EIN ZOMBIE KOMMT SELTEN ALLEIN - Rich Restucci - E-Book

EIN ZOMBIE KOMMT SELTEN ALLEIN E-Book

Rich Restucci

5,0

Beschreibung

Ein Ex-Sträfling mit großer Klappe, eine schießwütige Teenagerin und ein blitzgescheiter Hüne stolpern in eine Zombieapokalypse … Unverhofft aus einem Gefangenentransporter entlassen zu werden, ist an sich eine gute Sache. Dumm nur, wenn der Grund dafür Horden geistloser, blutrünstiger Zombies sind. Diese haben die ganze Welt in ein Irrenhaus verwandelt, in dem es nur noch ums Überleben geht. Aber wer sagt, dass man das ganze Elend nicht auch mit Humor nehmen kann? Vor allem, wenn der Protagonist schneller mit Pointen um sich schießt als das beste Maschinengewehr …

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Seitenzahl: 405

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EIN ZOMBIE KOMMT SELTEN ALLEIN

Rich Restucci

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com Title: CHAOS THEORY. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2014. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

Für meinen Bruder. Du wirst schmerzlich vermisst …

Impressum

überarbeitete Ausgabe Originaltitel: CHAOS THEORY Copyright Gesamtausgabe © 2024 LUZIFER Verlag Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert Übersetzung: Jaqueline Schiesser Lektorat: Astrid Pfister

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2024) lektoriert.

ISBN E-Book: 978-3-95835-558-3

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Inhaltsverzeichnis

EIN ZOMBIE KOMMT SELTEN ALLEIN
Impressum
Ich muss was loswerden
Hungrige Hippos
Trailer Trash
Blut im Schnee
Hier gibt es Riesen
Rednecks
Zuflucht
Häusliche Probleme
Lauf!
Kat hat’s drauf
Flucht
Bröckelnde Mauern
Ein weiter Weg
Außerhalb von Arlo
Ships Protokoll
Nachwirkungen und Verlust
Keesler – absolut keine Zombies
Texas Hold ‘em
Fünf-Sterne-Unterkunft
Die Nacht der lebenden Toten
Der Don der Toten
Zu den Booten!
Haltet ein, Matrosen!
Die Atlantis
Ein Schiff voller Narren
Getrennte Wege
Ein Magnet für Scheiße
Danksagungen
Über den Autor

F steht für Feuer, das wütet und lodert. U steht für unfairen Kampf! N steht für nukleares Waffenarsenal, mit dem …

 

Der FUN-Song, in der Version von Plankton, bevor SpongeBob ihn unhöflicherweise unterbricht.

 

 

Ich muss was loswerden

Es gibt noch eine Regierung. Das ist nichts, was ich denke oder glaube, das ist etwas, was ich weiß.

Ich weiß es, weil sie mich wollen, und zwar dringend. Nicht etwa, weil ich jemanden von besonderer Bedeutung getötet hätte oder weil ich im Besitz irgendwelcher Codes wäre, die man für den Start nuklearer Waffen bräuchte, oder weil ich über eine voll ausgestattete Unterwasserbasis verfügen würde. Ich habe weder ein Heilmittel noch einen Impfstoff entdeckt.

Es geht ihnen nicht darum, wer ich bin, sondern darum, was ich bin.

Ich bin der Impfstoff!

Irgendjemand muss das erfahren, und das ist auch der Grund, warum ich es hier auf diesen Seiten festhalte.

Es geschah ganz am Anfang, als die Menschen noch kämpften, anstatt sich zu verstecken. Ich bin in einer Kolonne von Fahrzeugen in einem Gefängnisbus auf irgendwelchen Nebenstraßen von New Hampshire gereist. Es waren nicht sie, die uns angriffen, sondern welche von uns. Es war eine andere Gruppe von Überlebenden mit Waffen und Fahrzeugen, die unbedingt auch noch unsere Waffen und Fahrzeuge wollten.

Kugeln flogen und Menschen starben. Die Angreifer zogen sich wieder zurück, als sie feststellten, dass wir uns nicht einfach hinlegten und starben, sodass sie sich an unserer Ausrüstung bedienen konnten. Okay, manche von uns legten sich tatsächlich hin und starben, allerdings taten sie das nicht absichtlich … und leider blieben sie auch nicht unten. Innerhalb kürzester Zeit standen sie wieder auf und versuchten, einfach jeden um sich herum zu töten, egal ob Angreifer oder Verteidiger. Wir verfügten über wirklich gute Waffen und deshalb konnten wir die bösen Jungs in die Flucht schlagen. Unsere Gruppe bestand aus Gefängniswärtern, Polizisten mit ihren Familien, dem Gefängnisarzt und natürlich uns Gefangenen. Vierzehn Insassen, die von den Wärtern aus ihren Zellen gelassen worden waren, als wir randaliert hatten. Natürlich hatten sie nicht alle von uns aufgenommen, sondern nur diejenigen, die in ihren Augen das Potenzial hatten, zu helfen, und die ihre Familien nicht töten würden.

Ja, ich war ein Gefangener, und eigentlich hätte ich noch fast zwei von insgesamt vier Jahren verbüßen müssen. Was ich angestellt habe, ist unwichtig, denn es geschah in einem anderen Leben in einer anderen Welt.

Drei unserer sieben Fahrzeuge, der Bus eingeschlossen, waren nach dem Angriff nicht mehr zu gebrauchen, aber immerhin hatten wir im Gegenzug zwei Geländewagen unserer Angreifer plündern können. Ich war gerade dabei, einen Ford F150 SuperCap auseinanderzunehmen, weil ich prüfen wollte, ob ich den Kühler vielleicht für ein drittes Fahrzeug verwenden könnte, als plötzlich eine blutige Hand unter dem Fahrzeug hervorschnellte und nach meinem Bein griff. Ich hatte nicht damit gerechnet und da es, wie bereits erwähnt, ganz am Anfang geschah, war ich auch noch nicht daran gewöhnt, dass mich plötzlich etwas packte.

Ich sah nach unten und eine zweite Hand griff jetzt nach meinem Bein. Die Hände zogen, doch anstatt zu versuchen, mich unter den Wagen zu zerren, versuchte das Ding, sich selbst darunter hervorzuziehen. Wie ihr sicher wisst, sind diese Dinger verdammt schnell, wenn sie nahe genug an einem dran sind, aber dieser spezielle Angriff spielte sich praktisch in Zeitlupe ab. Ich kann mich noch so genau daran erinnern, als wäre es gestern gewesen und nicht vor fast einem Jahr.

Der Mann, der, wie ich später herausfinden sollte, von Handfeuerwaffen durchlöchert worden war, brachte seinen Mund an mein Bein. Er schien mich allerdings nicht einfach nur beißen zu wollen, wie sie es sonst immer tun, sondern er bäumte sich mit geöffnetem Mund auf. An das Aufbäumen erinnere ich mich noch gut, weil er sich dabei den Schädel an der Stoßstange des F150 anstieß und das einen Schlag gab, von dem ich mir dachte, dass er ziemlich schmerzhaft gewesen sein musste. Ich fand das Ganze ziemlich lustig … solange, bis er mich biss.

