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Manchmal durchstreifen Sekunden unser Leben die unerwartet in eine neue Richtung lenken. Wichtig dabei ist, aus der Veränderung etwas neues zu erschaffen. In einen Randbezirk von Wien geschieht ein Mord, den Elena kurz nach ihrer Trennung von ihren Freund ungewollt beobachtet. Noch weiß sie nicht wie sehr dieser Moment ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird. Verfolgt von den Tätern zweifelt sie zunehmend an der Loyalität ihrer Freunde. Ein Plan muss her. Schließlich wird sie zur gejagten eines großen Verbrechernetzes. Elena von den Kriminellen unterschätzt – ein großer Fehler.
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Seitenzahl: 199
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Gabriele Schillinger
Eine unberechenbare Zeugin
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Ben und Elena
Die Parkgarage
Julia
Drohung
Eine gutgemeinte Warnung
Der Plan
Eine seltsame Entdeckung
Neue Unterkunft
Ein Verbündeter
Der Überfall
Auferstehung
Die erfolglose Suche
Die LKW Durchsuchung
Das Wiedersehen
Rache
Zugriff
Die Verhaftung
Viktor
Karl
Bücher von Gabriele Schillinger
Impressum neobooks
Eine unberechenbare
Zeugin
Thriller/Krimi
von Gabriele Schillinger
Autorin: Gabriele Schillinger
Lektorin: Lisa Grötzl
Cover: Nikolaus Schillinger
Bilder: Gabriele Schillinger
www.kunst-galerie-schillinger.at
Eine unberechenbare Zeugin
Gabriele Schillinger
2019
Da saßen sie, sieben Frauen mit dem gleichen Ziel. Drei von ihnen gefüllt mit Wut, die anderen unsicher und verschreckt. Eine von den Frauen war sogar derart schüchtern, dass sie den Blick vom Boden nicht wenden wollte.
Elena führte die Teilnehmerinnen in einen der Trainingsräume. Inmitten des Raums lag eine Matte, wie sie nur beim Kampfsport verwendet wurde. Zuerst musste die Trainerin den wütenden Frauen mehr innere Ruhe lehren, den anderen mehr Selbstvertrauen.
Alle wollten lernen sich zu verteidigen, doch dazu benötigten sie weder Gefühlschaos, noch extreme Zurückhaltung. Jede von ihnen hatte schon einmal eine unangenehme Begegnung. Ein Mann, der sie sexuell belästigte, ein Überfall, Schläge in der Partnerschaft oder eine aggressive Nachbarin.
Zuerst gab es eine kleine verbale Einführung, um den Sinn der Übungen nahezubringen. Auf keinen Fall ging es darum, unkontrolliert Menschen anzugreifen, nur weil sie einen schief anschauten. Auch war nicht das Ziel, Männer zu verprügeln, weil sie einfach Männer waren. Nein, sie sollten sich lediglich in einer Gefahrensituation zu wehren wissen und wenn möglich, ohne den Gegner gleich totzuschlagen. Anschließend begann Elena ihnen einfache Griffe zu zeigen, bei denen sie sich, im Falle eines Angriffes von hinten, losreißen konnten. Die Frau mit der meisten Wut in sich nahm sich Elena als Partnerin, damit diese nicht gleich bei der ersten Übung eine der anderen Frauen verletzte. Danach lernte sie ihnen, wie sie sich zu verhalten hatten, wenn sie von vorne attackiert wurden.
Da eine gute Abwehr nicht in einer Stunde gelernt werden konnte, ersteckte sich der Kurs auf zehn Stunden. Am nächsten Abend würde sich die Gruppe wieder treffen.
Elena arbeitete schon einige Jahre im Sportstudio. Sie unterrichtete mit einem Kollegen die Verteidigungskurse und Karate. Für heute war allerdings Schluss. Sie ging unter die Dusche und zog sich im Umkleideraum ihre Straßenkleidung an. Am Heimweg wurde noch schnell etwas eingekauft, denn Ben und sie hatten ihren Jahrestag. Da wollte Elena etwas Gutes kochen. Die beiden waren schon sechs Jahre zusammen, das sollte gefeiert werden. Ben hatte zurzeit viel im Büro zu tun, denn er bekam vor kurzem eine Beförderung. Nun standen etliche Besprechungen mit den Vorgesetzten im Raum und so verschoben sich oft seine Arbeitszeiten. Also beschlossen sie, erst am Wochenende in ein Restaurant essen zu gehen. Heute wurde gekocht.
