden Frieden«, strahlte der Tierarzt und warf einen stolzen Blick auf Baggins, bevor er in der Küche verschwand. »Sein Gehirn ist jetzt vollkommen abgeschottet und kann nicht mehr normal arbeiten, in Baggins’ Fall müsste man eher abnormal sagen.«

Ein lautes Knirschen draußen von der Auffahrt kündigte Rose die Ankunft ihrer Mutter an. Dinah ärgerte sich sicher darüber, einen Wagen auf ihrem üblichen Parkplatz vorzufinden. Was das Einparken anging, war sie eine absolute Niete, hätte dies jedoch niemals zugegeben. Daher kochte sie vor Wut, wenn jemand es wagte, ihren wertvollen Parkplatz vor dem Haus zu besetzen.

Aus Angst, dass sich Dinah mit dem Tierarzt anlegen würde, lief Rose aus dem Haus, um ihre Mutter über den Notfall zu unterrichten. Schließlich war Dinah Baggins’ größter Fan und würde sofort für jeden den Platz räumen, der wegen des geliebten Hundes da war.

Draußen in der Auffahrt fiel Roses Blick auf die teils ordentlich gestapelten und teils durcheinander geworfenen Packungen und Gerätschaften im Fond des Renaults. Der Tierarzt hatte bereits erklärt, er habe noch einige Besuche zu erledigen, manche davon weit draußen in der Heide. Er würde Stunden dafür brauchen und wahrscheinlich nicht vor zehn nach Hause kommen, was er seiner Frau bereits mitgeteilt hatte.

Baggins’ Erlösung war noch ganz frisch, die Hölle, die sie an diesem Nachmittag durchgemacht hatte, als sie seine schrecklichen Qualen mit ihm durchstehen musste, hatte sie erschöpft, vielleicht war das der Grund dafür, dass irgendein Schalter in ihrem Kopf umgelegt worden war. Anders konnte sie sich ihr abscheuliches Verhalten später nicht erklären.

Sie schnappte sich eine kleine, bereits aufgerissene Packung, auf der »Pentobarbiton« stand. Damit läge in Zukunft Baggins’ Erlösung in ihren Händen. Mit einem sicheren Gegenmittel in der Hand musste sie ihm nicht mehr dabei zusehen, wie er sich quälte, während sie auf den Tierarzt wartete. Der entscheidende Impuls war das Wissen, dass im Heck dieses Autos die Antwort auf so viel Leid lag.

Sie konnte Schluss machen mit Baggins’ normaler Medikation, die ihn zu einem Zombie werden ließ, falls es ihr gelang, einen Weg zu finden, ihm nur ein paar Milligramm dieses Zaubertranks zu verabreichen, sobald sich seine Anfälle zu diesem Terror steigerten.

Nachdem sie Dinah alles kurz erklärt hatte, stahl sich Rose wie ein Dieb – und sie war ja wirklich einer – zurück ins Haus und versteckte die Packung in dem schwarzen Schirmständer. Kaum hatte sie die Packung hineingleiten lassen, ergriff sie Panik. Bestimmt würde es eine Ermittlung geben. Der Tierarzt würde sich sicherlich daran erinnern, wie er sein Auto außerhalb ihres Hauses hatte stehen lassen und sie aus dem Zimmer ging, als sie ihre Mutter Vorfahren hörte.

Doch andererseits raunte ihre dunkle Seite, wie wollten sie ihr ihre Schuld nachweisen, wenn sie das Verbrechen standhaft leugnete? Er musste noch weitere Besuche erledigen, einige nachts. Konnte er dabei nicht die Packung verloren haben, ohne dass er etwas davon gemerkt hatte? Ein anderer Kunde könnte sie ihm entwendet haben, oder ein zufällig hinzukommender Gast, ein Drogensüchtiger… ihre Gedanken drehten sich im Kreis in der verzweifelten Bemühung, einen Ausweg zu finden aus dieser Situation, die sich vielleicht zu einem ernsthaften Problem entwickeln würde.

Ein Skandal. Eine Gerichtsverhandlung. Ehefrau eines Buchhalters und Mutter zweier Kinder. Verdacht auf Drogensucht. Doch es gab keinen Weg zurück.

Sie hatte ein schweres Verbrechen begangen und damit musste sie nun leben.

Später versteckte sie die Schachtel der Schande bei Baggins’ alten Tabletten, die nun niemand mehr brauchte.

Schließlich hatte sie es aus Mitleid getan.

***

Die Packung enthielt fünf kleinere, mit Ampullen voll gestopfte Schachteln.

Michael erzählte sie nichts von ihrem Geheimnis, genauso wenig wie sie ihre Entscheidung mit ihm besprach, Baggins’ Tabletten abzusetzen. Denn Michael beunruhigten die Anfälle weitaus mehr als Rose. Ihm war ein Baggins als schläfriger alter Herr lieber – alles, nur nicht diese grauenvollen nächtlichen Krämpfe, von denen er ohnehin meist nichts mitbekam, da er tief und fest, mit offenem Mund auf dem Rücken liegend, schlief. Seinen Hund liebte er wie seine Frau, doch er hielt die Tabletten für wichtig. Er war ein gehorsamer Patient und tat, was der nette Herr Doktor anordnete. Er achtete peinlich genau darauf, seine eigenen Medikamente pünktlich einzunehmen, und machte sich schon Gedanken, wenn er sie eine Stunde zu spät schluckte.

Rose bestellte und bezahlte weiterhin die hohen Phenobarbmengen und versteckte diese. Sie kaufte eine Packung Einwegspritzen, die Tierarztrechnungen kamen weiterhin, Baggins hatte hin und wieder einen Anfall, doch diese heftigen Anfälle blieben aus. Und wenn sich einer ankündigte, konnte sie ihn sofort abmildern.

Als Rose ihm das erste Mal das Medikament spritzte, fürchtete sie, ihr Herz könnte ihr aus dem Brustkorb springen. Ihre Hände zitterten so stark, als würden sie von einer Batterie angetrieben.

Sie musste ihn intravenös spritzen. Der Tierarzt hatte zuvor immer eine kleine Stelle an Baggins’ Bein rasiert, doch das konnte Rose nicht wagen. Genauso wie sie nicht zimperlich die Augen schließen oder wegsehen konnte, wenn die Spritze eindrang.

Das hier war Baggins’ dritter Anfall an diesem Tag und schließlich siegte ihr Mitleid: Sie rammte ihm die Nadel in den Fuß – er merkte nichts davon – und zog die Plastikröhre wieder heraus. Nach vollbrachter Tat glitt ihr die Spritze aus der Hand. Ihr ganzer Körper war schweißüberströmt.

Frieden, vollkommener Frieden für Baggins. Eine ungeheure Erleichterung und etwas Stolz erfüllten Rose.

Es war nur eine kleine Täuschung. Doch für Rose war es eine solche Ungeheuerlichkeit, Michael überhaupt zu täuschen, dass ihr dies im Laufe der Zeit stark zu schaffen machte. Es war ihr immer schwer gefallen, etwas für sich zu behalten. Als Michael fünfzig wurde, organisierten die Mädchen eine Überraschungsparty und verpflichteten sie zum Stillschweigen.

Falls sie etwas ausplauderte, würde sie alles verderben.

Sie erzählte es ihm.

Sie konnte einfach nicht anders.

Gegen ihn Partei zu ergreifen, bedeutete Verrat für sie, so geringfügig der Anlass auch sein mochte. Mit Ausnahme ihrer heimlichen Raucherei. Daher war es kein Wunder, dass der bloße Gedanke, einer von ihnen könne den anderen betrügen und eine außereheliche Affäre haben, für sie so unvorstellbar war, dass sie nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet hatte.

***

Egal.

Genug von den Kapriolen des Haushundes.

