Eine Klasse - zwei Sprachen | Una classe - due lingue -  - E-Book

Eine Klasse - zwei Sprachen | Una classe - due lingue E-Book

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Beschreibung

ZWEI SPRACHEN - ZWEI LEHRERINNEN Seit dem Schuljahr 2005/06 werden an der Volksschule Innere Stadt vier Klassen als bilinguale Klassen - Deutsch und Italienisch - geführt. In jeder dieser Klassen ist zusätzlich zur Klassenlehrerin eine Lehrerin aus der Provinz Trient eingesetzt. ZWEISPRACHIGKEIT ALS PÄDAGOGISCHES MODELL Eine Herausforderung in diesem Projekt: Zu den selteneren Fällen, in denen die Kinder beide Sprachen ihrem Alter entsprechend beherrschen, kommen jene Kinder, die die eine oder andere Sprache nur teilweise in ihren Familien aktuell anwenden. Daher musste nach einem pädagogischen Modell gesucht werden, das den Unterschieden der Kinder Rechnung trägt. RÜCKBLICK AUF ZEHN JAHRE ERFAHRUNG Ein solches wurde ausgehend vom Konzept des Immersionsunterrichts, bei dem sowohl Deutsch als auch Italienisch als Arbeitssprache verwendet werden, für die VS Innere Stadt weiterentwickelt. Die Erfahrungen mit diesem im österreichischen Schulsystem einzigartigen Projekt werden in dieser zweisprachigen Dokumentation aufgearbeitet und vorgestellt. Dall'inizio dell'anno scolastico 2005/06, in quattro classi della scuola elementare "Innere Stadt", ha luogo un progetto pilota di insegnamento bilingue. In ognuna di queste classi un'insegnante di madre lingua italiana, proveniente dalla Provincia di Trento, affianca in classe l'insegnante austriaca. Una delle sfide in questo progetto consiste nel trovare soluzioni di insegnamento che tengano conto delle diversità della dimensione bilingue. Ai casi più rari di bambini, il cui bilinguismo è equivalente, si affiancano altri, per i quali la lingua maggiormente usata nel contesto familiare diventa dominante. Un insegnamento della lingua straniera in senso tradizionale non poteva essere preso in considerazione; per questo motivo si è pensato ad un modello didattico che tenesse conto delle differenze presenti e sviluppasse le varie individualità.

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Eva Nora Hosp / Saverio Carpentieri / Siegfried Winkler (Hg.)

Eine Klasse – zwei Sprachen

Una classe – due lingue

Eva Nora Hosp / Saverio Carpentieri / Siegfried Winkler (Hg.)

Eine Klasse – zwei SprachenUna classe – due lingue

Zehn Jahre bilingualer Unterricht an der Volksschule Innere Stadt in Innsbruck

Dieci anni di insegnamento bilingue alla scuola primaria Innere Stadt di Innsbruck

StudienVerlag

InnsbruckWienBozen

 

 

© 2015 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7065-5792-4

Buchgestaltung nach Entwürfen von hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Satz: Studienverlag/Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig

Umschlag: hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at

Inhalt

Lesehinweise

Indicazioni per la lettura

Besuch an einer Schule – statt eines Vorwortes

Visita ad una scuola – invece di una prefazione

I    Geschichte eines Schulentwicklungsprojekts

I    Storia di un esperimento scolastico

1   Entspannte Verhältnisse

1   I rapporti sono cambiati

2   Wie alles begann

2   Come un’idea è diventata scuola quotidiana

II   Unsere Kundschaft – zweisprachige bzw. mehrsprachige Biografien

II   La nostra utenza – biografie bilingui o plurilingui

III Grundlagen – Was uns besonders wichtig ist

III Le basi e i principi del nostro lavoro

1   Bilingual in allen Fächern

1   Con due lingue in tutte le materie

2   Kopräsenz und CLIL (Content and Language Integrated Learning)

2   Lezioni in compresenza e CLIL(Content and Language Integrated Learning)

3   Freiarbeit als notwendige Voraussetzung

3   Lavoro autonomo come premessa fondamentale

4   „Das habe ich nicht verstanden“

4   “Non ho capito ...!”

5   Noten – nein danke!

5   Voti: no, grazie!

6   Interkulturalität leben und lernen

6   Conoscere e vivere la dimensione interculturale

IV  Aus dem Unterrichtsalltag

IV  Il lavoro quotidiano in classe

1   Freiarbeit

1   Lavoro autonomo

1. Klasse

Lavoro autonomo nella prima classe

2. Klasse

Lavoro autonomo in seconda

3. Klasse

Lavoro autonomo in terza

4. Klasse

Fasi di lavoro autonomo in quarta

2   Kopräsenz Werken

2   Compresenza nell’ora di lavori manuali

3   Gesprächsrunden

3   Conversazioni in cerchio

4   Zu Besuch in Innsbruck. Austausch der Partnerkinder der vierten Klassen 2014/2015

4   In visita a Innsbruck. Scambio tra i bambini gemellati delle quarte classi 2014/15

5   Drei Tage gemeinsam in Candriai

5   Tre giorni insieme a Candriai

6   Lehren und Lernen von Kollokationen in einer bilingualen Klasse

6   Insegnare e imparare collocazioni in una classe bilingue

V   Ergebnisse – was dabei herausschaut

V   Risultati

1   Was sagt die Kundschaft dazu? – Das bilinguale Projekt aus der Sicht unserer Schülerinnen und Schüler

1   Il progetto Classi bilingui dal punto di vista degli alunni

Evaluation – nur leere Kilometer?

Valutazioni – solo tempo perso?

Warum müssen wir auch noch Italienisch lernen? Argumente für bilinguale Bildung

Perché dobbiamo imparare anche l’italiano? Motivi per un ’educazione bilingue

Auch die Haare in der Suppe finden

… Cercare il pelo nell’uovo

Was bringt der Austausch mit der Partnerschule in Trento?

Quali sono i vantaggi dello scambio con la scuola partner di Trento?

Blitzgeschichten

Storie flash

Sprechen Sie Tingitisch?

Parli tingitico?

Was Gott sei Dank sicher ist! – Das Leistungsniveau in den bilingualen Klassen in Deutsch und Mathematik

Quello che però è un dato sicuro: il livello degli scolari delle classi bilingui in tedesco ed in matematica

Ich bin eine gute Schülerin! – Ich bin ein guter Schüler!

Io sono un bravo scolaro!

