Eine Leiche kommt selten allein - Julie Wassmer - E-Book

Eine Leiche kommt selten allein E-Book

Julie Wassmer

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Beschreibung

Der Weihnachts-Wohlfühlkrimi von der englischen Küste! Es ist kurz vor Weihnachten im englischen Austerndörfchen Whitstable, und Pearl Nolans Fischrestaurant läuft auf Hochtouren. Es könnte eine friedliche Adventszeit sein, gäbe es nicht bei dem alljährlichen Wohltätigkeitsball eine Tote. Pearl ist sich sicher, dass die mysteriösen Weihnachtskarten, die an bekannte Persönlichkeiten in Whitstable verschickt wurden, in einem Zusammenhang mit dem Mord stehen. Nur zu gerne gesellt sich Pearl zu den Ermittlungen des charmanten Inspektor McGuire. Und es knistert gewaltig unter dem Mistelzweig.

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Das Buch

Das englische Austerndörfchen Whitstable bereitet sich auf die Feiertage vor. Pearl Nolans Kochkünste haben sich herumgesprochen, ihr Restaurant läuft bestens. Pearl freut sich auf den Weihnachtsbesuch ihres Sohnes Charlie, der erst vor kurzem von zu Hause ausgezogen ist. Voller Vorfreude plant sie einen gemütlichen Weihnachtsabend mit gutem Essen und knisterndem Kaminfeuer. Auch der charismatische Chefinspektor Mike McGuire ist zurück in Whitstable. Alles könnte so harmonisch sein, wären da nicht die mysteriösen Weihnachtskarten, die an bekannte Persönlichkeiten in Whitstable verschickt werden. Alle enthalten einen Spruch, der den Lebensstil der Empfänger kritisiert. Als auf einem kirchlichen Wohltätigkeitsball Pearls Steuerberaterin Diana bewusstlos umfällt, spitzt sich die Lage zu. Am nächsten Tag erwartet Pearl eine schreckliche Nachricht: Diana ist tot, sie wurde vergiftet. Wer konnte das gewesen sein? Pearl beginnt Fragen zu stellen und entdeckt eine erste Spur.

Die Autorin

Julie Wassmer schreibt seit über 20 Jahren Drehbücher für BBC. »Eine Leiche kommt selten allein« ist der zweite Teil der Serie um die Privatdetektivin und Köchin Pearl Nolan. Julie Wassmer lebt in Whitstable und engagiert sich für Umweltschutz.

Von Julie Wassmer ist in unserem Hause bereits erschienen:

Pearl Nolan und der tote Fischer

Julie Wassmer

EINE LEICHE

KOMMT SELTEN ALLEIN

Küsten-Krimi

Aus dem Englischen von Sepp Leeb

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1618-5

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017Umschlaggestaltung: bürosüd˚ GmbH, MünchenTitelabbildung: Patrick Knowles Design

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

»Weihnachten ist keine Zeit. Es ist ein Gefühl.«

Edna Ferber

KAPITEL EINS

Dienstag, 14. Dezember, 16 Uhr

Den eisigen Wind, der an diesem Tag direkt von der norwegischen Küste herunterkam, hätte jeder Fischer als einen ausgewachsenen Sturm bezeichnet. Er traf in dem Moment auf die Gestade von Whitstable, als Pearl das Haus verließ. Sie schloss die Eingangstür hinter sich, zog ihren leuchtend roten Mantel enger um ihren Körper und vergrub ihr Kinn tiefer in seinem schwarzen Samtkragen, bevor sie dem Seaspray Cottage den Rücken kehrte und die Island Wall hinuntereilte.

Mit ihrer schwarzen Kosakenhaube sah sie aus wie die Heldin eines nostalgischen russischen Romans, und sie wirkte mit ihrer zierlichen Figur und dem langen dunklen Haar deutlich jünger als neununddreißig, als sie sich von den eisig kalten Böen die Straße hinuntertreiben ließ. Es war schon fast dunkel, als sie die Kemp Alley erreichte, wo das Licht einer Straßenlaterne auf den mit Plakaten eines Puss-in-Boots-Konzerts bepflasterten Bühneneingang des alten Playhouse fiel. Das Geräusch von Pearls Absätzen hallte laut von den Wänden der engen Gasse wider, als sie auf die Lichter der High Street zusteuerte.

In ihrer Umhängetasche waren die Weihnachtskarten, die sie am Morgen ins Restaurant mitzunehmen vergessen hatte. Sie hatte sie auf dem Küchentisch liegen gelassen, nachdem sie bis in die frühen Morgenstunden aufgeblieben war, um sie zu Ende zu schreiben und noch rechtzeitig vor Weihnachten auf die Post bringen zu können. Fast schien es, als wären diese kurzen, tristen Dezembertage auch Ausdruck ihres zunehmenden Zeitmangels.

In den Sommermonaten setzte sich die Klientel ihres kleinen Seafood-Restaurants The Whitstable Pearl vorwiegend aus Touristen zusammen, größtenteils Londonern, die wegen der Austern kamen, für die Whitstable berühmt war. Um diese Zeit des Jahres bestand Pearls Kundschaft jedoch hauptsächlich aus Einheimischen aus der High Street, denen der Sinn nach deftigerer Kost stand. Heute hatten Stargazy Pie, Lachsquiche mit Chili und hausgemachte Hummer-Bisque auf der Speisekarte gestanden, dazu Croutons und eine Rouillesoße mit Piment d’Espelette. Die Gerichte hatten eine ganze Reihe von Gästen angelockt, die zwischen ihren Weihnachtseinkäufen eine kleine Pause einlegen wollten, und als Pearl das Restaurant am Abend geschlossen hatte, war sie nicht nach Hause geeilt, um nach einem anstrengenden Arbeitstag endlich ihre Beine hochlegen zu können, sondern um die Folgen ihrer Vergesslichkeit auszubügeln.

Ein Schild in der High Street wies Besuchern von Whitstable den Weg zum Hafen und zum Bahnhof, der in der entgegengesetzten Richtung lag. Pearl schenkte ihm jedoch keine Beachtung, sondern steuerte direkt auf die Kirche St Alfred’s auf der anderen Straßenseite zu, deren Turmuhr gerade die Viertelstunde schlug. Beim vertrauten Klang der Glocken wurde Pearl auch ohne weihnachtlichen Lichterglanz ganz warm ums Herz.

Der Stadtrat von Whitstable hatte sich nicht mehr zuständig gefühlt, für so etwas Unwichtiges wie Weihnachtsdekorationen in den Straßen des Küstenstädtchens aufzukommen. Selbst das wesentlich größere Canterbury, nur zwanzig Minuten Fahrt entfernt und Hauptsitz der anglikanischen Christenheit, gönnte sich und seinen Bewohnern zur Feier der Geburt Christi keine Weihnachtsbeleuchtung mehr. Whitstables Geschäftsinhaber hatten sich jedoch auf eigene Faust zusammengetan und eine letzte städtische Förderung für den Kauf einer Schar illuminierter Engel verwendet, die mit gesenkten Köpfen und zum Gebet gefalteten Händen über der Hauptgeschäftsstraße schwebten und die Einzigen in der belebten High Street zu sein schienen, die sich noch über die wahre Bedeutung von Weihnachten Gedanken machten.