In der Küche brutzelte es und der Duft zog durch die ganze Wohnung. In den nächsten Minuten sollte Ben heimkommen. Also deckte sie liebevoll den Tisch, damit alles fertig war, wenn er auftauchte. Elena bekam eine Nachricht auf ihr Handy. Sie war von Ben. Er bedauerte es sehr, doch musste er spontan seinen Vorgesetzten zu einem Geschäftsessen begleiten.
Elena nahm das Essen vom Herd und setzte sich enttäuscht zum gedeckten Tisch. Es war das dritte Mal, dass er sie mit einem liebevoll zubereiteten Abendessen sitzen ließ.
Voller Zorn öffnete sie die am Tisch stehende Weinflasche und goss sich ein Glas davon ein. In einem Zug trank sie es leer. Der Appetit war ihr vergangen, also setzte sie sich mit der restlichen Flasche vor den Fernseher. Das Essen blieb in der Küche stehen, zum Aufräumen fehlte ihr die Motivation. Um Mitternacht beschloss sie schlafen zu gehen.
Am Morgen stank das ganze Schlafzimmer nach Alkohol. Anscheinend war Ben betrunken nach Hause gekommen. Nein, sie würde ihn nicht wecken. Sollte er doch einfach verschlafen. Elena stand auf, ging ins Bad und trank eine Tasse Kaffee. Dann machte sie sich auf den Weg ins Sportstudio.
Ben verschlief tatsächlich. Sein Boss rief ihn an, wo er war, denn sie warteten bereits im Konferenzraum auf ihn.
Er huschte schnell unter die Dusche und fuhr ins Büro.
Sein Vorgesetzter war sehr enttäuscht von Ben. Es ging bei der Besprechung nicht nur um weitere Planungen eines Projektes, sondern um einen wichtigen Vertragsabschluss mit einem großen Kunden. Fast wäre das Geschäft gescheitert, weil Ben die Unterlagen zu dem ausschlaggebenden Angebot noch bei sich hatte. Deswegen hatte er noch, bevor er unter die Dusche ging, das Angebot per Mail an seinen Vorgesetzten geschickt, damit dieser die ersten Verhandlungen führen konnte. Dennoch war es nicht seine Aufgabe, für die Präsentation hatte er eigentlich Ben.
Der Chef war nicht zum ersten Mal von ihm enttäuscht worden. Seine Arbeit hinkte oft hinterher. Für die Mittagspausen nahm er sich auch zu viel Zeit. Ein ernstes Gespräch folgte.
Elena ging ins Boxstudio, denn bevor sie unterrichtete, wollte sie ihren Zorn über Ben loswerden. Viktor, ein Kollege von ihr, bemerkte sofort ihre schlechte Stimmung. Dieser wurde im Laufe der Zeit ein guter Freund. Er war Boxtrainer und hatte selbst bereits einige große Kämpfe gewonnen. Ihm erzählte sie als einzigen von ihren Sorgen. Viktor war in seinen Urteilen nicht nur neutral, sondern auch verschwiegen. Im Spaß fragte er, ob es ihr besser ging, wenn er Ben ein blaues Auge verpasste. Ein kurzes Lächeln huschte über Elenas Gesicht.
In der letzten Arbeitsstunde kamen wieder die Frauen vom Verteidigungskurs. Eva war eine richtige Männerhasserin. Elena hatte ein wenig Sorge, dass sie die Übungen an jedem Mann ausführen würde, der ihr entgegenkam. Sie wirkte eher provozierend und nicht wie jemand, der sich lediglich wehrte. Um dem unbändigen Zorn auf den Grund zu gehen, bat sie die Teilnehmerin zu einem Einzelgespräch nach dem Unterricht.
Eva gab sich als, wäre sie auf einen Kriegspfad. Anfangs war es schwierig an sie ranzukommen. Sie klopfte große Sprüche und es war offensichtlich, dass sie sich damit eine Eisenrüstung anzog, um ihre wahren Gefühle darunter zu verstecken. Einige Zeit später erzählte sie von ihrem Vater, der sie als Kind missbraucht hatte. Als Jugendliche beschloss sie, sich eine Partnerin anstelle eines Partners zu nehmen. Was ja in Ordnung war. Doch ihr zunehmender Hass machte sie rabiat und so war naheliegend, dass sie zum Ziel aggressiver Männer wurde. Zudem musste sie lernen, nicht alle in einen Topf zu werfen.
