Einfach artgerecht - Anders Hallgren - E-Book

Einfach artgerecht E-Book

Anders Hallgren

4,8

Beschreibung

Dieses Buch soll ein Wegweiser zur bestmöglichen Beziehung mit unseren Hunden sein. Es erklärt, wie wir am besten mit ihnen interagieren, sie motivieren und führen, und wie wir einfach mit ihnen zusammen sein und Spaß haben können. Die Ratschläge folgen einem rein ethischen Ansatz, der sich in vielen Fällen auf Tierschutzgesetze, behördliche Regelungen und Empfehlungen, aber ebenso auf den gesunden Menschenverstand und Empathie im Allgemeinen stützt. Außerdem basieren die Hinweise auf moderner Verhaltensforschung, die uns gezeigt hat, wie Hunde von Natur aus leben und welche Bedürfnisse sie haben. Außerdem werden Erkenntnisse aus der Lernpsychologie hinsichtlich der optimalen Trainingsmethoden für Hunde berücksichtigt - unabhängig davon, ob es um das Erlenen von etwas Neuem geht oder darum, den Hund von etwas abzubringen. Das Ergebnis ist ein klares Plädoyer für eine sanfte und positive Herangehensweise.

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Titelbild: Dr. Richard Maurer

Autor und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.

IMPRESSUM

Copyright © 2014 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek

Gestaltung und Satz: www.ravenstein2.de

Foto: Shutterstock.com, sofern nicht anders angegeben

Übersetzung: Maren Müller

Lektorat der Originalausgabe: Maren Müller

Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services

Deutsche Nationalbibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte Vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

eISBN: 978-3-8404-6211-5

INHALT

Vorwort

Unser Hund — ein wahrer Freund

Nasenkontakt

Hunde verteidigen ihre Besitzer

Hunde stellen den Familienfrieden wieder her

Alarm! Alarm!

Hunde tun uns einfach gut!

Hunde verstehen

Verstehen Hunde alles, was wir sagen?

Sind Hunde aufsässig?

Hunde beklagen sich nicht

Hunde verhalten sich egozentrisch

Hunde sind intelligente, emotionale Wesen

Begegnen und begrüßen - Hunde sind höflich

Hyperaktive Hunde sind unbeliebt

Stress und seine Nachwirkungen

Eingesperrt - Hunde auf engem Raum

Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung für ein glückliches Hundeleben

Was macht einen guten Hundebesitzer aus?

Körperkontakt ist wichtig!

Spiegel der Seele

Kontrolle statt Unvorhersehbarkeit

Rangordnung und Anführerschaft

Geschlechterrollen bei Wölfen

Die Vorbildrolle

Die „Softies“ gewinnen!

Leckerchen oder nicht?

Training muss sein, aber ...

Das Für und Wider des Hundetrainings

Eigeninitiative ist wichtig!

Unglückliche gehorsame Hunde

„Natürliche Erziehung“

Energiebündel Junghund

Bestrafung, Korrektur und Maßregelung

So werden Spaziergänge zum Erlebnis

In vollem Lauf voraus - Ziehen an der Leine

Alte Hunde nicht vergessen

Umgang mit Problemverhalten

Scheue Hunde

Überforderung

Unterforderung

Langeweile - eine Qual für jeden Hund

Bei jedem Wetter ...

Gefährliche Hundehalsbänder

Hunde, die andere Hunde nicht mögen

Probleme zwischen kleinen und großen Hunden

Übermäßiges Bellen

Auch ein gesund wirkender Hund kann krank sein

PTBS - Posttraumatische Belastungsstörung

Hilfe, da ist eine Fliege!