Als Pearl die Straße überquerte, drangen ihr plötzlich weihnachtliche Gesänge entgegen, die jedoch nicht von den Mitgliedern des Kirchenchors kamen, die sich in wenigen Tagen um den großen Weihnachtsbaum auf der Rasenfläche vor St Alfred’s versammeln würden. Ebenso wenig kamen sie von Kirchgängern, die sich am Heiligen Abend zum Mitternachtsgottesdienst versammeln würden. Vielmehr hatte sich eine Gruppe geschäftstüchtiger Kids vor dem Playhouse aufgestellt und eine Schuluniformmütze vor sich auf das Pflaster gelegt, während sie ihre muntere Version von »Stille Nacht« zum Besten gaben.

Das vertraute Lied ging Pearl sofort ans Herz und weckte Erinnerungen an die Weihnachtsfeste ihrer Kindheit und an die gespannte Erwartung ihres eigenen Sohnes vor der Bescherung am Weihnachtsmorgen. Sie konnte kaum glauben, dass schon fast zwei Jahrzehnte seit Charlies Geburt vergangen waren, aber umso mehr hoffte sie jetzt, dass er in ein paar Tagen aus Berlin nach Hause kommen würde, wo er sich zurzeit für ein Jahr zum Jobben aufhielt. Pearl musste noch ein Weihnachtsgeschenk für ihn besorgen und schwankte zwischen einer dringend benötigten Winterjacke und einem neuen Smartphone, wobei sie vermutete, dass sich Charlie eher mit der Kälte abfände als mit der Schmach, kommunikationstechnisch nicht auf dem neuesten Stand zu sein.

So nervenaufreibend und anstrengend die Zeit vor Weihnachten auch jedes Mal von neuem sein mochte, folgten auf sie die eigentlichen Festtage, die Pearl immer sehr genoss. Wenn das aufwendige Weihnachtsessen fertig zubereitet, der selbstgemachte Christmas Pudding und die Brandy-Butter gegessen, der Tisch abgeräumt und die üblichen beschwipsten Scharaden gespielt waren, stellte sich immer eine wunderbar entspannte Atmosphäre ein, aufgelockert von einem kleinen Umtrunk, anregenden Strandspaziergängen und gemütlichen Stunden vor dem prasselnden Kaminfeuer, in der einen Hand einen Drink, in der anderen ein gutes Buch, und was das Wichtigste war: mit genügend Zeit, um es auch zu lesen. Das war zumindest der Plan.

Der Traum zerstob, als das Seil des alten Union Jack am Kirchturm im eisigen Wind gegen den Fahnenmast knallte. Das Geräusch erinnerte Pearl an die losen Flaggleinen, die an einem stürmischen Tag unablässig gegen die Masten der Segelboote unten am Strand schlugen, und es markierte auch das Ende des Weihnachtslieds – »Schlaf in himmlischer Ruh«. Pearl holte die Post aus ihrer Umhängetasche und vergewisserte sich, dass die Umschläge frankiert und zugeklebt waren.

Sie enthielten Schecks an ihre Lieferanten, Spenden an Wohltätigkeitsorganisationen und einige Kalender mit schönen Fotos des Whitstable Pearl, aufgenommen im Hochsommer, wenn sich an der Seafood Bar lange Schlangen sonnengebräunter Touristen in Shorts und T-Shirts bildeten. Jetzt schien der Sommer eine Ewigkeit zurückzuliegen, und in den meisten Kuverts in Pearls Hand waren Weihnachtskarten, die sie Freunden, Verwandten und besonders treuen Gästen geschrieben hatte. Obwohl digitale Glückwünsche zunehmend mehr in Mode kamen, erfreuten sich altmodische Weihnachtskarten weiterhin großer Beliebtheit. Sie überbrückten Zeit und räumliche Ferne und bestätigten mit ihrem Eintreffen, dass lang bestehende Beziehungen weiterhin Bestand hatten, während sie loseren Bekanntschaften signalisierten, dass man sie nicht vergessen hatte und hoffte, sie wieder einmal zu sehen.

Diese und ähnliche Gedanken gingen Pearl durch den Kopf, als sie kurz auf den letzten Umschlag in ihrer Hand hinabblickte, bevor sie ihn in den Briefkasten steckte. Er war an einen Mann adressiert, der sie in den letzten vier Monaten nachhaltig beschäftigt hatte – Detective Chief Inspector Mike McGuire vom CID Canterbury.

KAPITEL ZWEI

Mittwoch, 15. Dezember, 9 Uhr 15

»Glaub mir, Pearl, um diese Jahreszeit solltest du erst gar nicht daran denken, als Privatdetektivin zu arbeiten. Konzentrier dich lieber ausschließlich auf das Restaurant«, sagte Pearls Nachbar Nathan im weichen Akzent der englischen Südostküste, den er sich in den zwanzig Jahren, die er inzwischen in Whitstable lebte, angeeignet hatte. In seiner Stimme schwang jedoch unüberhörbare Anspannung mit, und Pearl wusste sofort, worauf sie zurückzuführen war. Sie blickte auf die Weihnachtskarte in ihrer Hand hinunter. Auf ihrer Vorderseite war ein keck auf einer Gartenschaufel sitzendes Rotkehlchen inmitten einer mit Glitter überzogenen Winterlandschaft zu sehen – die Sorte Karte, dachte Pearl, die man in der Regel in einem nicht zugeklebten oder mit einer falsch geschriebenen Adresse versehenen Umschlag bekam. Der kurze Text auf der Innenseite bestand aus vier aus einer Zeitung ausgeschnittenen Wörtern. »Du hast …« Sie stutzte. »… keinen Geschmack?« Pearl sah Nathan an.

»Da ist kein Fragezeichen, Pearl. Es ist eine Feststellung.« Seine Stimme hörte sich jetzt mehr nach Kalifornien an – was immer der Fall war, wenn er sehr aufgewühlt war.

»Aber schwerlich eine zutreffende«, wandte Pearl ein. Sie betrachtete Nathan, der ihr gegenüber am Küchentisch saß, eine Weile prüfend. Er trug einen himmelblauen Kaschmirpullover, der eine Spur heller war als sein am Kragen offenes Hemd. Seine Leinenhose war nicht gebügelt, aber geradezu perfekt geknittert, und seine braunen Lederstiefel waren trotz des Wetters makellos sauber. Sein ordentlich gestutzter Dreitagebart war bereits grau meliert, doch sein dichtes, kurz geschnittenes Haar war noch von einem kräftigen warmen Braun. Mit seinem straffen, von regelmäßigen Fitnessstudiobesuchen gestählten Körper hätte Nathan trotz seiner zweiundvierzig Jahre ohne weiteres als zehn Jahre jünger durchgehen können. Und natürlich war er so tadellos gepflegt wie eh und je.

»Wenn du keinen guten Geschmack hast, wer dann?«, versuchte Pearl ihn zu trösten.

