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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Es war kurz nach acht Uhr am Morgen. Toni hielt vor dem Forsthaus, nachdem er Sebastian und Franziska zur Schule gebracht hatte. Förster Hofer stand mit Beat Utzinger und Bürgermeister Fellbacher vor der Tür. Toni stieg aus dem Geländewagen. »Da seid ihr ja schon alle. Grüß Gott!« Sie schüttelten sich die Hände. Dann gingen sie ins Büro des Forstmeisters. Seine Frau brachte Kaffee und Kuchen. »So, jetzt rede endlich, Hofer! Was gibt es so Geheimnisvolles?«, fragte der Bürgermeister und lächelte. »Dir wird das Lachen gleich vergehen, Fellbacher«, bemerkte Hofer. »Hier, am besten schaust du dir die Unterlagen an. Die sprechen für sich«, mit diesen Worten reichte er ihm die dicke Mappe. Bürgermeister Fellbacher schob seine Kaffeetasse etwas zur Seite. Er schlug die erste Seite auf, dann blätterte er schnell durch. »Mei, des ist ja ein Ding! Da ist man nur mal einige Tage unterwegs und schon passiert so etwas«, schimpfte er. »Wie war es übrigens?« »Schön war es und hoch interessant. Die Tagung der Bürgermeister von Gemeinden, die Gemeindepartnerschaften unterhalten, war wirklich gut. Aber des hier, des bremst meine Hochstimmung gewaltig. Des ist eine richtige Sauerei! Auf den Bildern kann man deutlich sehen, dass die das Gelände bereits ausmessen. So etwas macht der Schwarzer net als Freizeitbeschäftigung oder um Bäume zu pflanzen.« »Du hast von nichts gewusst, Fellbacher?« »Naa, wie sollte ich auch. Des Ganze hier betrifft Waldkogel net, da es auf dem Grund der Nachbargemeinde liegt. Aber die scheinen da wirklich ein großes Bauvorhaben zu planen.« Beat Utzinger meldete sich zu Wort. »Des Bauvorhaben ist gewaltig, wie mein Informant herausgefunden hat. Er
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Seitenzahl: 133
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Es war kurz nach acht Uhr am Morgen. Toni hielt vor dem Forsthaus, nachdem er Sebastian und Franziska zur Schule gebracht hatte. Förster Hofer stand mit Beat Utzinger und Bürgermeister Fellbacher vor der Tür.
Toni stieg aus dem Geländewagen.
»Da seid ihr ja schon alle. Grüß Gott!«
Sie schüttelten sich die Hände. Dann gingen sie ins Büro des Forstmeisters. Seine Frau brachte Kaffee und Kuchen.
»So, jetzt rede endlich, Hofer! Was gibt es so Geheimnisvolles?«, fragte der Bürgermeister und lächelte.
»Dir wird das Lachen gleich vergehen, Fellbacher«, bemerkte Hofer. »Hier, am besten schaust du dir die Unterlagen an. Die sprechen für sich«, mit diesen Worten reichte er ihm die dicke Mappe.
Bürgermeister Fellbacher schob seine Kaffeetasse etwas zur Seite. Er schlug die erste Seite auf, dann blätterte er schnell durch.
»Mei, des ist ja ein Ding! Da ist man nur mal einige Tage unterwegs und schon passiert so etwas«, schimpfte er.
»Wie war es übrigens?«
»Schön war es und hoch interessant. Die Tagung der Bürgermeister von Gemeinden, die Gemeindepartnerschaften unterhalten, war wirklich gut. Aber des hier, des bremst meine Hochstimmung gewaltig. Des ist eine richtige Sauerei! Auf den Bildern kann man deutlich sehen, dass die das Gelände bereits ausmessen. So etwas macht der Schwarzer net als Freizeitbeschäftigung oder um Bäume zu pflanzen.«
»Du hast von nichts gewusst, Fellbacher?«
»Naa, wie sollte ich auch. Des Ganze hier betrifft Waldkogel net, da es auf dem Grund der Nachbargemeinde liegt. Aber die scheinen da wirklich ein großes Bauvorhaben zu planen.«
Beat Utzinger meldete sich zu Wort.
»Des Bauvorhaben ist gewaltig, wie mein Informant herausgefunden hat. Er ist Journalist. Bei seiner Zeitung ist schon seit einer Weile etwas durchgesickert, sagt er. Aber der Chefredakteur untersagte jede Recherche und die Berichterstattung.«
»Soso, da wurden Maulkörbe verhängt. Na ja, das wundert mich nicht, wenn der Ruppert Schwarzer seine Finger drin hat«, schimpfte Fellbacher. »Und was wird so hinter vorgehaltener Hand erzählt, Beat? Nun sag’ schon, du weißt doch etwas, richtig?«
Beat Utzinger senkte unwillkürlich die Stimme, als er berichtete, obwohl es nicht notwendig war.