Sein Gesicht schnellte nach vorn, sein Kiefer presste sich auf mein Bein und dann biss er zu, und zwar fest. Als Insasse hatte ich laut Gefängnisordnung zu jeder Zeit Denim-Jeans zu tragen. Der Typ biss einfach direkt durch den Stoff in mein Bein. Nicht in den fleischigen Part, sondern vorn, irgendwo zwischen Schienbein und Wadenmuskel. Was ja letzten Endes auch ganz egal ist, jedenfalls tat es scheiße weh. Ich schrie und wollte reflexartig nach hinten ausweichen, doch dieser tote Hurensohn ließ einfach nicht los. Er hatte sich wie eine Schnappschildkröte auf mich gestürzt und sich festgesaugt wie eine Zecke. Die Jeans schien ihm jedoch ein paar Schwierigkeiten zu bereiten, da er nicht einfach ein großes Stück von mir abbiss, als wäre ich ein Cheeseburger, sondern stattdessen einfach weiter an mir nagte und ich fiel schließlich auf meinen Hintern. Einer der Polizisten hörte meinen Schrei und lief zu mir herüber. Er schoss dem Kerl in den Rücken, was jedoch keinerlei Wirkung zeigte, weshalb er ihm schließlich mit seiner Waffe eins überzog.

Daraufhin ließ der Typ mich endlich los und ich krabbelte hektisch von ihm weg wie ein Krebs. Der Typ hingegen kroch nun auf den Polizisten zu und dieser durchlöcherte ihm den Schädel. Daran erinnere ich mich auch noch gut, weil sein Schädel dabei noch einmal gegen die Stoßstange stieß und genau dasselbe Schlaggeräusch verursachte wie zuvor.

In diesem Moment kamen sie dann alle angelaufen. Ob sie helfen oder einfach nur gaffen wollten, werde ich nie mit Sicherheit wissen. Der Polizist griff jetzt nach unten, um mir auf die Füße zu helfen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne, als er mein blutiges Bein entdeckte.

Dann zielte er plötzlich mit seiner Waffe auf mich und rief nach dem Arzt, der aber bereits neben ihm stand. Der Doktor zog blaue Handschuhe über und schaute sich meine Wunde genau an. Ich werde weder diese Handschuhe noch den Ausdruck auf seinem Gesicht, als er mir danach in die Augen sah, jemals vergessen. Sein Gesicht sagte mir alles; es war eine Mischung aus trauriger Abscheu und Hilflosigkeit.

Infiziert!

Er stand auf und flüsterte dem Polizisten etwas zu, der daraufhin mit demselben Gesichtsausdruck nickte. Ich sah zu den Leuten hinüber, die um mich herumstanden und auf mich herabblickten. Mütter, Ehefrauen, Kinder, Polizisten und meine ehemaligen Zellengenossen. Die meisten von ihnen hatten denselben Blick drauf, doch bei anderen sah ich auch Erleichterung. Ob das daran lag, dass ich nur ein Gefängnisinsasse war und sterben würde oder weil es dann ein Maul weniger zu stopfen geben würde, weiß ich nicht. Auf jeden Fall war ich tot und alle wussten es.

Ich zog mein Hosenbein vorsichtig nach oben und betrachtete die Wunde. Es gab einen fast kreisförmigen Biss, um den herum sich die Haut bereits zu verfärben anfing. Da war auch ein bisschen Blut, allerdings nicht sehr viel. Dennoch hatte der Tote definitiv meine Haut verletzt.

Es ist faszinierend, wie man dazu tendiert, das eigene Verderben einfach wegzurationalisieren. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass es lediglich ein kleiner Biss sei, der doch kaum durch die Haut gedrungen war. Vielleicht hatte die Jeans ja verhindert, dass der Tote seinen Tod auf mich hatte übertragen können. Vielleicht war er ja auch gar nicht mit diesem Zeug infiziert gewesen, sondern hatte etwas ganz anderes gehabt. Innerhalb einer Nanosekunde spielten sich noch hundert andere Varianten vor meinem geistigen Auge ab, wie ich doch noch unbehelligt aus dieser Misere kommen würde, doch die Waffe, die auf mein Gesicht gerichtet war, holte mich abrupt wieder zurück in die Realität.

Der Polizist sagte, dass ich infiziert sei. Ich saß da und spielte die einzige Karte aus, die mir den unvermeidlichen Bleikopfschmerz ersparen würde. Ich sagte dem Polizisten, dass ich der Einzige sei, der den Geländewagen reparieren könnte.

Und genau das tat ich auch. Ich reparierte das Ding, wie noch nie zuvor irgendwas repariert worden war.

Als das Baby dann schnurrte wie ein Kätzchen, das mit süßer Sahne gefüttert worden war, forderte mich der Polizist auf, der seine Waffe mittlerweile weggesteckt hatte, ihm zu folgen. Er und ein anderer Typ, ein Insasse namens Dave oder Don oder Dan … irgendwas mit D, ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern, brachten mich schließlich hinter einen Schuppen, der ein bisschen an ein Gartenhäuschen erinnerte. Ich weiß noch, dass eine graue Antenne und ein paar Solarzellen darauf angebracht waren. Ich kann mich zwar nicht mehr an den Namen des Verurteilten erinnern, aber an die blauen Solarzellen mit den weißen Punkten, an die erinnere ich mich noch verdammt gut. Sie brachten mich hinter den Schuppen und der Polizist sagte mir, dass es für alle das Beste wäre, wenn er mich jetzt erschießen würde. Immerhin erhole sich niemand mehr von dieser Sache, es sei eine schreckliche Art zu sterben, ich würde die Zahl des Feindes nur erhöhen … bla, bla, bla.

Ich erwiderte, dass ich jede verdammte Sekunde, die mir noch blieb, nutzen wollte und er meinte, dass er das durchaus verstehen würde, dass ich dann allerdings nicht bei ihnen bleiben könnte. Immerhin war ich infiziert und damit nicht einfach nur eine Bürde, sondern ein potenzielles Desaster.

Ich war also jetzt ein Desaster, einfach nur, weil ich einem Toten zu nahegekommen war. Es war unfair, aber mir blieb nur eine einzige Möglichkeit: Ich stimmte ihm zu. Ich sagte ihm, dass ich allein sein wolle, und der Polizist, den ich, warum auch immer, vor dem Morgen, an dem sie uns aus den Zellen gelassen hatten, nie zuvor gesehen hatte, gab mir etwas zu essen und Wasser mit auf den Weg. Außerdem bedankte er sich bei mir und sagte, dass es ihm leidtäte.

Ein anderer Wärter, dessen Kind ich zuvor vor einem dieser Dinger gerettet hatte, als wir eine Pinkelpause eingelegt hatten, versprach mir, er würde etwa eine halbe Meile von hier entfernt eine Waffe und etwas Munition für mich deponieren. Da die Gefahr bestand, dass ich damit direkt jemanden erschießen würde, wollte er mir die Waffe nicht sofort anvertrauen. Immerhin war ich ein Knacki und kann nicht behaupten, dass der Gedanke sonderlich abwegig gewesen wäre. Ich bedankte mich bei ihm und die Kolonne ließ mich schließlich allein auf dem gelben Streifen in der Mitte der Straße irgendwo im südlichen Teil von New Hampshire zurück.