»Allerdings«, pflichtete ihr Nathan bei. »Wie kommt also jemand darauf, mir so etwas zu schicken?« Bevor Pearl darauf etwas erwidern konnte, sagte er schroff: »Beantworte das nicht!«, und riss ihr die Karte aus der Hand. »Eigentlich hätte ich dir diese Unverschämtheit gar nicht zeigen sollen. Ich möchte auf keinen Fall, dass du deswegen Ermittlungen anzustellen beginnst, denn vor allem solltest du jetzt alles für Charlies Besuch vorbereiten. Entschuldige bitte, dass ich dich überhaupt damit behelligt habe.«

Ganz ähnlich sah auch Pearl die Sache, aber dennoch war sie hin und her gerissen. Seit sie vor einem halben Jahr ihr eigenes Detektivbüro Nolan’s Detective Agency eröffnet hatte, hielt sie sich viel darauf zugute, eine ganze Reihe von Fällen gelöst zu haben – darunter sogar einen Mord. So wenig sie um diese Jahreszeit auch geneigt sein mochte, sich einen neuen Fall aufzuhalsen – selbst wenn seine Aufklärung nur dem Zweck diente, Nathans verletzten Stolz wiederherzustellen –, waren solche Rätsel dennoch dazu da, gelöst und nicht bloß ignoriert zu werden.

»Da wollte sich wahrscheinlich nur jemand einen Scherz erlauben«, seufzte Nathan. Aber damit konnte er Pearl nicht darüber hinwegtäuschen, dass er zutiefst getroffen war.

»Ja«, pflichtete sie ihm widerstrebend bei. »Es hätte, weiß Gott, schlimmer kommen können.«

Als Nathan sie darauf fragend ansah, fügte sie erklärungshalber hinzu: »Eine homophobe Beleidigung zum Beispiel.«

Nathan zog eine Augenbraue hoch. »Damit könnte ich leben, aber so etwas?« Stirnrunzelnd schaute er wieder auf die Karte. Pearl warf einen kurzen Blick auf die Wanduhr in ihrer Küche und trank ihren Kaffee aus. »Es tut mir wirklich leid, Nathan, aber ich muss jetzt ins Restaurant.«

»Aber natürlich.« Nathan riss sich von seinen Gedanken los. »Und ich muss meinen Artikel zu Ende schreiben.«

»Welchen Artikel?«

»Für ein Internet-Frauenmagazin. Ich hätte ihn schon letzte Woche einreichen sollen. Über gute Vorsätze fürs neue Jahr.«

»Ist der nicht schon längst fertig?«

»Ich habe noch nicht mal damit angefangen. Anscheinend habe ich eine Schreibblockade. Vielleicht sollte ich mir fürs neue Jahr vornehmen, nicht über so was zu schreiben.«

Pearl grinste. »Warum hast du den Auftrag dann überhaupt angenommen?«

»Warum wohl? Weihnachten ist nur einmal im Jahr, aber wenn es dann so weit ist, geht es gewaltig ins Geld.«

Pearl seufzte verständnisvoll. »Da hast du allerdings recht. Und ich habe noch nicht mal den Baum geschmückt.«

»Allerdings.« Er blickte hinter sich ins Wohnzimmer, wo eine zur Hälfte geschmückte Blaufichte am Fenster stand. »Dein Baum macht wirklich noch nicht viel her«, gestand er freimütig. Nathan hatte es sich zum Grundsatz gemacht, aus seiner Meinung keinen Hehl zu machen, und das ganz besonders bei Pearl, die es seiner Auffassung nach prinzipiell verdient hatte, die Wahrheit gesagt zu bekommen. Nachdem er ursprünglich als vielversprechender Werbetexter in Los Angeles gearbeitet hatte, hatte er es rasch sattbekommen, seine besten Ideen für die kommerziellen Übertreibungen dieser Branche zu verheizen, und stattdessen begonnen, als freier Journalist Artikel über Themen wie Inneneinrichtung, Essen und seine große Leidenschaft, das Kino, zu schreiben.

Pearl schaute auf ihren Weihnachtsbaum. »Es ist mir noch nicht mal gelungen, die Lichter zum Brennen zu bringen.«

»Hast du vielleicht mal versucht, die Birnchen fester anzuziehen?«

»Natürlich.«

»Dann wirst du wohl neue kaufen müssen.«

»Sie sind neu«, gestand Pearl niedergeschlagen.

Nathan versuchte sofort, sie wieder aufzurichten. »Weihnachten ist nun mal dazu da, uns auf die Probe zu stellen. Schau einfach bei mir vorbei, wenn du im Restaurant fertig bist, dann werde ich dich mit einem Glas Rioja trösten.«

Pearl seufzte. »Nichts lieber als das. Aber ich habe anschließend noch einen Termin bei Diana. Du weißt schon, wegen der Steuererklärung. Ich vertröste sie schon seit Wochen.«

»Das kann ich dir nicht verdenken. Diese Frau ist ein richtiger Drachen.« Nathan blickte wieder auf die Weihnachtskarte, die immer noch auf dem Tisch lag, und griff stirnrunzelnd danach. »Glaubst du, sie könnte meine Einrichtung gemeint haben?«

»Wer?«

»Die Frau, die mir das geschickt hat.«

»Wie kommst du darauf, dass es eine Frau war?«

»Ein Mann würde so etwas nie schreiben.«

Pearl bedachte ihn mit einem skeptischen Blick. »Meinst du wirklich?«

»Allerdings«, erklärte Nathan bestimmt. »Ich kenne mit Sicherheit keinen schwulen Mann, der so etwas Geschmackloses täte.« Er warf die Karte auf den Tisch und wischte sich mit einer Papierserviette hastig die Hände ab, als könnte man sich mit schlechtem Geschmack anstecken, indem man ihn bloß berührte.

Pearl stellte die leeren Tassen in die Spüle, bevor sie sich wieder Nathan zuwandte. Ihr wurde bewusst, dass er im vergangenen Jahr so oft verreist gewesen war – entweder berufsbedingt oder um Freunde in Europa und den Staaten zu besuchen – und es sie richtig froh stimmte, dass er wieder zu Hause in Whitstable war, und das umso mehr, als ihr Sohn Charlie ihr zunehmend mehr fehlte. »Vergiss diese blöde Karte einfach und komm am Freitag bei mir vorbei«, sagte sie unvermittelt. »In St Alfred’s findet ein Wohltätigkeitsabend statt. Du kannst mir helfen, Obst für den Glühwein zu schneiden.«

Nathan zog eine gekrümmte Augenbraue hoch. »Traut mir denn überhaupt noch jemand zu, dass ich das auch geschmackvoll erledige?« Doch Pearls verständnisvolles Lächeln hatte seine Bedenken rasch zerstreut, und er sagte zu. »Okay. Wann soll ich vorbeikommen?«

Er nahm seine marineblaue Cordjacke von der Stuhllehne und stand auf.