»Es wird gemunkelt, dort würde ein Freizeitzentrum mit überdachter Kunstschnee-Skianlage für Sommertraining entstehen, dazu eine Einkaufspassage und ein Hotelkomplex, der sich den ganzen Hang hinaufzieht, mit einer Zahnradbahn. Jedenfalls sollen einige hundert Millionen verbaut werden. Pläne hat noch niemand gesehen. Es kann etwas dran sein, es können auch nur Gerüchte sein.«
»Schmarrn!«, stieß Fellbacher hervor. »Wir alle kennen den Schwarzer und wissen, welche Tricks er anwendet, um hier in Waldkogel Einfluss zu nehmen. Schon damals, als er versuchte, die Berghütte an sich zu bringen, wollte er hier ganz groß einsteigen. Den ganzen Hang wollte er umgestalten, eine Straße bauen, einen Lift anlegen, die Berghütte abreißen und eine Nobelhütte bauen. Na ja, da er hier net landen kann, wie man sagt, versucht er es drüben in Kirchwalden.«
»Des muss verhindert werden, Fellbacher«, sagte Hofer. »Auch wenn dieses Mammutzentrum an unserer Gemeindegrenze steht und nicht auf Waldkogeler Grund. Dann ist es aus mit der Ruhe hier, denke ich mir.«
»Darüber brauchen wir net weiter nachzudenken, des wäre ganz schlecht für Waldkogel, Ruhe und Idylle, die wären dann vorbei. Des ist doch genau die Art von Tourismus, die wir alle ablehnen«, bekräftigte Fellbacher.
»Fellbacher, du kennst doch viele. Du hast doch deine Kontakte innerhalb der politischen Strukturen. Sicher ist es dir eher möglich, etwas Genaueres herauszufinden«, sagte Toni.
»Ich kann es versuchen. Dabei muss ich mir genau überlegen, wen ich anspreche. Da gibt das alte Wort ›Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing‹, des kennt ihr auch. Und wir alle kennen Ruppert Schwarzer. Mich würde nicht wundern, wenn der im Hintergrund auch über Mittelsmänner seinen Einfluss geltend gemacht hat. Der kann sehr freundlich sein und knausert auch nicht mit Geschenken, sagt man.«
»Das ist eine gute Umschreibung für Bestechung«, lachte Toni.
»Weißt, Toni, mit dem Wort ›Bestechung‹ musst ganz vorsichtig sein. Da kannst du dich selbst in Teufels Küche bringen. Aber ich werde schon etwas herausfinden. Jetzt
lasst mir einige Tage Zeit. Ich schlage vor, wir reden wieder, wenn ich etwas Konkretes weiß. Ich danke euch jedenfalls, dass ihr so aufmerksam gewesen seid. Eines ist sonnenklar, da läuft etwas. Ich gehe jede Wette ein, dass des nix Gutes ist.«
»Schwarzer und seine Bazis, die halten des sicher für eine sehr gute Sache«, lachte Beat.
»Davon kannst ausgehen, aber noch ist net aller Tage Abend. Ich schwöre euch bei allem, was mir heilig ist, dass ich alles tun werde, um Schwarzer die Suppe zu versalzen. So einfach, wie der sich des vorstellt, wird es nicht werden. Da habe ich auch einige Tricks drauf. Aber jetzt mal erst schön der Reihe nach. Erst wollen wir genau herausfinden, was dort geplant ist. Wenn wir des wissen, sind wir einen Schritt weiter. Wir brauchen die Informationen schwarz auf weiß und net nur anhand von Gerüchten. Erst dann können wir weiter dagegen vorgehen.«
Fritz Fellbacher grinste und schaute in die Runde.
»›Studiere den Feind, finde heraus, wie er seine Heere aufstellen will, dann kannst reagieren‹, besagt eine alte Feldherrnregel. Wir tappen noch zu sehr im Dunkeln. Aber ich werde Licht in die Dunkelheit bringen, des verspreche ich.«
Fellbacher trank seinen Kaffee aus. Er stand auf und klemmte die Akte unter den Arm.
»Leut’, ich mache mich sofort ans Werk«, sagte er.