Ich konnte beobachten, wie der Pick-up des Wärters ein Stück die Straße hinauf anhielt, und lief hin, um nachzusehen, ob dort tatsächlich eine Waffe auf mich wartete. Er hatte Wort gehalten. Es war ein altmodischer Revolver zusammen mit einer halb vollen Packung Munition für ein .38er Kaliber. Darin befanden sich noch sechsundzwanzig Patronen. Das waren sechsundzwanzig Patronen, die zwischen mir und vermutlich zweihundert Millionen Toter standen, die es alle kaum erwarten konnten, einen großen Happen von mir abzubekommen.

Sie brauchten leider auch nicht lange, um mich zu finden.

Hungrige Hippos

Woran es liegt, dass manche von ihnen rennen können und andere nicht, konnte ich bis heute nicht herausfinden. Die Renner lebten irgendwie noch, die anderen nicht. Das ist alles, was ich weiß, oder was überhaupt irgendjemand weiß. Außer natürlich, dass sie schnell sind, das weiß jeder.

Und zwar verdammt schnell.

Hatte ich erwähnt, dass ich der Wagenkolonne hinterher winkte, als sie losfuhren und mich mitten auf der Straße zum Sterben zurückließen? Niemand von ihnen winkte mir zurück.

Mit der Waffe in der Hand folgte ich der Kolonne in einer bescheidenen Geschwindigkeit von etwa viereinhalb Stundenkilometern. Nach gut zwei Stunden schmerzte mein Bein so sehr, dass ich es am liebsten amputiert hätte. Nach weiteren zehn Schritten musste ich mich schließlich hinsetzen.

Es war November und für diese Jahreszeit ungewöhnlich warm in Neuengland. Auch daran erinnere ich mich noch, ebenso wie an einige Fahrzeuge, die an mir vorbeigefahren sind und von denen natürlich keines anhielt, während ich unter der Sonne New Hampshires saß und quälende Schmerzen durchlitt. Vermutlich war es auch besser für sie, dass sie es nicht taten. Ich fragte mich gerade, wie lange ich das noch durchstehen würde müssen, als ich auf einmal von einer Übelkeit erfasst wurde, wie ich sie noch nie zuvor in meinem ganzen Leben verspürt hatte, und dann fing ich auch schon an, mich zu übergeben. Es hatte sich nicht langsam angekündigt, sondern packte meine Innereien und drehte sie einfach durch die Mangel, bis mein ganzer Mageninhalt, von Kaffee bis zu Instantnudeln, vor mir auf dem Mittelstreifen des Highways lag. Die Nudeln sahen ein bisschen aus wie Würmer, die sich durch das Erbrochene schlängelten, weshalb ich direkt wieder würgen musste und mich weiter erbrach.

Ungefähr einen Kilometer von mir entfernt, konnte ich jetzt eine Bewegung ausmachen. Definitiv kein Auto, aber da ich aufgrund meiner momentanen Verfassung nur verschwommen sehen konnte, konnte ich leider nicht genau erkennen, worum es sich handelte. Ich dachte noch, es wäre wahrscheinlich gar nicht gut, wenn mich ausgerechnet jetzt ein Schwindelgefühl erfasste, als ich auch schon ohnmächtig wurde.

Man würde denken, dass ich mir vor Angst in die Hosen gemacht hätte, als ich aufwachte und sah, wie ein lebender Toter auf mich zu getaumelt kam, vor allem, da er nur noch etwa zehn Meter von mir entfernt war, aber ich fühlte mich seltsamerweise vollkommen gelassen. Zumindest so gelassen, wie man sein konnte, wenn man bedachte, dass es sich anfühlte, als würde eine Horde Dämonen mein Bein von innen herausreißen und mein T-Shirt von stinkendem und teils verdautem Zeug bedeckt war.

Mit ausgestreckten Armen näherte sich das Ding jetzt meinem nur halb aufgerichteten Körper, während ich mich nach wie vor komplett benommen fühlte. Das Ding hatte offenbar Hunger. Der Blick seiner toten Augen sagte mir, dass ich in etwa so aussah, wie die herrlich lecker zubereiteten Roadrunner, von denen der Kojote in dieser Zeichentrickserie immer fantasierte. Es sabberte und schäumte, überall war Blut, und das Ding war definitiv tot, aber vor allem war es im Moment viel zu nah.

Als es noch etwa drei Meter entfernt war, kam ich endlich wieder richtig zu mir, doch in diesem Moment brach die für Untote in solchen Momenten ganz typische Hektik aus.

Ihr habt das bestimmt schon beobachtet. Hoffentlich nicht von Nahem, aber garantiert habt ihr es schon gesehen. Sie schwanken und taumeln, manchmal stolpern sie auch, aber sie kommen immer wieder hoch. Egal ob sie allein oder in Gruppen unterwegs sind, sie sind stets furchtbar langsam, bis sie nur noch etwa eine Armlänge von euch entfernt sind, dann ist es plötzlich so, als würden sie sich in Geparden verwandeln … als würden sie ihre gesamte Geschwindigkeit nur für dieses letzte Stück aufheben … als wären sie eine Sekunde lang unter Hochspannung. Wahre Überlebende, diejenigen von uns, die die Fähigkeiten und Schwächen der Toten zwar nicht mehr fürchten, aber nach wie vor niemals unterschätzen, haben gelernt auf diesen speziellen Moment zu warten, bevor wir zuschlagen. Der Grund dafür ist, dass währenddessen alle Geschwindigkeit und ihre komplette Balance nur noch in eine Richtung zielt, nämlich auf dich zu.

Was dir natürlich nichts bringt, wenn du gerade in einer Pfütze aus Erbrochenem auf deinem Hintern sitzt.

Es war so, als würde eine formlose Masse aus Tod und Zähnen auf mich herabstürzen. Manche Leute würden vermutlich sagen, dass die Toten auf die Knie sinken, wenn sie etwas angreifen, das sich auf dem Boden befindet, aber das stimmt nicht. Es sind gar nicht ihre Knie, die zuerst aufschlagen. Der offene Mund bewegte sich rasend schnell auf mich zu. Intuitiv hob ich meinen Unterarm, um das Ding aufzuhalten, aber das geschah lediglich aus reiner Panik. Ich meine, versucht das doch mal, legt euch auf den Boden und lasst jemanden auf euch drauf fallen. Am besten ein zehnjähriges Kind, falls ihr eines zur Verfügung habt, und dann haltet euren Unterarm hoch, um den Aufprall abzuwehren.

Als ob das klappen würde.

Klein Billy oder Sara – oder wie auch immer das Kind heißen mag – wird einfach durch die schwächliche Barrikade brechen wie ein Zug auf Volldampf.

Und dieses tote Ding, was wohl einmal eine Dame war, war nicht gerade ein zehnjähriges Kind. Sie war eine beeindruckende Frau und damit meine ich bestimmt nicht ihre Persönlichkeit.

Das Miststück fiel natürlich direkt mit ihren Zähnen auf mich. Wenn ich geglaubt hatte, das Erbrochene würde stinken, dann war das nichts im Vergleich zu dieser Frau. Keine Ahnung, wie sie nach etwas riechen konnte, das wochenlang in der Sonne verrottet war, immerhin war die Seuche zu diesem Zeitpunkt gerade erst ausgebrochen gewesen, aber sie tat es. Sie biss mich unterhalb des Schlüsselbeins und ich schrie erschrocken auf. Dann zog sie ihren Kopf zurück und ich schrie noch lauter, denn jetzt war ihr Mund nicht mehr leer.