Elena wollte Eva nicht dazu bringen, sich plötzlich in einen Mann zu verlieben. Das wäre unmöglich gewesen. Aber vielleicht konnte sie die Teilnehmerin ein wenig aus den Fängen ihres Zorns befreien. Für eine Gesprächstherapie war es zu früh. Eva wäre nicht dazu bereit gewesen. Doch vielleicht konnte sie ihre Wut wo anders ausleben. Sie riet ihr zu einem Boxkurs. Dort konnte sie anfangs einmal wild um sich schlagen und danach würde sie die Verhaltensregeln beim Boxen lernen. Diese Regeln könnten ihr auch ein wenig Zurückhaltung lernen. Zudem würde sie Viktor trainieren, der einfach gut war. Er selbst hatte auch eine Gemeinsamkeit mit Eva: Er war homosexuell. Vielleicht reagierte sie auf einen schwulen Mann anders, als auf die Machos in ihrem Leben.
Elena machte sich auf den Weg nach Hause. Sie war gespannt, ob Ben diesmal früher heimkam. Ja, er wartete bereits auf sie. Aufgrund seines schlechten Gewissens hatte er die Küche aufgeräumt. Am Tisch stand eine Vase mit roten Rosen. Glaubte er wirklich, die Blumen würden reichen?
Er versprach, dass es niemals wieder passieren würde. Beim nächsten Mal, wenn sein Vorgesetzter ihn für ein unerwartetes Geschäftsessen verpflichten wollte, würde er ihm entweder absagen oder Elena dazu holen lassen. Elena wollte jedoch nicht bei einem geschäftlichen Essen dabei sein, sondern ihren Freund am Abend zu Hause wissen, vor allem, wenn sie etwas zu feiern hatten.
Obwohl sich ihre Wut bereits gelegt hatte, wollte sie es ihm nicht zu einfach machen. Eine ausgiebige Fußmassage musste noch drinnen sein.
Zwei Abende ging es gut, bis Ben erneut nicht heimkam. Feige wie er war, schickte er eine Nachricht aufs Handy und drehte es danach gleich ab.
Elena fasste es nicht. Sie rief ihre Freundin Mona an und traf sich mit ihr in einem Restaurant ums Eck. Die beiden kannten sich schon seit ihrer Kindheit. Mona war erst kürzlich geschieden worden und hatte daher Zeit für ein spontanes Treffen.
Eigentlich war Elena der Appetit vergangen, aber irgendwas sollte sie doch essen. Sie bestellte sich einen Salat mit Hühnerstreifen. Mona hingegen bestellte sich etwas Deftigeres. Sie schaute nicht besonders auf ihre Ernährung, doch solange körperlich alles in Ordnung war, sprach nichts dagegen. Mona erzählte von einem bevorstehenden Klassentreffen und ob Elena vorhatte, dorthin zu kommen. Eigentlich hatte sie keine große Lust die Schulkameraden von früher zu sehen. Viele von ihnen waren damals sehr abgehoben und brüsteten sich mit ihren reichen Eltern. Elenas Eltern waren damals schon geschieden. Ihr Vater wanderte nach Italien aus, wo er eine andere Frau heiratete und vier Kinder bekam. Ihre Mutter war psychisch krank und kam in eine geschlossene Anstalt. Mit dem Vater hatte sie keinen Kontakt, für ihn gab es nur mehr seine andere Familie. Was hätte sie da viel über ihre Eltern erzählen sollen?
Mona wand jedoch ein, dass alle keine Kinder mehr waren und ihre eigenen Wege gingen. War Elena nicht neugierig, welche das waren?
Sie versprach es sich zu überlegen.
Nachdem sie aufgegessen hatten, schlug Mona vor, in eine Bar zu gehen. Da Elena den Zorn über Ben noch gut fühlen konnte, würde ihr ein Drink vielleicht guttun. Elena war schon lange Zeit nicht mehr in einer Bar gewesen. Deswegen kannte sie nur einige von früher, die es allerdings schon längst nicht mehr gab. Mona suchte ein Lokal aus.
Sie setzten sich an die Bar und bestellten sich einen Drink. Es war gesteckt voll, was Elena wunderte, denn immerhin war es mitten in der Woche. Mona lachte, ihre Freundin war wirklich schon lange nicht mehr in einer guten Bar gewesen.