2   Wie viel Sprache (Italienisch – Deutsch) lernen die Kinder in den bilingualen Klassen?

2   Quanta lingua (italiano – tedesco) imparano i bambini nelle classi bilingui?

Formen der Überprüfung der Sprachkenntnisse

Forme di valutazione delle competenze linguistiche

3   Stimmen der Eltern

3   Alcune opinioni dei genitori su questo progetto

VI  Problembereiche – Stolpersteine – Minenfelder

VI  Ambiti problematici

1   Ansprüche und Realität

1   Propositi e realtà

2   Sackgasse. Das österreichische Schulorganisationsgesetz und seine Tücken

2   Un vicolo cieco. Le insidie dell’ordinamento legislativo scolastico austriaco

3   Leider kein Bildungs-Euro! Schulsysteme sind auf die Mehrsprachigkeit von Kindern nicht vorbereitet

3   Non c’è una moneta comune nella scuola. I sistemi scolastici non sono preparati al plurilinguismo

VII Unsere Partnerschule in Trient berichtet

VII Organizzazione del lavoro nella scuola partner di Cognola. La sezione bilingue italo-austriaca dell’Istituto “J. A. Comenius” di Cognola, Trento. Racconto di un ’esperienza

1   Die Anfänge, Beweggründe und Ziele

1   Origini, motivazioni e obiettivi

2   Die Methoden im Sprachunterricht

2   Il modello linguistico

3   Die Organisation der Grundschule (Schulstufe 1–5)

3   Organizzazione della scuola primaria

Der Lehrplan

Il curricolo

Die Unterrichtszeit

Il tempo scuola

Die Organisation der Schulräume

L’organizzazione dell’ambiente scolastico

Die Partnerschaft

Il gemellaggio

Die Bewertung des Projektes und der Lernerfolge

La valutazione del progetto e degli apprendimenti

4   Aufbau der Sekundarstufe I (Schulstufen 6–7)

4   Organizzazione della scuola secondaria di primo grado

5   Das Einbeziehen der Familien

5   Il coinvolgimento delle famiglie

Dank

Ringraziamenti finali

Kurzbiografien der Autorinnen und Autoren

Autrici ed autori

Impressionen | Impressioni

Italienischunterricht – Kopräsenzunterricht |Lezione di Italiano – Lezione in compresenza

Während der Freiarbeit | Durante il lavoro autonomo

Austausch mit den Partnerkindern | Scambio con i bambini della scuola partner

Lesehinweise

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, Sie haben einen Text vor sich, in dem zehn Jahre Erfahrung mit dem Projekt Bilinguale Klassen an der Volksschule Innere Stadt in Innsbruck vorgestellt werden. Mehr als 120 Buben und Mädchen und mehr als ein Dutzend Lehrerinnen waren inzwischen daran beteiligt. Insbesondere die Kinder wollen wir hier aber nicht wie Zirkuspferde vorführen. Es hat diese Kinder – meistens durch ganz bewusste Entscheidung ihrer Eltern, manches Mal auch eher zufällig – in diese bilingualen Klassen „verschlagen“.

Jede Klasse ist für sich eine bunte Mischung aus Kindern mit verschiedenen individuellen Merkmalen, die in immer neuen Konstellationen erscheinen.

In diesem Buch werden immer wieder Fallbeispiele vorgestellt, in denen wir die Kinder nicht bei ihren richtigen Namen nennen, sondern, wenn dies notwendig ist, erfundene, fiktive verwenden.

Lange haben wir auch darüber diskutiert, wie wir es in dieser Frage bei den Lehrerinnen halten sollen. Die Anzahl ist mit einem guten Dutzend auch nicht gerade gering. Aber diese wollen wir nicht in der Anonymität versinken lassen. Sie sind – im näheren Umfeld – ohnedies bekannt. Sie werden vielleicht öfter auf dieses Projekt angesprochen und stehen auch für dieses Projekt gerade. Darum werden die Lehrerinnen mit ihren richtigen Familiennamen genannt.

Apropos Lehrerinnen: Warum nicht auch Lehrer? Ganz einfach deshalb, weil es in diesen zehn Jahren keine solchen gab. Bis Ende des Schuljahres 2014/15 unterrichtete keine männliche Lehrperson in unseren bilingualen Klassen.1

In diesem Punkt unterscheidet sich die Volksschule Innere Stadt nicht von anderen. Das führt auch zu der Frage, wie wir es hier mit der Genderfrage halten. Schulen sind überall Orte, an denen inzwischen bei weitem mehr weibliche als männliche Personen anzutreffen sind. Auf der Seite der Schülerinnen und Schüler ist es jedenfalls die Hälfte, auf der Seite der Unterrichtenden sind es deutlich mehr als die Hälfte, besonders im Volksschulbereich. Man muss daher nicht glühend feministisch orientiert sein, wenn es unbefriedigend erscheint, dass dann in einem Text zur Schule nur von Lehrern und Schülern die Rede ist und nur eine schwammige Fußnote darauf hinweist, dass damit ohnedies auch die Schülerinnen und Lehrerinnen gemeint sind. Es wäre einfach nicht richtig! Wir versuchen daher in diesem Text, immer beide geschlechtsspezifischen Formulierungen anzuführen. Wir glauben auch nicht, dass der Text dadurch schwieriger zu lesen ist. Aber urteilen Sie selbst!

Sie finden im Mittelteil dieses Buches auch eine Reihe von Fotos aus unserer Schule, aus unserem Unterricht.

Was bilden diese ab? Unterricht ist ein unglaublich komplexer und dynamischer Vorgang. Vieles geschieht gleichzeitig, 20 oder mehr Personen sind daran laufend beteiligt, eine Unzahl von Interaktionen läuft gleichzeitig ab. Die Sprache als Darstellungsmedium ist nur sehr unzulänglich geeignet, dies abzubilden. In der Sprache (der gesprochenen und noch mehr in der geschriebenen) folgt Wort auf Wort, Satz auf Satz, Gedanke auf Gedanke – die Sprache ist linear, langsam und schwerfällig und nicht sehr gut geeignet, Unterricht zu „be-schreiben“. Viel besser ließe sich Unterricht durch Bilder darstellen. In Bildern ist vieles gleichzeitig sichtbar und kann sichtbar gemacht werden. Aber leider können unsere Lehrerinnen nicht parallel unterrichten und dabei sich selbst und die Klasse auf Bildern festhalten! Einen professionellen Fotografen oder eine professionelle Fotografin, der oder die dies ansatzweise versuchen hätte können, hatten wir nicht zur Hand. Wir gestehen auch ein, dass wir versucht haben, einzelne uns wichtig erscheinende Situationen „nachzustellen“, also ein paar Fotos außerhalb des Unterrichts zu inszenieren. Es funktionierte nicht, die Bilder wirkten eben „gestellt“ und drückten nicht aus, was wir darstellen wollten, weil sie nicht authentisch waren.

Was Sie also in diesem Buch an Bildmaterial finden, sind mehr oder weniger zufällige Schnappschüsse. Vielleicht können sie ein wenig von der Atmosphäre vermitteln, aber sie bleiben zufällig und austauschbar. Sie sind nicht mit dem Text kongruent, sie bleiben – leider – nur hübsche Illustration und Auflockerung. Üben Sie bitte Nachsicht!

In diesem Text finden Sie viele wörtliche Aussagen von unseren Schülerinnen und Schülern. Diese Aussagen sind immer kursiv gesetzt und sie sind in keinem Fall verändert – authentischer Kindermund also. Angepasst wurden diese Zitate nur, was die Sprachnorm, Rechtschreibung und Grammatik betrifft.

Alle Beiträge in diesem Buch geben die persönliche Meinung der Autorinnen und Autoren wieder. Jeder Beitrag ist daher auch persönlich gezeichnet. Das heißt nun nicht, dass wir als Team nicht in sehr vielem übereinstimmen, was hier gesagt wird, aber die eine oder andere Meinungsverschiedenheit gibt es immer wieder.

Darum haben wir auch nach zehn Jahren in unseren regelmäßigen bilingualen Sitzungen immer noch viel gemeinsam zu bereden.