»Ich sage dir rechtzeitig Bescheid.« Lächelnd griff Pearl nach seinem Schal und wandte sich ihm zu. »Ich habe ihnen versprochen, auch Mince Pies zu machen. Deshalb werde ich mich erst mal darum kümmern.«

Nathan sah sie prüfend an, als er ihr gestattete, ihm den Schal um den Hals zu schlingen. »Du lädst dir zu viel auf, weißt du das, meine Liebe?«

»Ich weiß, wann ich nein sagen muss.«

»Gut«, erwiderte er und sah dabei demonstrativ auf die Weihnachtskarte, die immer noch auf dem Küchentisch lag. »Also vorerst keine Ermittlungen mehr. Das hat bis nach Weihnachten Zeit.« Er beugte sich vor und drückte Pearl einen Kuss auf die Wange. »Dann bis Freitag.« Er lächelte und zwinkerte ihr zu, bevor er durch den Hinterausgang verschwand.

Pearl beobachtete, wie er an ihren Küchenfenstern vorbeiging, die sich auf den Garten und auf das dahinter liegende Meer öffneten. Doch an diesem Morgen bot das schiefergraue Wasser, das nahtlos in den tristen Himmel überging, keinen erbaulichen Anblick. Sie schaute auf den Küchentisch und griff nicht nach der Weihnachtskarte, sondern nach dem daneben liegenden Umschlag, der mit einer ungewöhnlichen Briefmarke frankiert war. Ohne ihre Brille konnte sie darauf nur etwas erkennen, was wie eine Lilie aussah. Doch bevor sie sich darüber weitere Gedanken machen konnte, klingelte das Telefon. Sie griff danach und lauschte kurz in den Hörer, bevor sie den Anrufer mitten im Satz unterbrach.

»Augenblick. Könntest du das noch mal sagen … ein bisschen langsamer vielleicht?«

Als der Anrufer einfach weiterredete, blickte Pearl unwillkürlich auf den Umschlag in ihrer Hand. »Das ist ja ein Ding«, bemerkte sie nachdenklich.

Wenige Stunden später war Pearl in ihrem Restaurant, wo gerade die Weihnachtsfeier eines lokalen Maklerbüros in vollem Gang war. Neuerdings gab es fast in jedem zweiten Haus der High Street einen Immobilienmakler, eine Folge der hohen Nachfrage nach geschmackvollen Häusern und Wohnungen am Meer, die nur eine Stunde Fahrt von South East London entfernt waren. Immer mehr Londoner wollten sich in diesem Küstenabschnitt von Kent niederlassen, und ein Teil der dabei erzielten Maklerprovisionen landete im Whitstable Pearl, wo die Gäste dem Wein gerade wesentlich kräftiger zusprachen als dem Essen.

Pearl wachte von der Theke über ihr kleines kulinarisches Imperium mit den kirschroten weihnachtlichen Lichterketten, die sich um die Gemälde an den Wänden des Restaurants wanden. Pearl war bekannt dafür, für den einen oder anderen darbenden, aber talentierten lokalen Künstler gelegentlich eine Ausstellung zu veranstalten, aber vor allem diente das Lokal als Galerie für die Arbeiten ihres Sohnes Charlie und ihrer Mutter Dolly. Charlies Bilder waren kühn, provokant und drastisch, wohingegen Dollys Arbeiten, eine exzentrische Ansammlung von Seestücken, mit allen möglichen Objets trouvés, wie zum Beispiel Treibholz oder getrocknetem Tang, garniert waren.

Wenn es um die Einrichtung des Restaurants ging, suchte Pearl in der Regel bei Charlie Rat, behielt das Recht auf die endgültige Entscheidung aber immer sich selbst vor. Es war ein Zeichen von Pearls Individualität, dass sie sich nicht am kühlen Minimalismus anderer Restaurants in der Harbour Street orientierte, sondern in ihrer Einrichtung den eigenwilligen Charakter von Whitstable widerzuspiegeln versuchte – und das ganz besonders mit Dollys skurrilen Arbeiten.

Unten am Strand gab es zwar einige Nobelrestaurants, doch The Whitstable Pearl blieb ein kleines, aber kostbares Juwel mit viel Charme, das im Ruf stand, mit das beste Seafood der Stadt zu haben. An der Bar bekam man immer frischen Hummer sowie Shrimps, Krabben und Garnelen. Im Restaurant hatte Pearl aber auch ausgefallenere Gerichte auf der Karte. Sie reichten im Sommer von mariniertem Thunfisch-Sashimi, Makrelen und Wildlachs bis zu sautierten, mit Ingwer und Brotkrumen bestreuten Jakobsmuscheln und in chiligewürztem Tempurateig herausgebackenem Tintenfisch, den man das ganze Jahr über bekommen konnte. Das Whitstable Pearl war bekannt für seine einfachen, aber mit hochwertigen Zutaten zubereiteten Gerichte, von denen jedes im Lauf der Jahre immer weiter perfektioniert worden war. Zugleich bedeutete das aber auch, dass Pearl nicht zwingend ständig im Restaurant anwesend sein musste, um die gleichbleibende Qualität des Essens und einen konstanten, wenn nicht sogar leicht steigenden Umsatz zu gewährleisten. Das kleine, aber hochmotivierte Personal gehörte fast zur Familie. Ruby, noch vor kurzem der Inbegriff eines schwierigen Teenagers, war von Pearl unter ihre Fittiche genommen worden und hatte sich zu einer tüchtigen Bedienung gemausert. Ahmed, ein junger marokkanischer Student machte sich als Küchenhilfe unentbehrlich, und Pearls Mutter Dolly war dank ihrer extrovertierten Art geradezu prädestiniert für repräsentative Aufgaben, die unter anderem darin bestanden, den Gästen trotz ihrer angeborenen Abneigung gegen Austern die Spezialitäten des Hauses zu empfehlen.

Als Pearl als alleinerziehende Mutter ihren Sohn Charlie hatte großziehen müssen, hatte ihr das Restaurant zu einem passablen Lebensunterhalt verholfen, doch seit Charlie an der Universität Canterbury studierte, hatten sich Pearls alte Ambitionen wieder stärker bemerkbar gemacht und sie zu der Ansicht gelangen lassen, dass es höchste Zeit war, sich wieder einmal neuen Herausforderungen zu stellen. In dieser Hinsicht hatte ihr die Eröffnung ihres Detektivbüros eine hervorragende Gelegenheit geboten, sich die Polizeiausbildung zunutze zu machen, die sie abgebrochen hatte, als sie mit Charlie schwanger geworden war, und die detektivischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, über die sie ihrer Meinung nach verfügte. Ihre Mutter Dolly fand, dass Pearl ihr eigenes Leben für ihren Sohn zu sehr auf Eis gelegt und viele Gelegenheiten, auch in Sachen Liebe, hatte verstreichen lassen, doch Pearl hatte die Hoffnung, den richtigen Partner fürs Leben zu finden, nie aufgegeben. Sie hatte unter den Funken einiger kurzlebiger Amouren bloß nichts gefunden, was an die alles verzehrende Glut ihrer ersten Liebe zu Charlies Vater Carl heranreichte – zumindest so lange nicht, bis sie im vergangenen Sommer bei Mordermittlungen ausgiebig mit einem Inspektor der Polizei von Canterbury zu tun gehabt hatte. Eine Weile hatte Pearl die Hoffnung gehegt, dass aus dieser Beziehung mehr werden könnte, aber als der Sommer dem Herbst wich und die Tage kürzer wurden, hatten auch die Erinnerungen an Detective Chief Inspector Mike McGuire zu verblassen begonnen. Fast, aber nicht ganz, denn zugleich hatte McGuires Abwesenheit auch dazu beigetragen, Pearls Interesse an ihm zu schüren.