Noch etwas, das ihr vermutlich längst wisst, aber hey, diese Aufzeichnung ist schließlich für die Nachwelt gedacht: Sobald sie dich im Griff haben, lassen sie dich nicht mehr los.

Sie riss einen saftigen Happen aus meiner Schulter, garniert mit einem Stück des Gefängnis-T-Shirts. Offenbar war sie multitaskingfähig, denn sie befingerte währenddessen auch noch meine Kleidung. Nachdem sie das Stück meiner Schulter runtergeschluckt hatte, beugte sie sich vor, um einen weiteren Bissen zu nehmen, aber das ließ ich nicht zu.

Obwohl ich ein kräftiger Kerl bin, wog die Frau bestimmt hundert Kilo mehr als ich, und das lag nicht an schweren Knochen. Ich schob sie zur Seite, als ginge es um mein Leben. Was es ja auch tatsächlich tat. Nicht, dass es in diesem speziellen Moment – infiziert und angeknabbert, wie ich schon war – besonders viel wert gewesen wäre, aber hey, es ist nun mal das Einzige, das ich habe.

Als Nächstes hatte sie es offenbar auf meine Nase abgesehen und zog mich an sich heran, während ich verzweifelt versuchte, sie wegzustoßen. Es ist wirklich faszinierend, woran man sich unter speziellen Umständen erinnert und woran nicht. Ich weiß heute weder, welche Haarfarbe sie hatte, noch welche Kleidung sie trug oder wie ihr totes Gesicht überhaupt aussah, aber dass sie fett war, daran erinnere ich mich noch. Fett und stark.

Ich war der Gewinner dieses Tauziehens, das wir noch ein paar Sekunden lang fortführten, bevor ich über unseren Kampf hinweg schlurfende Schritte hörte. Ich erlaubte mir einen flüchtigen Blick in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und siehe da, die Zwillingsschwester der fetten, toten Dame wollte ihr anscheinend einen Besuch zum Brunch abstatten. Natürlich waren sie nicht wirklich Zwillinge, aber was die Größe und den Umfang anging, schenkten sich die beiden nichts.

Jetzt bestand definitiv ein Ungleichgewicht zugunsten der Toten und ich brauchte wirklich dringend eine Waffe, am besten eine Pistole oder so was. Am liebsten hätte ich mir selbst eine verpasst, weil ich die Pistole des Wärters bis jetzt vollkommen vergessen hatte, doch sobald ich die fette Dame losließ, würde sie garantiert die Oberhand gewinnen.

Die Frau, fing nun wieder an, nach mir zu schnappen. Sie machte derart heftige Kaubewegungen, dass einer ihrer Zähne aus ihrem Mund und gegen meine Wange flog. Die andere Tote war nur noch gut fünf Meter entfernt, also egal, was ich jetzt tat, ich musste es schnell tun, sonst würde ich nicht innerhalb der nächsten Stunden qualvoll verenden, sondern innerhalb der nächsten Minuten.

Ich zog diese Option kurz ernsthaft in Erwägung. Sollte ich das Ganze einfach von diesen New Hampshire Rindern zu Ende bringen lassen? Es wäre auf jeden Fall schmerzhaft, eine Höllenqual, deren Ausmaß ich mir nicht einmal vorstellen wollte. Ich musste unweigerlich daran denken, dass ich vor nicht einmal einer Stunde einem Polizisten gesagt hatte, dass ich jede Sekunde, die mir noch blieb, nutzen wollte. Aber das hatte ich schließlich gesagt, bevor ich die Tatsache, infiziert zu sein, vollkommen akzeptiert hatte. Das Erbrechen, die Ohnmacht und die Tatsache, wie die Bisswunde an meinem Bein mittlerweile aussah, waren leider alles unleugbare Indizien für eine Infektion, keine Frage. Wenn ich ganz ehrlich war, hatte ich es schon vorher gewusst, ich hatte es einfach nur nicht wahrhaben wollen. Also ja, ich war infiziert … und es erholte sich nun mal niemand je davon.

Aber mich deshalb von zwei Schwabbelmonstern in Stücke reißen lassen? Ernsthaft? Immerhin könnte ich mich erschießen, falls die Schmerzen später ganz unerträglich werden würden. Sollte ich anfangen, statt meines Frühstücks irgendwelche wichtigen Organe auszukotzen oder falls mir beim Anblick eines Lebenden plötzlich das Wasser im Mund zusammenlaufen sollte, könnte ich doch immer noch einen Abgang machen. Zusätzlich zu diesen Überlegungen drängte sich plötzlich der Scorpions-Song Wind of change in meine Gedanken. Den ich nebenbei bemerkt, noch nicht mal mochte.

All diese Überlegungen, die in weniger als einer Sekunde durch mein Gehirn rasten, führten zu dem Ergebnis, dass ich alles auf meine eigene Art und Weise zu Ende bringen wollte. Es gelang mir daraufhin irgendwie, übermenschliche Kräfte zu entwickeln, durch die ich mein Anhängsel auf die Straße schubsen konnte. Ihr Kopf knallte auf den Asphalt, was sie irgendwie zu überraschen schien, denn sie blinzelte hektisch. Sie lockerte ihren Griff zwar nicht, aber immerhin hatte sie aufgehört, nach mir zu schnappen und an mir zu zerren. Ich schubste sie noch einmal mit aller Kraft und sah mich nach dem Revolver um, welcher praktischerweise direkt neben ihrem rechten Schwabbelarm lag. Ich ergriff die Waffe und hielt sie ihr seitlich an den Kopf. Das Blinzeln stoppte daraufhin und sie blickte mir mit einem fast schon flehenden Ausdruck in die Augen.

Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie viele Leute es in den ersten Wochen auf genau so eine Art und Weise erwischt hatte … weil sie entweder nicht gewusst hatten, dass ein geliebter Mensch einer von denen geworden war oder weil sie es nicht hatten glauben wollen. Und dann waren sie auf einmal vom eigenen Kind oder der Großmutter angenagt worden. Die tote Frau hier, die immerhin schon ein Stück von mir verspeist hatte, wenn auch nur ein kleines, hob die Augenbrauen, runzelte die Stirn und schob ihre Unterlippe leicht nach vorn. Sie sah irgendwie traurig aus, als ich ihr den Schädel wegpustete. Ich hatte nämlich ganz bestimmt nicht vor, einer dieser dummen Menschen zu sein, von denen ich gerade gesprochen habe. Mich würde keine traurig aussehende, tote, fette Tussi drankriegen.

Allerdings hatte sie mich genau genommen schon drangekriegt, denn immerhin hatte die Schlampe mich gebissen.

Die Untoten können nur ausgeschaltet werden, wenn man ihr Gehirn zerstört. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn, denn immerhin ist bei ihnen alles abgesehen vom zentralen Nervensystem abgeschaltet. Sie atmen nicht mehr, es gibt weder einen Herzschlag, noch haben sie Stuhlgang, und sie fühlen auch keinerlei Schmerz. Sie können noch hören und sehen, aber dass sie riechen können, glaube ich nicht, immerhin atmen sie ja nicht, obwohl sie durchaus hörbare Geräusche von sich geben, indem sie Luft einsaugen, die sie an ihren verfaulenden Stimmbändern vorbeidrücken. Falls das der Fall ist, können sie also vielleicht doch riechen. Okay, das mit dem Riechen glaube ich mal. Zumindest fürs Erste.