Kastration ist keine gute Lösung

Quellen

Vorwort

Dieses Buch soll Ihnen als Wegweiser zur bestmöglichen Beziehung mit Ihrem Hund dienen. Es erklärt, wie Sie am besten mit ihm interagieren, ihn motivieren und führen und wie Sie einfach mit ihm zusammen sein und Spaß haben können. Die Ratschläge folgen einem rein ethischen Ansatz, der sich in vielen Fällen auf Tierschutzgesetze, behördliche Regelungen und Empfehlungen, aber ebenso auf den gesunden Menschenverstand und Empathie im Allgemeinen stützt. Des Weiteren basieren die Hinweise auf moderner Verhaltensforschung, die uns gezeigt hat, wie Hunde von Natur aus leben und welche Bedürfnisse sie haben. Außerdem werden Erkenntnisse aus der Lernpsychologie hinsichtlich der optimalen Trainingsmethoden für Hunde berücksichtigt - unabhängig davon, ob es um das Erlenen von etwas Neuem geht oder darum, den Hund von etwas abzubringen.

Wir leben in einer Welt, die geradezu überflutet ist mit Informationen über Hunde und mit Ratschlägen, wie wir mit ihnen zusammenleben und wie wir verschiedenste Verhaltensprobleme beheben sollen. Manche Leute argumentieren noch immer, dass harte Trainingsmethoden nur natürlich seien und, wie sie behaupten, nicht brutal. Ihren Standpunkt verteidigen sie mit verwirrenden Aussagen wie:

„Man muss ein besserer Anführer sein.“

„Man muss eine klare Linie vorgeben.“

„Man muss die Verantwortung übernehmen und sagen, wo es langgeht.“

„Man darf die Verantwortung nicht an den Hund abgeben.“

Andere hingegen sind der Meinung, dass wir mit unseren Hunden nicht ruppig umgehen sollten und dass wir davon absehen sollten, sie zu bestrafen. Sie empfehlen stattdessen einen freundlichen Umgang und positive Trainingsmethoden.

Hundebesitzer können dadurch leicht verunsichert werden: „Was ist nun richtig und was ist falsch?“ Sie probieren verschiedene Methoden aus und hören sich alle möglichen Ratschläge an. Selbst wenn sie sich dabei unwohl fühlen, versuchen sie es vielleicht sogar mit härteren Trainingsmethoden, die in der Regel auch kurzzeitig zum gewünschten Ergebnis führen - allerdings tauchen die Probleme bald wieder auf.

Dieses Buch enthält einfache und praktische Empfehlungen, wie Sie Ihren Hund mit „weichen“ Methoden artgerecht trainieren können. Heute gibt es reichlich wissenschaftliche Belege dafür, dass die Befürworter „weicher“ Methoden richtig liegen. Ich bin davon überzeugt, dass wir Hunde mithilfe von Belohnungen und positiven Methoden trainieren sollten. Bestrafungen und grobe Auseinandersetzungen mit ihnen gilt es hingegen zu vermeiden. Was man seinem Kind im Traum nicht antun würde, sollte man auch seinem Hund nicht antun.

Anders Hallgren Järna in Schweden, 2014

Unser Hund —EIN WAHRER FREUND

Wir alle wissen, dass der Hund der beste Freund des Menschen ist. Darüber hinaus sind Hunde uns sehr ähnlich. Erstaunlich, aber wahr: Wir teilen etwa 75 Prozent der Gene mit ihnen! Genau wie wir sind sie soziale Lebewesen, für die die Familie das Wichtigste ist. Und auch Hunde kennzeichnen und schützen ihr Territorium, wenngleich nicht wie wir mit Zäunen und Warnschildern. Sie bedienen sich zu diesem Zweck anderer Mittel wie Bellen und Urinmarkierungen. Hunde halten Kontakt zu uns und kommunizieren viel mit uns, leider mehr, als wir wahrnehmen und verstehen. Hunde verteidigen uns, wenn sie uns in Gefahr glauben, und sie versuchen, den Familienfrieden aufrechtzuerhalten. Das Zusammensein mit einem Hund gibt uns ein gutes Gefühl und es wirkt sich nachweislich positiv auf unsere Gesundheit aus.

Ihre engen sozialen Beziehungen sind Hunden besonders wichtig, und sie tun viel für deren Stabilität. Sie beschützen einander, betreiben gegenseitige Fellpflege, spielen miteinander und suchen beim Ruhen Körperkontakt. Diese Verhaltensweisen zeigen Hunde häufig gegenüber Artgenossen, die sie gut kennen, und viele davon ebenso gegenüber ihren menschlichen Familienmitgliedern.