Es dauerte nicht lange und ein Mann lächelte zu ihnen hinüber. Prompt brachte ihnen die Kellnerin einen Drink, auf den sie der flirtbereite Mann einlud. Elena war verlegen. Mona hingegen winkte ihn herbei.
Obwohl die Situation anfangs etwas angespannt war, musste Elena zugeben, dass es sich um einen wirklich gutaussehenden und netten Verehrer handelte. Mona begann nach einiger Zeit plötzlich zu zappeln und wollte gehen. Elena verstand ihr Verhalten nicht. War sie eifersüchtig, weil der Mann hauptsächlich mit ihr sprach?
Noch bevor sie sich auf den Weg machten, ging Elena auf die Toilette. Als sie wieder herauskam, verschlug es ihr den Atem. Ben saß mit einer fremden Frau an einem Tisch. Die beiden küssten sich innig. Mona zerrte ihre Freundin aus dem Lokal. Es hätte nichts gebracht, ihm vor Ort eine Szene zu machen. Besser, sie klärte die Sache zu Hause mit ihm.
Elena war erschüttert. Eigentlich wollte sie die Wut auf Ben vergessen. Nun war sie nur noch größer geworden.
Die Nacht war unruhig und Elena fand einfach keinen Schlaf. Ben kam nicht nach Hause. Wahrscheinlich schlief er bei seiner Geliebten, oder was auch immer diese Frau für ihn war.
Viktor bemerkte sofort, dass irgendetwas geschehen sein musste. Er nahm sich Elena heran und umarmte sie. Ihr liefen Tränen über die Wangen. Viktor fragte nicht nach dem Grund. Wenn sie soweit war, würde sie es ihm erzählen. Er holte ein paar Handschuhe und hielt den Boxsack fest. Elena drosch darauf ein, als wäre es Ben, den sie gerade verprügelte. Viktor wusste, wie wichtig es war, den aufgestauten Zorn unbeschadet zu lindern. Viel zu oft sah er, wie Menschen mit ihren aufgestauten Aggressionen anderen schlimme Verletzungen im Affekt zugefügt hatten.
Männer und Frauen wurden vom Gericht zu ihm geschickt, damit sie lernten, ihre Emotionen in Griff zu bekommen. Für manche mag es komisch wirken, dass sie das gerade mit Boxen hinbekamen, doch beim Training lernten sie nicht nur ihre Wut loszuwerden, sondern auch Richtlinien zu befolgen. Dieser unbändige Zorn entwickelte sich bei manchen zu einer richtigen Sucht, aus der sie nicht allein kamen. Die Aggression war ein Produkt ihrer eigenen Hilflosigkeit, mit der sie nie gelernt hatten umzugehen.
Nachdem Elena erschöpft vom Eindreschen die Übung beendete, war sie bereit Viktor vom letzten Abend zu erzählen. Erneut nahm er sie in die Arme. Er riet ihr zu einem ruhigen Gespräch mit Ben. Wenn er sie betrog, dann musste irgendetwas in ihrer Beziehung nicht in Ordnung sein. Elena sollte sich einmal seine Argumente anhören und dann erst entscheiden, wie es weiter gehen würde. Vielleicht konnten sie daran arbeiten, oder sie kamen zu dem Schluss, die Beziehung besser zu beenden. Noch war alles offen.
Abends standen erneut rote Rosen am Tisch. Ben werkte in der Küche und kochte. Ahnungslos darüber, dass seine Freundin vom Seitensprung wusste, wollte er ihr einen Begrüßungskuss geben. Elena drehte sich weg.
Er begann sich zu entschuldigen, weil er in letzter Zeit so viel arbeiten musste. Elena setzte sich schweigend zu Tisch und stocherte im Essen herum. Ben wollte ihre Hand nehmen, doch sie stieß ihn weg. Als er erneut von der vielen Arbeit zu reden begann, rief Elena ein lautes „Stopp“ in den Raum. Ben schaute sie mit großen Augen an.
Als sie sagte zu wissen, wo er letzte Nacht war, lehnte sich Ben in den Sessel zurück. Er hatte keine Ahnung was genau und woher sie es wusste, also sagte er vorerst einmal besser nichts.