Also, zum heutigen Zeitpunkt, nicht damals.

Sie hatte mich daraufhin losgelassen, ich rollte über sie hinweg und zielte sofort auf Nummer zwei, die während meines gehetzten Gerangels mit Nummer eins bedrohlich nähergekommen war. Allerdings konnte ich partout nicht scharf sehen, weshalb ich zweimal daneben feuerte. Sagen wir es mal so, ich traf sie durchaus, nur leider eben nicht in den Kopf. Sie stürzte mit dem Gesicht voran auf mich zu, aber dann schaffte ich es, sie mitten in der Bewegung zu treffen. Sie prallte mit vollem Schwung gegen mich, aber mir gelang es, sie von mir zu schieben, bevor sie mich komplett unter sich begraben konnte.

Ich rollte nach links, oder vielleicht auch nach rechts, ist schließlich schon eine Weile her. Sie lag jetzt auf ihrem Gesicht und die Rückseite ihres Schädels hatte sich auf Dickerchen Nummer eins verteilt. Wirklich widerlich, wie sie da lagen mit den Löchern, die ich in sie hineingepustet hatte. Ich hätte sie umdrehen sollen, aber ich stand damals vollkommen neben mir.

Ich hatte nämlich bis dahin noch nie jemanden erschossen, denn diese Sorte Verbrecher war ich nicht.

Ich erinnere mich daran, wie ich mich aufsetzte und sie betrachtete. Sie sahen wirklich mitleiderregend aus. Vermutlich hatten sie vor ein paar Tagen noch (eine doppelte Portion) Kuchen bei einer Kirchenveranstaltung gegessen und jetzt hatte ich sie einfach so abgeknallt. Ich fühlte mich, als hätte ich gerade einen Wettbewerb im Seehunde erschlagen gewonnen.

In diesem Moment entschied sich dieser kleine Kerl, der im Körper alles am Laufen hält, offenbar dazu, all das freigesetzte Adrenalin von einer Sekunde zur nächsten einfach zu unterbinden. Die Wunden an meinem Bein und an meiner Schulter fanden offenbar, dass dies doch genau der richtige Zeitpunkt wäre, um sich wieder kräftig bemerkbar zu machen. Als Nächstes startete derselbe kleine Typ, der sich wahrscheinlich köstlich amüsierte, auch noch einen vernichtenden Raketenangriff auf meine Schmerzrezeptoren.

Trotz allem stand ich noch. Das Geräusch des letzten Schusses klingelte immer noch in meinen Ohren, als ich mich auf den Weg in Richtung Norden machte. Mein Plan war es, einen hübschen Ort zu finden, an dem ich mir eine Kugel verpassen konnte, da ich weder gefressen noch einer von ihnen werden wollte. Doch auf die ein oder andere Weise würde ich mich schon bald in die Reihen der eher Leblosen eingliedern.

Trailer Trash

Noch mal zurück zu den Rennern. Wir alle wissen, dass sie schnell sind. Wir wissen auch, dass sie uns hassen und uns in Stücke reißen wollen. Sie fressen uns. Aber trinken sie auch etwas? Mal angenommen, man würde einem von ihnen ein paar Shots Hochprozentiges reinkippen, würden sie dann anfangen, wie ihre anderen toten Kumpel zu taumeln? Und noch etwas anderes beschäftigt mich … wenn sie gar nicht tot sind, warum beißen die anderen Untoten sie dann nicht? Würde man neun Renner und einen nicht infizierten Menschen mit so einem Toten in einen Raum sperren, würde sich der Tote direkt auf den einen Menschen stürzen. Das habe ich schon gesehen. Nicht als Experiment natürlich, aber ich konnte ein ähnliches Szenario schon mal beobachten. Das wäre ja auch ein ziemlich beschissenes Experiment für den Menschen, den man dafür mit all den Infizierten in einen Raum sperren müsste. Das wäre ja einfach nur grausam.

Als die Nacht hereinbrach, war die Hitze des Tages bereits von einem stechenden Wind abgelöst worden. Ich hatte mich dazu entschieden, mir im Wald einen schönen Ort zu suchen, wo ich das Ganze zu Ende bringen konnte, falls ich den Mumm dazu aufbringen sollte. Es war irgendwie rasend schnell kalt geworden, und ich hatte ganz offensichtlich Fieber. Schon mal Fieber gehabt und gleichzeitig in der Kälte unterwegs gewesen? Vielleicht ist es schon eine Weile her und ihr erinnert euch nicht mehr so richtig daran, wie sich das anfühlt. Aber ich kann euch sagen, es ist beschissen. Ich musste also schnell einen Unterschlupf finden, weshalb der zerbeult aussehende silberne Wohnwagen der Marke Airstream, auf den ich zufällig stieß, nachdem ich etwa eineinhalb Kilometer weit in den Wald hineingelaufen war, verdammt einladend auf mich wirkte.

Hineinzukommen war ziemlich einfach. Innen war absolut alles auf dem neuesten Stand der Technik … von 1963. In den Wänden und im Dach befanden sich Löcher, die leider nur äußerst unsachgemäß abgedeckt worden waren, und überall gab es Flecken, deren Herkunft sich nicht mehr ausmachen ließ. Kurz gesagt, es war der Himmel auf Erden. Draußen heulte der Wind, dem ich sagte, er könne sich verpissen. Im hinteren Teil des Wohnwagens fand ich sogar ein paar schäbige alte Decken, die aussahen, als könnten sie noch aus der Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges stammen. Ich presste den Revolver gegen meinen Körper, während ich zitterte, bis mir aufging, wie idiotisch es wäre, wenn ich mir wegen meines Zitterns selbst in die Eier schießen würde. Also legte ich die Waffe neben mir auf die schimmelige Matratze, um eine unfreiwillige Vasektomie durch eine .38er zu vermeiden. Sollte ich heute Nacht wirklich sterben, dann zumindest mit intakten Kronjuwelen.

Ich packte mich in die Decken und wartete darauf, dass ich mich noch miserabler fühlen würde, und es wurde tatsächlich noch sehr viel schlimmer. Trotz einer besonders widerwärtigen Erfahrung mit Jakobsmuscheln und Tequila im Bostoner Stadtteil North End war dies hier die mit Abstand schlimmste Nacht meines Lebens. Mir wurde sogar noch schlechter und als ich schließlich der Meinung war, ich hätte mehr als genug, nahm ich die Waffe zur Hand. Ich wollte mich einfach nicht in einen von denen verwandeln … ich konnte nicht … oder doch? Wie schlimm konnte es schon sein? Würde ich mich ansonsten einfach auflösen, würde ich von etwas anderem abgelöst werden? Was würde mit meiner Seele geschehen? Dieser Teil von mir, der durch nichts anderes ersetzt werden konnte, wo würde der hingehen? Und dann beschlich mich ein beängstigender Gedanke. Was wenn er nirgendwo hingehen würde? Was, wenn jeder tote Bastard da draußen innerlich einen normalen Menschen in sich gefangen hielt, der laut schreiend darum bettelte, aus diesem verfaulenden fleischlichen Gefängnis gelassen zu werden; sich seiner Lage vollkommen bewusst, aber unfähig dazu, dieses … dieses Ding davon abzuhalten, die verabscheuungswürdigsten Gräueltaten der Geschichte zu veranstalten, während man in dessen Haut steckte.