Wir wünschen Ihnen bei der Lektüre viel Nachdenklichkeit, auch viele Aha-Erlebnisse und ab und zu vielleicht auch etwas Spaß!

Eva Nora Hosp / Saverio Carpentieri / Siegfried Winkler

 

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1   Seit Anfang des Schuljahres 2015/16 wird zum ersten Mal eine neue erste Klasse von einem jungen Lehrer geführt, worüber wir uns sehr freuen.

Besuch an einer Schule – statt eines Vorwortes

Es gibt so etwas wie einen Standard-Eindruck von Schulen quer durch Europa. Dazu gehört die Architektur, aber noch vieles mehr: Akustische und optische Eindrücke, ja sogar Gerüche sind schultypisch.

Zum Standard gehört die oft beträchtliche Lautstärke am Morgen, wenn sich die Klassen füllen, vor allem dann in den Pausen und wenn um dreizehn Uhr ein paar Dutzend oder ein paar Hundert Schülerinnen und Schüler den Ort ihrer Bildung verlassen. Die Abschnitte eines Schulalltags werden fast ausnahmslos von Schulglocken markiert, die schrillen, bellen oder harmlos als Gongschläge daherkommen. Zum Standard gehört auch die Stille während der Unterrichtszeit. Kaum zu glauben: Da sind fünfzig oder auch vierhundert Schülerinnen und Schüler in einem Gebäude, durch dessen Gänge man geht – und es ist still. Fast still. Meistens. Nicht selten mucksmäuschenstill. Zum Standard gehören ebenso die geschlossenen Klassentüren, die verhindern, dass Geräusche nach außen dringen. Was sich da abspielt in der Unterrichtszeit, erschließt sich dem Besucher oder der Besucherin einer Schule, der oder die eine Schule durchwandert, überhaupt nicht. Was der Besucher oder die Besucherin wahrnimmt, das ist die Anordnung der einzelnen Klassen nach einem strengen Ordinalsystem: Auf die 1A folgt die 1B, dann die 2A und die 2B und so weiter.

Zum Standard gehören auch die mit den Werken der Schülerinnen und Schüler gestalteten Wände und Treppenhäuser. Hier wird mehr oder weniger liebevoll, mehr oder weniger abwechslungsreich die Arbeit ausgestellt, die an der Schule geleistet wurde. Aber es ist immer nur ein höchst schmaler Ausschnitt der Arbeit, meist nur aus dem bildnerischen Bereich und von diesem selbstverständlich nur die schönen und guten Produkte – was jemand aus welchen Gründen auch immer dafür hält. Vom Lernen sieht man da wenig.

Die Volksschule Innere Stadt in Innsbruck ist anders. Ganz anders. Der Besucher oder die Besucherin kommt über die Freitreppe von außen in den ersten Stock. Von Westen fällt durch die Glasfassade viel Licht in die Aula; auf der Ostseite sind vier Klassen untergebracht. Im zweiten Stock dann noch einmal sechs Klassen.

Wenn ich während der Unterrichtszeit komme, was meistens der Fall ist, bin ich immer wieder – auch nach dem fünfzigsten Besuch – erstaunt, ja verblüfft: Alle Klassentüren stehen offen. Die große Aula ist sozusagen der verlängerte Klassenraum für alle, besser: der vergrößerte Arbeitsplatz für die Schülerinnen und Schüler. Da sitzen zwei oder drei um einen Tisch und beschäftigen sich mit Arbeitsmaterial. Da liegen vier am Teppich und arbeiten, da hockt einer oder eine allein und memoriert etwas – hochkonzentriert. Ein Blick durch die offenen Türen in die Klassenräume: Ja, selbstverständlich arbeiten auch dort Buben und Mädchen, aber nachdem nicht wenige in die Aula ausgewichen sind, scheinen die Klassenräume meist halbleer, obwohl in jeder Klasse auch bis zu 24 Kinder sitzen.

Und – dies ist der zweite höchst ungewöhnliche Eindruck beim Besuch dieser Schule – es ist immer ruhig, sehr ruhig. Aber nicht still, und schon gar nicht mucksmäuschenstill. Das ist noch etwas, was mich immer wieder überrascht: Die ruhige Arbeit der Kinder, die an den allermeisten anderen Schulen oft nur mit Mühe durch das Dirigat von Lehrerinnen und Lehrern herbeigeführt und auch nicht selten nur mit Mühe aufrechterhalten wird, funktioniert hier wie von alleine. Alle Schülerinnen und Schüler arbeiten konzentriert an ihren Aufgaben, und die Lehrerinnen sind auf den ersten Blick kaum auszumachen. Buben und Mädchen sprechen miteinander, Lehrerinnen sitzen bei Lerngruppen oder bei Einzelnen und geben Hilfen und Hinweise, aber alle immer so leise, dass man aus einem Meter Entfernung kaum etwas davon versteht. Wenn ich die Volksschule Innere Stadt betrete, sehe ich Lernen. Und das wirkt nicht gekünstelt oder gedrillt, muss nicht unter Kontrolle gehalten werden, schon gar nicht unter Androhung von Sanktionen, sondern ist einfach ganz natürlich da.

Nein, selbstverständlich funktioniert das nicht von alleine, also „automatisch“ – es funktioniert, das ist immer wieder mein Eindruck, weil die Schülerinnen und Schüler hier offenbar gerne lernen, d .h. sich gerne mit den Aufgaben beschäftigen, die sie vor sich haben.

Ich sehe immer wieder Schülerinnen und Schüler, die – ohne von einer Lehrerin dazu aufgefordert zu sein – sich neue Arbeitsmaterialien holen. Ich sehe die Lehrerinnen meistens auf gleicher Augenhöhe neben den Kindern sitzen und etwas erklären. Ich sehe immer wieder auch Schülerinnen und Schüler, die sich vielleicht gerade etwas erholen, die ihren Gedanken nachhängen. Vielleicht hat ihr Meerschweinchen heute Morgen Junge bekommen, oder die Eltern hatten gestern Abend einen bösen Streit. Auch Kinder haben ihre Sorgen und arbeiten nicht immer in höchster Konzentration. Aber ich habe noch nie eine Lehrerin erlebt, die sie deshalb zurechtwies, anherrschte oder antrieb. Ich habe an dieser Schule noch nie erlebt, dass Buben oder Mädchen sich bewusst der Arbeit ganz entzogen oder diese gar verweigert hätten, dass Kinder durch die Klasse gebrüllt hätten oder dass sie andere bei der Arbeit absichtlich gestört hätten. Nie. Das ist der Hauptgrund, warum ich die Volksschule Innere Stadt in Innsbruck immer wieder gerne besuche und mich jedes Mal freue, wenn ich über die Freitreppe in den ersten Stock hinauf steige – dem Lernen entgegen, sozusagen. Offenbar lernen hier Kinder gerne, freiwillig und auch höchst erfolgreich, wie ich inzwischen weiß.

Von alleine geht das selbstverständlich nicht. An dieser Schule wird vielmehr ein hervorragendes, auch wissenschaftlich gut begründetes Konzept umgesetzt, das im Abschnitt Grundlagen näher beschrieben wird. Entwickelt und umgesetzt wird dieses pädagogische Konzept von den Lehrerinnen, die an dieser Schule arbeiten. Ich schätze diese Damen ganz außerordentlich, auch weil sie so selbstverständlich gegen den Mainstream arbeiten.