Um die Ursprünge des Verhaltens unserer Hunde zu verstehen, müssen wir uns näher mit ihren Vorfahren beschäftigen - den Wölfen. Das Leben in der Wildnis ist unglaublich hart. Man geht davon aus, dass Wölfe in freier Wildbahn aufgrund der rauen Lebensbedingungen lediglich fünf oder sechs Jahre alt werden (9). Mit diesem Wissen ist es leicht zu verstehen, warum Wolfsrudel, deren Mitglieder eine gute Beziehung zueinander haben, sich gegenseitig beschützen und füreinander da sind, auch bessere Überlebenschancen haben.

Beobachtungen ergaben, dass die psychischen Bindungen zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Wolfsfamilie so wichtig sind, dass die Tiere Verhaltensweisen zur Stärkung dieser Bindungen zeigen. Verhaltensweisen, die diese Bindungen schwächen könnten, etwa verschiedenste Formen von Aggression, sind hingegen äußerst selten.

Kollektives Bindungsverhalten

Hunde zeigen verschiedenste Verhaltensweisen, um innerhalb ihres Rudels Kontakt zu halten und Bindungen einzugehen. Wir kennen wahrscheinlich nur wenige davon. Ich bin jedoch sicher, dass wir in Zukunft mehr identifizieren werden, etwa kurze Blicke und leise, tiefe Laute, freundlichen Körperkontakt und unterschiedliche Arten der Fellpflege.

Nasenkontakt

Wir alle können dieses Verhalten bei Hunden beobachten. Wenn wir eine gute Beziehung zu unserem Hund haben, nimmt er häufig kurzen Kontakt mit der Nase auf, meistens an unseren Händen und Armen, aber auch an anderen Körperteilen.

Der verstorbene Verhaltens- und Wolfsforscher Erik Zimen beobachtete, dass umherstreifende Wölfe oft Nase-zu-Fell-Kontakt suchen. Er schloss daraus, dass alle Wölfe solche häufigen Kontaktaufnahmen nutzen, um die Bindung innerhalb des Rudels zu stärken (35).

Das Verhalten sieht oft so aus, dass ein Wolf einen Artgenossen sehr kurz anblickt und dessen Fell leicht mit der Nase berührt. So zart, dass der andere Wolf es gar nicht wahrzunehmen scheint. Direkt nach dem Nase-zu-Fell-Kontakt wirkt es, als wäre überhaupt nichts passiert. Schaut der Wolf, der berührt wurde, den an, von dem die Berührung ausging, richtet dieser seinen Blick geradeaus oder zur Seite, als wolle er sagen: „Schau mich nicht so an. Ich war das nicht.“ Genauso, als würde jemand Sie zum Spaß von hinten schubsen und dann so tun, als wäre er unschuldig.

KIRBYS NASENKONTAKT

Ich beschloss, mich bei dem Hund, um den ich mich gerade kümmerte - er hieß Kirby -, näher mit dem Nasenkontakt zu befassen. Mir war aufgefallen, dass Kirby häufig Nasenkontakt zu mir aufnahm.

Wann tat er das? Das war die erste Frage, auf die ich eine Antwort finden wollte. Geschah es, während wir spazieren gingen, also wie Wölfe „umherstreiften“, oder bei anderen Gelegenheiten? Außerdem wollte ich beobachten, wie er es tat.

Das Muster war eindeutig: Kirby nahm Nasenkontakt auf, wenn er ein erhöhtes Bedürfnis nach Verbindung oder Nähe zu mir hatte und wenn er wollte, dass ich bereit für irgendeine Art von Kommunikation war.

Die Spaziergänge: Hierbei erfolgten in der Regel nur wenige Nasenkontakte. Zu Beginn, wenn Kirby voller Energie steckte, war ich es, der Kontakt zu ihm aufnehmen musste. Auch wenn wir bekannten Wegen und Pfaden folgten, suchte er selten Nasenkontakt. Näherten wir uns jedoch Kreuzungen, an denen wir mal den einen und mal den anderen Weg nahmen, setzten die Nasenkontakte wieder ein.