Von der ersten Packung Ampullen war ein Viertel aufgebraucht. Aus Angst davor, entdeckt zu werden, traute Rose sich nicht, die Tabletten abzubestellen – der Tierarzt hatte sie nicht nur angerufen, sondern war am nächsten Tag vorbeigekommen, um ihren Garten zu durchkämmen. So wuchs Roses Barbituratvorrat im Verlauf der folgenden zwei Jahre zu einer ansehnlichen Apotheke kleiner schwarzer Fläschchen heran, die sie in einer länglichen Schachtel unter ihrem Bett wegschloss, in der sie seit dreißig Jahren ihr Brautkleid aufbewahrte. Niemand ging daran außer ihr. Niemand rührte daran, außer es wurde gestaubsaugt.

Sie konnte sich einfach nicht zu der vernünftigeren Lösung durchringen, die Schachtel nach oben in den Dachboden zu den anderen Familienandenken zu räumen. Der spinnwebenverhangene Dachboden mit der Fiberglasisolierung bedeutete nämlich das sichere Aus für alles, was dort hinauf wanderte. Selten sah ein Gegenstand, der nach hier oben verbannt worden war, noch einmal das Tageslicht. Nein, Rose zog es vor, ihr Brautkleid und alles, wofür es stand, lebend und atmend hier bei sich zu haben, direkt unter dem Bett, in dem sie schlief.

***

Als Baggins mit acht Jahren, einem guten Alter für einen Hund, starb, waren Rose und Michael untröstlich. Sie würden ihn nie vergessen.

Sicher, sie hätte die Medikamente wegwerfen sollen, doch da ihr klar war, wie gefährlich sie waren, hatte sie Angst, ein Kind könnte sie finden. Und falls sie sie in der Toilette hinunterspülte, wurden vielleicht ein paar wieder hochgespült, kleine weiße verräterische Hinweise auf den winzigen Schritt, den sie vom rechten Weg abgewichen war, und Michael käme ihr auf die Spur.

Schließlich vergaß sie ganz, dass sie überhaupt da waren.

Jetzt wäre der geeignete Zeitpunkt für Rose gewesen, Michael ihre Täuschung zu gestehen, doch warum hätte sie das tun sollen? Bald würde sie die kleinen Packungen todbringender Flüssigkeit und den Vorrat an Schlafmitteln, der über dem weißen Brautschleier verstreut war, vollkommen vergessen haben. Das Leben ging weiter, das war der Lauf der Welt. Mit der Zeit verblasste die Erinnerung an die struppige Gestalt neben dem Kaminfeuer, an den Geruch des schlammigen Flusswassers im Schlafzimmer, die Sandreste neben der Bodenleiste, die feuchten Spuren der Hundeschnauze am Fenster, das hastige Hinunterschlingen von herumstehenden Essensresten.

Manchmal kam die Erinnerung an Baggins zurück, dann wurde Roses und Michaels Blick traurig und sie starrten hinaus in die Ferne, riefen manchmal sogar seinen Namen, wenn niemand sie hören konnte, unten am Fluss, wenn der Mond am Himmel stand, das Gras frisch war oder es regnete. »Pass auf dich auf, Engel.«

Damals hatte sie nicht den geringsten Grund anzunehmen, sie würde jemals wieder Verwendung für diese Medikamente haben. Aber ein Verlust muss verarbeitet werden, und der Verlust eines Haustieres lässt sich nicht wirklich vergleichen mit dem Verlust des geliebten Lebensgefährten. Es wird berichtet, dass Schwäne manchmal aus Kummer sterben.

Gott sei Dank waren sie und Michael beide gesund. Mit etwas Glück lagen noch viele Jahre vor ihnen und Rose hoffte, sie stürbe zuerst.

Wahrscheinlich hatte er nichts dagegen.

Auf Michael konnte man sich verlassen, er war ein so grundanständiger Mann, der am glücklichsten war, wenn alles seinen geregelten Gang ging. Er aß regelmäßig die gleichen Gerichte, trug dieselben Kleider, bis sie abgenutzt waren, zahlte seine Rechnungen am Dritten des Monats, bei ihm wusste man, woran man war. Deshalb hatte sein Unternehmen sich so hervorragend entwickelt. Er war nicht der Typ, der einfach so ohne Vorwarnung tot umkippte.

Damals war er eine ziemlich gute Partie gewesen, doch nicht ganz ungefährlich. Erstens sah er umwerfend aus, weshalb er für bestimmte Frauen ein Objekt der Begierde darstellte. Groß, schlank, cool, mit jeder Menge schwarzer Locken auf seinem Kragen. Er war achtundzwanzig, wohlhabend, ehrgeizig und klug, hatte einen trockenen Humor, der manche Menschen schockierte.

»Michael ist nicht einfach«, hatte Dinah ihre Tochter zur Vorsicht gemahnt. »Etwas zu energisch für meinen Geschmack. Nicht so wie dein Vater.«

Energisch?

Doch es stimmte, er hatte etwas Gefährliches an sich.

»Dieser Hang zur Selbstzerstörung«, fuhr Dinah fort. »Wo zum Teufel kommt der nur her?«

In dieser Hinsicht hatte ihre Mutter Recht. Rose hatte einen selbstzerstörerischen Zug, hatte ihn seit ihrer Kindheit. Als sie fünf Jahre alt war, hatte sie eine solche Panik davor, blind zu werden, dass sie sich gezwungen sah, die Herausforderung anzunehmen. Tagelang lief sie mit verbundenen Augen und einem Stock herum und versuchte, nicht zu schummeln, indem sie unter dem Verband herauslugte. Sie übte für den Fall, dass das Schlimmste eintrat. Vielleicht dachte sie, dass ihre Angst verschwände, wenn sie es mit dem Monster aufnähme. Es hat nie funktioniert, es wurde alles nur schlimmer.

Dann war es der Tod gewesen und sie hatte sich jede Nacht in ihren kleinen Spielzeugschrank eingesperrt, wo es vollkommen dunkel war und sie nichts hören konnte außer ihrem eigenen Wimmern. Plötzlich jedoch wurde es entsetzlich laut, als die Luft um ihre Ohren explodierte. Wütend machte sie sich ins Höschen, um sich selbst zu beweisen, dass sie warm und am Leben war. Wörter wie »Grab« und »Sarg« ließen sie erzittern vor Angst. Als ihr die schreckliche Erkenntnis dämmerte, dass Mummy und Daddy eines Tages sterben würden, weigerte sie sich, mit ihnen zu sprechen oder ihre Gegenwart zur Kenntnis zu nehmen, um sich selbst zu schützen und zu beweisen, dass sie auch ohne sie zurechtkam.

Unzählige Male war Rose kurz davor gewesen, sich in die Tiefe zu stürzen, um ihre Höhenangst zu überwinden. Vielleicht war es das, was sie an Michael anzog: Sie ahnte die Gefahr eines grausamen Sturzes.

Doch sämtliche Befürchtungen Michaels wegen waren schnell ausgeräumt. Er war treu.

Dank der dreißig Jahre, die sie nun zusammen waren, konnte Rose Michaels Gedanken lesen, manchmal bedurfte es keines Wortes. Sie kannte seine Ansichten zu Politik und Personen, Urlaub und Einrichtungsfragen. Ihre Freundinnen, die schwierigere Männer abbekommen hatten, erklärten, sie darum zu beneiden, und sie stritt es nicht ab, sondern nickte nur und meinte: »Wisst ihr, ich hatte einfach Glück.«

»Er hört dir zu«, sagten sie, »und das ist ungewöhnlich, ein Mann, der zuhört.«

Und ihr Haus, dessen Hypotheken längst abbezahlt waren, war warm und gemütlich. Auf seine frisch gewaschenen Draperien fielen Sonnenstrahlen, auf dem Rasen standen Liegen, in der Küche, bestens ausgestattet mit einem Aga-Herd, roch es nach selbst gebackenem Kuchen, und in den Badezimmern dieses Hauses, das bis vor kurzem noch mit fröhlichem Kinderlachen erfüllt war, hingen flauschige Handtücher.

Rose war stolz darauf, dass ihre Ehe funktionierte, während so viele in ihrem Umkreis gescheitert waren. Dieser Erfolg erfüllte sie mit Freude, hatte sie es doch geschafft, Gefahren, Trennung, Unordnung und Chaos von sich fern zu halten. Hatte die richtigen Entscheidungen getroffen. Sie hatte sich den richtigen Lebenspartner ausgesucht, den bestmöglichen Vater für ihre Kinder, und darauf kam es letztlich an. Daisy und Jessie beteten Michael an. Die drei Schweinchen kannte er auswendig, er half Rose, wo es ging, und ließ sie am Samstagmorgen ausschlafen.

