Ein Weihnachtsmärchen in Montana - Lisa Jackson - E-Book
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Ein Weihnachtsmärchen in Montana E-Book

Lisa Jackson

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Beschreibung

Ausgerechnet in Montana, das Chase nach einer Tragödie verließ, muss er nun die Feiertage verbringen. Doch als er die hochschwangere Lesley aus dem Schneesturm rettet, scheint ein Weihnachtswunder möglich.

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Seitenzahl: 156

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Lisa Jackson

Ein Weihnachtsmärchenin Montana

Roman

Aus dem Amerikanischen vonSonja Sajlo-Lucich

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Angel Baby

Copyright © 1998 by Lisa Jackson

erschienen bei: Silhouette Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises, Toronto

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Redaktion: Maya Gause

Titelabbildung: Harlequin Books S.A.

ISBN eBook 978-3-95649-991-3

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

PROLOG

DezemberMinneapolis, Minnesota

I’m dreaming of a White Christmas …“

Über dem Klingen der Kristallgläser, dem perlenden Lachen und den angeregten Gesprächen auf der Feier in der Firmenzentrale der Fortune Corporation war die Stimme der Sängerin nur noch schwach zu hören.

Chase Fortune beobachtete das festliche Treiben mit zynisch verzogenem Mund. Er war hier so fehl am Platze wie ein Ackergaul in Churchill Downs auf dem Kentucky Derby, aber im Moment war das eben nicht zu ändern.

Er trank einen Schluck aus der langstieligen Champagnerflöte und wünschte, er wäre überall anders, nur nicht hier auf der Geburtstagsparty zum achtzigsten Geburtstag seiner Großtante Kate, mitten im Herzen Amerikas.

Ein gut sechs Meter hoher Weihnachtsbaum, geschmückt mit unzähligen funkelnden Lichtern und festlichen roten Seidenschleifen, stand in der Mitte des Saals, während die Eisstatue bei der Tür, ein Engel mit Harfe und Flügeln und Heiligenschein, langsam zu schmelzen begann. Angestellte glichen die Namen auf den Einladungskarten mit denen auf der Gästeliste ab.

Das Ganze war ein Witz.

Chase zerrte am Kragen seines Smokinghemds, das ihn einzuengen schien, und stürzte dann den Rest Champagner hinunter. In dem großen Raum mit der hohen Decke tummelten sich die Verwandten, die er schon sein ganzes Leben kannte. Sie hatten sich in Schale geworfen und teure Geschenke mitgebracht – die alle für einen wohltätigen Zweck gespendet werden würden –, um Kate Fortune, der couragierten, eleganten Matriarchin seiner Familie die Ehre zu erweisen.

Was würde er jetzt nicht für ein eiskaltes Bier, seine staubigen Cowboystiefel und eine volle, verqualmte Bar geben, in der man auf dem Fernseher das Basketballspiel schauen oder sich fluchend über die Rinderpreise ereifern konnte. Alles untermalt von Musik von Garth Brooks oder Waylon Jennings, die aus den Lautsprechern an der Wand ertönte.

Stattdessen war er hier in der Stadt, sah den Regen an den Fensterscheiben herunterlaufen und konnte die Abneigung seiner Schwester Delia förmlich bis hierher spüren. Schon vor Langem hatten sie sich entfremdet, und auch hier unternahm Delia eine ganz bewusste Anstrengung, ihm aus dem Weg zu gehen. Nicht, dass es ihn auch nur einen Deut stören würde.

