Einen Augenblick, bitte - Philipp H. Bührer - E-Book

Einen Augenblick, bitte E-Book

Philipp H. Bührer

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Beschreibung

Einen Augenblick, bitte eröffnet die Möglichkeit, die drei Geschichten: Der Bleisatz, Begegnungen und der Grundstein kennen zu lernen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 41

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Für Traudi und Ewald

Spiegelverkehrt.

Handy, Handy in meiner Hand;

Was seh ich da zu meiner Schand –

Hier & im ganzen Land!

Einen Augenblick, bitte

Noch heute erkenne ich auf einer Webseite von ADOBE

die Typografie von Max Caflisch und noch heute ist

SO IST’S RICHTIG! von Georg Gubler nötiger denn je.

Auf seinem empfohlenen Weg durch die Weltliteratur

begegnet jeder Leser, früher oder

später, den Aphorismen des indischen

Dichters Rabindranath Tagore:

«Only in love are unity and

duality not in conflict.»

In der Liebe stehen

Ein- & Zweiheit

sich nicht in

der Quere.

Constantin Brâncusi . Cimetière Montparnasse . Paris

Schau’ diesen Stein

Schafft des Künstlers Hand

Steht auf Grabes Rand

Sagt: Du bist mein!

cœur

sœur

nœud

œ ist die Umarmung

Als Schüler von Georg Gubler würde ich einer Neuauflage von SO IST’S RICHTIG! einen Absatz über das Gendern einfügen und diese Lösung für den Schriftsatz aufzeigen:

Das œ über einen Text gestellt, ist das einende Merkmal für “w“ und “m“. In einem Buch wird das œ nach dem Copyright angezeigt:

© œ

Bleisatz 1975

Inhaltsverzeichnis

Der Bleisatz

O alte Druckerherrlichkeit, wohin bist du entschwunden?

Schaffhausen

Zürich

Genève

Paris, das A und das Œ

Stuttgart

Olten

Wellington

Begegnungen

Die “Dübel”-Geschichte.

Schynige Platte

Und Tim hat es verdient: Da ist doch diese

Die Abdankung

Schynige Platte (Fortsetzung)

Der Grundstein

Das Meer als Weltengedächtnis

Ankunft 20. Juni 2020

Der Bleisatz

O alte Druckerherrlichkeit, wohin bist du entschwunden?

. . . nie kommst du wieder schöne Zeit,

so frei und ungebunden:

Die erste Entlassung ist fristlos;

Vier weitere erfolgen aus wirtschaftlichen Gründen.

C’est la vie & henusode!

Schaffhausen

Alles begann im Sommer 1961 im Betrieb meines Vaters. “Im-Betrieb-Meines-Vaters” ist nicht ganz korrekt; mein Vater hatte keinen Druckereibetrieb – doch sagte er jeweils: «Komm zu mir!» – Ich schnupperte im Maschinensaal; die zweite Woche in der Setzerei.

Sepp, Stift im 3. Lehrjahr, zeigt mir, wie es gemacht wird. Dann höre ich, wie Herr Wiedmer, der Faktor, mir ruft:

«Tim!»

Ich melde mich: «I bi scho do!»

Ich stehe neben Herr Wiedmers Pult und warte. Fritz Bünzli tritt hinzu. In seiner Hand einen Papierstreifen, von Hand skizziere Buchstaben, spricht sofort zu Herr Wiedmer:

«Er hätt gsaat: d’Schrift sigi z’fiin, s’mües chräftiger si.» Ich weiß sofort, wer mit “Er” gemeint ist. “Er” ist mein Vater. Und auf dem milchig-durchsichtigen Streifen lese ich: “HENRIETTE . . . 1877 . . .”, der Name meiner Großmutter, in Tusche fein säuberlich gezeichnet.

Fritz – von allen so genannt und anerkannt – wiederholt den Satz mehrere Male und sichtlich beleidigt, lauter und lauter. Ihm, Typograf und Erster Akzidenzsetzer der Offizin Meier, weist mein Vater die Reinzeichnung zurück mit dem Kommentar:

«d’Schrift sigi z’fiin für än Grabstei.»

Als sechzehnjähriger Bub vom Städtchen Neunkirch, stehe ich zwischen Fritz und Herr Wiedmer, getraue kein Wort zu sagen und schaue verstohlen auf handskizzierte, umstochene Großbuchstaben.

Hätte ich doch gesagt: «Das ist meine Großmutter. Sie ist im letzten November im Alter von dreiundachtzig Jahren verstorben. Vor kurzem kam Onkel Eugen zu meinem Vater und besorgt äußerte er sich über die mangelnden Aufträge in seinem Betrieb. Onkel Eugen legte ihm einen Entwurf für ein Flugblatt mit Holzkreuzen vor. Als Modellschreiner sagte er: «Solche könnte ich machen, das gäbe mir Arbeit.» Seine mehrmals wiederholte Begründung:

«d’Lüüt stärbed immer.»

Du meine Güte: War das langweilig! In der Setzerei noch langweiliger wie in der ersten Woche bei den Druckern. Ich war froh, endlich ist Schluss.

Eine gute Stunde vor dem Ende meiner Schnupperzeit kam Herr Wiedmer zu mir, frug auf Berndeutsch: «Häsch d’ Setzmaschine scho gseh? – Chum mit!»

«Henusode.»

Ich folge ihm in den zweiten Stock. Durch offene Bürotüren erblicke ich die Fassadenmalereien vom “Ritter”. Weiter vorne im Gang, vor dem Redaktionssekretariat, rattern drei Telexe.

Dann öffnet der Faktor, Herr Wiedmer, eine Türe und wir treten in einen großen Raum ein. Sechs oder sieben Setzmaschinen stehen in Reih und Glied. Allesamt schwarz, fast bis an die Decke reichend. Von daher kommt ein beständiges Klimpern; mal von da, dann von dort. Gestänge, gezahnte Stangen, Transmissionsriemen in ständiger Bewegung: Auf und ab, kreisend, hin und her. Die Maschinensetzer, kaum zu sehen, sitzen auf niedrigen Holzstühlen hinter den Maschinen. Herr Wiedmer zeigt auf die vier an jeder Maschine aufgesetzen Behälter. Er erklärt: «Das sind die Magazine mit den Matrizen; für jeden Buchstaben gibt es einen Kanal und jeder Schriftgrad eines Charakters beansprucht ein Magazin. Gleich nebenan – schau! – diese eingehängte Bleistange; im Schmelztiegel wird sie zu flüssigem Blei. Damit werden die Matrizen, welche jetzt eine ganze Zeile bilden, zu einer fertigen Zeile ausgegossen.»

Schon ist der Faktor, Herr Wiedmer, um eine Maschine herum. Ich folge ihm.

«Prost» – der Maschinensetzer schaut auf. Er antwortet gleichfalls mit “Prost”; dreht sich mir zu, und: «Du bist Tim, der Sohn unseres Chefs.»