Einen Jux will er sich machen. Posse mit Gesang in vier Aufzügen - Johann Nestroy - E-Book

Einen Jux will er sich machen. Posse mit Gesang in vier Aufzügen E-Book

Johann Nestroy

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Beschreibung

Der Handelsbedienstete Weinberl sieht das Ende seines subalternen Lebens gekommen, als sein Dienstherr, der Gewürzhändler Zangler, ihm die Teilhaberschaft anbietet. Aber der »Diener ist Sklav des Herrn, der Herr Sklav des Geschäfts«. Und so möchte Weinberl wenigstens einen Tag lang ein »verfluchter Kerl«, ein Draufgänger, sein. Mit dem Lehrling Christoph fährt er in die Hauptstadt, wo die beiden, ungeübt im Draufgängertum, eine Reihe von absurden Zufällen und Verwechslungen bestehen müssen. In seiner 1842 uraufgeführten Posse zeigt sich Nestroy als Meister der Gesellschaftssatire. Mit einem Nachwort und Anmerkungen. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 134

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Johann Nestroy

Einen Jux will er sich machen

Posse mit Gesang in vier AufzügenMusik von Adolf Müller

Nachwort und Anmerkungen von Wolfgang Neuber

Reclam

2022 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2022

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962035-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014287-5

www.reclam.de

Inhalt

Einen Jux will er sich machen

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

Literaturhinweise

Nachwort

Einen Jux will er sich machen

[6]Personen

ZANGLER, Gewürzkrämer in einer kleinen Stadt

MARIE, dessen Nichte und Mündel

bei Zangler

WEINBERL, Handlungsdiener

CHRISTOPHERL, Lehrjung

KRAPS, Hausknecht

FRAU GERTRUD, Wirtschafterin

MELCHIOR, ein vazierender Hausknecht

AUGUST SONDERS

HUPFER, ein Schneidermeister

MADAME KNORR, Modewarenhändlerin in der Hauptstadt

FRAU VON FISCHER, Witwe

FRÄULEIN VON BLUMENBLATT, Zanglers Schwägerin

BRUNNINGER, Kaufmann

PHILIPPINE, Putzmacherin

LISETTE, Stubenmädchen bei Fräulein von Blumenblatt

EIN HAUSMEISTER

EIN LOHNKUTSCHER

EIN WÄCHTER

RAB, ein Gauner

ERSTERKELLNER

ZWEITER Kellner

 

Die Handlung spielt im ersten Aufzug in Zanglers Wohnung in einer kleinen Stadt, dann in der nahegelegenen Hauptstadt, gegen Schluss wieder bei Zangler.

 

Erstaufführung zum Vorteile von Nestroy am 10. 3. 1842 [im Theater an der Wien]. Musik von Kapellmeister Adolf Müller.

[7]Erster Aufzug

Zimmer in Herrn Zanglers Hause; die allgemeine Eingangstüre imProspekt, jedoch gegen die rechte Seite; links am Prospekt ein ziemlich breiter Ofenschirm, rechts und links eine Seitentüre, zu beiden Seiten Tisch und Stuhl.

Erster Auftritt

Zangler. August Sonders.

ZANGLER. Ich habe Ihnen jetzt ein für allemal g’sagt –

SONDERS. Und ich Ihnen ein für allemal erklärt –

ZANGLER. Dass Sie meine Nichte und Mündel nicht kriegen!

SONDERS. Dass Marie die Meine werden muss!

ZANGLER. Das werd ich zu verhindern wissen!

SONDERS. Schwerlich so sicher, als ich es durchzusetzen weiß!

ZANGLER. Kecker Jüngling!

SONDERS. Hartherziger Mann! Was haben Sie gegen mich? Meine Tante in Brüssel ist reich.

ZANGLER. Gratulier’!

SONDERS. Ich werde sie beerben.

ZANGLER. Aber wann?

SONDERS. Sonderbare Frage! Nach ihrem Tode.