Elena erklärte, was sie in der Bar gesehen hatte. Anfangs begann er sich herauszureden, später gab er einen Ausrutscher zu. Nach längerem Bohren bekam Elena heraus, dass er schon seit einigen Wochen ein Verhältnis mit dieser Frau hatte. Warum er dies tat, wusste er selbst nicht so genau, denn er liebte Elena. Ben versprach, die Affäre zu beenden.
Es dauerte zwar lange, bis Elena wieder Vertrauen zu Ben hatte, doch schien alles langsam wieder in Ordnung zu kommen. Da es sich bei der Frau um keine Kollegin handelte, die er jeden Tag zu Gesicht bekam, vertraute sie ihm, das Verhältnis beendet zu haben. Er kam pünktlich von der Arbeit nach Hause und roch auch nicht nach einem fremden Parfüm.
Natürlich hielt ihn Elena noch zur Wiedergutmachung an. Er durfte kochen, sie mit Fußmassagen verwöhnen und musste die Wochenenden planen.
Einen Monat später begann jedoch wieder das gleiche Muster. Ben schrieb zwar nicht nur, sondern rief an, dass er länger arbeiten musste, aber ansonsten glich es der Zeit seines damaligen Seitensprunges. Elena wurde zunehmend unruhiger. Das Misstrauen wuchs erneut.
Sie begann in seinen Sachen zu stöbern. In einer Sakkotasche fand sie eine Rechnung eines Juweliers über eine Kette, die er vor gut einer Woche kaufte. Da ihr eigener Geburtstag schon zwei Monate zurück lag und sie dieses Schmuckstück nie von ihm bekommen hatte, lag nahe, dass er sie für jemand anderen gekauft hatte.
Ben kündigte an, später nach Hause zu kommen, also setzte sich Elena mit der Rechnung am Tisch liegend ins dunkle Wohnzimmer und wartet auf ihn.
Als er schließlich um Mitternacht heimkam und das Licht aufdrehte, zuckte er zusammen. Kurz darauf kam er lächelnd auf seine Freundin zu, um sie zu begrüßen. Er stank von oben bis unten nach Frauenparfüme. Elena erhob sich mit einem Ruck und gab ihm eine Ohrfeige. Ein lautes Wortgefecht folgte. Dann begannen Beschimpfungen und tiefe verbale Verletzungen. Elena wusste, wenn sie jetzt nicht ging, verlor sie ihre restliche Beherrschung. Sie zog sich die Joggingschuhe an und warf die Türe hinter sich zu. Mit Tränen in den Augen lief sie die dunklen Stassen entlang. Was dachte sich Ben bloß dabei? Glaubte er wirklich, sie würde sich seine Seitensprünge einfach so gefallen lassen?
Für Elena war klar, diesmal war es das Ende der Beziehung.
Ben ging duschen und legte sich ins Bett.
Elena lief bereits eine knappe Stunde. Ihre Wut wechselte auf Traurigkeit und danach auf den Gedankengang, wie die Trennung vonstattengehen sollte. Sie gab Ben eine Chance, die er nicht nutzte. Nach so kurzer Zeit wieder den gleichen Fehler zu begehen war unverzeihlich. Die Beziehung musste beendet werden, bevor sie sich an das Chancengeben gewöhnte und in einer unglücklichen Partnerschaft stecken blieb, aus der sie aus eigener Kraft nicht mehr herauskam. So schmerzlich es auch war, nicht sie hatte die gemeinsame Zukunft kaputt gemacht, sondern er.
Plötzlich hörte Elena einen lauten Streit in der naheliegenden Parkgarage. Vorsichtig näherte sie sich und sah fünf Männer in Anzügen. Zwei standen sich direkt gegenüber und schrien sich an. Was machten sie um diese Zeit in einer öffentlichen Garage?
Der Streit zwischen den Männern spitzte sich zu. Unerwartet zog einer von ihnen eine Waffe aus der Jacke und schoss. Elena erschrak derart, dass sie eine leere Dose am Boden umstieß. Prompt wanden die Männer ihren Blick in Elenas Richtung, die sich schnell duckte. Sie wartete eine Weile und schaute erneut vorsichtig über die Mauer in die Garage.
Der Mann mit der Waffe schickte zwei seiner Leute, um nachzusehen was das war. Mit gezogener Waffe machten sie sich auf den Weg und Elena begann zu laufen.