Das ist der große Unterschied der Volksschule Innere Stadt zu den meisten anderen Schulen. Es gibt aber noch ein paar andere Unterschiede: Eine Schulglocke gibt es – wen verwundert das? – nicht. Die Hektik am Morgen und in den Pausen ist bei weitem nicht so groß wie in anderen Schulen, auch der Lärmpegel nicht. Ich habe auch noch nie eine Lehrerin schreien gehört. Auch in den Pausen wird nicht gerempelt, gelärmt, geschubst und geschrien. Wobei es aber schon auch Ausnahmen gibt.

Dabei ist die Volksschule Innere Stadt eine normale Sprengelschule, die von Schülerinnen und Schülern aller sozialen Schichten, von mehr als 30 verschiedenen Nationalitäten und neun verschiedenen Konfessionen besucht wird. Die Klientel der Schule ist dieselbe wie die einer anderen Volksschule in einer anderen österreichischen Landeshauptstadt.

Anders ist an der Volksschule Innere Stadt auch die Bezeichnung der Klassen: Da herrscht kein Ordnungsprinzip; hier gibt es unter anderem eine Regenbogen-Klasse, eine Raben-Klasse oder auch eine Pinguini- oder Topolini-Klasse.

„Schöne“ Schülerarbeiten sieht man an dieser Schule kaum. Nicht auf den Gängen, nicht in den Klassen. Dafür wäre auch kaum Platz. Alle Wände sind mit Regalen verbaut, in denen die Arbeitsmaterialien für die Schülerinnen und Schüler übersichtlich geordnet sind. In der Halle ist auch wenig Platz für solche; der Platz reicht gerade, um die Preise und Auszeichnungen auszustellen, die die Schule schon gewonnen hat. Da ist es nicht verwunderlich, dass der Schulversuch bilinguale Klassen gerade an dieser Schule angesiedelt ist. In diesem pädagogischen Konzept hat er einen guten und sicheren Platz.

Immer mehr Kinder wachsen heute mit zwei Muttersprachen – besser – mit einer Mutter- und einer Vatersprache auf. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen ermöglichen oder erzwingen eine weitaus höhere Mobilität der Menschen als noch vor wenigen Jahrzehnten. Dabei war Gesamttirol vor dem Jahr 1918 bereits ein bilinguales Land; in den südlichen Landesteilen war die Verwendung des Deutschen und des Italienischen nebeneinander Normalität. Das kehrt heute wieder ein kleines Stück weit zurück. Im Raum Innsbruck leben heute aus den unterschiedlichsten Gründen immer mehr Familien, in denen einer der beiden Elternteile aus dem italienischen Sprachraum und der andere aus dem deutschen stammt. Solche Kinder wachsen also bilingual auf, wobei immer eine der beiden Sprachen die aktuell dominantere als die andere ist. Darauf sind die Schulen in Österreich aber nicht vorbereitet; der Unterricht findet – mit Ausnahme des Fremdsprachenunterrichts – ausschließlich auf Deutsch statt.

Im Jahr 2005 wurde zwischen der Provinz Trient in Italien und dem Bundesland Tirol ein Staatsvertrag abgeschlossen, der vorsieht, dass in Trient und Innsbruck jeweils eine Grundschule eingerichtet wird, in der der Unterricht bilingual – deutsch und italienisch – erfolgt. In der Volksschule Innere Stadt unterrichten in vier von zwölf Klassen neben den jeweiligen Klassenlehrerinnen jeweils weitere zwei Lehrerinnen aus der Provinz Trient; elf Stunden pro Woche erfolgt der Unterricht in beiden Sprachen – Deutsch und Italienisch.

Mit diesem Schulversuch wurde in Österreich weitgehend pädagogisches Neuland betreten. Wie ein solcher Unterricht aussieht, welche Herausforderungen damit verbunden sind und welche Erfahrungen man nach zehn Jahren gemacht hat, wird in dieser Publikation vorgestellt.

Siegfried Winkler

I   Geschichte einesSchulentwicklungsprojekts

1   EntspannteVerhältnisse

Das Verhältnis zwischen Italien, dem Italienischen, der Italianita und Tirol kann man gegenwärtig fast als herzlich bezeichnen, auf jeden Fall als unbelastet und offen. Dazu beigetragen hat eine Vielzahl an Umständen, wobei die ökonomischen sicher eine zentrale Rolle spielen.

Im Advent zur Zeit des Christkindlmarktes quillt Innsbruck geradezu über von italienischen Touristinnen und Touristen. Auf der Maria-Theresien-Straße hört man zu dieser Zeit, vornehmlich am frühen Abend, sicher viel mehr Italienisch als Deutsch. Das führt seit Dezember 2011 sogar dazu, dass italienische Carabinieri in voller fescher Uniform gemeinsam mit der einheimischen Polizei in der Innenstadt Streife gehen. Dabei geht es sicher nicht nur darum, den Damen und Herren aus Turin oder Rom den kürzesten Weg zur nächsten Toilette zu weisen oder auf die letzten offenen Parkmöglichkeiten hinzuweisen. Das brächten – in etwas holprigem Italienisch vielleicht – die einheimischen Ordnungshüterinnen und Ordnungshüter auch zu Wege. Es ist vielmehr eine deutliche und bewusste Demonstration für eine gepflegte Nachbarschaft, mit der der Brenner, auch heutzutage immer noch ein unwirtliches Stück Natur, woran auch ein riesiges Einkaufszentrum nicht viel ändert, als Grenze endgültig aus den Köpfen verschwunden und Geschichte ist. Gott sei Dank!

Nicht nur zur Adventzeit sind die Italienerinnen und Italiener häufige und gern gesehene Gäste in Tirol; sie knausern beim Essen und Trinken nicht und gehen gerne das eine oder andere Extra einkaufen.

Umgekehrtes gilt aber auch: Die Tirolerinnen und Tiroler überschwemmen vor allem im Frühsommer den norditalienischen Raum; der Gardasee gilt als das Meer der Innsbruckerinnen und Innsbrucker; die Zahl der Tiroler Zweitwohnungen rund um den Gardasee soll in die Tausende gehen.

Das Italienische, vor allem in seiner kulinarischen Ausprägung, hat – wie viele andere Regionen Europas auch – längst Tirol erobert: In jedem größeren Ort in Tirol gibt es mindestens zwei Pizzerias, in Innsbruck mindestens zwanzig; in jedem Ort eine Gelateria Mantovani oder einer anderen italienischen Provenienz. Im Gegenzug revanchiert sich Innsbruck mit einer „Speckeria“ und einer „Pizzerei“. Dieses sind sicher etwas kuriose und sprachlich eher zweifelhafte Wortschöpfungen, aber sie weisen auf dieses innige Verhältnis zum Italienischen hin. Seriöser ist da sicher eine Reihe von gut sortierten italienischen Feinkostläden in Innsbruck, die von Italienerinnen und Italienern geführt werden.

An mehr als der Hälfte aller Tiroler Neuen Mittelschulen wird inzwischen Italienisch als zweite lebende Fremdsprache (nach dem unvermeidbaren Englisch) unterrichtet. Mehr als 300 Tiroler Lehrerinnen und Lehrer haben dafür eine Lehramtsprüfung in Italienisch abgelegt. Italienisch ist auch in den weiterführenden Schulen in Tirol die am zweithäufigsten unterrichtete Sprache.