„Happy Birthday to you …“

Damit gelang es der großen, gertenschlanken Sängerin in dem eng anliegenden goldenen Kleid, die auf dem dunklen Haar eine neckisch schief sitzende Nikolausmütze trug, endlich die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zu ziehen. Die Menge fiel in den Song mit ein, und Kate Fortune, der man auf die leicht erhöhte Bühne geholfen hatte, lächelte der Menge aus ihren hellwach leuchtenden blauen Augen zu – trotz ihrer Lebensjahre, deren Anzahl sie eigentlich in die Gruppe der „Älteren“ katapultiert hatte. Rüstig und elegant, wie sie war, lachte sie herzlich, als das Lied verklang, hielt eine kleine Rede und nahm Hände schüttelnd die Glückwünsche entgegen, umarmte Kinder und Enkel und aus welchen Nachzüglern auch immer ihre ausgedehnte Familie noch bestand.

Chase gehörte zu der letzten Kategorie. Während der Rest der Fortune-Familie wie eine Herde zusammenrückte, war er das mutterlose Kalb, der raubeinige Streuner. Freiheitsliebend und nicht bereit, konform mit dem zu gehen, was der Rest der Fortunes als das Beste ansah. Mit der Kosmetikfirma, Aktienpaketen, Unternehmenskonglomeraten und Firmenzusammenschlüssen konnte er nichts anfangen.

Und warum, zum Teufel, bin ich dann hier, wenn mich das alles nicht interessiert?

Er stellte das leere Glas auf einem silbernen Tablett ab, griff sich ein neues und stieß mit der Schulter eine der hohen Flügeltüren auf, die auf die überdachte Terrasse hinausführten. Die Luft war frisch und kalt, es roch nach Regen. Zwei Stockwerke tiefer fuhren Autos über die nassen Straßen und spritzten Pfützen auf. Das Brummen der Motoren war bis hier herauf zu hören, die Lichter der Stadt strahlten hell in der Dunkelheit, verliehen der Nacht eine festliche Atmosphäre. Unten an der Straßenecke läuteten ehrenamtliche Helfer mit Glocken und baten um Spenden.

„Habe ich doch richtig gesehen, dass du dich hier nach draußen verzogen hast.“

Überrascht wandte er sich um. Seine Großtante, eine Nerzstola um die Schultern, war nach draußen gekommen.

„Ich dachte mir schon, dass es da drinnen ein wenig zu eng für dich ist.“ Sie drehte den Kopf zur Tür, die sie hinter sich geschlossen hatte, und schaute in den überfüllten Saal, wo die Party in vollem Gange war.

„Ein bisschen vielleicht schon, ja.“ Er lächelte seine Tante an. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Kate.“

„In meinem Alter ist jeder Geburtstag ein besonderer Geburtstag, glaube mir“, erwiderte sie leise lachend. „Wer weiß? Es könnte ja der letzte sein.“

Das glaubte Chase keine Sekunde lang. Mit ihrer Lebensfreude und Energie würde sie wahrscheinlich noch die meisten ihrer Kinder und ein paar von ihren Enkeln überleben. „Das bezweifle ich.“

„So?“ Sie schritt zur Balustrade am Ende der Terrasse und blickte zu den Wolkenkratzern auf. Nieselregen fiel auf ihr Gesicht, sie blinzelte.

„Wie ist es dir gelungen, der Menge da drinnen zu entfliehen?“

„Oh, mit dem Alter erhält man auch gewisse Privilegien.“ Sie wandte sich zu ihm um. „Außerdem habe ich Sterling und Jake gesagt, dass ich nicht ständig behelligt werden will.“ Sterling Foster war Kates Mann und Anwalt, einer der wenigen, die wussten, dass Kate vor acht Jahren einen Flugzeugabsturz überlebt hatte, als jemand einen Anschlag auf sie verübt hatte. Jake war ihr ältester Sohn. „Außerdem wollte ich ein paar Minuten mit dir allein haben.“ Sie wurde ernst. „Ich habe dir nämlich ein Angebot zu unterbreiten.“

„Hört sich irgendwie riskant an“, witzelte er.