Das Schönste jedoch war, dass Michael sie zum Lachen brachte. Manchmal so sehr, dass sie sich die Seiten halten musste und ihr der Kiefer schmerzte. Mit ihm zu leben war wunderbar, er war unkompliziert, man musste ihn einfach mögen. Weshalb sie einen großen Freundeskreis hatten. Michael zog die Leute an. Sie selbst, vermutete Rose, wurde eher als Anhängsel gesehen. So war es immer gewesen, und es machte ihr nicht wirklich etwas aus.

»Aber du hast kein eigenes Leben«, versuchte ihr Kate klar zu machen, deren Mann so gut wie nie zu Hause war, weil er in seiner Arbeit und im Golfspiel aufging. In Roses Augen war Kates Ehe eine Farce. Bei der Verfolgung ihrer diversen Pflichten und Hobbys fuhren sie wie Schiffe in der Nacht aneinander vorbei. Die Gesellschaft anderer war ihnen lieber als die des Ehepartners. »Und was wäre, wenn Michael etwas zustieße?«, fragte Kate in diesem unangenehm klebrigen Ton. »Was würdest du dann mit dir selbst anstellen?«

War sie etwa eifersüchtig?

Kein Wunder.

Rose hatte manchmal das Gefühl, dass ihre Freunde sie für etwas engstirnig hielten. Meinten, sie solle arbeiten gehen. Erklärten, ihr Hochschulabschluss sei die reinste Verschwendung. Sie wappnete sich gegen derartige Angriffe mit einer regelrechten Verteidigungsstrategie.

»Mir macht das wirklich nichts aus. Ich bin vollkommen glücklich zu Hause.« Angesichts Kates ungläubigen Gesichtsausdrucks hatte Rose das Gefühl, dies näher erläutern zu müssen. »Michael und ich spielen Tennis, machen unsere Wochenendreisen, gehen ins Theater. Und wir genießen es, zusammen zu Hause zu sein, zu lesen, im Garten herumzupusseln, Musik zu hören, ein Gläschen zu trinken oder was Schönes zu essen. Was soll daran verkehrt sein?«

»Aber jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind, wird dir da nicht langweilig?«

Kate redete, als sei es etwas Schreckliches, Zeit für sich zu haben. Als sei es unerträglich. Als sei ein Päuschen, um sich eine Soap wie The Archers anzusehen, in der Sonne zu sitzen, durch die Geschäfte zu bummeln oder sich mit einer Freundin zum Essen zu treffen, nur eine Notlösung, um sich von einer Nacht zur nächsten zu retten. Heutzutage galt man als bemitleidenswerter Tropf, wenn man nicht ständig herumrannte und bis über beide Ohren mit Arbeit eingedeckt war. Rose wollte davon nichts hören. Sie genoss es nämlich sehr, einfach nur dazusitzen und ihren Gedanken nachzuhängen. Ins Leere zu schauen, dabei den frisch gebrühten Kaffee zu riechen und hin und wieder einen Keks einzutauchen. Aber durfte man das zugeben?

Später pflichtete Kate ihr unbewusst bei, als sie stöhnte: »Ich weiß ehrlich nicht, was ich mache, wenn Derek zu arbeiten aufhört. Die Vorstellung, dass er die ganze Zeit zu Hause rumhängt, gefällt mir gar nicht. Wir werden uns gegenseitig in den Wahnsinn treiben.«

O Gott, wie traurig und wie vorhersehbar.

Rose war sich bewusst darüber, wie glücklich sie sich schätzen konnte, ein so privilegiertes Leben zu führen.

Und sie hatte noch ihre Kinder.

Ihre jüngste Tochter, die neunzehnjährige Jessie, war erst vor einem Jahr zu Hause ausgezogen und wohnte nun in der Lehrerbildungsanstalt, dem St. Marks College. Das war nur eine halbe Stunde entfernt. Genauso gut hätte sie zu Hause wohnen und jeden Tag hinfahren können, aber sie bestand nun mal auf ihrer Unabhängigkeit. Wenigstens war sie nicht nach London verschwunden, wie sie anfangs gedroht hatte. Dafür war Rose Michael dankbar. Er hatte Jessie die Sache mit London ausgeredet.

Und Daisy, die drei Jahre älter als ihre Schwester war, arbeitete in der Bücherei am Ort. Sie wohnte mit einem Journalisten zusammen, der kam und ging, wie er Lust hatte.

Ja, Rose hatte zweifellos Glück gehabt.

Vielleicht war das der Grund, dass sie sich manchmal schämte und sich als eine Art Gewissensberuhigung ehrenamtlich in der Gemeinde engagierte – sie las Blinden aus der Zeitung vor, fuhr Kranke zum Arzt und löste für sie Rezepte in der Apotheke ein oder stellte sich gelegentlich als Aufsichtsperson in dem kleinen Museum am Markt zur Verfügung.

Sie war gerne nett zu den Leuten.

Das Schicksal war nett zu Rose gewesen. Es hatte sie davon verschont, nach Schnäppchen jagen und in den Secondhandläden herumwühlen zu müssen oder mit Kinderwagen und Einkaufstüten auf den Bus zu warten, um sich zu einer Sozialwohnung in irgendeinem dieser tristen Wohnblocks fahren zu lassen.

Sie sah diese Leute, sah sie durch die Windschutzscheibe ihres Saabs. Die Frauen, die zu Hause einen Mann hatten, der sie schlug, und eine Horde kleiner Rotznasen. Ein Leben vor dem Fernseher. Ein Leben im Chaos. Wie entsetzlich!

Sie war keine Rebellin gewesen, damals. Weißes Lederoutfit – Stiefel, Rock, Weste. Sie hatte ziemlich gut ausgesehen. Nicht dass sie eine makellose Schönheit gewesen wäre, aber sie war aufgefallen mit ihrem dichten schwarzen Haar, das stets wie von selbst richtig fiel, und den dazu passenden Augen mit den langen Wimpern.

Aber ohne ihre Lederklamotten und dreißig Jahre älter hatte Rose viel von ihrer Attraktivität verloren.

Jetzt trug sie Kaschmir und die unvermeidlichen Schals und Armbänder. Ein gut gelauntes Muttertier – das war Rose. Doch so viel Zeit sie auch für ihr Aussehen investierte und so sehr sie mit Make-up und Frisuren experimentierte – schließlich wollte sie gut aussehen für Michael, sie lebte von seiner Anerkennung –, nichts schien den Alterungsprozess wirklich aufhalten zu können.

Nicht einmal die mexikanischen Yamswurzeln.

Die Falten wurden tiefer.

Das Bindegewebe schlaffer.

Die Haare spröder und grauer.

Sie achtete stets auf ihre Unterwäsche, ging weder mit Lockenwicklern zu Bett, noch lief sie in einem schmuddeligen Morgenrock durchs Haus. Michael verschwendete an derlei Dinge keinen Gedanken. Als Mann in der Mitte seines Lebens sah er nur interessanter aus. Trotz seines kleinen Bäuchleins schlief er lieber nackt, wogegen es Rose selbst in jungen Jahren nie gelungen war, ihr Schamgefühl diesbezüglich abzustreifen. Geschweige denn jetzt, wo ihre Brüste Schwierigkeiten hatten, den Bleistifttest zu bestehen.

Doch in Michaels Augen war sie noch immer wunderschön, so schön wie eh und je, und er geizte nicht mit Komplimenten.

Manchmal kam es ihr so vor, als laufe alles zu glatt, um wahr zu sein. Als sollte dadurch das Schicksal herausgefordert werden. Daher war sie, als sie Michaels Seitensprung entdeckte, wie vor den Kopf gestoßen.

Das war schlimmer als der Tod. Viel schlimmer.