ZANGLER. Und bis wann wird sie sterb’n? Aha, da stockt die Antwort. So eine Tant in Brüssel kann leben, solang sie will.

SONDERS. Das wünsch ich ihr vom Herzen, denn ich weiß, [8]dass sie auch bei Lebzeiten reichlich zu meinem Glücke beitragen wird.

ZANGLER. Reichlich beitragen – wie viel is das in Brüssel? Reichlich beitragen is hier das unbestimmteste Zahlwort, was es gibt, und in unbestimmten Zahlen schließ ich kein Geschäft. Und kurz und gut, ins Ausland lass ich meine Mündel schon durchaus nicht heiraten.

SONDERS. So heirate ich sie und bleibe hier.

ZANGLER. Und derweil schnappt dort ein anderer die Erbschaft weg, das wär erst gar das Wahre! Mit ei’m Wort, g’horsamer Diener! Plagen Sie sich auch nicht zu sehr mit unnötigem Herumspekuliern um mein Haus! Meine Nichte is heut früh an den Ort ihrer Bestimmung abgereist.

SONDERS. Wie, Marie fort –?

ZANGLER. Ja, nach Dingsda – logiert in der ungenannten Gassen, Numero soundso viel, im beliebigen Stock, rechts bei der zug’sperrten Türe, da können S’ anläuten, sooft S’ wollen, hineinlassen wer’n s’ Ihnen aber nicht.

Zweiter Auftritt

Gertrud. Die Vorigen.

GERTRUD(tritt zur Mitte ein). Das geht gut, der neue Hausknecht is noch nicht da, und der alte sagt, er will nichts mehr tun.

ZANGLER. Was ist’s denn?

GERTRUD. Die Koffer müssen ja vom Boden [9]heruntergetragen werden, wenn die Mamsell Marie schon übermorgen in die Stadt zu Fräulein Blumenblatt soll.

ZANGLER(verlegen und ärgerlich). Es ist – Sie hat – geh Sie zum Teufel –

SONDERS. Also übermorgen erst? In die Stadt zu Fräulein Blumenblatt? Gehorsamer Diener! (Geht zur Mitteltüre.)

ZANGLER. He, mein Herr – das wird Ihnen nix nutzen, dass – der Aufenthalt meiner – mit einem Wort –

SONDERS(schon in der Türe). Gehorsamer Diener! (Ab.)

Dritter Auftritt

Zangler. Gertrud.

ZANGLER(sehr aufgebracht). Da hab’n wir’s – jetzt weiß er, dass sie noch da is und wo sie hinkommt – ich wollt, die Frau Gertrud wär –

GERTRUD. Was hab ich denn getan?

ZANGLER. Gar nix hat Sie getan, g’red’t hat Sie. Das is, was die Weiber immer tun und nie tun sollten. Zur Unzeit hat Sie g’red’t. Man sollt gar nicht glauben, dass so eine überreife Person so unzeitig reden könnt.

GERTRUD. I hab aber nit g’wusst –

ZANGLER. Dass das der Liebhaber von meiner Mündel is? Aber jetzt weiß Sie’s, weiß, dass ich morgen in aller Fruh in die Stadt fahr, weiß, dass Sie jetzt mit hundertfacher Vorsicht über die Marie wachen muss, weiß, dass ich Sie zermalme, wenn während meiner Abwesenheit die zwei Leut nur mit einem Aug sich sehn. Wo is die Marie?

GERTRUD. Im Garten bei den Bienen.

[10]ZANGLER. Da halt’t sie sich immer auf, ich glaub, bloß deswegen, weil die Bienen schwärmen! Soll sich ein Beispiel nehmen, das sind nur Tiere und schwärmen auf eine so nützliche Weise – und Frauenzimmer, die sich einbilden, halbete Engel zu sein, haben eine so hirnlose Schwärmerei in sich. Sie soll heraufgehen, es fangt an, dunkel zu werden. Und der Herr Weinberl und der Christoph sollen auch heraufkommen, wenn sie ’s G’wölb zug’sperrt hab’n. Und meine Schützenuniform bring Sie mir herein, der Kasten wird offen sein.