„Möglich.“ Wieder lachte sie leise. „Du hast den gleichen Humor wie dein Vater.“

„Mir ist nie aufgefallen, dass er Sinn für Humor hätte.“ Chase hatte nicht vor, in die Falle zu tappen und sich einreden zu lassen, er hätte auch nur die geringste Ähnlichkeit mit seinem alten Herrn. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte Zeke Fortune alles gehabt – eine liebevolle Ehefrau, Kinder, die zu ihm aufschauten, ein gut gefülltes Konto und die verdammt beste Ranch in ganz West-Montana. Doch irgendwie war es ihm durch ein Zusammentreffen von schlechtem Timing, schlichtem Pech und einem wirklich miserablen Urteilsvermögen tatsächlich gelungen, sich all dies nehmen zu lassen. Und wenn Chase eines in seinem Leben nie wieder sein würde, dann ein Verlierer. Er hatte bereits genug verloren, mehr, als die anderen ahnten.

„Oh, Zeke besaß sogar einen ganz wunderbaren Humor.“ Kate seufzte bedrückt. „Aber dann hat das Leben ihm den Humor geraubt. Lass nicht zu, dass dir das Gleiche widerfährt, Chase.“

Es behagte ihm nicht, an seinen alten Herrn zu denken – oder an seine ganz persönliche Hölle. „Du erwähntest etwas von einem Angebot.“

„Mmm.“ Mit beiden Händen stützte sie sich auf die Balustradenmauer. Es schien ihr nichts auszumachen, dass der Wind an ihrer Frisur zerrte. „Eigentlich ist es ein ganz gradliniger Handel. Du weißt doch, dass ich vor ein paar Jahren schon für tot gehalten wurde. Und da jeder dachte, ich wäre bereits in die himmlischen Gefilde im Jenseits aufgefahren, hielt ich es für den passenden Zeitpunkt, die Erbanteile unter den Familienmitgliedern zu verteilen.“

Chase nickte. „Ja, ich erinnere mich noch.“

„Ich finde, es hat sich gut gefügt“, meinte sie nachdenklich. „Zum Beispiel habe ich meinem Enkel Kyle, wenn du dich entsinnst, eine ziemlich große Ranch in Wyoming überlassen. Natürlich gab es dabei einen Haken – er musste ein halbes Jahr auf der Ranch leben, bevor sie ihm richtig gehörte. Ich bin sicher, dass er mich mehr als ein Mal heimlich verflucht hat. Immerhin ist er ein Stadtmensch, und ich habe ihn damit gezwungen, seinen Lebensstil zu ändern. Doch es hat funktioniert.“

Ja, Chase konnte sich noch gut erinnern, und wenn er ehrlich war, dann musste er zugeben, dass der Neid damals an ihm genagt hatte, nachdem er gehört hatte, dass sein Playboy-Verwandter die riesige Ranch geerbt hatte. Allerdings hatte er damals eigene Probleme um die Ohren gehabt. Um sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen, gab er sich ungerührt und schob die Hände in die Hosentaschen. „Und was hat das jetzt alles mit mir zu tun?“

„Ich möchte dir etwas Ähnliches vorschlagen.“

Die Muskeln in seinem Nacken verspannten sich unwillkürlich, wie immer, wenn er ahnte, dass Ärger aufzog. „Was ist das für eine Art Vorschlag?“ Er selbst konnte das Misstrauen in seiner Stimme wahrnehmen.

„Sieh mich nicht so finster an, es gibt keinen Haken. Vertrau mir. Ich habe da eine neue Ranch in West-Montana, eine, die leider erhebliche Hilfe braucht, um wieder auf die Beine zu kommen.“ Sie rieb die Hände aneinander, massierte sich die Fingerknöchel. „Es versteht sich wohl von selbst, dass ich nicht mehr in der Lage bin, das selbst zu übernehmen, und du bist derjenige in der Familie, dem es wohl am ehesten gelingen kann. Erstens fällt das in dein Metier, und, wie der Zufall es will, liegt sie gleich bei dir um die Ecke.“

Chase glaubte nicht an Zufälle, aber das würde er jetzt nicht erwähnen.