So eine verdammte Scheiße.

Ich führte die Waffe in meiner zitternden, vom Fieber gebeutelten Hand an meine Schläfe. Der Abzug fühlte sich kalt an meinen heißen Fingern an, als ich vorsichtig Druck ausübte. Doch dann ließ ich wieder los. Ich konnte es einfach nicht. Die Eier, von denen ich vorhin gesprochen habe, waren plötzlich nirgendwo in Sicht. Wahrscheinlich hatten sie ihre Koffer gepackt und sich zu unbekannten neuen Gefilden aufgemacht, ohne eine Nachsendeadresse oder eine Handynummer zu hinterlassen.

Ich konnte mich nicht töten, weil mir die Eier dazu fehlten, die ich vorhin fast abgeschossen hätte. Das hatte eine gewisse Ironie, findet ihr nicht auch?

Ich betrachtete mein Bein und meine Schulter, und beide sahen absolut furchtbar aus. Schwarze Linien breiteten sich von beiden Wunden ausgehend aus, die Infektion hatte sich also in meinen Venen festgesetzt und diese verbreiteten sie ziemlich effizient in meinem gesamten Körper. Ich stank mittlerweile schon wie die fetten Ladys, die versucht hatten, mich zu verspeisen. Es war furchtbar und irgendwann tat ich das Einzige, das mir in diesem Moment noch einfiel. Ich schlief eine Runde.

Habt ihr euch schon mal durch ein zwei Tage andauerndes Alkohol- und Drogengelage komplett zerstört? So gegen 3:15 Uhr in der zweiten Nacht, denkst du dir, dass du dringend aufhören solltest, aber weil deine Kumpel immer noch abfeiern, machst du dennoch weiter mit. Irgendwann kann dein Körper dann einfach nicht mehr und der kleine Kerl, über den wir vorhin gesprochen haben, legt kurzerhand den Hauptschalter um, woraufhin du einfach komplett herunterfährst. Gott, wie sehr du dich dann selbst verachtest, wenn du wieder aufwachst! Irgendetwas Widerwärtiges hat sich offenbar in deinem Mund abgespielt und alles wirklich alles tut dir weh. Dein Kopf, dein Bauch, deine Augen, dein Hintern, einfach alles.

Ich hingegen verspürte nichts dergleichen, als ich erwachte. Mir ging es gut.

Es war extrem kalt, als ich aufwachte und meine Schulter und mein Bein schmerzten, aber krank fühlte ich mich nicht mehr. Der Gedanke, an die Leute, die in den Toten gefangen waren, schoss mir wieder durch den Kopf, weshalb ich sofort nach meinem Puls tastete. Doch ich war noch am Leben. Die Wissenschaftler und Vollidioten vom Militär können mich mal alle am Arsch lecken. Gebissen zu werden, tötete also doch NICHT jeden. Ich war der lebende Beweis dafür, immerhin war ich sogar von zwei Infizierten gebissen worden, die zusammen so viel gewogen hatten wie fünf!

Ich war nicht tot! Ich war nicht tot! Das musste ich so gefühlt hundertmal laut gerufen haben, während ich dasaß und mein Bein anstarrte. Die Wunde sah jetzt so aus wie damals, als Billy Rickles (der kleine Drecksack, ich hoffe, er hat sich infiziert und ist gestorben) mich in der ersten Klasse gebissen hatte. Man sah den kompletten Abdruck der oberen und unteren Zahnreihe, aber sonst nichts mehr. Keine schwarzen Linien, kein Eiter, und es gab auch keinen Fäulnisgeruch. Dasselbe galt für meine Schulter, auch wenn dort ein Stückchen Haut fehlte. Diese Wunde musste ich unbedingt verbinden, um keine normale Infektion zu bekommen.

Bei diesem Gedanken fing ich an zu lachen. Ziemlich hysterisch sogar. In diesem Moment bemerkte ich, dass ich pinkeln musste. In dem Wohnwagen gab es ein Bad und als ich die Schiebetür öffnete, fand ich dort auch eine Toilette. Mit meinem Strahl hätte ich Stahl durchschneiden können. Es war, als hätte sich mein Urin drei Tage lang angestaut. Das war der Moment, in dem mir etwas auffiel, das in diesem alten Wohnwagen vollkommen deplatziert wirkte. Eine nagelneue Rolle Toilettenpapier. Das ließ mich zwar die Stirn runzeln, aber eigentlich war es mir egal. Ich war gerade dermaßen glücklich darüber, nicht tot, oder so ähnlich wie tot, zu sein, dass ich das Dach des Wohnwagens anheulte, während ich mein bestes Stück ausschüttelte.

Irgendwas heulte allerdings zurück.

Es war ein jaulender Schrei, von etwas, das klang, wie eine Mischung aus Puma und dem Tod selbst. Die Jungs (meine Eier), die gerade erst von ihrer Auszeit zurückgekehrt waren, zogen sich direkt wieder in meine Bauchhöhle zurück. Der Schrei ertönte jetzt noch einmal und hätte ich in diesem Moment noch Wasser gelassen, hätte ich mich vermutlich vor Schreck angepinkelt.

Was auch immer es war, es fing nun an, sich gegen den Wohnwagen zu werfen und mit aller Kraft dagegen zu hämmern. Das ganze verdammte Ding wackelte bereits. Eilig schloss ich den Reißverschluss, wobei ich mir glücklicherweise nichts Wichtiges einklemmte, und schnappte mir den Revolver. Ich überprüfte die Trommel, doch alle sechs Patronen waren noch an Ort und Stelle.

Ich zielte mit der Waffe auf die hauchdünne Tür meiner aus Aluminium gebauten Todesfalle und wartete geduldig … wobei ich natürlich so viel Schiss hatte, dass meine Eier, die zwischenzeitlich wiedergekommen waren, nun wieder einen Abgang machten.

Das Geschrei und Hämmern hörte irgendwann auf und nach ein paar Grunzlauten wurde schließlich alles still. Und kurz darauf verwandelte ich mich in einen dieser superheißen Typen aus den Horrorfilmen, den man als Zuschauer immer anschreit, damit er die Tür nicht aufmacht oder irgendwo hingeht. Langsam öffnete ich die zerschlissenen Gardinen über der Spüle.

Das Erste, was mir sofort ins Auge stach, war, dass es zwischenzeitlich geschneit hatte. Es fielen immer noch Flocken und die Welt wurde bereits von mindestens einem Zentimeter Schnee bedeckt. Als Zweites fielen mir Fußabdrücke auf, die von Hast zeugten. Wobei ich wohl eher von Stiefelabdrücken sprechen sollte.

Da ich aus Massachusetts stamme, habe ich in meinem Leben schon viele Vertreter des Tierreichs gesehen. Falken, Eichhörnchen, Seemöwen, Wiesel und Wild. Ich habe sogar mal einen Fischermarder gesehen. Was für ein fieser Hurensohn das gewesen war. All diese Tiere hatten jedoch nicht den nötigen Intellekt besessen, um sich ein Paar Timberlands anzuziehen, und ich war mir ziemlich sicher, dass auch die Tiere hier oben in New Hampshire noch nicht in Schuhen herumstolzierten.