»Aber pass auf, dass der Bazi vom Schwarzer, der in unserem Gemeinderat, nix mitbekommt. Mei, wenn ich daran denke, dann kommen mir Zweifel an unserer schönen demokratischen Ordnung«, schimpfte Toni ärgerlich und stöhnte.
»Da kannst unbesorgt sein, Toni. Die Akte, die hinterlege ich an einem Ort, der sicher ist. Und des ist net das Rathaus!«
Bürgermeister Fellbacher verabschiedete sich und ging. Toni, Beat und Lorenz Hofer tranken noch ihren Kaffee aus und redeten über ihre Beobachtungen. Förster Hofer wollte weiterhin zwei verlässliche Forstarbeiter abstellen, die auf dem Hochsitz Wache schieben und weiterhin alles fotografieren sollten.
*
Unter einem Sonnenschirm saß Klemens Krautenbacher allein an einem Tisch. Das Café im Nymphenburger Schlosspark war so früh am Morgen noch ziemlich leer. Klemens schaute über die weiten Rasenflächen. Bald kam die Bedienung im adretten Dirndl und brachte ihm seinen Kaffee und ein Stück Kuchen. Er nickte ihr zu.
»Sag, bist du es wirklich?«, drang eine laute Männerstimme an sein Ohr.
Er zuckte richtig zusammen und drehte sich schnell um.
»Du bist es wirklich? Darf ich mich zu dir setzen?«
Noch bevor Klemens antworten konnte, warf der Mann im dunklen eleganten Nadelstreifenanzug seinen Mantel, den er über dem Arm trug, auf einen freien Stuhl und stellte seine große schwarze Aktenmappe aus feinstem Büffelleder dazu.
»Jonas?«
»Ja, gell, da staunst du! Mei, Klemens, was freue ich mich dich zu sehen. Dann wird es doch noch ein schöner Tag. Du kannst es mir glauben, gerade vorhin habe ich an dich gedacht. Mei, dachte ich, was würde ich darum geben, wenn ich jetzt mit dem Klemens im Biergarten sitzen könnte. Da muss der Himmel ein Einsehen gehabt haben.«
Klemens löste sich aus seiner Erstarrung. Er stand auf.
»Na, mit dem Biergarten ist wohl nix geworden. Aber des Café hier tut’s vielleicht auch.«
Die beiden Männer um die Dreißig fielen sich in die Arme.
Sie setzten sich. Jonas bestellte auch Kaffee und Kuchen.
»Wie lange ist das her, seit wir uns zuletzt gesehen haben?«, fragte Klemens Krautenbacher.
»Sechs Jahre, denke ich. Klemens, das war damals, als du nach Amerika gehen wolltest. Wir haben darüber geredet. Dann bist plötzlich fort gewesen, ohne dich von mir zu verabschieden. Des tut kein Freund! Ich habe es nur erfahren, weil ich daheim bei euch angerufen habe.«
»Die Umstände waren damals nicht so glücklich, Jonas. Das weißt du. Es spitzte sich alles zu. Dann ist eines Abends meine Schwester auf und davon. Am nächsten Morgen packte ich meine Koffer.«
Jonas erinnerte sich, dass Klemens’ Schwester sich in einen Amerikaner aus Texas verliebt hatte, den ihr Vater nicht akzeptierte.
»Dann ist sie doch der Liebe gefolgt«, sagte Jonas.
»Ja, das ist sie, und sie ist sehr glücklich. Sie hat zwei Kinder, ein Madl und einen Buben. Ich lebte und arbeitete mit ihr und ihrer Familie in Texas.«
»Bist jetzt für ganz zurückgekommen oder machst nur Urlaub?«
Jonas sah, wie sich Klemens’ Gesichtszüge veränderten. Er schaute unter sich und rührte in seiner Kaffeetasse.
»Ich bin erst seit vorgestern hier und stecke in einem Albtraum. Es ist noch nicht ganz raus, wie lange ich bleibe und wie es überhaupt weitergeht.«
»Das klingt nicht gut.«
Jonas sah Klemens an und erwartete, dass dieser anfangen würde zu erzählen. Aber Klemens rührte weiter in dem Kaffee, was eigentlich sinnlos war, denn der Kaffee war weder zu heiß, noch musste sich der Zucker auflösen.
Endlich legte er den Kaffeelöffel auf die Untertasse und schaute Jonas an.
»Jonas, wie geht es dir? Bist du bei deinem Vater in der Kanzlei?«, wechselte Klemens das Thema.