Michael liebte eine andere, er ruhte nicht sicher in seinem Grab, tief unter der Erde, für immer ihr Ehemann, bis der Tod kam, auch sie zu holen.

Sie würden keinen gemeinsamen Grabstein haben.

Sie wäre nie »die Ehefrau von«.

Ihre Asche würde getrennt verstreut, seine auf der Heide, ihre am Fluss.

Auf den Schock folgten die Zweifel.

Sie musste sich geirrt haben. Nur weil sie in Michaels Büro gefahren war, um seine Armbanduhr abzuholen, die repariert gehörte, nur weil sie ihn, als sie im Foyer auf ihn wartete, am Arm einer jungen, strahlenden Begleiterin vom Lunch zurückkommen sah, so tief ins Gespräch versunken, dass er sie nicht bemerkt hatte. Er hatte auch gar keine Chance gehabt, schließlich hatte das Mädchen mit großen Augen an ihm geklebt. Warum hätte Rose sich ein solches Horrorszenario ausmalen sollen?

Nein.

Durch die gespreizten Finger sah sie ihnen zu, wie sie gemeinsam durch die Türen gingen. Gelähmt, wie eine ins Gebet versunkene Gottesanbeterin, beobachtete sie die beiden. Auf knotigen, dürren Fledermausbeinen, jeden Augenblick bereit, zu ihrer Verteidigung loszuspringen.

Automatische Türen.

Typisch, Michael ließ der Frau den Vortritt.

Ihr Blick, ihre Frisur und ihr Kleid strahlten Freiheit aus. Und dieses provokante Lächeln. Die Kleine sah gut aus. Dunkelgraues Kostüm, hohe Absätze, schicke Frisur. Hatte etwas Wildes, Knabenhaftes, Aggressives.

Rose geriet sofort in die Rolle der Außenseiterin, als die sie sich ihr Leben lang gefühlt hatte.

Sie kramte im Handschuhfach herum und fand ein Päckchen alter Zigaretten.

Den ganzen Nachmittag lang schaffte sie es nicht, sich aus diesem Gefühlswirrwarr zu befreien. Zündete sich eine Zigarette nach der anderen an. Schloss die Augen und versuchte, mit ihrem ganzen Willen dagegen anzugehen. Es wegzuzaubern. Weg. Weg. »Bitte, bitte, bitte…«

Ihr Schmerz füllte das Auto. Die Windschutzscheibe beschlug. Sie fuhr riskant – was gar nicht ihre Art war – und wendete in einer Sackgasse. Sie hatte Schwierigkeiten an einer Straßengabelung und drehte in einem Kreisverkehr zwei Runden.

Ich werde verrückt.

Ich verliere den Verstand.

Ein paar Kinder in einem Garten riefen ihr etwas zu. Es war ein drückend schwüler Tag Ende September. Aus einem Eiswagen tönte laut »Just One Cornetto«, traf ihre Nerven wie ein Zahnarztbohrer. Sie umklammerte das Steuerrad mit den Händen.

Schweißperlen traten ihr auf die Stirn.

Sie konnte ihren Schmerz schmecken.

O Gott. So helft mir doch.

In ihrem Unglück wusste sie, dass sie ihn nicht direkt fragen durfte. Sie würde ihn damit tief verletzen. Ihre finsteren Verdächtigungen würden eine Beziehung treffen, die bislang unberührt geblieben war von derartigem Schmutz. Aber wie konnte sie ihn heute Abend begrüßen, ohne sich zu verraten?

Ihm etwas zu trinken einschenken?

Ihn küssen?

Ihm das neue Buch zeigen, das sie gekauft hatte?

Über die Nichtigkeiten mit ihm reden, die ihre Zufriedenheit ausmachten?

Würde er zusammenzucken, wenn sie ihm die Hand auf den Arm legte?

Ein alter Mann ging mit seinem Pudel vorbei. Er wirkte so beneidenswert unbekümmert. Sie musste an einem Bahnübergang anhalten. Als sie den Zug heranbrausen hörte, fühlte sie sich versucht, die Schranken zu durchbrechen, um dem kaum noch erträglichen Zweifel ein Ende zu bereiten, der sich in ihrem Kopf breit machte.

Was für eine Farce.

Sie hatten geplant, in der darauf folgenden Woche nach Venedig zu fahren, ein kurzer Winterurlaub. Michael hatte es vorgeschlagen. Venedig war schon immer ein Traum von ihr gewesen. Und bei dem Gedanken an die halb gepackten Koffer, die auf Jessies Bett lagen, tat sie sich plötzlich selbst so leid, dass sie versehentlich auf den Bürgersteig fuhr. Sie konnte nichts mehr sehen vor Tränen, wendete und die Scheibenwischer gingen los. Zum Teufel mit ihnen. Zum Teufel mit ihnen.

Aber warum sollte Michael eine Woche Urlaub buchen, wenn er sich in eine andere verliebt hatte? Wäre es da nicht wahrscheinlicher, dass er eine Geschäftsreise vortäuschte und stattdessen mit seiner Geliebten wegfuhr? Oder wollte er Rose vorgaukeln, alles sei in bester Ordnung? Oder hatte er Schuldgefühle?

Wieder auf der Straße grübelte Rose weiter. War er in letzter Zeit netter zu ihr gewesen?

Rücksichtsvoller? Zärtlicher? War es im Bett anders gewesen? Hatten sie häufiger miteinander geschlafen? War es schöner gewesen? Oder langweiliger? War ihr irgendetwas entgangen? Und wenn ja, was?

Verdammt, verdammt, verdammt. Sie konnte sich nicht mal mehr erinnern, auf welche Zeichen man achten sollte. Sie wusste keine Antwort auf ihre eigenen dämlichen Fragen.

Sie durfte nicht so weiterfahren. Sie würde sonst noch jemanden umbringen, wenn nicht sich selbst. Ihr eigener Tod scherte sie im Moment nicht, doch der Gedanke, dass jemand anders umkommen könnte, weckte sie halbwegs auf.

Sie fuhr an den Rand und versuchte, sich zu beruhigen. Der Aschenbecher klemmte, als sie ihn ausleeren wollte. Michael wäre stinksauer, wenn er herausfände, dass sie geraucht hatte.

Beruhig dich. Beruhig dich.

Ein kleiner Vorfall – und was machte sie daraus? Bauschte es absolut unangemessen auf. Sie lachte nervös auf.

Die Asche fiel auf den Boden und auf ihre Hände. Sie musste an Urnen denken, die mit menschlicher Asche gefüllt waren. Diese entsetzliche Angst hatte ein Monster geschaffen, ein sich selbst verzehrendes, wütendes Ungeheuer, das in ihrem kranken Hirn hauste.

Was zum Teufel war nur los mit ihr? Denk nach. Denk. Rose zündete sich die letzte Zigarette an. Schließlich konnte Michael genauso gut ein neues Mädchen aus dem Büro getroffen haben, als er vom Lunch zurückkam, und nur freundlich zu ihr gewesen sein. Roses heftige Reaktion ließ darauf schließen, dass Michael gewohnheitsmäßig von einem Bett zum anderen hüpfte – ein richtiger Schwerenöter war, ein Wüstling, der sich wahrscheinlich im Park einen runterholte, wo alle Welt ihn dabei sehen konnte.

Gott. O Gott.

Endlich konnte Rose befreit auflachen. Es war einfach zu komisch, das war’s. Ein hysterischer Lachanfall schüttelte sie. Nun weinte sie vor Lachen. Das Gesicht im Spiegel war verzerrt und rot verheult.

Das alles traf überhaupt nicht auf Michael zu. Absolut lächerlich. Er wäre schockiert, wenn sie ihm von diesem Wahnsinn erzählte, der für kurze Zeit von ihr Besitz ergriffen hatte. Dass in ihr solch tiefe Ängste steckten, die nur auf eine Gelegenheit lauerten, mit aller Macht hervorzubrechen wie ein wildes Tier im Zoo, hätte sie nie für möglich gehalten. Schließlich hatte Michael ihr nie auch nur den geringsten Anlass zur Eifersucht gegeben. Vielleicht lag es an ihrem Alter, dass sie sich plötzlich wegen einer solchen Lappalie so verrückt machte, nach dreißig Jahren im sicheren Hafen.