An den Innsbrucker Universitäten und Hochschulen ist eine ganze Reihe von italienischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in führenden Positionen tätig. Bei den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck, die höchstes Ansehen in ganz Europa genießen, werden jedes Jahr Barockopern in italienischer Sprache aufgeführt; die Leitung dieses Festivals ist inzwischen auch in den Händen italienischer Fachleute von Weltruf, so auch die Leitung des Tiroler Sinfonieorchesters.

Die Banca di Trento e Bolzano hat an einer prominenten Adresse in Innsbruck eine Filiale. Das sind deutliche – äußerliche – Hinweise für diese inzwischen fast innige Beziehung zwischen dem Land in den Bergen und dem südlichen Nachbarn.

Das war nicht immer so, und ältere Semester werden sich noch daran erinnern. Aber die friedliche politische Entwicklung in Südtirol seit der Autonomieregelung von 1984 und vor allem die Europäische Union haben dazu beigetragen, dass Tirol und Italien heute als gute Nachbarn einen regen wirtschaftlichen und zunehmend auch kulturellen Austausch pflegen.

Und wie immer, wenn die Menge und die Intensität von Kontakten zwischen zwei unterschiedlichen Gruppen von Menschen zunehmen, erhöht sich damit die Wahrscheinlichkeit, dass auch (innige) Beziehungen zwischen Angehörigen dieser beiden Gruppen zu sprießen beginnen. Eine unterschiedliche Sprachzugehörigkeit ist offenkundig kein Merkmal, das heftige Hormonreaktionen zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts verhindert. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall.

Kinder solcher Ehen wachsen dann in bilingualen – sowohl deutsch- als auch italienischsprachigen – Familien auf.

In Tirol, vor allem im Raum Innsbruck, werden es von Jahr zu Jahr mehr.

Siegfried Winkler

2   Wie alles begann

Das Bundesland Tirol war wegen seiner geografischen Lage schon jeher ein einmaliger Berührungs- und Verbindungspunkt zwischen der südländischen Kultur und der mitteleuropäischen Lebensweise. Die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte zwischen Österreich und Italien waren in der ganzen Geschichte immer sehr intensiv. Über den Brenner führte eine der wichtigsten Verbindungsachsen zwischen Nord- und Südeuropa.

Die tragischen geschichtlichen Ereignisse im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts trugen leider dazu bei, die Beziehung zwischen Österreich und Italien auf allen Ebenen zu beeinträchtigen. Nur langsam und durch politische Bemühungen von beiden Seiten in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts konnte wieder ein positives politisches Klima entstehen.

Erst nach dem Österreich-Beitritt zur EU 1995 war der Weg für eine engere Zusammenarbeit zwischen historisch verbundenen Regionen tatsächlich wieder geebnet.

Drei Jahre später (1998) entstand in dieser Aufbruchsstimmung die „Europa Region Tirol-Südtirol-Trentino“, in der gemeinsame wirtschaftliche und kulturelle Interessen verwirklicht werden sollten.

Nun war die Zeit reif, diese Zusammenarbeit auch auf Bildungsebene überregional auszuweiten und ein konkretes Schulprojekt anzudenken, um die Schaffung eines überregionalen Bildungsnetzwerkes zu fördern.

Nach einigen Bemühungen im Vorfeld bekamen die Vertreter der Schulaufsicht für die Pflichtschulen in Tirol, LSI Dr. Reinhold Wöll und BSI Ferdinand Treml, 2004 grünes Licht für das Projekt Bilinguale Klassen Deutsch – Italienisch.

Im August 2004 fand die erste Sitzung einer gemeinsamen Lehrplankommission und einer Kommission zur Vertragserrichtung in Trient statt.

Während des gesamten Schuljahres 2004/05 fanden abwechselnd in Innsbruck und Trient Sitzungen der Arbeitsgruppe Tirol/Trentino unter der Leitung von BSI Ferdinand Treml (Innsbruck) und Dr. Mario Turri (Trient) statt.

Im Februar 2005 fuhr eine Delegation aus Innsbruck nach Klagenfurt, um an der bilingualen Volksschule Theodor Körner zu hospitieren, da diese zu der Zeit schon bilinguale Klassen Deutsch – Italienisch führte.

Am 20. April 2005 kam es dann endgültig zur Vertragsunterzeichnung zwischen der Provinz Trient und dem Land Tirol im Tiroler Landhaus in Innsbruck durch die Vertreter Landesrat Mag. Dipl.-Vw. Sebastian Mitterer und Ass. Dott. Tiziano Salvaterra.

Nach mehr als einjähriger Vorbereitung konnte nun das Projekt Bilinguale Volksschule Deutsch – Italienisch – Innsbruck – Trient mit Beginn des Schuljahres 2005/06 endgültig starten. Dafür wurden in Innsbruck die Volksschule Innere Stadt und in Trient das Istituto Comprensivo di scuola primaria e secondaria di primo grado „Johannes Amos Comenius“ Cognola ausgewählt.

Die an einer Aufnahme in die bilingualen Klassen der VS Innere Stadt interessierten Kinder wurden schon im Februar 2005 einem mündlichen Sprach- und Schulreifetest unterzogen, bei dem die aktive und passive Sprachbeherrschung in Italienisch überprüft und sie für die Aufnahme in die bilinguale Klasse vorgemerkt wurden. Im Juni 2005 fand ein Informationsabend statt, an dem Eltern, Lehrerinnen und die Direktorin der Volksschule Innere Stadt, Eva Nora Hosp, teilnahmen.

Mit Ende des Schuljahres 2004/05 standen dann auch die Lehrerinnen der ersten bilingualen Klasse an der Volksschule Innere Stadt fest. Eine wichtige Anforderung für die Arbeit in diesen Klassen stellte die Beherrschung der italienischen Sprache dar. VOL Dipl.Päd. Dorothea Carpentieri und VOL Dipl. Päd. Marlene Zandanel, angestellt vom Land Tirol, teilten sich die Lehrverpflichtung von 22 Wochenstunden. Aus der Provinz Trient wurde Dott. Sara De Carli als Lehrerin für Italienisch angestellt.

Mit Beginn des Schuljahres 2005/06 (12.09.2005) startete das Projekt endgültig.

Als Grundlage der didaktischen Arbeit diente der eigens von einer Kommission für das bilinguale Projekt entwickelte Lehrplan, der sowohl Teile des österreichischen als auch des italienischen Lehrplans enthält. Die Lehrerinnen mussten sich im Vorfeld auf die anzuwendenden Methoden einigen, durch die die Bilingualität in der Unterrichtsarbeit gewährleistet werden konnte.

Während des Schuljahres trafen sich die Lehrerinnen regelmäßig zu Planungsgesprächen. Es ergab sich auch mehrmals die Möglichkeit, mit den Kolleginnen der Partnerklasse in Trient ins Gespräch zu kommen, um sich gegenseitig in den verschiedenen Arbeitsweisen kennen zu lernen, Ideen auszutauschen und gemeinsame Aktivitäten zu planen.