Mittlerweile war wieder eine neue Jahreszeit angebrochen, die Dolly zu ihrem jährlichen Ausflug zum Dorfanger von Duncan Down veranlasst hatte, von dem sie mit einem reichhaltigen Vorrat an festlichem Immergrün zurückkehrte, das sie zu originellen Gestecken für Pearls marmorne Restauranttische arrangierte. Anstelle eines Weihnachtsbaums prangte an der Seafood-Theke ein auffälliges Arrangement aus weiß besprühten Hartriegelzweigen, die mit Dollys über die Jahre zusammengetragenen gläsernen Weihnachtskugeln geschmückt waren. Dolly hatte ein besonderes Talent, aus nichts etwas Schönes zu kreieren, und sie war schon lange, bevor Recycling eine »grüne« Pflicht geworden war, eine geborene Wiederverwerterin gewesen. Während Pearl volles Vertrauen in das kreative Talent ihrer Mutter hatte, misstraute sie ihrer eigenen visuellen Begabung häufig und entschied sich meistens dafür, ganz genau hinzusehen, um unter die Oberfläche der Dinge und Menschen zu blicken und zu ihrem wahren Wesen vorzudringen. Verkörperte Dolly die Augen der Stadt, so war Pearl in der Regel ihre Röntgenbrille.

»Vier Weihnachtskarten, sagst du?« Dolly kam aus der Küche, um eine Unterhaltung mit ihrer Tochter wiederaufzunehmen, die gerade mehrere Austernteller in ein Regal hinter der Theke räumte.

Pearl nickte. »Alle heute zugestellt. Demnach müssen sie alle gleichzeitig aufgegeben worden sein.«

Dolly runzelte die Stirn. »Wer hat sonst noch eine bekommen? Außer Nathan?«

»Jimmy vom Leather Bottle Pub und Charmaine aus dem Schönheitssalon.«

Das schien Dollys Neugier zu wecken, und sie beugte sich zu Pearl vor. »Und was hat auf ihren Karten gestanden?«

Pearl wurde bewusst, dass ihre Mutter bereits viel zu viel Interesse an der Sache zeigte, als dass sie ihr die näheren Einzelheiten hätte verraten dürfen. »Das verstieße gegen die Schweigepflicht«, sagte sie deshalb kurz angebunden und versuchte, das Gespräch zu beenden.

»Du willst doch nicht etwa in dieser Sache ermitteln?«, sagte Dolly. »Du hast schon genug am Hals, mit dem Lokal und Weihnachten und Charlie, der nach Hause kommt …«

»Ich weiß«, sagte Pearl und fügte rasch hinzu: »Ich habe ja auch noch nicht zugesagt, dass ich den Fall übernehme.«

»Dann kannst du mir auch erzählen, was auf Charmaines Karte gestanden hat«, sagte Dolly mit einem verschlagenen Grinsen.

Pearl merkte, dass sie in der Klemme steckte. »Belassen wir es einfach dabei, dass es eine unzutreffende Bemerkung war.«

»Aber nicht ganz unbegründet?«, hakte Dolly nach. »Zumindest ein Fünkchen Wahrheit muss doch an einer gemeinen Unterstellung sein, wenn du jemand wirklich ärgern willst.«

Pearl musste zugeben, dass ihre Mutter recht hatte. Wie die beißenden Kommentare auf den anderen Karten hatte auch der auf Nathans ins Schwarze getroffen. Am rätselhaftesten war jedoch der Spruch auf Charmaines Karte. »Wenn du andere schief anschaust, wirst du nie vorwärtskommen«, hatte darauf gestanden.

Dolly sah ihre Tochter durchdringend an und stellte eine Frage, die neues Licht auf das Thema warf. »Es hatte doch was mit ihrer Brustvergrößerung zu tun, oder?«

»Wie bitte?«, entfuhr es Pearl erstaunt.

»Jetzt sag bloß nicht, das hast du nicht bemerkt. Charmaine stolziert neuerdings wie ein Schiffsbug durch die Gegend. Wenn sie um die Ecke kommt, siehst du erst mal nur ihre Oberweite. Es gibt nicht viel an ihr, was noch nicht unter dem Messer gelegen hat.«

Es stimmte, Charmaine Hillcroft war schon lang dem Promikult – und allem, was damit einherging – verfallen. Dazu gehörte auch die eine oder andere Schönheitsoperation. Pearl hatte Charmaine immer auf Ende vierzig geschätzt, aber es war durchaus möglich, dass sie mindestens zehn Jahre älter war. In ihrem Schönheitssalon mit dem findigen Namen Whitstabelle lagen stapelweise Magazine über das Leben von Prominenten herum. Was die Stars hatten, musste auch Charmaine haben, selbst wenn das, wie man es in Hollywood nannte, mit einiger »Arbeit« verbunden war.

»Und was ist mit Jimmy?«, fragte Dolly.

Jimmy Herbert, der Inhaber des Leather Bottle, eines Pubs in der Middle Wall, war ein sympathischer Mann, der seit seiner Hochzeit mit Valerie vor drei Jahren mehr Zeit damit verbrachte, selbst Bier zu schlucken, als zu zapfen. Nachdem er die Leitung des Lokals fast ganz seiner Frau übertragen hatte, ließ er es sich gutgehen und gab sich damit zufrieden, auf den großen Flachbildschirm im Gastraum zu schauen und sich mit dem unerschöpflichen Vorrat an Barsnacks und Bier den stattlichen Bauch vollzuschlagen. Val, wie sie lieber genannt wurde, war eine extrem dünne Frau mit honigfarbenem Haar, die ihren Mann in gleicher Weise verwöhnte, wie sie an ihm herumnörgelte, und alles unter ihrer Kontrolle haben wollte, sich aber gleichzeitig ständig beklagte, wie überlastet sie war. Im Übrigen war es auch Val gewesen, die sich zutiefst entrüstet an Pearl gewandt hatte, weil ihr Göttergatte eine billige Weihnachtskarte mit den Worten »Fauler Sack« bekommen hatte, und das, obwohl sie selbst Jimmy immer wieder mit genau diesen Worten beschrieb.

»Ganz schön gehässig«, sagte Pearl.