GERTRUD. Gleich, Herr von Zangler, gleich! (Zur Mitte ab.)

Vierter Auftritt

Zangler. Dann Kraps.

ZANGLER(allein). ’s is zum Totärgern. Heut großes Quartal-Souper der Schützengesellschaft, und der Schneider lasst mich sitzen. Ich als diesjähriger Schützenkönig muss in der alten Uniform erscheinen. O Schneider, Schneider! Wann werd’t’s ihr in eurer Sphäre bleiben und euch bloß aufs Kleidermachen und nicht aufs Maulmachen verlegen! Dreimal hab ich schon g’schickt und –

KRAPS(zur Mitte eintretend, bringt einen dreieckigen Hut und Hirschfänger mit Gehänge). Es war wieder umsonst. Da is der neue Hut und der neue Hirschfänger, aber der Schützenfrack wird nit fertig, hat noch keine Knöpf und kein Futter. Wann S’ ’n so anlegen woll’n –

ZANGLER. Ich glaub, der Schneider is ein Narr, ich werd doch kein’ Frack ohne Futter anlegen –

[11]KRAPS(für sich, indem er Hut und Hirschfänger auf den Tisch links legt). Ich glaub, wann er den Rock zu der Fresserei anlegt, wird Futter g’nug hineinkommen. (Laut.) Jetzt bitt ich um mein’ Lohn und um a Trinkgeld.

ZANGLER. Was, Trinkgeld?

KRAPS. Ich hab heut vor vierzehn Tagen aufg’sagt, aber um acht Uhr in der Früh, Sie haben mich also jetzt schon eilf Stunden über die Zeit missbraucht.

ZANGLER(gibt ihm Geld). Da hat Er! Übrigens irr Er sich nicht, ich hab Ihm aufg’sagt, nicht Er mir.

KRAPS. Kann sein! Ich hab aber z’erst durch Nachlässigkeit und Unwillen zu erkennen gegeben, dass mir der Dienst nit mehr g’fallt. Dass Sie dann g’sagt hab’n, ich kann mich in vierzehn Tagen zum Teufel schern, das war nur eine natürliche Folge davon.

ZANGLER. Pack Er sich, ich bin froh, dass ich Ihn loshab, ich hab Ihn nur kurze Zeit g’habt, aber – ich will nicht sagen, was ich mir denk, aber –

KRAPS. No, sein S’ so gut!

ZANGLER. Er ist ein ganz unverlässlicher Mensch, und –

KRAPS. Oh, sehr verlässlich, ich verlass alle drei Wochen ein’ Dienst, das kann ich durch viele Zeugnisse beweisen. Empfehl mich gehorsamst – ich bleib nicht gern lang an ein’ Ort. (Mitte ab.)

ZANGLER(allein). Der wird schon noch an ein’ Ort kommen, wo er lang bleiben muss, das prophezei ich ihm.

[12]Fünfter Auftritt

Zangler. Gertrud.

GERTRUD(zur Mitte eintretend). Das is das Schützenkönigg’wand. (Legt einen grünen bordierten Rock, einen Hut und Hirschfänger auf den Tisch rechts.)

ZANGLER(unwillig). Auf meine Mündel soll Sie Obacht geben, hab ich g’sagt.

GERTRUD. No ja, Sie hab’n aber auch befohlen –

ZANGLER. Dass Sie der Marie nicht ein’ Schritt von der Seiten geht! Hirschfänger und Hut war unnötig, ich hab einen neuchen.

GERTRUD. Na, so will ich den wieder – (Will zum Tisch, um Hirschfänger und Hut wieder fortzutragen.)

ZANGLER(heftig). Zu der Marie soll Sie schaun, hab ich g’sagt.

GERTRUD(erschrocken zurückweichend). Nein, man weiß wirklich nit, wo einem der Kopf steht. (Im Abgehen.) Jetzt hätt ich bald vergessen – (zu Zangler) der neue Hausknecht is da.