***

An diesem Abend drückte sie, als der Geschirrspüler lief und Michael im oberen Stockwerk unter der Dusche stand, auf den Wahlwiederholungsknopf. Um sich selbst zu beruhigen.

»Belinda kann im Augenblick nicht sprechen, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton.«

Rose schnappte nach Luft und ließ den Hörer fallen, als hätte sie sich verbrannt.

Belinda?

Und dieser rollende Akzent, sie musste aus Wales kommen.

Bestimmt eine Klientin? Dann hätte Rose kaum von ihr gehört, Michael brachte selten Arbeit mit nach Hause. Heute hatte er eine halbe Stunde in seinem Arbeitszimmer telefoniert, bevor sie ihn zum Abendessen gerufen hatte.

Vielleicht war das keine wichtige Beziehung. Vielleicht war diese Belinda bloß Michaels Geliebte. Roses Fantasie ging mit ihr durch. Es war sogar denkbar, dass er die ganze Zeit über ständig eine Geliebte gehabt hatte. Woher sollte Rose das wissen?

Sie saß allein in dem warmen Licht ihrer Leselampe und ließ die Augen durch das Zimmer schweifen. Ein äußerst gemütliches Zimmer hatte sie hier geschaffen. Weiße Ledermöbel, Perserteppiche auf glänzendem Parkett. Sie verharrte vollkommen ruhig, die Hände auf den Knien, und grub die Zähne in die Unterlippe. Noch so ein perverser Zufall an einem Tag, an dem ihr seelisches Gleichgewicht bereits so sehr aus den Fugen geraten war.

Sie war müde und erschöpft, hatte zu viel Wein getrunken beim Abendessen, damit das Gespräch nicht zum Erliegen kam, dieses seltsam falsche und aufgesetzte Gespräch. Zum ersten Mal seit dreißig Jahren empfand sie es so. Hatte Michael ihre Nervosität bemerkt? Offenbar nicht. Er hatte sich benommen wie immer, war witzig und charmant gewesen, erpicht darauf, über den Urlaub zu reden, und hatte sich über den angedrohten Streik der Fluglotsen lustig gemacht. Und gut gegessen wie immer.

Und nun… Belinda?

Bei diesem Namen musste Rose unwillkürlich an ein Flittchen denken, mit riesigen Ohrringen und blonden Haaren. Belinda. Belinda. Der Name klang hart, er traf sie wie ein Messerstich. Das Mädchen, das sie mittags im Foyer gesehen hatte?

Was sollte sie nun tun? Seine Taschen nach Hinweisen durchwühlen? An seinen Unterhosen schnüffeln? Heimlich in seinem Tagebuch lesen? Seine Termine überprüfen?

Sie wollte mit niemandem darüber reden. Wenn sie darüber redete, dann war die Sache real. Außerdem würde sie das Mitgefühl in den Augen ihrer Freunde oder ihren mitleidigen Ton am Telefon nicht ertragen.

Und dieser Schock.

Lady Moon fiel ihr ein, die den Weinkeller ihres Mannes geräumt und die Flaschen an die Leute im Dorf verteilt hatte. Sie dachte an die anderen Racheakte, von denen sie gehört oder die sie in schlechten Fernsehfilmen gesehen hatte. So tief wollte Rose nicht sinken. Rose wollte nicht, dass Michael sie verließ, ganz egal, mit wie vielen Frauen er auch ins Bett stieg.

Würde er sie verlassen?

Wie würde er es ihr sagen?

Würde er es ihr sanft beibringen oder am Telefon?

Robin Cook hatte seine Frau am Flughafen stehen lassen.

Solche Gedanken rasten durch ihren Kopf, bis sie Angst hatte, verrückt zu werden. Denn im Grunde wollte sie es gar nicht wissen, wollte sie den Mädchen nicht erklären müssen, dass ihre dreißigjährige Ehe kaputt war – und ebenso wenig ihren Freunden, ihrer Mutter und den Nachbarn. Sie wollte nicht allein Zurückbleiben in diesem riesigen Flaus, in ihrem Doppelbett. Wollte nicht in ihrem Lehnstuhl sitzen und neben sich einen leeren stehen haben. Für eine Person kochen, damit aufhören, seine Socken zu sortieren. Mit dem Taxi nach Hause fahren, nur noch einen Liegestuhl aufbauen, wegen Tennis mit Di oder Sue telefonieren müssen. Sie wollte nicht fernsehen, ohne Kommentare abgeben zu können wie »Schau dir den an!« und »Das ist einfach zu blöd!« und »Sollen wir das aufnehmen?« und »Den Film haben wir doch schon mal gesehen?«.

Und nicht allein nach oben gehen.

Und frierend aufwachen, ohne sich an jemand kuscheln zu können.

Und was war mit Weihnachten?

Und mit Urlaub?

Ohne jemanden, der sie in den Arm nahm oder küsste.

Rose verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle sie sich selbst umarmen und sich wiegen, wie ein einsames, verschrecktes Kind.

»Nein, Kleines, nein, nein.«

2. Kapitel

Manchmal wunderte sich Daisy, wie ihre Mutter so unberührt bleiben konnte von den »Höhen und Tiefen des Lebens«, wie sie es zu nennen pflegte, während Granny so verbittert geworden war.

Jeder andere wäre durch den Tod des Zwillingsbruders stark traumatisiert gewesen und das Verschwinden des Vaters irgendwo in der Biscaya hätte bei jedem anderen im empfindsamen Alter von vierzehn zu eklatanten psychischen Problemen geführt.

Nicht so bei Rose. Wenn sie über diese tragischen Ereignisse sprach – und es machte ihr nicht einmal etwas aus, darüber zu reden –, dann kompensierte sie es einfach, indem sie nicht müde wurde zu betonen, wie nahe sich alle in ihrer kleinen Familie gestanden hätten, wie glücklich sie gewesen seien und wie eng das Verhältnis zu ihrer Mutter nach dem Tod ihres Vaters geworden sei.

»Jeder muss sein Bündel tragen«, pflegte sie zu sagen. »Heutzutage ist es nur modern, eine schwere Kindheit gehabt zu haben und damit zu entschuldigen, warum man es später zu nichts gebracht hat. Ich wurde nicht missbraucht. Oder misshandelt oder im Stich gelassen. Ich weiß, in euren Ohren hört sich das seltsam an, aber kein Schaden ohne Nutzen. Nach Jamies Tod, und das war grausam für uns alle, wurde uns klar, was wirklich zählt. Ich sehe es an euren Gesichtern, ihr denkt, ich predige wieder einmal. Aber es ist tatsächlich so, Daisy, man lernt, mit so etwas fertig zu werden.«

Man wird damit fertig oder man geht unter. Und Mum war nicht der Typ, der untergeht.

Tapfer.

Hart im Nehmen.

Entweder man schätzte Munis ruhigen Stoizismus oder er ging einem auf die Nerven. Das hing davon ab, wie man drauf war. Dad glaubte noch immer, sie beschützen zu müssen, »nach allem, was sie durchgemacht hat«. Andererseits beschützte Dad jeden, das war eine Art Lebensaufgabe für ihn. Und vielleicht der Grund, warum es sich für Daisy als so schwierig erwies, einen mit ihm vergleichbaren Partner zu finden.

Mum hatte Glück gehabt, Dad zu begegnen. Aber etwas Glück hatte sie nach den in ihrer Kindheit erlittenen Verlusten auch verdient.

In Daisys und Jessies Augen führten ihre Eltern eine wahre Musterehe. Keines der Mädchen konnte sich erinnern, ihre Eltern je laut streiten gehört zu haben. Traten Meinungsverschiedenheiten auf, wurden sie ruhig ausdiskutiert, und meistens war es Dad, der nachgab. Doch solche Pattsituationen kamen nicht häufig vor und sehr selten ging es dabei um wichtige Dinge. Dad sah gut aus für einen Mann seines Alters. Er hatte auch Sinn für Romantik, kam mit einem Strauß Blumen nach Hause oder Pralinen oder einem neuen Kleid. Er kannte Mums Größe, wusste, was ihr gefiel. Er hätte sie von Kopf bis Fuß vollkommen einkleiden können; hätte ein Bild, ein Buch oder eine Farbe für sie wählen können und wäre sich sicher gewesen, auf Anhieb ihren Geschmack zu treffen.