Sie rannte so schnell sie konnte, doch die Männer waren ihr dicht auf den Fersen. Der gegenüberliegende Park sollte ihr ein wenig Schutz bieten. Immerhin kannte sie sich dort gut aus und sollten die Verfolger Fremde sein, dann konnten sie sich im finsteren Park nicht so gut wie sie zurechtfinden.
Der Park war groß und die Verfolgung dauerte länger an, als sie dachte. Schließlich kletterte sie schnell auf einen der Bäume hoch und versuchte sich still zu verhalten. Die Männer suchten noch einige Zeit nach ihr. Einmal gingen sie direkt beim Baum vorbei, doch zum Glück schaute keiner von ihnen nach oben. Dann brachen sie die Verfolgung ab und begaben sich wieder zum Parkhaus. Elena holte ihr Handy aus der Hosentasche und rief die Polizei an. Besser sie blieb noch eine Weile am Baum sitzen. Zumindest bis sie die Sirenen hören konnte.
Die Zeit schien sehr langsam zu vergehen und die Polizei ließ sich lange nicht blicken.
Endlich konnte sie die Einsatzwägen hören. Vorsichtig hüpfte sie von ihrem Versteck und ging zum Ausgang des Parks. Spontan beschloss Elena, sich hinter einer Hecke zu verstecken und dem Gespräch der Polizisten zu lauschen.
Sie konnten keinerlei Hinweis auf ein Verbrechen in der Garage finden und meinten, es wäre ein dummer Scherzanruf. Da sie sich furchtbar über diesen unnötigen Aufwand aufregten, überlegte Elena, ob sie sich überhaupt zu erkennen geben sollte.
Vielleicht war besser, nicht im Protokoll als Zeugin geführt wurde. Immerhin hatte sie keine Ahnung, wie gefährlich die Männer aus der Garage waren. Zudem würde man in ihrem Leben herumstochern und herausfinden, dass sie sich eben von ihrem Freund getrennt hatte. Für die Polizei war sie dann wahrscheinlich keine zuverlässige Zeugin.
Sie blieb hinter einem Strauch hocken und hoffte, dass niemand in ihr Versteck schauen würde.
Die Polizei zog nach einer Weile wieder ab. Elena beschloss, über einem anderen Parkausgang nach Hause zu laufen.
Ben lag im Bett und schnarchte. Elena hatte keine Lust sich neben ihn zu legen, also machte sie es sich auf dem Wohnzimmersofa bequem. Schlafen konnte sie jedoch nicht gut, denn all diese Vorfälle an einem Tag verfolgten sie in den Träumen. Sie schreckte des Öfteren auf. Zum Glück rief sie die Polizei mit unterdrückter Nummer an, so hatte sie noch Zeit um nachzudenken, was sie weiterhin tun wollte. War es die richtige Entscheidung den Beamten nichts zu sagen?
Am nächsten Morgen meldete sie sich am Arbeitsplatz krank. Sie beschäftigte sich viel zu sehr mit ihren privaten Problemen, als dass sie sich auf die Teilnehmer konzentrieren konnte. Als Ben die Wohnung verließ, stellte sie sich schlafend. Auf keinen Fall wollte sie mit ihm über seine Untreue diskutieren, dafür war sie viel zu müde.
Bei einer Tasse Kaffee überlegte Elena, wie es mit ihrer Partnerschaft weitergehen sollte. Wahrscheinlich hätte sie ihm einen Ausrutscher im Laufe der Zeit verzeihen können. Zwei oder mehr allerdings nicht. Er hatte nicht einmal abgewartet, bis ihre erste Wunde verheilt war. Dieser zweite Seitensprung zeigte ihr, dass er es immer wieder tun würde und so wollte Elena einfach keine Beziehung führen. Entschlossen ging sie ins Schlafzimmer, öffnete den Kasten und packte einen Koffer mit Bens Sachen. Ihr Traum, gemeinsam mit ihm ein Haus mit Garten zu kaufen, löste sich in Luft auf. Zum Glück hatte er noch rechtzeitig sein wahres Gesicht gezeigt.
Ein paar Stunden später standen drei Koffer im Vorraum. Sie packte ihm alle wichtigen Dinge darin ein. Danach rief sie ein Taxi, welches die Sachen zu Ben in die Firma brachte.