Während des ersten Schuljahres hatte sich der Bedarf einer wissenschaftlichen Begleitung (wie in der Partnerschule in Trient von Anfang an praktiziert) sowohl im pädagogischen als auch im sprachwissenschaftlichen Bereich herauskristallisiert. Im zweiten Halbjahr wurde diese Begleitung von BSI Ferdinand Treml eingerichtet, sie besteht bis heute (Dott. Saverio Carpentieri, Dr. Siegfried Winkler).

Im Laufe der Zeit wurden auch die Aktivitäten mit der Partnerschule ausgeweitet und etabliert. Die Kinder haben seither mehrere Möglichkeiten, die Partnerklasse in Trient bzw. Innsbruck zu besuchen und aktiv am Unterricht teilzunehmen, sowohl als Exkursionen im Klassenverband als auch privat über die Partnerfamilien.

Der erste Zyklus von vier Schulstufen wurde durchgeführt und mit jedem neuen Schuljahr begann eine neue erste Klasse. Aus den permanenten Rückmeldungen der Lehrerinnen und der Zusammenarbeit mit den Eltern entwickelte sich das Projekt weiter.

Nach den ersten zehn Jahren ist das Projekt Bilinguale Klassen Deutsch – Italienisch ein fixer Bestandteil der Tiroler Bildungslandschaft. Immer mehr interessierte Familien möchten ihren Kindern diese Schullaufbahn ermöglichen. Die Volksschule Innere Stadt mit ihren bilingualen Klassen wird inzwischen auch von vielen pädagogisch Interessierten aus dem In- und Ausland besucht.

Saverio Carpentieri / Eva Nora Hosp

II  Unsere Kundschaft – zweisprachige bzw. mehrsprachige Biografien

Ein Hinweis zu Beginn: Es ist uns nicht leichtgefallen, diesen Abschnitt zu schreiben, in dem wir die vielfältige mehrsprachige Kundschaft in unseren Klassen vorstellen. Wir möchten unsere Kinder auf keinen Fall als Ausstellungsstücke vorführen, wir wollen deren Persönlichkeit und deren Würde durch absolute Anonymität schützen.

Im Folgenden ist also meist von Kindern die Rede und von Eltern, nicht von Buben und Mädchen oder Müttern und Vätern. Namen werden überhaupt nicht erwähnt, fallweise fiktive. Herkunft und Status der Eltern werden meist ausgeblendet oder verändert. Der Text liest sich dadurch nicht leichter; das wissen wir, aber wir bitten die Leserinnen und Leser um Verständnis.

Eine mehrsprachige Biografie liegt dann vor, wenn Kinder mit mehr als einer Muttersprache aufwachsen. So weit, so gut, aber gar nicht so einfach – und vor allem so vielfältig! Wir sind inzwischen sicher, dass nicht zwei von den etwa 120 bilingualen Biografien, die wir in den vergangenen Jahren an unserer Schule erlebt haben, völlig identisch sind! Der Versuch einer Typologie von Multilingualität, wie wir sie erlebt haben und erleben, kommt etwa zu dem folgenden Ergebnis:

Da sind zuerst einmal Kinder, die bilingual deutsch-italienisch aufwachsen, d.h. das Kind verwendet seit der Geburt in der Familie und im Alltag beide Sprachen situationsbezogen (simultaner Früh-Bilingualismus), das sind etwa 30 Prozent der Schülerpopulation. In solchen Familien werden beide Sprachen gleichmäßig und gleichwertig verwendet. Häufig ist es dabei so, dass ein Elternteil vorwiegend die deutsche Sprache verwendet, der andere die italienische. Beim Eintritt in die Grundschule sprechen diese Kinder also bereits Deutsch und Italienisch ihrem Alter und ihrem Entwicklungsstand entsprechend.

Hier ein Beispiel aus unseren Sprachbiografien: Das Kind ist ein typisches bilinguales Kind. Ein Elternteil ist italienischer, der andere österreichischer Herkunft. Daheim ist Italienisch die Familiensprache und das Kind beherrscht diese sehr gut. Manches Mal hingegen leitet das Kind Wörter aus dem Italienischen ab, die originelle Wortkreationen auf Deutsch ergeben können, wie zum Beispiel „pettinieren“ statt kämmen (pettinare auf Italienisch) oder „die ciabatten“ statt Hausschuhe (le ciabatte auf Italienisch). Es verwendet in der Schule gleichwertig Deutsch und Italienisch sowohl mit den Lehrerinnen als auch mit den Mitschülern.

In einigen Fällen (z. B. bei geschiedenen Paaren) ist es aber so, dass eine der beiden Sprachen die aktuell dominantere ist, und damit ist die Sprachkompetenz bei diesen Kindern in der einen Sprache besser und weiter entwickelt als in der anderen.

Ein Beispiel dazu: Das Kind lebte mit einem deutsch- und einem italienischsprachigen Elternteil in Italien und hat dort auch den Kindergarten besucht. Aus welchen Gründen auch immer lebt das Kind gegenwärtig nur noch mit seinem deutschsprachigen Elternteil in Tirol: „Wäre doch schade, wenn er oder sie Italienisch wieder verlernen würde“, ist dann das Argument für die bilinguale Klasse an der Volksschule Innere Stadt.

Unterschiedlich entwickelt ist bei diesen Kindern die aktive und die passive Sprachkompetenz, das heißt, es gibt Kinder, die in einer oder der anderen Sprache alles oder sehr viel verstehen, aber nur in einem geringen Ausmaß diese Sprache auch sprechen (wollen).

Der Anteil der Kinder, die in diesem Sinn prinzipiell bilingual aufwachsen, aber in der einen oder anderen Sprache oft sehr unterschiedlich kompetent sind, liegt in unseren Klassen bei ungefähr zehn Prozent.

Dann haben wir in unseren Klassen immer wieder Kinder von deutschsprachigen Südtiroler Eltern, die gegenwärtig ihren Wohnsitz im Raum Innsbruck haben. In diesen Familien wird zu Hause ausschließlich Deutsch gesprochen, wie auch in vielen solcher Familien, die südlich des Brenners wohnen. Die Eltern wollen und können aber nicht ausschließen, dass die Familie irgendwann wieder südlich des Brenners wohnen wird und dass dann die Kinder eine Schule besuchen werden, in der Italienischunterricht obligatorisch ist. Also besuchen solche Kinder hier in Innsbruck die bilinguale Klasse; sie sind am Beginn ihrer Schulkarriere hier aber praktisch einsprachig deutsch. Etwa zwanzig Prozent unserer Schülerinnen und Schüler können wir zu dieser Gruppe zählen.

Beispiel: Die Eltern des Kindes sind deutschsprachige Südtiroler. In der Familie wird ausschließlich Deutsch gesprochen, aber die Kontakte zu der italienischen Sprache und Kultur sind durch regelmäßige Besuche bei Verwandten und Freunden in Südtirol vorhanden. Das Kind hat eine gute passive Sprachbeherrschung und nimmt gerne am Italienischunterricht teil.