Irgendwie war es fast unheimlich, dass Mum und Dad stets wussten, wie sich der andere fühlte.

Für Mum gab es nichts Wichtigeres als die Familie. Das hatte manchmal schon etwas von Besessenheit, war aber andererseits wieder verständlich. Schließlich war ihre eigene Familie fast vernichtet worden, als sie ein Kind war. Beide Mädchen hatten das während ihrer nicht ganz problemlosen Pubertät ständig im Hinterkopf, als Mum nicht aufhörte, sie zu umsorgen, sich überall einzumischen und ihnen zu erklären, was sie tun und lassen sollten. Denn genau diesen Eindruck hatten sie.

Dad rief ihnen stets ins Gedächtnis, was Mum alles mitgemacht hatte – als ob sie das je hätten vergessen können. Doch tief in Daisy brodelte es, eine stille, verborgene Wut kochte in ihr und sie wusste, Jessie ging es nicht anders.

Sie hätte gern ein Jahr lang pausiert zwischen Schule und Universität. Ihre Freundin Charlotte hatte sie gefragt, ob sie nicht mit ihr durch Südamerika reisen wollte. Charlotte fuhr dann auch, aber mit Jennie. Daisy wäre gerne nach Edinburgh an die Uni gegangen, aber Dad überredete sie, Mum zuliebe nicht so weit wegzuziehen. Exeter lag in der Nähe und war gut mit dem Zug erreichbar.

Sie hatte das Gefühl, von Dad betrogen worden zu sein. Es ging um Daisys Leben und Zukunft, und statt seine Tochter zu unterstützen, hatte Dad Mums Druck nachgegeben. Aber es lag doch bestimmt auch an Daisy? Sie hätte sich nicht so schnell geschlagen geben dürfen.

»Hör mal, Schatz, dafür hast du noch genug Zeit.« Dad hatte ihr etwas zu trinken eingeschenkt. Dieser Taktik bediente er sich gerne, wenn er zeigen wollte, dass er einen als Ebenbürtigen betrachtete und nicht nur als Kind. »Deine Mutter macht gerade eine schwere Zeit durch. Und gerade dann, wenn es einem nicht so gut geht, kommen unangenehme Erinnerungen aus der Vergangenheit hoch. Die alten Probleme, die man zwischendurch ganz gut im Griff hat, kommen wieder an die Oberfläche und man ist froh um jede Hilfe, die man kriegen kann. Rose braucht eure Unterstützung. Wenn ihr jetzt weggingt, würde sie das sehr deprimieren. Das wisst ihr genauso gut wie ich.«

»Aber Dad, sie hat Jessie. Jessie kommt jeden Tag nach Hause.«

Beide Mädchen besuchten eine öffentliche Schule, aber als Tages-, nicht als Internatsschüler. Dadurch standen sie immer etwas außerhalb des Schulbetriebs, des gesellschaftlichen Lebens dort, des Teils also, der wirklich zählte. Und auch das war Mums Schuld gewesen.

»Wir reden hier nicht über Jessie, wir reden über dich.«

»Na ja, mir fällt niemand in meinem Alter ein, der auf die Wechseljahre seiner Mutter Rücksicht nehmen muss.«

»Das ist aber gar nicht nett«, wies Dad sie zurecht. »Du bist unfair.«

Vielleicht ging es Mum besser, wenn Jessie so weit war. Doch nein, ihre jüngste Schwester musste dieselben Kämpfe ausfechten und kam nicht weiter als bis ans College von St. Marks. Und ein Jahr Auszeit durfte sie genauso wenig einlegen.

Und jetzt fuhren Mum und Dad nach Venedig. Einen kleinen Triumph glaubte Daisy zumindest verbuchen zu können – zumindest hatte man sie von der Reise verschont. Urlaub war seit Jahren ein Streitthema, bei dem die beiden Mädchen sich einig waren. Alles hatte angefangen, als Daisy sechzehn war und sich neben einem Pool in der Dordogne sonnte. Sie hatten sich beide zu Tode gelangweilt und Dad hatte ihnen vorgehalten, sie seien verzogene Gören.

»Wir sind nicht verzogen, wir langweilen uns nur«, hatte Jessie sich gewehrt und ihren Bikini zurechtgezupft, der eigentlich überflüssig war, weil es nicht wirklich etwas zu verbergen gab. Flach auf dem Rücken liegend sah sie aus wie ein Toastständer. »Sieh mal, Dad, was können wir hier schon machen? Wir sind Meilen entfernt von der nächsten Stadt oder vom nächsten Strand, es gibt keinen Laden, der zu Fuß zu erreichen wäre, geschweige denn ein Café.«

»Wäre es euch lieber gewesen, wir wären nach Benidorm gefahren? Ist es das?«

»Natürlich nicht. Du weißt, was ich meine. Warum können Daisy und ich beim Urlaub nicht mitentscheiden? Warum gehen wir nicht in ein Hotel mit einer Disco oder so, wo etwas los ist?«

»Das ist auch Mums Urlaub und meiner, nicht nur eurer.«

»Das ist uns klar«, brummte Jessie mürrisch. »Aber wäre ein Hotel nicht für uns alle nett? Außerdem haben Daisy und ich das alles schon durchgekaut. Nächstes Jahr möchten wir beide allein wegfahren.«

»Jessie, du bist dreizehn.«

»Ja, und nächstes Jahr bin ich vierzehn. Rachel Caldwell fährt dieses Jahr mit Freunden weg. Ihre Eltern haben nichts dagegen.«

Daisy pflichtete ihr bei, wusste aber, dass sie bereits verloren hatten. Jessie war jünger, konnte aber ihre Ansichten besser vertreten. »Ich komme mir blöd vor, immer mit dir und Mum in Urlaub zu fahren. Das macht sonst niemand, warum müssen wir das tun?«

Und dann kam sie wieder, die alte Leier: »Ihr wisst doch beide, wie wichtig es für eure Mum ist, ihre Familie um sich zu haben…«

Wieder war Dad auf ihrer Seite.

Ja, sie wussten es. Und wie sie es wussten.

Sie hatten es schon so oft zu hören bekommen, dass sie manchmal glaubten, diese Tragödien selbst durchlebt zu haben. Und Granny konnte erzählen, dass einem die Haare zu Berge standen. »Dieser arme kleine Nicky Wainwright, so ein schmächtiges Kerlchen. Brüllend kam er angelaufen, über und über mit Schlamm bedeckt, noch immer die Indianerfedern auf dem Kopf. Wir brauchten eine Ewigkeit, bis wir verstanden hatten, was er uns sagen wollte.« An dieser Stelle wurde Grannys Miene immer ganz ernst und ihre Augen glühten vor Schmerz. »Jamie war die Klippe hinuntergestürzt. Sie waren mit dem Rad bis zum Rand gefahren, um die Wette.« Hier kam eine Pause. Granny senkte den Kopf, als wolle sie einem Schlag ausweichen. »Er sah aus, als hätte er Erdbeeren gegessen. Es lief über sein Kinn, der ganze Mund war rot verschmiert.« Sie zog an ihren Fingern, bis es knackte. Es wäre zwecklos gewesen, sie zu bitten, damit aufzuhören. Man spürte, sie wollte die ganze Geschichte noch einmal erzählen… und noch einmal… und wieder und wieder. »Sein Gesicht war kreideweiß. Er hing in seinem Rad. Wir hatten keine Ahnung, wie man ihn da herausholen sollte. Sah ein bisschen aus wie dieses Spiel aus diesen ineinander verhängten Metallteilen, die man trennen muss. Und sein kleiner Kopf stand in einem so schrecklichen Winkel ab. Ein Pedal hatte fast ein Bein abgetrennt. Mein armer kleiner Junge. Mein kleines Kerlchen…« Die Stelle, an der sie sich die Mundwinkel mit einem Taschentuch abtupfte. Niemals die Augen, immer den Mund.