„Also, es schaut folgendermaßen aus, Chase … Du hast ein Jahr, um die Ranch aus den roten Zahlen herauszuholen, die sie schon länger schreibt, und endlich Gewinn einzufahren. Wenn du das bis nächstes Jahr Weihnachten schaffst, gehört die Ranch und alles, was damit zusammenhängt, dir. Falls nicht … nun, dann musst du die Sache eben aufgeben.“

Er traute seinen Ohren nicht. Doch Kate, verflucht sollte sie sein, musterte ihn mit der Intensität einer echten Fortune. Diese kleine drahtige Frau war hart wie Stahl und zäh wie Leder. Sie hatte ihm den Köder hingeworfen, wohl wissend, dass er sofort danach schnappen würde. „Ist das dein Ernst?“

„Es ist mir todernst.“

Skeptisch kniff er die Augen zusammen, aber er konnte nicht den Hauch von Hintergedanken oder Täuschung in ihren Zügen erkennen – nur die Entschlossenheit, das Durchhaltevermögen und die Courage, die so typisch für die Einwohner von Minnesota war.

„Die Ranch wurde mir als Zahlung für alte Schulden überlassen. Und du, Chase, hast nun die Chance, sie zu deiner zu machen. Also, was hältst du davon?“

Er wollte antworten, doch in diesem Moment wurden die Flügeltüren von innen geöffnet. Eine Frau, das blonde Haar zu einem französischen Zopf geflochten, mit hellblauen Augen und ernster Miene, sah Kate eindringlich an. „Entschuldigen Sie die Störung, Miss Fortune, aber da sind ein paar Reporter, die mit Ihnen zu sprechen wünschen.“

Seufzend strich sich Kate mit der Hand über die Haare. „Ich komme gleich, Kelly. Meinen Großneffen Chase kennen Sie noch nicht, oder? Chase, das ist Kelly Sinclair, meine persönliche Sekretärin und Mädchen für alles.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, meinte Kelly verhalten lächelnd.

„Ebenfalls.“

Kate schlang sich die Pelzstola enger um die Schultern. „Ich komme gleich. Ich brauche nur noch ein paar Minuten.“

„Natürlich. So lange halte ich sie hin.“ Kelly zwinkerte Kate zu, bevor sie sich wieder ins Innere des Saales zurückzog.

Kate wandte sich wieder Chase zu. Trotz der Falten um Mund und Augen war sie noch immer eine faszinierende Frau. Sie zog eine Augenbraue in die Höhe. „Die Pflicht ruft, fürchte ich.“ Sie neigte den Kopf leicht zur Seite, musterte ihren Großneffen, als würde sie herausfinden wollen, aus welchem Holz er geschnitzt war. Unten auf der Straße ertönte eine Hupe, und aus dem Saal drang die Melodie von „Silver Bells“ bis auf die Terrasse. „Nun, Chase, wie lautet deine Antwort? Haben wir eine Abmachung?“

Darüber brauchte er gar nicht lange nachzudenken. Sein ganzes Leben schon arbeitete er darauf hin, irgendwann seine eigene Ranch zu besitzen, und dieses Angebot hier, wenn es denn tatsächlich ernst gemeint war, bot ihm eine einmalige Chance. Zudem war das Timing perfekt, kam genau zu dem Zeitpunkt, an dem er sich am Scheideweg befand. „Und ob, Ma’am.“ Er dehnte die Worte betont. „Ich wäre ja schön dumm, ein solches Angebot auszuschlagen.“ Um seine Zelte abzubrechen und weiterzuziehen, brauchte er nie lange. Von Fesseln gleich welcher Art ließ er sich nicht halten.

„Gut.“ Sie wirkte erleichtert. „Sterling hat den Vertrag schon dabei. Ich hielt es für besser, wenn wir es offiziell machen.“

„Danke.“ Er streckte ihr die Hand hin.