»Ja, das bin ich. Ich habe inzwischen promoviert.«
»Meinen Glückwunsch!«
»Danke, danke! Aber es bringt mir net viel.«
»Wie meinst des jetzt?«
»Ach, weißt, ich dachte, dass ich dann endlich mehr Anerkennung von meinem Alten bekommen werde. Aber da habe ich mich getäuscht. Seit fünf Jahren gibt er mir nur die leichten Fälle, harmlose Verkehrsdelikte, nix Richtiges, verstehst?«
»Du fühlst dich unterfordert? Du würdest ihm gern zeigen, was du drauf hast und er lässt dich nicht.«
»Genauso ist es. Er behandelt mich wie einen Anfänger. Unser Kanzleivorsteher hat mehr zu sagen als ich. Ständig kritisiert er mich in Anwesenheit der Mitarbeiter. Es ist eine schlimme Situation für mich in der Kanzlei.«
»O mei, des klingt wirklich net berauschend. Was willst dagegen machen?«
Jonas zuckte mit den Schultern.
»Ich könnte ausscheiden und mir eine eigene Kanzlei aufbauen. Oder ich gehe zu einem von Vaters Kollegen, falls mich jemand nimmt, was noch auf einem ganz anderen Blatt steht. Das würde die Sache aber nur noch verschlimmern. Er würde mich fertig machen, mit allen Mitteln, damit hat er mir gedroht. Du kennst ihn, Klemens. Er ist ein Machtmensch. Alles muss so laufen, wie er es will. München ist zwar eine Millionenstadt, aber irgendwie auch ein Dorf. Wenn ich mit meinem Vater breche, dann müsste ich weit fortgehen. Und selbst dort würde er versuchen, mir das Leben schwerzumachen.«
Jonas trank einen Schluck Kaffee.
»Wir waren heute Morgen in der Kanzlei wieder einmal heftig aneinandergeraten.«
»Ah, in dem Zusammenhang hast an mich gedacht«, warf Klemens ein.
»Ja, weißt du noch, wie wir im Biergarten den Frust über unsere Väter ertränkt haben?«
Sie lachten.
»Ja, unsere Väter haben uns ganz schön zugesetzt. Da saßen wir im gleichen Boot, Jonas. Meiner ist
gestorben, kurz nachdem meine Schwester und ich nach Amerika sind. Herzinfarkt.«
»Das tut mir leid.«
»Dass er mit seinem Dickschädel nicht durchkam, hat ihn wohl das Herz gebrochen, wenn ich es mal salopp sagen darf. Versteh mich recht, ich will mich nicht versündigen, du verstehst? Er war immer so, er wollte ständig mit dem Kopf durch die Wand. Alles musste so sein, wie er es wollte.«
Klemens trank einen Schluck Kaffee, bevor er weitersprach.
»Aber damit war die Sache nicht zu Ende. Er hat mich und meine Schwester enterbt, das ist auch nicht tragisch. Geld ist nicht alles. Viel schlimmer ist, dass es Mutter so trifft. Ich habe sie gerade ins Krankenhaus gebracht. Sie ist völlig zusammengebrochen. Schuld daran ist nur mein Cousin Marco. Ihn hat Vater damals mit der Führung des Geschäfts beauftragt. Marco hat wohl all die Jahre in die eigene Tasche gewirtschaftet. Mutter ist erst am Montag dahintergekommen. Sie rief mich an. Ich nahm sofort das nächste Flugzeug. Jetzt stehe ich vor einem Scherbenhaufen. Ich werde wohl Haus und Hof und die Baufirma verkaufen müssen. Das heißt, wenn ich schnell einen Käufer finde. Die Bank droht mit Zwangsversteigerung.«
»Vielleicht kann man juristisch etwas machen?«
»Ich denke nicht. Marco nahm hohe Hypotheken auf. Er hat schon lange nicht mehr bezahlt.«
»Lief die Baufirma so schlecht?«
Klemens schüttelte den Kopf. Er erzählte, dass Marco heimlich eine eigene Firma angemeldet hatte, aber nicht in Waldklogel, sondern in Oberfranken. Doch die bestand nur aus einem Briefkasten und einem Büro. Alle Geschäfte wickelte er über die Bauunternehmung in Waldkogel ab, für die er eigentlich Geschäftsführer war.