Dolly dachte eine Weile nach, bevor sie fragte: »Und die letzte? Du hast gesagt, es waren vier. Nathan, Charmaine, Jimmy – und wer noch?«

Pearl schaute zu den Mitarbeitern von Castle Estates hinüber. Adam Castle, der Inhaber des Maklerbüros, schenkte sich gerade Champagner nach, während seine jungen Angestellten in gespannter Erwartung ihrer Weihnachtsgratifikationen harrten. Adam war ein Jahr jünger als Pearl, aber um einiges reicher als sie. Zu verdanken hatte er das einer boomenden Branche und einem Unternehmergeist, der sich schon gezeigt hatte, als sie noch gemeinsam zur Schule gegangen waren. Auf schulischem Gebiet war Adam nie eine große Leuchte gewesen, aber er hatte sich als ehrgeiziger Sportler gezeigt, dem es vor allem ums Gewinnen ging, und dieses stark ausgeprägte Konkurrenzdenken auch im Geschäftsleben unter Beweis gestellt. In seinen Werbeprospekten und in den Annoncen, die er in der Lokalzeitung regelmäßig schaltete, war immer auch ein Foto von ihm selbst, auf dem er mit seiner elegant legeren Kleidung, seinem strahlenden Lächeln und dem erwartungsvollen, faunartigen Gesichtsausdruck ein wenig an den jungen Tony Blair erinnerte. Auf Fotos wirkte Adam Castle durchaus sympathisch, aber in persona hatte er etwas an sich, was Pearl nicht anziehend fand: eine unterschwellige Hektik, Rastlosigkeit und Anspannung, die sich unter anderem darin zeigte, dass er mit anderen oft sprach, als sei er zu sehr in Eile – oder viel zu wichtig –, um seinem Gegenüber in Ruhe zuzuhören. In Adam Castles Welt war Zeit Geld, und obwohl es ihm an Letzterem nicht fehlte, schien er immer mehr von Ersterem zu brauchen, um sein Vermögen zu vergrößern.

Pearl zog eine Karte aus ihrer Tasche und reichte sie Dolly. Auf die Theke rieselte etwas Glitter, als ihre Mutter den Schneemann auf der Vorderseite und den aus Zeitungsschnipseln zusammengesetzten Text auf der Innenseite studierte.

»Geldgier ist die Wurzel aller Übel«, las sie laut ab. Als sie aufblickte, sah sie, dass Pearls Aufmerksamkeit immer noch Adam galt, dem seine jungen Angestellten an den Lippen zu hängen schienen, als er eine Anekdote zum Besten gab. Dolly deutete mit einem verächtlichen Schnauben auf die Karte. »Ein Wunder, dass er davon überhaupt Notiz genommen hat.«

Pearl nahm die Karte wieder an sich. »Wenn er sich deswegen Sorgen gemacht hat, sind sie jedenfalls sofort verflogen, als er gehört hat, dass er nicht der Einzige ist, der so ein Ding bekommen hat.«

Als Reaktion auf die Pointe von Castles Geschichte ertönte plötzlich schallendes Gelächter. Dabei fiel sein Blick kurz auf Pearl. Offensichtlich hatte er gespürt, dass ihre Unterhaltung sich um ihn gedreht hatte. Doch der kurze Anflug von Nervosität in seiner Miene wich sofort wieder einem breiten Grinsen, und er hob sein Glas, als wolle er Pearl zuprosten, bevor er einen weiteren Schluck Champagner nahm und seine Aufmerksamkeit der hübschen jungen Frau neben ihm zuwandte.

»Hast du schon eine Idee, wer sie verschickt haben könnte?«, fragte Dolly und deutete mit dem Kopf auf die Karte, die Pearl in ihre Tasche zurücksteckte.

»Nein«, gab Pearl wahrheitsgemäß zu, auch wenn sie zunehmend neugieriger wurde, wer so viele aus Zeitungsschnipseln zusammengesetzte Nachrichten verschickt haben mochte. In diesem Moment ging die Tür auf, und zwei neue Gäste betraten das Lokal. Pearls junge Bedienung Ruby führte das Paar sofort zu einem Tisch, und während der Mann wartete, dass seine Frau Platz nahm, schaute er in Richtung Theke und nickte Pearl zu. »Ich bin gleich wieder zurück«, sagte Pearl zu Dolly.

Pearl schnappte sich zwei Speisekarten und eilte an den Tisch der Neuankömmlinge, die beide nicht gerade bester Laune zu sein schienen. Dennoch setzte Dr. Richard Clayson das freundliche Lächeln auf, das er in den dreißig Jahren seines Umgangs mit Kranken zur Perfektion gebracht hatte. Mit seiner bedächtig würdevollen Art hatte sich Richard Clayson den Ruf eines ebenso kompetenten wie um das Wohlergehen seiner Patienten besorgten Arztes erworben, dem sich anzuvertrauen auch Pearl keine Probleme gehabt hätte, wenn sie bei ihm Patientin gewesen wäre. Doch Richard Clayson hatte seine Praxis schon vor einiger Zeit ins benachbarte Tankerton verlegt.

Ein hochgewachsener, kantiger Mann, hielt sich Clayson immer ein wenig nach vorn gebeugt, was ihm aus der Ferne das Aussehen eines aufrecht stehenden Kanus verlieh. Obwohl er noch keine fünfzig war, kam er Pearl erheblich älter vor, seit sein dunkles Haar vor ein paar Jahren über Nacht ergraut war.

»Schön, Sie bei uns zu sehen«, begrüßte sie ihre Gäste herzlich. »Wie geht es Ihnen?«

»Danke, gut«, erwiderte der Doktor höflich, warf aber gleichzeitig seiner Frau einen kurzen, Bestätigung suchenden Blick zu. Alice Clayson bedachte Pearl mit einem fragilen Lächeln, bevor sie die Speisekarte von ihr entgegennahm. »Eigentlich sind wir in die Stadt gekommen, um noch ein paar Geschenke zu kaufen.« Angesichts der Tatsache, dass sie keine Einkaufstüten dabeihatten, fügte sie mit einem Achselzucken hinzu: »Aber dann haben wir beschlossen, lieber bei Ihnen zu essen.«

Pearl lächelte. »Allerdings muss ich Sie der Obhut meiner Mutter überlassen, weil ich gleich einen Termin bei Diana habe.« Als Alice Clayson bei der Erwähnung ihrer Nachbarin überrascht aufsah, fügte Pearl erklärungshalber hinzu: »Sie wissen ja, die Steuer. Wie immer um diese Zeit. Aber wir sehen uns doch bestimmt bei der Wohltätigkeitsveranstaltung am Freitag?«

»Aber natürlich«, antwortete Dr. Clayson lächelnd. »Alice hat eins ihrer Bilder für die Tombola gespendet.«

Pearl, der nicht entging, wie er die blasse Hand seiner Frau drückte, bemerkte anerkennend: »Eine großartige Idee. Da kann man demjenigen, der es gewinnt, jetzt schon gratulieren.«

Als Pearl an die Theke zurückkehrte, musste Dolly noch einmal ungebeten ihre Meinung loswerden: »Sie ist wirklich nur noch ein Strich in der Landschaft.« Dolly schaute zu Alice Clayson hinüber, die immer noch die Speisekarte studierte. »Irgendwie erinnert sie mich immer ein bisschen an … Ophelia, dich nicht auch? Ich meine natürlich, in dem Gemälde von Millais. So blass und weltentrückt.«

Dolly hatte recht, musste Pearl zugeben, als sie ihre weiße Schürze abnahm. Alice Clayson haftete tatsächlich etwas sehr Zerbrechliches und Ätherisches an. Auch was das Gemälde von Ophelia anging, traf Dollys Einschätzung zu, sah man einmal davon ab, dass Alice Clayson nicht die Muse eines Künstlers war, sondern selbst eine hervorragende Aquarellistin, an deren beliebten Kursen Dolly im vergangenen Sommer teilgenommen hatte. »Sie ist immer noch nicht darüber hinweggekommen«, bemerkte Dolly nachdenklich.