Granny lebte immer noch in demselben Haus wie an dem Tag, als ihr Sohn umkam, saß noch auf denselben schmiedeeisernen Stühlen, im Schutz derselben Ligusterhecke und zwischen denselben Gänseblümchenflecken.

Die Klippe befand sich am Ende des Gartens, am Steilufer des Flusses in Bantham. Die große, von Hortensien, Rhododendren und Ginster umgebene Rasenfläche erstreckte sich bis zum Rand des Abgrundes. Der Fluss spülte den Lehm unten aus und Grandpa hatte eine Mauer gebaut, um die Erosion in Grenzen zu halten. Jamie war auf seinem brandneuen Fahrrad wie ein Vogel hinuntergesegelt, von ganz oben über den Abgrund, und unten auf der Mauer aufgeschlagen.

Er war sofort tot gewesen, Genickbruch.

»Zum Glück war Rose nicht dabei«, pflegte Granny zu sagen. »Sie lag im Bett, hatte die Grippe. Gott sei Dank. Wäre sie dabei gewesen, hätte es sie erwischt. Sie war der Hitzkopf von den beiden. Sie waren zwar Zwillinge, aber so verschieden wie Feuer und Wasser.«

Ein Kind zu verlieren musste unerträglich sein.

Und seinen Zwillingsbruder zu verlieren konnte nicht weniger schrecklich sein.

»Wer war Nicky Wainwright?«

»Jamies bester Freund.«

Mum und Granny gingen vollkommen unterschiedlich damit um.

Granny konnte einfach nicht loslassen, ihr ganzes Leben lang nicht. Während Mum sich eher damit abgefunden zu haben schien, so traurig sie darüber auch war. Vielleicht gelang einem das mit zehn Jahren auch besser.

Dad meinte dazu immer: »Natürlich glauben wir gerne, dass Mum Jamies Tod gut verwunden hat, aber wir sollten dabei nicht vergessen, dass es damals keine professionelle Hilfe gab für so schwer traumatisierte Menschen. Woher sollen wir wissen, was in Mum vorging? Es kann durchaus sein, dass sie sich Granny und Grandpa zuliebe nicht traute, ihre Gefühle zu zeigen.«

Doch als ob diese Schicksalsschläge für ein Leben nicht ausreichten, erlitt Granny auch noch einen Nervenzusammenbruch, nachdem Grandpa nach einem Portugalurlaub spurlos verschwunden war. Und Mum musste mit ihren vierzehn Jahren mit alldem fertig werden.

Grannys Augen füllten sich noch immer mit Tränen, wenn sie an diese schreckliche Nacht erinnert wurde. Dennoch war es ihr ein Bedürfnis, die Geschichte immer wieder zu erzählen.

Grandpa Tate zog die Maxwell-Nummer ab.

Wenn Granny die entsetzliche Geschichte erzählte, klang ihre Stimme immer, als komme sie von ganz weit her, als spinne ein alter Seebär sein Seemannsgarn.

»Wir teilten uns eine Kabine, Rose, John und ich. Wir hatten im Restaurant zu Abend gegessen und waren gerade schlafen gegangen. John musste aufgewacht sein. Ich vermute, er hatte Verdauungsprobleme, er hatte das öfter und deswegen hatte ich auch vorgeschlagen, nur einen kleinen Imbiss zu nehmen, doch John hatte auf einer richtigen Mahlzeit bestanden. Es war der letzte Abend unserer Reise und er wollte dies mit einem schönen Essen und Wein feiern.

Das Furchtbare ist, dass wir sein Fehlen erst am Morgen bemerkten. Da war es für eine Suchaktion bereits zu spät, obwohl sie es natürlich trotzdem noch versuchten. Niemand kann sagen, was genau passiert ist, aber er muss wohl über Bord gefallen sein.«

Ein Jahr später fuhr Granny wieder dorthin, um weiße Lilien ins Meer zu werfen. »Ich warf alle halbe Stunde eine hinein«, erzählte sie, »weil ich ja die genaue Stelle nicht kannte.«

Keinesfalls durfte Granny gegenüber das Thema Selbstmord erwähnt werden, warnte Mum ihre Töchter.

Dass dies damals als Möglichkeit in Betracht gezogen wurde, erschütterte Granny tiefer als Johns Tod selbst. Granny wusste, dass ihr Ehemann glücklich und absolut nicht suizidgefährdet gewesen war. »Er liebte uns«, pflegte sie zu sagen. »Vor allem Rose. Er betete sie an. Besonders nach dem, was mit Jamie passiert war. Er gab ihr die doppelte Portion Liebe und hätte sie nie freiwillig verlassen.«

Da Grandpa Tate Buchhalter gewesen war, hatte er alles geregelt und vorgesorgt – seine arg dezimierte Familie brauchte sich in nichts einzuschränken. Rose musste zwar ohne die Liebe ihres Vaters auskommen, doch materiell fehlte es ihr an nichts.

»Glaubt ihr denn nicht«, redete ihnen ihr Vater zu, »dass man durch solche Erfahrungen ein wenig besitzergreifend werden kann?«

Daisy und Jessie fiel es schwer, darauf zu antworten.

War Mum ihm gegenüber genauso besitzergreifend?

Mum und Dad hatten zwar eine Menge Freunde, aber Dad ging nie allein weg, um Golf oder Squash zu spielen wie andere Männer. Er war auch nicht der Typ, der abends auf ein Bier ins Pub ging. Mum und Dad verbrachten ihre Freizeit immer gemeinsam, und wenn der eine nicht gehen konnte, blieb auch der andere zu Hause, doch keinen der beiden schien das zu stören. So war es immer gewesen.

Manchmal musste Dad geschäftlich verreisen. Dann rief er Mum jeden Abend an. Sie wusste daher immer, wo er war und wann er zurückkam. Dad machte auch nie ein Geheimnis daraus, wie sehr ihn diese Reisen nervten, und wann immer es ging, nahm er Mum mit. Zurück kam er stets beladen mit Geschenken.

Alles, was Mum zu erledigen hatte, brachte sie während Dads Arbeitszeit über die Bühne. Die Abende oder Wochenenden hielt sie frei – auch von ihren Freundinnen. Mum ging nicht einmal ans Telefon, wenn eine Freundin nach sechs anrief, um zu plaudern. Ab sechs Uhr war sie nur noch für Dad da und sonst niemanden.

Daisy fand es merkwürdig, wie sehr Mum Dads Gesellschaft der aller anderer Menschen vorzog. War es nicht ab und zu weitaus lustiger, mit Freundinnen loszuziehen? Und wie machte man das – ab einer bestimmten Uhrzeit sämtliche Interessen zurückzustellen?

Man hätte meinen können, Rose und Michael müssten irgendwann genug voneinander haben.

Daisys Erfahrungen ließen sich in keinster Weise mit denen ihrer Eltern vergleichen. An der Uni war sie immer von einer Menge Leute umgeben. Man machte ständig alles gemeinsam und niemand schien das Bedürfnis nach einer festen Bindung zu einem Partner zu verspüren – niemand außer Daisy. Die nicht aufgab. Ihre Männer hatten durch die Bank die fatale Neigung, aus ihrem Bett zu hüpfen, um jemand am anderen Ende des Landes zu Hilfe zu eilen oder weiß der Geier was. Kein Mensch schien ein Gespür dafür zu haben, wonach sie sich wirklich sehnte.

Unglücklicherweise hatte auch ihr momentaner Partner, William, in dieser Hinsicht nicht dieselbe Wellenlänge wie sie. Als Kind geschiedener Eltern war er zusammen mit Stiefgeschwistern aufgewachsen, was jedoch keine Blessuren hinterlassen hatte, obwohl er nicht aufhörte, Daisy um ihre heile Familie zu beneiden.

»Nein, du musst auch die Nachteile sehen. Du romantisierst es, weil du es selbst nicht hattest«, widersprach ihm Daisy. »Es wäre perfekt, wenn da eins nicht wäre: dieses schreckliche Geglucke und Besitzergreifende meiner Mutter.«

»Du weißt ja gar nicht, was du für ein Glück hast«, meinte William nur dazu.