„Danke mir nicht zu früh, Chase.“ Sie legte ihre Finger in seine Hand, das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. „Da gibt es noch etwas, das du wissen solltest.“

Jetzt kommt’s. Es war ja auch zu schön, um wahr zu sein. Jetzt kommt das dicke Ende. Der Haken. „Nämlich?“

Sie nahm ihre Hand zurück und schritt auf die Tür zu, blieb noch einmal stehen und schaute ihn über ihre Schulter an, verlieh der ganzen Situation noch mehr Dramatik. „Bei dem Objekt handelt es sich um die alte Waterman-Ranch in Larkspur.“

Chases Magen verkrampfte sich. Er hielt sein leeres Glas so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervorstachen.

„Sie grenzt an …“

„Dads Land.“ Dutzende von alten Erinnerungen, lange verblichen, erwachten erneut. Heiße Sommertage beim Heuwenden. Der alte Traktor, der schwarze Abgaswolken in den strahlend blauen Himmel schickte. Seine Mutter, die immer darauf bestand, dass vor jedem Essen gebetet wurde. Gestärkte Hemden am Sonntag. Das Lachen seines Zwillingsbruders Chet, der an dem dicken Seil schaukelte, bevor er sich mit Triumphgeheul in den kalten Teich fallen ließ. Der verkrüppelte alte Hund mit dem struppigen grauen Fell, der auf den Namen Beau hörte. Chase hatte das Gefühl, Sand im Mund zu haben, als er die Bilder vor sich sah, wie alles Vertraute, auf das er sich verlassen hatte, und jeder Mensch, den er geliebt hatte, aus seinem Leben verschwunden war. Einschließlich seiner Frau und seinem Kind.

„Chase?“ Kate lächelte nicht mehr. Ernst sah sie zu ihm hin, während der Regen unablässig auf die Stadt fiel. „Wenn du meinst, dass es zu viel für dich ist …“

Sein Kopf ruckte hoch, fest schaute er sie an. „Ich mach’s“, sagte er sofort, ohne auch nur einen Moment zu zögern. Er würde also mit einer ganzen Wagenladung von Erinnerungen fertigwerden und sich der Tatsache stellen müssen, dass jeder, dem er vertraut hatte, ihn im Stich gelassen hatte … na und?

Seit Jahren wollte er seine eigene Ranch haben. Die Möglichkeit haben zu beweisen, dass er es besser konnte als sein alter Herr. Dass er, Chase Fortune, es allein schaffte. Er brauchte sich nicht auf seinen Familiennamen zu verlassen, um Erfolg zu haben. Kates Angebot war eine einmalige Chance. Und überhaupt … was hatte er schon zu verlieren? Nichts. Absolut nichts.

Er hielt die Tür auf und begleitete Kate in den Saal zurück. „Zeig mir einfach, wo ich unterschreiben muss.“

1. KAPITEL

Der Schneesturm, der über uns hinwegfegt, wird der schlimmste seit zwanzig Jahren, und das will was heißen, schließlich haben wir mehr als unseren fairen Anteil an Schneestürmen gehabt, nicht wahr? Der Strom wird vorsorglich abgeschaltet werden, die Straßen ab Helena West sind gesperrt. Also bleibt zu Hause, Leute, setzt euch Heiligabend vor das knisternde Kaminfeuer, gönnt euch einen Festtagsdrink, und hört weiter unser …“

Rauschen verschluckte den Rest dessen, was immer der Moderator noch sagte. Ein paar schwache Töne eines Country-Weihnachtsliedes drangen noch durch, dann nichts mehr. Entnervt schaltete Chase das kleine batteriebetriebene Radio ab.