»Das hast du bestimmt schon tausendmal gesagt«, erwiderte Pearl.

»Wie willst du das beurteilen, wenn du es nicht selbst miterlebt hast«, hielt Dolly gereizt dagegen. »Dieser Junge war Hals über Kopf in Alice verliebt, und jeder konnte sehen, dass es auf Gegenseitigkeit beruht hat.« Pearl bedachte ihre Mutter mit einem strengen Blick, aber Dolly fuhr unbeirrt fort: »Ich kann dir sagen, es gab niemand in diesem Aquarellkurs, der nicht ganz deutlich gespürt hat, wie es zwischen den beiden geknistert hat. Ich habe mich in meinem ganzen Leben nicht so sehr wie das fünfte Rad am Wagen gefühlt.« Sie schaute zu Alice Clayson hinüber. »Um es mit Noel Cowards Worten auszudrücken: Sie war verrückt nach dem Jungen.«

»Von einem Jungen kann man da wohl schwerlich sprechen«, bemerkte Pearl.

»Für mich war er aber einer«, konterte Dolly. »Mit sieben- oder achtundzwanzig? Er war mindestens zehn Jahre jünger als Alice.«

Pearl beobachtete, wie Richard Clayson seine Frau für die Speisekarte zu interessieren versuchte. »Wenn es wirklich so war, warum ist sie dann nicht bei ihm geblieben?«

»Das werden wir wohl nie erfahren«, sagte Dolly. »Vielleicht braucht sie mehr Sicherheit, als ihr dieser Junge hätte bieten können, oder sie ist einfach zur Besinnung gekommen.« Sie sah Pearl an, die über ihre Argumente nachdachte.

»Oder vielleicht auch er«, führte Pearl an. »Schließlich war er derjenige, der von hier weggegangen ist.«

»Ja«, pflichtete ihr Dolly endlich bei. »Aber wenn du mich fragst, trauert ihm Alice immer noch nach.«

Dolly kehrte in die Küche zurück, und als Alice Clayson mit tieftraurigen Augen aufblickte, musste sich Pearl eingestehen, dass ihre Mutter vermutlich wieder einmal recht hatte.

Wenige Stunden später brütete Pearl über langen Zahlenreihen, als sich Diana Marshall von der Seite zu ihr herüberbeugte.

»Dein Detektivbüro wird dem Restaurant wohl nicht so schnell den Rang ablaufen?«

Dianas Miene ließ keinen Zweifel daran, dass das eher eine rhetorische Frage war. Aus den zwei separaten Bilanzen, die Diana für die beiden Firmen erstellt hatte, ging eindeutig hervor, dass The Whitstable Pearl ordentlich Gewinn abwarf, während Nolan’s Detective Agency kaum die Eigenkosten decken konnte. Das überraschte Pearl keineswegs, denn in letzter Zeit war sie etwas zu wählerisch bei der Auswahl der Aufträge gewesen, die sie angenommen hatte. Sie hatte keine Lust auf die Sorte von Jobs, die das Basisgeschäft der meisten Detektivbüros waren: Observierungsaufträge, bei denen sie sich ganze Nächte um die Ohren schlagen musste, um fremdgehenden Ehepartnern beiderlei Geschlechts nachzuspionieren. Das zusätzliche Einkommen war eindeutig nie der ausschlaggebende Grund gewesen, die Agentur zu gründen, obwohl Pearl es um diese Jahreszeit durchaus hätte brauchen können. Nachdem sie die Rollen von Restaurantbesitzerin und alleinerziehender Mutter nun schon einige Jahre erfolgreich ausgefüllt hatte, hoffte sie inzwischen, neuen Sinn im Leben zu finden, wenn sie den Weg einschlug, dem sie eigentlich immer schon hatte folgen wollen, und wenn ihr das vor ihrem vierzigsten Geburtstag im kommenden Februar gelang – umso besser.

Durch den Kontakt mit Detective Chief Inspector Mike McGuire war ihr wieder klargeworden, dass sie, wäre sie bei der Polizei so weit aufgestiegen wie er, lästige Routineaufgaben wie Observierungen an rangniedrigere Kollegen hätte delegieren können. McGuire hatte sich seine Stellung verdient und erhielt entsprechend anspruchsvolle Ermittlungsverfahren zugeteilt, spannende Kriminalfälle, die mehr erforderten, als rein routinemäßig die üblichen Fragen nach Vorgehensweise, Motiv und Gelegenheit abzuhaken. Die enge Zusammenarbeit mit Mike McGuire im letzten Sommer – zumindest, soweit er eine solche zugelassen hatte –, hatte ihr vor Augen geführt, dass sie ihm, was Instinkt und Gespür anging, eindeutig überlegen war, während er sich vor allem auf bewährte und genauestens festgelegte Vorgehensweisen stützte. Deshalb hatte sie beschlossen, lieber auf einen Fall zu warten, bei dem sie sich ihren Riecher optimal zunutze machen konnte.

Der Becher, in dem ihr Diana einen Kaffee reichte, hatte Stil, fand Pearl – weißes Porzellan mit einem goldgemusterten Rand. »Mehr Aufträge könnten dem Detektivbüro natürlich nicht schaden«, gab Pearl zu. »Deshalb habe ich auch noch nicht so schnell vor, das Restaurant aufzugeben.«

Darauf reichte ihr Diana wortlos lächelnd einen eleganten Stift, mit dem Pearl beide Steuererklärungen unterschrieb. Wie zur Feier dieses Ereignisses gab die stilvolle Uhr auf dem Kaminsims sechs Schläge von sich, und als Pearl vom Tisch aufschaute, fiel ihr Blick auf den großen Weihnachtsbaum neben dem prasselnden Feuer im Kamin, vor dem Dianas Labrador Drummer friedlich schlief. Der Baum war mit traditionellen goldenen Kugeln und kleinen roten Samtschleifen geschmückt, und darunter lagen bereits die liebevoll verpackten Geschenke. Alles verbreitete eine Atmosphäre eben jener viktorianischen Eleganz, die prägend für Dianas Stil war.