Es war eine wahrhaftig peinliche Situation, als der Fahrer mit dem Gepäck in seinem Büro auftauchte. Sofort versuchte er Elena anzurufen, doch sie hob nicht ab. Kurz darauf bekam er eine Nachricht auf sein Handy. Sie schrieb ihm, dass er die Verantwortung für sein Tun übernehmen musste. Falls sie etwas vergessen hatte einzupacken, könnte sie es ihm gerne nachschicken. Ben war aus allen Wolken. Hatte er etwa gedacht, Elena würde sich seine Untreue einfach so gefallen lassen?
Ein beauftragter Schlosser wechselte die Schlösser aus. Falls Ben auf die Idee kam, am Abend wieder nach Hause zu kommen, sollte er nicht mehr hineinkönnen.
Traurig, aber doch erleichtert, lehnte sie sich im Schreibtischsessel zurück. Erleichtert deswegen, weil sie die Beziehung konsequent beendet hatte. Würde sie länger darüber nachdenken, hätte sie vielleicht nicht mehr die Kraft für eine Trennung gehabt. Ben und sie waren lange zusammen. Da er nun auch mehr verdiente, wollten sie auf ihr Traumhaus sparen und möglicherweise doch noch eine Familie gründen. Ben gab das Geld fürs Haus allerdings für Schmuck aus, den er einer anderen Frau schenkte. Er hatte ihren Traum von einer gemeinsamen Zukunft zerstört, das war unverzeihlich.
Natürlich gab es auch schöne Zeiten, aber die lagen in der Vergangenheit. Besser es war ein schneller Schlussstrich. Nicht so, wie manche Frauen jahrelang unglücklich neben einem Mann zu verwelken drohen.
Viktor versuchte Elena telefonisch zu erreichen. Es war ungewöhnlich, dass sie sich derart unerwartet krankmeldete. Elena hatte allerdings keine Lust mit irgendjemandem zu sprechen.
Abwechselnd kamen Traurigkeit und Wut in ihr hoch. Wenn ihr Blick durch das Wohnzimmer schweifte, sah sie Dinge, die sie mit Ben in Verbindung brachte. Gemeinsame Fotos warf sie in eine Schublade, übersehene Bücher in eine große Schachtel, in welche auch die restlichen Dinge kamen, die sie nicht haben wollte.
Plötzlich sprang sie aus dem Sessel, öffnete alle Fenster und ging ins Schlafzimmer, um die Bettwäsche zu tauschen. Sie konnte seinen Geruch nicht mehr ertragen. Die Waschmaschine lief auf Hochtouren. Selbst Vorhänge und die Wohnzimmerdecken landeten in der Maschine. Es würde zwar noch einige Zeit dauern, bis nichts mehr in der Wohnung auf ihn hindeutete, doch dies war ein guter Anfang.
Abends war es still in den Räumen. Ben kannte Elena gut und wusste genau, dass sie ihn nicht in die Wohnung lassen würde, also nahm er sich vorerst einmal ein Hotelzimmer.
Elena hatte allerdings noch ein weiteres Problem. Der Vorfall in der Nacht. Sie drehte den Fernseher auf. Vielleicht kam etwas in den Nachrichten? Immerhin wurde jemand erschossen.
Der Nachrichtensprecher redete von einem Hausbrand, einer Messerstecherei in einem anderen Bundesland, einem Autounfall und einem vermissten Politiker. Nichts was auf den Toten in der Garage hinwies. Aber vielleicht hatte er ja auch Glück und lebte noch?
Möglich war auch, dass ein paar Leute einen Amateur Film drehten. Andererseits, warum hatte man sie dann bewaffnet verfolgt?
Elena zog sich ihre Sportsachen an und joggte zum Tatort. Vorsichtig ging sie in die Parkgarage, um nach Spuren zu suchen. Genau dort, wo auf den Mann geschossen wurde, befand sich ein großer Ölfleck. Wahrscheinlich hatten die Verbrecher Blutspuren damit verdeckt. Elena erschrak, ein Auto fuhr in die Garage um einzuparken. Sie lief schnell wieder aus dem Gebäude, joggte eine Runde um den Park und rannte die Stufen zu ihrer Wohnung empor. Als hätte sie jemand verfolgt, verschloss sie hektisch die Eingangstüre. Nachdem Elena mit der Dusche fertig war, nahm sie am Schreibtisch Platz und suchte im Internet nach Hinweisen zu dem Verbrechen. Doch wollte sich einfach nichts finden lassen. Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Ohne sich die Zähne zu putzen, legte sie sich erschöpft ins Bett.