»Es nimmt einem die Luft zum Atmen. Versteh das doch.« William war meistens bei ihr, wenn Mum sie anrief und ihr mit diesen nervtötenden Einladungen kam. Er half Daisy sogar, sich Entschuldigungen auszudenken. Er bekam mit, wie anstrengend das war.

»Wie oft ruft mich meine Mum an?«, fragte er sie.

Daisy gab zu, dass das so gut wie nie geschah.

»Ja, und das liegt daran, dass es ihr viel lieber ist, wenn ich ihre Kreise nicht störe. Und nicht mit Graham streite. Und die Atmosphäre nicht so gespannt ist, weil ich mich mit seinen Kindern nicht verstehe.«

Doch Daisy hätte das vorgezogen.

William war extrovertiert, unabhängig und offener, was seine Gefühle betraf. Er hatte etwas von der Welt gesehen, war auf der Schauspielschule gewesen, hatte auf einer Schiffswerft gearbeitet und war Taxi gefahren. Er war sogar auf einem Greenpeace-Schiff mitgefahren. Und jetzt arbeitete er bei den Western Morning News als Chefreporter. »Das ist so ein Mutter-Tochter-Ding«, erklärte er. »Sie will dich nicht verlieren. Du bist ihre Freundin, zumindest denkt sie das. Sie weiß ja nicht, was du von ihr hältst.«

»Deiner Meinung nach verhalte ich mich nicht loyal ihr gegenüber, ist es das?«

Er überlegte kurz. »Ich finde, du unterschätzt, welche Vorteile es hat, eine liebende, fürsorgliche Mutter zu haben.«

Daisys Blick wurde stählern. »Für mich ist das keine Liebe. Für mich ist das ein Gefängnis.«

***

Sie waren auf der Fahrt nach Hause. Eine Einladung zum Mittagessen.

Die letzten drei Wochen hatten sie sich eine Ausrede nach der anderen einfallen lassen. Zusammen mit Jessie war Daisy zu dem Schluss gekommen, dass sie, wenn sie diesen Sonntag gingen, bis Venedig ihre Ruhe hatten.

»Und Granny ist sicher auch da.« Mit zwei Händen strich sie sich die Haare nach hinten, ihre langen, geraden, schwarzen Haare.

»Prima«, meinte William, »Granny ist klasse.«

»Sie ist eine unerträgliche alte Schreckschraube.«

»Ja, manchmal schon. Aber sie ist amüsant.«

»Finde ich nicht.«

William summte vor sich hin, während sie in seinem alten MG die Landstraße entlangfuhren. Seine braune Lederjacke rieb quietschend am Sitz, wenn er sich bewegte. Daisy musste an Snoopy denken.

»Es ist einfach nicht mehr so wie früher, als Baggins noch lebte.« Daisy blickte zum Fenster hinaus, als sie von der Hauptstraße abbogen in die Seitenstraßen, in denen sie vor vielen Jahren mit dem Hund spazieren lief. Sie war nur schwer über Baggins’ Tod hinweggekommen. Mum hatte beschlossen, ihn einschläfern zu lassen. Sie sagte, er sei müde, er habe genug vom Leben. Aber woher wollte Mum das wissen?

Es überraschte sie ein wenig, dass ihre Eltern keinen neuen Hund angeschafft hatten. Schließlich gibt ein Haustier dem Besitzer das Gefühl völliger Kontrolle und jetzt, da ihre beiden Töchter das Haus verlassen hatten, wäre das für Mum, diesen Mega-Kontrollfreak, eine gewisse Kompensation gewesen.

»Ich finde es irgendwie merkwürdig«, sinnierte William, »dass du immer an deiner Mutter herummeckerst. Warum tun Frauen das? Es ist Betrug an deinem Geschlecht. Du machst es. Deine Tochter wird es tun, und so wie ich das sehe, hat sich die arme Rose absolut nichts zu Schulden kommen lassen.« Nach einem letzten tiefen Zug zum Abschied warf er seine Zigarette aus dem Fenster. Die Redferns wussten nicht, dass er rauchte, daher bedeuteten die Besuche Stress für ihn. Wenn doch endlich Rose den Mut hätte, sich zu outen. Jeder wusste, dass sie heimlich rauchte, aber alle taten so, als hätte sie es aufgegeben.

»Das hat nichts mit Meckern zu tun.« Jetzt, da sie durch das vertraute Tor fuhren und die Reifen auf der Auffahrt knirschten, lenkte Daisy ein. »Ich liebe sie. Sie ist großartig und ich verdanke ihr viel, aber Mum ist nun mal ein Kontrollfreak und Dad macht alles noch schlimmer, weil er ständig nach ihrer Pfeife tanzt. Freiheit, so wie du sie kennst, war für Jessie und mich nie möglich. Sonst wären wir heute ganz andere Menschen, unabhängig und voller Selbstvertrauen. Du hast es geschafft. Mum hinderte uns daran, erwachsen zu werden, und dafür hasse ich sie manchmal.«

»My heart belongs to Daddy«, sang William und stellte den Motor ab. Ihre Blicke trafen sich. »Du bist eifersüchtig, stimmt’s?«, fragte er sie.

Daisy schnaubte verächtlich. »Wegen was?«

»Weil er sie so liebt. Und weil er ein solches Getue macht um Jessie.«

»Sei still, du Schuft.«

***

Jessie war bereits da.

Ihr Mini stand in der Auffahrt, mit offener Tür, das Innere übersät von Abfall – ein Stück Zellophan, eine leere Bonbontüte, ein paar alte Pommes und ein brauner Apfelbutzen.

Grannys Nissan in diesem ungesunden Hörgerätebeige war ordentlich abgestellt, wie immer an ihrem Platz neben der Mauer.

Mum, die anscheinend nach ihnen Ausschau gehalten hatte, während sie zwischen Küche und Terrasse hin- und herflitzte, kam mit umgebundener Schürze heraus, um sie zu begrüßen. Wie sie den Kopf schüttelte – ganz wie eine alte Frau. Es war doch nicht so lange her, seit Daisy sie zum letzten Mal gesehen hatte, aber irgendwie wirkte Mum ausgelaugt, ihre Wangen waren eingefallen und die Haut unter ihren Augen sah braun und faltig aus.

Älter.

Angegriffen.

In dieser Familie gab es ein paar Themen, die man besser nicht erwähnte, wie zum Beispiel die Menopause oder Dads betrügerischen Onkel, Jessies Phase der Ladendiebstähle und Uromas zehnjährige Unterbringung in der Nervenheilanstalt. Es mussten die Wechseljahre sein, die so an Mum zehrten. An manchen Tagen ging es ihr besser, an anderen schlechter. Doch sie klang munter, wie immer. »Daisy! Gott sei’s gepriesen. Lauf in den Garten und hol Michael, er soll dieses Ding wegstellen. Er wollte unbedingt noch einmal den Rasen mähen, bevor wir wegfahren, und jetzt ist er mit dem Rasentrimmer am Machen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen wegen seines Blutdrucks.«

»Warum? Hat er etwas gesagt?« Daisy war verwirrt. Sie hatte sich nie Gedanken gemacht über Dads Gesundheit, trotz des kleinen Schlaganfalls, der sie letztes Jahr alle so schockiert hatte. Er nahm regelmäßig seine Medizin, 75 mg Clopidogrel täglich. Der Arzt sagte, er sollte sein Leben so normal wie möglich weiterführen. In ihrer Vorstellung war ihr Vater nicht alt, keiner, der einen Gang zurückschalten sollte.

»Nein, aber…«

»Geht es ihm nicht gut?«

»Er hat es nicht direkt gesagt…«

»Aber Dad hat seit Jahren hohen Blutdruck. Warum machst du dir jetzt plötzlich Sorgen?«

»Er sieht in letzter Zeit so müde aus, das ist alles«, erklärte ihre Mutter und gab Daisy einen Willkommenskuss. William klopfte sie auf die noch immer heiße Lederjacke.