Sie ging zu einem Tischchen, auf dem neben verschiedenen Flaschen mit Getränken auch ein silbernes Tablett mit einer Kristallkaraffe stand. Diana griff jedoch nach einer Flasche, auf deren Etikett ein holländischer Prahm mit dunkelroten Segeln abgebildet war. »Willst du wirklich nichts?«

Pearl schüttelte den Kopf. »Ich bleibe lieber bei meinem Kaffee. Ich habe heute noch einiges zu tun.«

Im Schein des Kaminfeuers nahm die Flüssigkeit, die Diana in ein geschliffenes Becherglas schenkte, einen warmen Glanz an. Pearl war sicher, dass es sich dabei um Dianas übliches Quantum Holland-Gin handelte, den sie aber immer mit dem korrekten Begriff Genever bezeichnete. Auch wenn Pearl keine große Ginliebhaberin war, schätzte sie den weicheren und aromatischeren Geschmack von Genever, insbesondere seine leicht rauchige Note, die davon herrührte, dass er wie guter Whisky in Holzfässern reifte. Bei der Herstellung konnten verschiedene Getreidesorten verwendet werden, was zu sehr unterschiedlichen Geschmacksrichtungen führte: Gerste, Weizen und Roggen. Diana mochte sie alle. Jetzt hob sie lächelnd ihr Glas und sagte: »Ein paar Schlucke davon und der Weihnachtsstress ist wie weggeblasen.«

Kurz zog Pearl in Erwägung, sich doch von Dianas Genever befeuern zu lassen und ein paar spätabendliche Weihnachtseinkäufe zu erledigen, besann sich dann aber eines Besseren.

»Am Freitag«, sagte sie. »Wenn ich mit den Vorbereitungen für die Wohltätigkeitsveranstaltung fertig bin.«

»Ach ja«, bemerkte Diana, das Glas immer noch trinkbereit in ihrer Hand. »Hätte ich mir eigentlich denken können, dass sich unsere Pastorin diese Gelegenheit nicht entgehen lassen würde, wieder mal deine Gutmütigkeit auszunutzen und dich dafür einzuspannen.«

»Ich habe mich freiwillig gemeldet«, gab Pearl zu, ohne sich darüber auszulassen, dass in der Küche von St Alfred’s bereits die Herstellung von Glühwein eine nicht geringe Herausforderung darstellte. Sie kostete den Kaffee, und eine Weile bildete die beschauliche Stille in Dianas Räumlichkeiten einen willkommenen Gegensatz zur üblichen Hektik des Whitstable Pearl. Dianas Zuhause war ein großes, mit Giebeln versehenes Gebäude auf der Südseite der Joy Lane, einer langen Straße, die am alten Zollhaus am Eingang der Stadt begann. Es lag in einer der begehrtesten Wohngegenden von Whitstable, in der die meisten Häuser, wie das von Diana, auf großen Grundstücken standen, auf die schon mehrere große Wohnungsbaugesellschaften zwecks besserer Flächennutzung ein begehrliches Auge geworfen hatten.

Besonders gefragt waren die Häuser auf der Nordseite der Joy Lane, wo die Gärten direkt an den Strand grenzten und die Straße geradewegs zu dem Dorf Seasalter führte. Diese Verbindung zwischen den zwei Ortschaften bestand schon seit fast zweihundertfünfzig Jahren, als die Region vor allem für den regen Schmuggel und ihre Landwirtschaft bekannt war. Ein Großteil des Lands, durch das die Joy Lane heute führte, war vom Gründer der berüchtigten Seasalter Company gepachtet worden, die trotz ihres seriös klingenden Namens im Grunde nichts anderes gewesen war als ein Zusammenschluss von Schmugglern, die die nahegelegene Parsonage Farm als Umschlagplatz für ihre Waren nutzten.

Die Bebauung des Areals hatte zwischen den beiden Weltkriegen mit einem eklektischen Mix aus Vorstadtstilen, ein paar großen freistehenden Villen im viktorianischen Stil und einem Pub namens Rose in Bloom begonnen. Während das Haus der Claysons auf der Nordseite der Straße lag und über ein Eingangstor nebst Swimmingpool und Meerblick verfügte, stand Dianas Haus Grey Gables auf der gegenüberliegenden Seite. Es hatte stärkere Kolonialstilanklänge und war mit unzähligen Erbstücken vollgestopft. Ein Gewehr, das sie von ihrem Vater, einem hohen Militär, geerbt hatte, hing im holzvertäfelten Flur neben einem gerahmten Foto von Männern mit Tropenhelmen, die einen mehrere Meter langen toten Python hielten. Das Haus wirkte sehr konservativ, was auch auf Diana zutraf, die sich in einem Twinset mit Perlenkette am wohlsten fühlte. Dagegen fand Pearl ihre Steuerberaterin in ihrer pinkfarbenen Pussy-Bow-Bluse und dem Samtrock, der ihre für ihr Alter erstaunlich schmale Taille hervorragend zur Geltung brachte, diesmal geradezu glamourös. Normalerweise war Dianas Haar zu einem dichten Bob geschnitten, doch jetzt wirkte es länger, stärker geformt und vielleicht eine Spur blonder als grau. Jedenfalls hatte Pearl den Eindruck, dass sich Diana für die Weihnachtsfeiertage besonders schick gemacht hatte.

»Bekommst du an Weihnachten Besuch von der Familie?«, fragte Pearl. Diana hatte zwar selbst nie geheiratet, aber ihren in Esher lebenden Neffen Giles schon immer wie einen Lieblingssohn verhätschelt, seit seine Mutter in jungen Jahren einem Herzleiden erlegen war.

»Ja«, antwortete Diana. »Sie kommen morgen Abend zu der Wohltätigkeitsveranstaltung und bleiben bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag.«

»Wie schön für dich«, bemerkte Pearl höflich, obwohl sie nicht verstehen konnte, wie es Diana auch nur eine Stunde in der Gesellschaft von Giles, seiner Frau Stephanie und ihrem verzogenen Sohn Nicholas aushielt, der Dolly gegenüber einmal ganz unverblümt geäußert hatte, ihr alter Morris Minor sehe aus wie ein »Clownsauto«.

»Wie läuft Giles’ neue Firma?«

»Welche?«, fragte Diana, die Pearls Bilanzen zusammenpackte.

»Hat er letztens nicht in eine Firma für Babykörbchen investiert – genau das Richtige für junge Mütter? Hat sich nach einer glänzenden Idee angehört.«

»Manchmal ist mehr nötig als nur Ideen«, bemerkte Diana trocken.

»Oh?«

»Der Boden seiner Babykörbchen fiel heraus«, erklärte Diana. »Und zwar buchstäblich. Deshalb macht er jetzt in Fitnessstudios.« Diesmal hörte Pearl eine gewisse Verärgerung aus Dianas Stimme heraus. »Absolut idiotisch, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen.« Sie hielt kurz inne, aber Pearl entging nicht, dass der Genever ihre Zunge zu lösen begann. »Jeder weiß, dass man mit seinem Geld haushalten muss, aber ich habe nicht den Eindruck, dass sich Stephanie auch nur der Bedeutung dieses Worts bewusst ist.« Diana nahm einen Schluck von ihrem Glas. »Aber manche Leute lernen es eben nie.«

Als wäre ihr bewusst geworden, dass sie gerade zu viel gesagt hatte, hielt sie kurz inne und schaute Pearl an, bevor sie hastig auf die Uhr sah und ihr leeres Glas abstellte. »Wenn du mich bitte entschuldigen würdest, Pearl, aber ich muss jetzt noch zu Richard rüber.«

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