ZANGLER. Soll hereinkommen –

 (Gertrud zur Mitte ab.)

ZANGLER(allein). Nichts als Odiosa, Geschäfte, Unwesen im Hauswesen, umgeben von albernen Wesen, langweiligen Wesen, schlechten Wesen, ich bin wirklich ein geplagtes Wesen. (Es wird an der Türe geklopft.) Herein!

[13]Sechster Auftritt

Zangler. Melchior.

MELCHIOR(schüchtern eintretend, zur Mitte). Ich bitt, sein Euer Gnaden der G’würzkramer?

ZANGLER. Eins zu wenig, ’s andre zu viel, ich bin nicht Euer Gnaden, sondern nur Herr Zangler, ich bin aber kein Kramer, sondern vermischter Warenhändler.

MELCHIOR. Ich hab g’hört, dass der Herr vermischte Warenhändler einen Hausknecht g’habt hab’n, der ein reiner Lump war.

ZANGLER. Ich hab ihn fortgejagt.

MELCHIOR. Und da, hab ich g’hört, sind Sie in Desperation, dass Sie kein’ Hausknecht haben.

ZANGLER. In Desperation? Das is gar eine dumme Red, ich glaub, an solchen Schlingeln is keine Not.

MELCHIOR. Das is wahr, eher wird’s an Prinzipal’ eine Not sein. Ein Hausknecht halt’t lang, aber Prinzipal geht alle Augenblick einer z’grund.

ZANGLER. Er is etwas vorlaut, scheint mir –

MELCHIOR. Nein, das war nur so eine merkantilische Bemerkung.

ZANGLER. Wo hat Er sein Dienstzeugnis?

MELCHIOR. Im Sack.

ZANGLER. So geb Er’s her.

MELCHIOR(gibt ihm das Zeugnis, ein ganz zusammengeknittertes Papier). Es ist etwas verkribelt, ich trag’s schon vier Wochen herum.

ZANGLER. Hat Er Kenntnisse in der vermischten Warenhandlung? (Durchsieht das Zeugnis.)

[14]MELCHIOR. Oh, sehr viel! Wir hab’n zwar da, wo ich war, nur einen Artikel g’habt, aber der war ungeheuer vermischt, ich bin aus einer Weinhandlung.

ZANGLER. Hm! Sein Zeugnis lautet ja ganz vorzüglich gut.

MELCHIOR. Ja, meine Aufführung war klassisch.

ZANGLER(in dem Zeugnis lesend). Treu, redlich, fleißig, willig, wachsam aufs Haus, obachtsam auf die Kinder –

MELCHIOR. Ja, das waren klassische Bub’n, jeder in einer andern Klass und doch jeder die dritte Klass, das wird man nicht bald finden.

ZANGLER. Er ist aufgenommen.

MELCHIOR. Ich küss die Hand.

ZANGLER. Sechs Gulden Monatlohn, Kost, Quartier, Wäsch.

MELCHIOR. No jetzt, Wäsch und Quartier, das is das Geringste, aber die Kost, die war halt dort, wo ich war, klassisch.

ZANGLER. Bei mir leid’t auch niemand Hunger. – Suppen, Rindfleisch, Zuspeis und was drauf.

MELCHIOR. Aber nur viel drauf. Und weg’n Fruhstuck – dort hab ich halt immer Kaffee g’habt.

ZANGLER. Das war bei mir nicht der Brauch, dass der Hausknecht Kaffee –

MELCHIOR. Schaun S’, Sie hab’n g’wiss auch einen Rosoli unter Ihren vermischten Sachen.

ZANGLER. O ja, aber –

MELCHIOR. Na, sehn Sie, dann is es ja unser beiderseitiger Vorteil, wann S’ mir ein’ Kaffee geb’n, denn Sie verleiteten mich ja sonst mit G’walt zu die geistigen Getränk.

ZANGLER. Na, da gäbet’s schon noch Mittel – übrigens, wenn Er brav is –

MELCHIOR. Klassisch!