Es gibt Kinder, die beim Schuleintritt nur italienischsprachig sind – ungefähr zehn Prozent. Immer häufiger besuchen Kinder unsere bilingualen Klassen, deren italienischsprachige Eltern aus welchen Gründen auch immer ihren Lebensmittelpunkt von Mailand, Palermo oder Rovereto in den Raum Innsbruck verlegt haben. Die viel gepriesene Mobilität auf dem Arbeitsmarkt gibt es also wirklich. Diese Kinder sprechen bei ihrer Ankunft hier oft kein Wort Deutsch; sie haben vielleicht auch schon in Italien die ersten Klassen der Grundschule besucht und sitzen dann – auch oft während des Schuljahres, von einem Tag auf den anderen – in einer unserer bilingualen Klassen – eben jener, die am ehesten dem Alter eines Kindes entspricht. Wenn die Schulverwaltung in Innsbruck der Meinung ist, dass solche Kinder in einer unserer bilingualen Klassen besser aufgehoben sind als in einer anderen Innsbrucker Volksschule, wo weder die Lehrerinnen noch die Mitschüler und Mitschülerinnen ein Wort Italienisch verstehen, dann ist dieses Argument schlecht von der Hand zu weisen. Andererseits bereiteten und bereiten uns diese Kinder viel Kopfzerbrechen, vor allem wenn sie als Quereinsteiger im Lauf des Schuljahres auftauchen.

Ein großer Teil dieses Kopfzerbrechens bei uns entsteht dadurch, dass solche Kinder oft nur sehr ungern bereit sind, sich überhaupt mit der deutschen Sprache zu beschäftigen. In den Klassen befinden sie sich ja in einem Umfeld, in dem die Lehrerinnen und die Mitschülerinnen und Mitschüler Italienisch sprechen. Wozu also Deutsch lernen?

In das schöne Konzept unserer bilingualen Klassen passen solche Kinder nicht gut. Aber wir stehen selbstverständlich zu dem Satz, dass die Schule für die Schülerinnen und Schüler da zu sein hat, welche Besonderheiten diese immer haben.

Und da wir die Kinder nicht ändern wollen und können, passen wir eben unsere Konzepte den Kindern an.

Ein Beispiel dazu: Das Kind wurde in Italien geboren und besuchte in der Herkunftsstadt den Kindergarten und die erste Klasse der Grundschule. Nach der Übersiedlung nach Innsbruck wurde es bei uns in die zweite Klasse aufgenommen. Dieser Wechsel des gesamten Lebensmittelpunktes war für das Kind schwierig, vor allem aufgrund der kulturellen Unterschiede. Dank der Präsenz der eigenen Muttersprache in der Schule und der geduldigen Unterstützung der Lehrerinnen konnte das Kind sich im Laufe der Zeit in das neue Umfeld eingewöhnen und sich der deutschen Sprache nähern.

Dann gibt es auch Kinder, die beim Schuleintritt nur deutschsprachig sind, aber im Vorschulalter Italienischvorkenntnisse erworben haben – etwa ein Viertel.

Zu dieser bereits dargestellten Vielfalt an mehr oder wenig deutsch-italienisch oder italienisch-deutsch zweisprachigen Kindern kommen „Spezialfälle“, die so selten gar nicht sind. In jeder Klasse sitzen ein oder zwei davon. Solche Kinder zeigen in ihrer jeweiligen individuellen „Spezialität“ die oft nicht nur erfreulichen Seiten des gegenwärtigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zustandes unserer Erde, besonders Europas.

Da sind zum Beispiel die Kinder von Migranten – sei es aus Nordafrika, Rumänien oder Pakistan – oder woher auch immer, die auf ihrem Irrweg mit ihren Eltern jahrelang in Italien gelebt haben und dort auch den Kindergarten oder die Schule besuchten. Sie landen oder stranden aus unterschiedlichsten Gründen in der Stadt am grünen Inn. Diese Kinder sprechen oft eine Muttersprache, die wir kaum vom Hörensagen her kennen, aber sie sprechen auch mehr oder weniger Italienisch. Darum finden sie dann auch in einer unserer bilingualen Klassen einen Platz.

Andere Beispiele solcher mehrsprachiger Kinder findet man auch am anderen, besseren Ende der sozialen Skala. Dazu führen wir als letztes dieses Beispiel an: Eine russische Wissenschaftlerin und der schwedische Mitarbeiter in einem internationalen Konzern leben in einer Partnerschaft, in der die tägliche Umgangssprache Englisch ist. Die beiden werden durch Karrierepläne für ein paar Jahre nach Italien verschlagen, und dort wächst ihr Kind mit einem italienischen Kindermädchen auf. Dieses Kind hat bis zum Eintritt in die Schule bereits vier Sprachen – mehr oder weniger – erlernt: Russisch, Schwedisch, Englisch und Italienisch. Nun aber hat diese Familie – die Karrierepfade sind oft verschlungen – ihren Lebensmittelpunkt in Innsbruck, wo man Deutsch spricht, und der Nachwuchs besucht mit Sicherheit eine bilinguale Klasse an der Volksschule Innere Stadt.

Kinder mit solchen und ähnlichen Biografien gehören zu den Herausforderungen, mit denen wir seit zehn Jahren immer wieder konfrontiert sind. Diese Heterogenität der Schülerschaft war und ist die größte Herausforderung, der sich das Lehrerinnen-Team in diesen Klassen täglich stellt.

Aber nochmals: Wir verstehen uns als eine Schule, die für alle Kinder da ist – nicht nur für die unseres Schulsprengels, der von der Innstraße bis zur Maximilianstraße reicht – ganz gleich an welchem Rucksack voll sprachlichem Schicksal das Kind zu tragen hat. Jedenfalls hat das Kind sich diesen Rucksack nicht ausgesucht, und wir nehmen es, wie es ist und versuchen das Beste daraus zu machen. Was uns in Ansätzen immer wieder gelingt.

Siegfried Winkler / Saverio Carpentieri

III Grundlagen – Was uns besonders wichtig ist

1   Bilingual in allen Fächern

Das Konzept des immersiven Sprachunterrichts und des differenzierten Unterrichts hat sich von Anfang an in diesen Klassen als zielführend dargestellt. Es ist weitgehend dadurch geprägt, dass in möglichst vielen Unterrichtsstunden zwei Lehrpersonen in der Klasse anwesend sind (elf Stunden pro Woche), von denen die eine konsequent nur Deutsch, die andere konsequent nur Italienisch spricht („Eine Person – eine Sprache“). Die Arbeitssprache der österreichischen Lehrerinnen ist Deutsch; die Arbeitssprache der italienischen Lehrerinnen Italienisch.

Vor den Kindern sprechen die beiden Lehrpersonen untereinander im Allgemeinen Italienisch.

Bei der Unterrichtsorganisation zum Erwerb der italienischen Sprache handelt es sich also nicht um einen „Fremdsprachenunterricht“, der neben dem muttersprachlichen Unterricht angeboten wird, sondern um eine laufende Verflechtung beider Sprachen über weite Strecken des Schulalltags.

Sprache wird durch passive und zunehmend aktive Teilnahme erworben und nicht durch das Lernen von Sprachstrukturen.

Die Alphabetisierung findet grundsätzlich zuerst auf Deutsch statt und später, zeitversetzt aber individuell sehr unterschiedlich, auf Italienisch, um das Problem von Interferenzen zu minimieren. Im Allgemeinen findet diese Anfang der zweiten Klasse, in Einzelfällen auch früher statt.