»Während er immer mehr Umsatz und Gewinn machte, ging es mit Vaters Firma bergab. Mutter hatte keine Ahnung. Marco gab ihr jeden Monat das Geld, das mein Vater ihr als Lebensunterhalt zugebilligt hatte. Viel war es nicht. Rente von meinem Vater bekommt sie nicht. Mutter kennt sich in Wirtschaftsdingen nicht aus. Sie hat sich schon zu Lebzeiten meines Vaters aus allen geschäftlichen Dingen herausgehalten. Vater wollte auch nicht, dass sie Einblick bekommt. Er war eben der Typ, der in Frauen keine vollwertigen Menschen sieht. Sie sind nur Anhängsel, sie sollen die Kinder bekommen und den Haushalt machen. Jedenfalls war ihm Marco schon immer um den Bart gegangen. Marco ist der Sohn von Vaters jüngerem Bruder, der bald nach Marcos Geburt in den Bergen verunglückte. Seine Mutter und er lebten viele Jahre bei uns, bis Marcos Mutter wieder heiratete. Sie lebt mit ihrem zweiten Mann in Spanien. Marco, ich und meine Schwester sind über Jahre fast wie Geschwister aufgewachsen. Marco war schon fünfzehn, als seine Mutter wieder heiratete. Marco verstand sich mit seinem Stiefvater nicht und wollte in Waldkogel bleiben. Wir waren damals alle einverstanden. Marco machte sein Abitur und studierte. Ab diesem Zeitpunkt entwickelte er sich immer mehr zum Liebling meines Vaters. Marco machte seinen Ingenieur in Bauwesen. Ich bot meinem Vater die Stirn und studierte Landwirtschaft. Das hat er mir wohl nie verziehen. Als ich dann meiner Schwester nach Amerika folgte, nach einem heftigen Streit, hatte Marco freie Bahn bei meinem Vater. Vater machte ihn zum Geschäftsführer. Er wertete Marco zum Thronerben auf, du verstehst?«
»Dann hat Marco geerbt?«
Klemens schüttelte den Kopf. Er fasste zusammen, was im Testament von Adam Krautenbacher stand. Jonas schüttelte nur den Kopf.
»Du musst ihn sofort entlassen!«, rief Jonas. »Wenn du willst, helfe ich dir.«
»Danke, das Angebot nehme ich gerne an. Rausgeworfen habe ich ihn schon. Außerdem habe ich die Schlösser ausgewechselt. Die Sekretärin habe ich in bezahlten Urlaub geschickt. Ich zahle sie aus meiner Tasche. Die Arbeiter kamen mir entgegen und haben für zwei Monate auf Lohn verzichtet. Es sind alles Waldkogeler, und da besteht Zusammenhalt. Aber ich muss schnellstens verkaufen, damit die Leute einen neuen Chef bekommen und wieder arbeiten können. Im Augenblick nehmen sie unbezahlten Urlaub. Jonas, sie haben alle Frauen und Kinder.«
Klemens seufzte.
»Es ist mir im Augenblick alles zuviel, Jonas. Ich habe mir überlegt, dass ich mir erst mal in München eine Bude nehme. Dann will ich alle Makler abklappern und Unternehmensberater. Vielleicht kennt irgendjemand irgendeinen Baulöwen, der billig kaufen und sich vergrößern will. Sicher bleibt ein Rest an Verbindlichkeiten. Aber ich habe gespart und werde es mit etwas Glück so regeln können, dass es Mutter gut geht. ›Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende‹, so sagt man. Es geht mir nur um Mutter. Meine Schwester ist wieder schwanger und kann nicht kommen. Ich habe Margit auch nicht alles gesagt. Ich will nicht, dass sie sich aufregt. Sag mal, hast du nicht Verbindungen? Kennst du keine Baufirma, die Interesse haben könnte?«
»Du musst dir keine Bude suchen. Ich habe eine große Wohnung. Du kannst gern bei mir bleiben. Ich wohne allein. Wenn ich dir juristisch beistehe, dann ist die Nähe nur von Vorteil. Ich denke, da kommt eine ganze Menge Arbeit auf uns zu. Kannst du mir baldmöglichst Akteneinsicht geben, in alle Geschäftsvorgänge der letzten Jahre?«
Statt einer Antwort griff Klemens in die Hosentasche. Er nahm seinen Schlüsselbund heraus und legte ihn auf den Tisch.
»Bitte, bediene dich! Ich nehme Mutters Schlüssel. So lange sie im Krankenhaus ist, benötigt sie sie ohnehin nicht. Sie wird einige Wochen bleiben und dann in Kur gehen, für weitere Wochen. Das ist auch gut so. Es wäre zu schmerzlich für sie, das alles zu erleben. Schlimm genug, wenn sie die Heimat verliert. Es war ihr Elternhaus. Vater hatte eingeheiratet und die Baufirma gegründet.«