[15]ZANGLER. So soll Er ein’ Kaffee hab’n.

MELCHIOR. Versteht sich, süß, und ein Kipfel. Oh, an dem Ort, wo ich war, das war ein klassischer Kaffee.

ZANGLER. Was hat Er denn immer mit dem dummen Wort klassisch?

MELCHIOR. Ah, das Wort is nit dumm, es wird nur oft dumm angewend’t.

ZANGLER. Ja, das hör ich, das muss Er ablegen, ich begreif nicht, wie man in zwei Minuten fünfzigmal dasselbe Wort repetieren kann.

MELCHIOR. Ja, das ist klassisch. Und dann bitt ich mir zu sagen, was ich alles zu tun hab.

ZANGLER. Was wird Er zu tun haben? Was halt einem Hausknecht zukommt.

MELCHIOR. Kisten und Fässer aus ’n Magazin holen –

ZANGLER. Botengänge machen, das G’wölb reinhalten, und im Haus –

MELCHIOR. Wenn’s in der Kuchel was gibt, kleins Holz machen, allenfalls Boden reib’n.

ZANGLER. Und meine Person bedienen.

MELCHIOR. Na ja, halt alles, was zur groben Arbeit gehört. Na, ich hoff, wir wer’n kein’ Streit hab’n.

ZANGLER. Das hoff ich auch.

MELCHIOR. Ich war immer sehr gut mit meinen Herrn, also wer’ ich bei Ihnen keine Ausnahm – und nicht wahr, wenn ich was aus Privatfleiß tu, zum Beispiel der Köchin Wasser trag’n, dem Herrn Kommis die Stiefel putzen, da krieg ich extra ein Honorar –

ZANGLER. Das mach Er mit dem Kommis aus und mit der Köchin. Jetzt hilf Er mir anziehen, den Schneider soll der Teufel holen.

[16]Siebenter Auftritt

Hupfer. Die Vorigen.

HUPFER(mit einem Pack unter dem Arm). Da bin ich, das Meisterwerk is vollendet!

ZANGLER(sehr freundlich). Also doch fertig? Sie hab’n mich warten lassen, lieber Herr Hupfer.

MELCHIOR(zu Zangler). Ist das der, den der Teufel hol’n soll?

HUPFER. Wie? Was?

ZANGLER(zu Melchior). Halt Er ’s Maul! (Zu Hupfer.) Das is nur so eine Redensart ungeduldiger Erwartung.

MELCHIOR. Freilich nur Redensart, und das weiß auch der Teufel recht gut. Wenn er gleich jeden Schneider holet, wie man’s sagt, so möcht der Teufel Schneider sein.

HUPFER(indem er die Schützenuniform auspackt und das Umschlagpapier von den Knöpfen und Borten reißt). Mit Hilfe zweier plötzlicher unverhoffter Schneiderg’sellen habe ich das Unmögliche möglich gemacht.

MELCHIOR. Sind s’ heut erst an’kommen?

HUPFER. Ja.

MELCHIOR. Nicht wahr, einer is krump, der andere hat ein schwarzes und ein blaues Aug, das schwarze Natur, das blaue g’schlag’n?

HUPFER. Kann schon sein.

MELCHIOR. Die kenn ich, sie hab’n g’fochten unterwegs.

HUPFER. Das is so der Brauch.

MELCHIOR. Ich hab ihnen einen Silberzehner geb’n und g’sagt, dass s’ mir sechs Groschen herausgeb’n soll’n, das [17]hab’n s’ aber in der Hitze des Gefechts überhört und sind weitergegangen. Wollen Sie ihnen nicht sagen –

HUPFER(ohne auf Melchior zu hören, zu Zangler). Jetzt bitt ich nur gefälligst anzuprobieren.

ZANGLER(hat seinen Überrock abgelegt und schlüpft mit Hupfers Hilfe in den Schützenfrack, indem er zu Melchior sagt). Merk Er auf, damit Er lernt, wie man eine Uniform – (zu Hupfer) etwas eng, scheint mir –

MELCHIOR. Das is fesch –

HUPFER. Freilich!