Ausgangspunkte für die Alphabetisierung sind die Arbeit mit der Anlauttabelle „Lesen durch Schreiben“ nach Jürgen Reichen und Elemente aus der Montessori-Pädagogik. Ab dem zweiten Semester bietet die Italienischlehrerin den Kindern ein von ihr selbst entwickeltes Pendant zur deutschen Lauttabelle nach Jürgen Reichen in Italienisch an, in dem auf die phonetischen Besonderheiten der italienischen Sprache genauestens eingegangen wird. Manche Lehrerinnen verwenden dazu die Unterlagen der Arbeitsgruppe ABC (Alfabetizzazione Bilingue Coordinata) der Deutsch-Italienischen Gesamtschule in Wolfsburg. Im italienischen Sprachunterricht werden vor allem kommunikative Aktivitäten, darstellendes Spiel, Lieder und verschiedene Materialien zum handlungsorientierten Lernen verwendet. Durch die Vielfalt der unterschiedlichen Lehrerinnenpersönlichkeiten fließen immer wieder neue Elemente in den bilingualen Sprachunterricht ein. Um den verschiedenen Sprachniveaus der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden, bieten sich außerhalb der gebundenen Italienischstunde noch andere Unterrichtsformen an, wie zum Beispiel:

Die Italienischlehrerin arbeitet mit der Hälfte der Klasse in italienischer Sprache. In der Zwischenzeit arbeitet die österreichische Lehrerin mit der anderen Hälfte. Anschließend werden die Kleingruppen getauscht. Somit kann in beiden Gruppen sehr effizient und differenziert gearbeitet werden. Da die Italienischlehrerinnen auch stundenweise in Kopräsenz in der Freiarbeit anwesend sind, haben sie genügend Möglichkeiten zur Einzel- oder Kleingruppenförderung. Dafür werden von ihnen auch diverse Sprachmaterialien nach dem Montessori-Prinzip und Sprachspiele für die Freiarbeit hergestellt bzw. bereitgestellt. Ebenso werden sowohl Hörkassetten als auch interaktive Sprachübungen auf dem PC angeboten.

Mathematik wird vorwiegend nach den didaktischen Prinzipien der Montessori-Pädagogik unterrichtet, das heißt die Kinder erarbeiten sich während der Freiarbeit anhand konkreter, didaktisch aufbereiteter Arbeitsmaterialien (vorwiegend nach Montessori, teilweise auf Italienisch) den vom Lehrplan vorgegebenen Unterrichtsstoff individuell selbsttätig und selbstständig.

Sachunterricht wird sowohl auf Deutsch als auch auf Italienisch unterrichtet, zum Teil in Kopräsenz, zum Teil in getrennten Unterrichtseinheiten (in der Planung aufeinander abgestimmt) entweder von einer österreichischen Lehrerin oder der Italienischlehrerin. Einzelne Elemente aus dem Sachunterricht werden auch in der Freiarbeit erarbeitet bzw. vertieft.

Musikerziehung wurde anfangs häufiger in Kopräsenz unterrichtet, mit der Zeit aber deutlich weniger, da ja im Italienischunterricht sehr viel Platz für Lieder und Sprechrhythmen ist. Sowohl Bildnerische Erziehung als auch Textiles und Technisches Werken bieten sich als ideale Fächer für Kopräsenz an. Da sich beide Lehrerinnen nach einer kurzen Erarbeitungsphase entweder in Deutsch oder in Italienisch gleichzeitig der Betreuung einzelner Kinder widmen können, haben so beide Sprachen selbstverständlich nebeneinander Platz. Ebenso bietet sich Bewegung und Sport an, über aktives Tun Sprachkompetenzen zu erwerben und zu erweitern. Bewährt hat sich auch dieses Modell: Eine Lehrerin führt die von ihr geplante Stunde in ihrer Sprache aus; die Kollegin gibt individuelle Hilfestellungen, Anweisungen, Ratschläge in ihrer Sprache und unterstützt so den Unterricht. Dabei ist die dominierende Arbeitssprache einmal Deutsch oder Italienisch.

Das Prinzip des fächerübergreifenden Unterrichts ergibt sich aufgrund der gemeinsamen Planung von selber, da bevorzugterweise Themen über mehrere Wochen gemeinsam geplant werden und jede der beiden Lehrerinnen dazu Beiträge so weit wie möglich in ihren Fächern liefert.

Englisch wird ab der zweiten Klasse als eigenes Fach (eine Wochenstunde) unterrichtet. Auch der Englischunterricht ist so aufgebaut, dass die Sprache als Arbeitssprache und nicht nur als Fremdsprache verwendet wird. Es konnte festgestellt werden, dass durch den bilingualen Unterricht Deutsch – Italienisch die Kinder von vornherein offen für eine zusätzliche Sprache sind und dieser gegenüber weniger Berührungsängste haben als einsprachig unterrichtete Kinder.

Saverio Carpentieri

2   Kopräsenz und CLIL (Content and Language Integrated Learning)

Was bedeutet Kopräsenz? In der Klasse sind die italienische und die deutsche Lehrerin anwesend und gestalten den Unterricht gemeinsam. Jede Lehrerin spricht in ihrer Sprache, und Teile des Unterrichts finden auf Italienisch, andere auf Deutsch statt.

Manchmal werden auch, wie zum Beispiel bei der morgendlichen Begrüßung, Phrasen in beiden Sprachen wiederholt. Nicht nur: „Guten Morgen! Wie geht’s?“, sondern das Ganze verdoppelt, indem es mit „Buon giorno, come stai?“ noch einmal gesagt wird.

Dem geht kein Vokabellernen oder das Antrainieren von grammatischen Strukturen voraus.

Wichtig ist dabei, dass in solchen Stunden sowohl die deutschsprachige Klassenlehrerin als auch die italienischsprachige Lehrerin anwesend sind. Der deutsche Teil wird ausschließlich von der Klassenlehrerin beigetragen, der italienische Teil von der Kollegin aus Trient, nach dem Motto „Eine Person, eine Sprache. Una persona, una lingua“. So wird ein natürlicher Übergang, aber auch eine natürliche Abgrenzung zwischen den beiden Sprachen je nach Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin geschaffen. Die österreichischen Lehrerinnen verwenden die deutsche Sprache als Arbeitssprache und die italienischen ihre Muttersprache, außer in Ausnahmefällen, in denen die Schülerinnen und Schüler Anzeichen eines absoluten Unverständnisses zeigen oder sich besonders unmotiviert zeigen. Bei diesem Lernen nehmen die Schülerinnen und Schüler, die die andere Sprache noch nicht oder noch nicht so gut beherrschen, zuerst einmal nur das Lautbild wahr. Bald wagen sich alle an eine erste, häufig noch nicht so korrekte Nachahmung. Kein Problem, es wird noch so viele Gelegenheiten geben, das zu trainieren und zu verbessern. Irgendwann, frühestens gegen Ende der ersten Klasse, wird das Lautbild fallweise auch durch das Schriftbild ergänzt.

Der Alltag in der Schule bietet vielfältige Gelegenheit, Situationen aufzugreifen und auf diese Weise zu nützen. In unseren Klassen wird der Beginn der ersten Stunde am Morgen häufig auf diese bilinguale Weise eingeleitet. Ein Kalender in der einen und in der anderen Sprache ist dabei sehr hilfreich.

„Welchen Tag haben wir heute?“, fragt Frau Zandanel. Und ein Kind antwortet: „Heute ist der 23. Juni. Es ist Mittwoch. Es ist Sommer.“