Die Auswahl an Arten schuhtragender Kreaturen war also äußerst limitiert.

Ich wartete mindestens eine Stunde. Mittlerweile hatte es aufgehört zu schneien, aber die Fußabdrücke waren trotzdem fast vollständig bedeckt. Ich spähte ein letztes Mal durch die Gardinen, bevor ich vorsichtig die Tür öffnete und auch durch diese einen Blick warf. Nichts zu sehen.

Ich machte einen verstohlenen Schritt nach draußen und schwenkte die .38er im Kreis herum. Immer noch nichts. Dann ging ich zwei Schritte vor die Tür und trat in den Schnee hinaus, doch vor Angst hätte ich mich bestimmt angepisst, wenn sich noch etwas in meiner Blase befunden hätte, deshalb drehte ich mich nach kurzer Zeit um und wollte zur Tür des Wohnwagens zurück. Ich hatte keine Ahnung, wer da vorhin geschrien hatte, aber ich verspürte nicht das Bedürfnis, es herauszufinden.

Ich hätte wohl nach oben schauen sollen.

Denn auf dem Dach des Wohnwagens saß, in gebückter Haltung, den Arsch auf seinen Fersen abgestützt und mich mit seinem Blick fixierend, der gesuchte Übeltäter. Sein Kopf war für einen kurzen Moment zur Seite geneigt, dann warf er ihn in den Nacken und ließ den Schrei eines Verdammten los. Kurz danach warf er sich vom Dach und stürzte sich wie ein Leopard auf eine Gazelle. Die Gazelle war ich, für die Langsamen unter euch.

Blut im Schnee

Ich weiß, dass ihr euch schon gewundert habt, wieso ich die Renner zuvor bereits zweimal erwähnt habe, aber immer nur so ganz am Rande. Auf eine merkwürdige Art und Weise waren sie bisher einfach nicht präsent in dieser fesselnden Geschichte gewesen. Das liegt einfach daran, dass Renner anderssind. Für die Toten, die überall herumlaufen, verwenden manche Leute den Begriff Zombies, aber dieser Begriff ist eigentlich falsch. Beschäftigt euch mal ein bisschen mit haitianischem Voodoo.

Obwohl der Ausdruck Schwachsinn ist, werde ich sie aber von jetzt an auch Zombies nennen.

Renner unterscheiden sich von diesen wandelnden Eitersäcken (Zombies) in etwa so sehr, wie ihr euch von Dosenfleisch unterscheidet. Selbstverständlich gibt es Gemeinsamkeiten, aber dennoch sind sie definitiv nicht gleich. Ich meine damit natürlich Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen Arten der Infizierten, nicht zwischen euch und Dosenfleisch. Obwohl, wenn man mal genauer darüber nachdenkt, kenne ich euch ja nicht, also seid ihr vielleicht genauso dumm wie Dosenfleisch und höchstwahrscheinlich besteht ihr auch aus Fleisch. Gott hat halt seine Launen.

Jedenfalls war das Ding, das sich nun wie ein Velociraptor auf mich stürzte, definitiv ein Renner. Da es sich dabei um meinen ersten Renner überhaupt handelte, solltet ihr euch darüber im Klaren sein, dass dies ein extrem furchterregender Moment für mich war. Ich hatte doch zuvor den unheimlich männlichen und harten Pissestrahl erwähnt, den ich produziert hatte. Das war unter Kontraktion meiner nicht infizierten Bauchmuskeln geschehen, während ich über einer verschmutzten Toilette stand, in der sich weiß Gott was befunden hatte. Aufgrund dieses Umstandes hatte ich nun zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit keinen Urin zur Verfügung und meine verdammte Blase entleerte sich einfach, ohne irgendetwas abgeben zu können.

Während sich das Wesen also grazil durch die kalte Vorwinterluft bewegte, konnte ich nicht umhin, zu bemerken, dass es aussah, wie jemand, der abgeschieden im Gebirge oder im Wald lebte. Ein zotteliger Bart, schmutzige Kleidung und eine grüne Militärjacke, die scheinbar im selben Jahr wie der Airstream Wohnwagen und für eine Expedition in Vietnam gefertigt worden war. Über seinem Bart befanden sich Kratzer auf seiner Wange. Aber am besten erinnere ich mich noch an seine Augen.

Viele verwenden gern anschauliche Begriffe wie unmenschlich für die Infizierten, aber solange man noch keinen Renner gesehen hat, kann man nicht wirklich verstehen, was damit gemeint ist, beziehungsweise solange man keinen Renner gesehen hat, der einen ebenfalls entdeckt hat. Denn wenn man denen in die Augen sieht, versteht man sofort, dass sie keine Menschen mehr sind.

Ein Mensch zu sein wird meiner Meinung nach nicht durch die Anatomie bestimmt, sondern durch die Menschlichkeit und durch die Vielzahl an Emotionen. Wenn man einen Menschen ansieht, kann man im Allgemeinen sofort erkennen, wie er sich fühlt, selbst wenn er versucht, es vor einem zu verbergen.

Nichts verbarg hingegen die Emotion, die dieses Ding verspürte. Es hatte nur noch eine, und zwar puren, unverfälschten Hass, der gerade zweifellos auf mich gerichtet war. Ich war mir nicht vollkommen sicher, ob es mich genau wie seine toten Artverwandten fressen wollte, aber mir war absolut klar, dass er mich gern ausweiden wollte. Wenn es nach diesem Ding ginge, würde es in kürzester Zeit meinen Dünndarm als Kette um den Hals tragen.

All diese Überlegungen rasten innerhalb der Zeit durch meinen Kopf, die das Ding brauchte, um vom Dach herunterzuspringen und sich gegen meine linke Schulter zu werfen. Der neu gefallene Schnee war rutschig und so stürzten wir beide während unseres Gerangels zu Boden, wo wir kurz darauf um mein Leben kämpften. Ein Schuss löste sich irgendwann aus der .38er und riss, ich schwöre bei Gott, den Reißverschluss meiner Jeans mit sich. Nach allem, was ich vorher geschrieben habe, war jetzt also der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mir den Penis abschoss. Da der Renner wild herumwirbelte und mich auf allen vieren sofort wieder fixierte, hatte ich leider keine Zeit, um nachzusehen, ob mein kleiner Freund und ich auch weiterhin gemeinsame Wege gehen würden. Die Augen des Wesens verengten sich und es startete einen zweiten Angriff, doch seine Stiefel rutschten im Schnee aus und es landete auf seinem Bauch.

Es knurrte jetzt aus Wut und Frustration (zwei der Emotionen, die ich am wenigsten leiden kann), versuchte im Schnee Halt zu finden und auf allen vieren wieder in meine Richtung zu kriechen. Mehr Antrieb brauchte ich nicht, also schoss ich ihm direkt ins Gesicht. Der Kopf der Kreatur wurde zurückgerissen und der Inhalt hinterließ ein kegelförmiges Muster auf dem Schneematsch.

Ich ließ mich auf den Rücken sinken, sah zum Himmel hinauf und dachte darüber nach, was für ein verdammtes Glück ich hatte. Doch dann fiel mir wieder mein Penis, oder besser gesagt das potenzielle Fehlen eines solchen ein und ich bekam ein winzig kleine (haha) Panikattacke. Ich sah beklommen nach, aber dank allem, was mir heilig ist, war alles noch genau dort, wo es sein sollte. Allerdings würde ich eine neue Hose brauchen, und zwar nicht nur wegen des Reißverschlusses.