ZANGLER. Unterm Arm schneid’t das Ding ein, das tut weh.

MELCHIOR. Macht sich aber fesch!

ZANGLER. Und hinten gehn die Schößeln zu weit auseinand.

MELCHIOR. Das is gar fesch!

ZANGLER. Wie gesagt, zu eng! Bei der Tafel wer’n mir alle Knöpf aufspringen.

HUPFER. Ich begreif nicht –

ZANGLER. Sie haben mir doch die Maß genommen.

MELCHIOR. Mein Gott, das Maßnehmen is eine alte Gewohnheit, die die Schneider doch nicht hindert, jedes neue G’wand zu verpfuschen.

ZANGLER(zu Melchior). Nun, wie schau ich aus?

MELCHIOR. Ich derf’s nit sag’n.

ZANGLER. Wenn ich Ihm’s befehl! Wie schau ich aus?

MELCHIOR. Klassisch!

HUPFER. Am Himmel hab’n s’ ein Sternbild, das heißt der Schütz, das is aber bei weitem nicht so geschmackvoll wie dieser Schütz.

MELCHIOR. Das is klassisch!

[18]ZANGLER. Für heut tut’s es, aber morgen müssen Sie mir den Rock weiter machen.

HUPFER. Warum nicht gar, eine Uniform muss eng sein.

ZANGLER. Aber ich erstick ja.

HUPFER. Macht nichts; Sie haben einmal von der Natur eine Art Taille erhalten, und es ist die Pflicht der Kunst, dieses Geschenk der Natur in das günstigste Licht zu stellen. Rekommandier mich bestens. (Zur Mitte ab.)

Achter Auftritt

Die Vorigen ohne Hupfer.

MELCHIOR. Er hat halt allweil recht und gibt nicht nach. Man glaubet’s nicht, wie so ein Schneider bockbeinig ist.

ZANGLER. Jetzt, mein Lieber – wie heißt Er?

MELCHIOR. Melchior.

ZANGLER. Mein lieber Melchior, fahr Er gleich wieder z’ruck in die Stadt!

MELCHIOR. Was? Ich hab glaubt, Sie haben mich aufg’nommen?

ZANGLER. Freilich, aber ich fahr morgen in aller Fruh auch in die Stadt. Da steigt Er gleich bei der Linie im Gasthaus bei der Sonn ab, sagt nur meinen Namen, dass das gewöhnliche Zimmer für mich herg’richt’t wird, und erwart’t mich. Da hat Er Geld – (gibt ihm) mach Er aber g’schwind, in einer Viertelstund geht der Stellwagen.

MELCHIOR. Gut! Aber könnt ich nicht vorher noch meinen übrigen Vorgesetzten, dem Kommis und dem Lehrbub’n, die Aufwartung machen?

[19]ZANGLER. Nix, Er versäumt sonst den Wagen.

MELCHIOR. No, so geh ich halt. Sie sind bei einer Tafel eing’laden, Herr von Zangler, geb’n S’ acht auf’n neuen Rock, dass S’ Ihnen nicht antrenzen!

ZANGLER. Was red’t Er denn für dumm’s Zeug –!?

MELCHIOR. Schön ’s Serviett vornehmen und auseinandbreiten, die Bratlfetten geht hart heraus.

ZANGLER. Glaubt Er denn, ich bin ein Kind? Er is wirklich zu dumm!

MELCHIOR. Aber meine Aufführung is halt klass –

ZANGLER. Mach Er jetzt weiter!

MELCHIOR. Das hat mein voriger Herr auch immer g’sagt: dumm, aber klassisch. (Zur Mitte ab.)

ZANGLER(allein, den neuen Hirschfänger umschnallend). Schon wieder?! – Nein, was ich die Sprichwörter nicht ausstehen kann! – Mich hat einmal ein Sprichwort abscheulich