Ebenfalls recht häufig waren sie, wenn wir in neuen Gebieten spazieren gingen, wenn es nichts Besonderes gab, das Kirbys Aufmerksamkeit erregte, und vor allem, wenn wir an heißen Tagen langsam unterwegs waren. Ich erinnere mich an mehrere Situationen, in denen er anhielt, im Schatten wartete und dann losrannte, um mich einzuholen. In dem Moment, wenn er mich erreichte, suchte er Nasenkontakt zu mir.

Der Esstisch und das Sofa vor dem Fernseher: Wenn ich mich dort aufhielt, waren Nasenkontakte am häufigsten - besonders wenn es etwas Essbares gab, aber auch, wenn das nicht der Fall war. Kirby kam dann zu mir und berührte mich mehrmals mit der Nase. Interessanterweise begann er schon vorher, Kontakt zu mir zu suchen, nämlich während das Essen zubereitet und serviert wurde.

Zusätzlich zum Nasenkontakt beobachtete ich, dass Kirby mir oft Blicke zuwarf. Sowohl der Körperkontakt als auch die Blicke kamen aus allen Richtungen - Kirby befand sich mal hinter mir, mal neben mir. Es war gar nicht so leicht, ihn aus dem Augenwinkel zu studieren, ohne ihn merken zu lassen, dass ich ihn beobachtete.

Bemerkenswert ist, dass er direkt nach einem Kontakt einen Schritt zurückging und wegschaute. Dieses Verhalten ist den meisten Hundebesitzern aufgefallen. Man fühlt die Berührung mit der Nase und wird vielleicht sogar angestupst, als wollte der Hund gestreichelt werden. Tut man das aber, scheint er es zu ignorieren.

Interessant ist auch, dass die Kontaktaufnahme meistens an Händen und Armen erfolgt. Möglicherweise haben diese Körperteile für den Hund eine besondere Bedeutung. Immerhin benutzen wir sie ständig, wenn wir Körperkontakt mit unseren Tieren aufnehmen.

Hunde verteidigen ihre Besitzer

Sollten Sie einmal bedroht werden, können Sie auf die Unterstützung Ihres Hundes zählen. Er wird denjenigen, der Sie bedroht, entweder angreifen oder er wird ihn zumindest durch anhaltendes Bellen verunsichern. Bei Hunden ist der Instinkt zur Verteidigung anderer Rudelmitglieder tief verwurzelt. Selbst der freundlichste Hund kann sich in eine wilde Bestie verwandeln, wenn sein Besitzer bedroht oder belästigt wird. Und das Beschützerverhalten von Hunden geht noch weit über das eben Beschriebene hinaus: Wenn Ihr Hund das Gefühl hat, dass Sie irgendwie verletzlich sind, wird er wachsamer sein und auf Sie aufpassen. Das passiert zum Beispiel, wenn Sie sich hinlegen, was in der folgenden wahren Geschichte der Fall war:

Wenn wir uns hinlegen, sind wir in den augen unserer Hunde besonders schutzbedürftig.

Es war ein schöner und entspannter Sommertag. Einer meiner Klienten sonnte sich auf einem Liegestuhl im Garten, während sein Hund neben ihm im Schatten ruhte. Die beiden dösten vor sich hin und genossen den Tag. Plötzlich hörte mein Klient ein Geräusch und sah auf. Das Nachbarkind, ein Junge im Teenageralter, näherte sich. Der Hund mochte den Jungen sehr und die beiden spielten häufig miteinander und tollten auf dem Rasen umher. Doch der Hund musste auf einmal blind geworden sein, denn er begann zu knurren! Erkannte er den Jungen nicht? Augenscheinlich war das so, denn je näher der Junge kam, desto lauter knurrte der Hund. Der Mann befahl ihm, still zu sein, und nannte den Jungen mit fröhlicher, freundlicher Stimme beim Namen, aber nichts schien den Hund zu beruhigen.