Irgendwann wurde mir ziemlich kalt und ich setzte mich hin. Sorgfältig untersuchte ich meinen Körper, um sicherzugehen, dass ich nicht gekratzt worden war. Ich hatte jetzt zwar weniger Angst vor Biss- und Kratzwunden als vorher, aber wozu ein Risiko eingehen?

Ich war scheinbar unversehrt und noch dazu absolut überglücklich. Im Zuge dieses Glücksgefühls machte ich mich auf die Suche nach dem toten Hinterwäldler. Er trug eine Hundemarke um den Hals. Maracek, John J., 016626262, 0+, Evangelisch.

Ich kann mich immer noch an jeden einzelnen Buchstaben und an jede Zahl auf dieser Marke erinnern, habe aber keine Ahnung mehr, wie der Nachname meines Zellengenossen lautete. Sein Vorname war zumindest Benny. Wir haben etwa ein Jahr lang zusammengelebt.

Das Einzige, das ich in Mr. Maraceks Nylonbrieftasche finden konnte, war ein unscharfes Bild, das ein Kind auf einer Schaukel zeigte. Das Foto war in der Mitte auseinandergerissen worden, sodass man die Person, die das süße, kleine, blonde Mädchen angestoßen hatte, nicht mehr sehen konnte. Ansonsten trug der arme Johnny nur noch eine G-Shock-Uhr, ein zerbeultes Sturmfeuerzeug, in das irgendein Militärsymbol, das ich nicht kannte, eingraviert war, sowie eine Bisswunde, die der auf meinem Bein ähnelte auf der fleischigen Stelle unter dem Daumen seiner Hand.

Da die Temperatur langsam immer mehr fiel, nahm ich Mr. Maraceks Jacke an mich. Dieses verdammte Wetter hier in Neuengland. Außerdem klaute ich ihm die Uhr und das Feuerzeug, da ich beides bestimmt brauchen würde. Plötzlich fiel mir auf, wie durstig ich war. Mein mageres Mahl und mein Wasservorrat befanden sich in dem kleinen Rucksack, den ich von der Gefängniskarawane erhalten hatte und im Wohnwagen gelassen hatte. Also griff ich in den Schnee und stopfte mir kurzerhand eine Handvoll davon die Kehle hinunter. Er war köstlich und so kalt, dass es an den Zähnen schmerzte. Anschließend legte ich die Uhr an und verstaute das Feuerzeug in meiner Tasche. Als ich einen Blick auf die Uhr warf, konnte ich kaum fassen, was diese mir anzeigte. Denn laut der Datumsanzeige waren bereits drei Tage vergangen, seit ich von der Kolonne getrennt worden war. Ich hatte also volle drei Tage lang geschlafen und falls John J. Maracek die ganze Zeit über hier draußen gewesen war, bedeutete das, dass ich da drin friedlich geschlafen hatte, während er sich hier herumgetrieben und vielleicht sogar ab und zu an der Tür gekratzt hatte. Vermutlich hatte der Airstream ursprünglich ihm gehört.

Um es wie ein Neuengländer zu sagen: Teuflischer Weckruf, Kindchen.

Das Schneegestöber wurde immer dichter, als ich in den Himmel hinaufsah. Sobald die Sonne unterging, würde die Temperatur noch einmal um weitere fünf bis sechs Grad sinken, also suchte ich zuerst mein Umfeld ab, auch wenn ich mir nicht sicher war, wonach genau ich eigentlich suchte, und versteckte mich anschließend in dem Wohnwagen. Ich wollte abwarten, bis sich der Sturm verzog, bevor ich mich durch den Schnee nach Gott weiß wohin schleppen würde.

Es dauerte zwei Tage! Zwei verdammte Tage lang fiel der Schnee. Nicht, dass er besonders heftig gewesen wäre, aber die Schneedecke wurde dabei um gut einen halben Meter höher. Da es im Wohnwagen ein paar Holzscheite gab, von denen draußen noch mehr aufgeschichtet waren, sowie einen altmodischen Topfbauchofen neben dem Bett, war es, besonders dank des Feuerzeugs, kein Problem für mich, mich warmzuhalten. Eine gründliche Durchsuchung des Wohnwagens förderte schließlich noch mehr Fotos von dem blonden Mädchen zutage, woraus ich schlussfolgerte, dass der Airstream-Wohnwagen tatsächlich John Maracek gehört hatte. Es sei denn, er war ein Hausbesetzer gewesen. Nicht, dass das jetzt noch eine Rolle gespielt hätte.

Meine Suche brachte mir außerdem eine äußerst mitgenommen aussehende Machete ein, ein Jagdmesser mitsamt einem Wetzstein, eine doppelschneidige Axt, sowie diverse Kleinigkeiten für mein Sammelsurium an Überlebenszeug.

Als es schließlich aufhörte zu schneien und ich aus dem Fenster sah, entdeckte ich, dass Johns Leiche mitsamt dem gespaltenen Schädel und der verspritzten Hirnmasse komplett vom Schnee bedeckt war, sodass ich ihn nicht länger sehen konnte.

Ich suchte die Gegend auch nach Fußspuren ab, konnte aber keine finden.

Ich hatte nämlich die Befürchtung gehabt, dass der Schuss, den ich vor ein paar Tagen abgefeuert hatte, jemanden anlocken würde, doch scheinbar war niemand hierhergekommen. Ich war etwa anderthalb Kilometer vom nächsten Highway entfernt, der gesamte Wald war von Schnee bedeckt und ich hatte genug Nahrung und Vorräte für einen Monat und noch dazu Waffen.

Ich war in Sicherheit!

Am vierten Tag meines New Hampshire Exils nahm ich die Axt und machte mich daran, Feuerholz zu zerkleinern. Ich hatte zwar noch reichlich, doch die Hälfte von dem, was im Wagen gewesen war, hatte ich bereits verheizt. Als ich den Stapel draußen erreichte, fiel mir allerdings etwas Unheimliches auf. Da waren definitiv frische Fußabdrücke. Da ich bereits eine Weile nicht mehr auf dieser Seite des Wohnwagens gewesen war, konnte ich ausschließen, dass es sich dabei um meine eigenen handelte. Die Abdrücke führten vom Wald aus direkt zu einem Fenster meines neuen Zuhauses und wieder zurück.

Ich packte augenblicklich alles zusammen und machte mich auf und davon.

Da mir die Absichten von demjenigen, der mich ausspioniert hatte, ein Rätsel waren, fand ich es sinnvoller, sofort zu verschwinden. Wahrscheinlich würde ich irgendwo ein verlassenes Bauernhaus oder etwas anderes in der Art finden, das man besser verteidigen konnte, und wo ich das Ende des Winters in Ruhe absitzen konnte. Mit dem Rucksack auf dem Rücken, der Machete und dem Messer an meine Seiten gebunden, der Waffe in meiner Tasche, sowie der Axt auf meiner Schulter, sah ich genauso aus wie Mr. Maracek. Vor allem, da in dem Wohnwagen leider kein Rasierer auffindbar gewesen war und ich mittlerweile auch die Jacke des Toten trug. Ich sah bestimmt wie ein ziemlich krasser Typ aus.

Was für ein Idiot ich gewesen war!