Na, dann fröhliche Weihnachten, dachte er sarkastisch. Immerhin war die Hütte warm und schien auch größtenteils wetterfest. Am einen Ende des kleinen Cottages verströmte ein Holzofen Wärme aus der Kochnische, während das Feuer in dem aus Flusssteinen gemauerten offenen Kamin den Wohnraum beheizte. Außer ein paar Rissen in den Stämmen der Blockhüttenwände und einigen fehlenden Schindeln auf dem Dach war sein neues Heim am Fuße der Bitterroot Mountains so weit ganz gemütlich. Sturmlampen standen auf dem Kaminsims, und das Hirschgeweih über der Tür hatte er mit Tannen- und Mistelzweigen dekoriert. Das war Chases einziges Zugeständnis an die festliche Jahreszeit.

Sein Hund, ein nicht mehr ganz junger Mischling, dessen einst schwarze Schnurrbarthaare inzwischen grau geworden waren, hob auf Chases Rufen den Kopf.

„Komm, lass uns gehen, Rambo.“ Chase zog Handschuhe und seine Daunenjacke über. „Füttern wir die Rinder, solange wir noch können.“

Ein Mal mit dem Schwanz auf den Boden geklopft, ein leises „Wuff“ als Antwort, dann richtete der alte Hund sich auf seine arthritischen Pfoten auf.

Auf der hinteren Veranda zog Chase seine schweren Arbeitsstiefel an, setzte sich den Hut auf den Kopf, griff nach der Schaufel und lief in Richtung Scheune. Die seine Scheune werden würde, wenn es ihm innerhalb des nächsten Jahres gelang, die heruntergewirtschaftete Ranch in Montana in ein profitables Unternehmen zu verwandeln. Rambo rannte voraus, während der Schnee unablässig fiel. Eisige Flocken stachen in Chases Wangen, legten sich über Landschaft und Gebäude. Chase sorgte sich. Der Großteil seiner besten Tiere war sicher in den Stallungen und auf den Weiden in der Nähe des Wohnhauses untergebracht. Doch es gab noch genügend Vieh, das sich irgendwo auf dem zwanzigtausend Hektar umfassenden Land herumtrieb, welches sich bis in die umliegenden Hügel hinauf erstreckte bis hinunter zur Nachbarranch, auf der er aufgewachsen war. Mit zusammengekniffenen Augen sah er Richtung Norden, ob er das Haus der angrenzenden Ranch vielleicht durch den Schneesturm würde sehen können. Unmöglich. Er konnte ja kaum die Hand vor den Augen erkennen, geschweige denn ein Gebäude, das eine gute Viertelmeile entfernt war.

Durch den knietiefen Schnee bahnte er sich seinen Weg zum Stall. Eiszapfen hingen von den Regenrinnen, und das alte Rolltor war fast schon festgefroren.

Die Tiere im Stall waren unruhig. Im Licht der mit Notstrom betriebenen großen Lampe verteilte Chase Heu und Futter in die Krippen, füllte dann die Wassertröge nach. Zum Glück waren die Wasserrohre anständig isoliert gewesen, und er ließ die Wasserzufuhr so weit aufgedreht, dass es konstant tröpfelte, um ein Einfrieren zu verhindern.

Vom Stall aus stapfte er zu dem Unterstand weiter, ein riesiges Dach auf Holzpfählen, die einem Teil der Herde draußen Unterschlupf bot. Danach machte er sich mit Rambo an seiner Seite auf zu dem Stall, in dem die wenigen Pferde untergebracht waren. Der Geruch nach Hafer, Staub und Pferden begrüßte ihn, sobald er das Tor aufstieß. Die Tiere in ihren Boxen tänzelten und schnaubten, stellten die Ohren auf und beobachteten ihn neugierig mit schimmernden großen Augen, während er Heu verteilte.

Als er die letzte Schippe Hafer in die Tröge gab, trottete Rambo zum Tor und bellte leise. Der alte Hund stellte die Ohren auf und begann winselnd an der Tür zu kratzen.