Mein Klient fragte sich, ob sein Hund wohl völlig verrückt geworden war. Er brüllte ihn an und versuchte, ihn zur Ruhe zu bringen, jedoch ohne Erfolg. Der Junge blieb verwirrt stehen. Die eigenartige Botschaft des Hundes, von dem er dachte, er sei sein Freund, ließ ihn zögern. Doch das Knurren hörte nicht auf. „Hier muss etwas ganz falsch laufen“, dachte der Mann. Er setzte sich auf, um seinem Hund zu befehlen, endlich Ruhe zu geben und freundlich zu sein. Aber noch bevor er die Gelegenheit hatte, hörte der Hund von sich aus auf und begann, mit dem Schwanz zu wedeln. Der Mann war verblüfft. Noch vor einer Sekunde hatte sich der Hund wie eine Bestie aufgeführt und nun erkannte er den Nachbarjungen wieder als seinen besten Freund? Hatte er plötzlich eine gespaltene Persönlichkeit wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde oder...?

HUNDE BESCHÜTZEN DIE VERLETZLICHEN

Nein, der Hund hatte nicht den Verstand verloren. Er hat sich ganz normal verhalten. Diese Situation kommt häufig vor, und das Beschützerverhalten eines Hundes kann sich ebenso gegen Familienmitglieder wie gegen Bekannte oder Fremde richten. Die Reaktion des Hundes hat etwas mit seinem wunderbaren instinktiven Bedürfnis zu tun, seine verletzten oder vorrübergehend geschwächten Kameraden zu schützen.

Dasselbe Verhalten zeigen auch andere in Gruppen lebende Tiere. Als ich ein Kind war, beobachtete ich es bei Rindern auf der Weide. Eine der Kühe war nach einer Operation wieder zurück in ihrer Herde und hatte Schmerzen. Eine andere Kuh blieb immer in ihrer Nähe und vertrieb jeden, der sich ihrer verletzten Freundin nähern wollte. Ich habe davon gehört, dass beispielsweise auch Elefanten sich so verhalten. Ich selbst habe das seither aber nur bei Hunden beobachtet.

Als ich in meiner Praxis noch telefonische Beratungen machte, riefen mich Hundebesitzer häufig an und suchten Rat, weil ihr Hund knurrte und Menschen beschützte, die sich in liegender Position befanden, sei es, weil sie schliefen, krank im Bett lagen oder sich einfach nur sonnten. In aller Regel stellen Hunde dieses Verhalten ein, wenn die Person aufsteht. In ihren Augen sind wir nur im Liegen verletzlich. Wenn wir aufstehen, können wir uns selbst verteidigen.

Schimpfen nützt nichts!

Zeigt ein Hund Beschützerverhalten, ist es sinnlos, ihn auszuschimpfen oder zu versuchen, ihn zu beruhigen. Beides wird seine Wachsamkeit nur verstärken. Die liegende Person sollte stattdessen aufstehen. Ist das nicht möglich, lockt man den Hund am besten mit einem Leckerchen weg. Werden Sie keinesfalls wütend auf den Hund. Er tut nur das, was er instinktiv für seine Pflicht hält.

Hunde stellen den Familienfrieden wieder her

Hunde wollen, dass es in ihrer Familie beziehungsweise ihrem „Rudel“ ruhig und harmonisch zugeht. Unstimmigkeiten innerhalb einer so eng miteinander verbundenen Gruppe wie einem Wolfsrudel könnten die Chancen auf erfolgreiche Jagd und Verteidigung mindern und so das Überleben aller gefährden. Hunde scheinen dieses Bedürfnis nach Frieden in ihrer Gruppe geerbt zu haben und gehen in der Regel dazwischen, wenn sie erkennen, dass Freunde drohen in Streit zu geraten. Ich habe es mehrfach erlebt, wie Hunde eingriffen, wenn zwei Artgenossen sich steif gegenüberstanden, jederzeit bereit, einen Kampf zu beginnen. So bemerkte beispielsweise ein Border Collie, dass zwei seiner Kumpel derart kampfbereit dastanden und sich mit hochgezogenen Lefzen tief anknurrten. Plötzlich begann der Border Collie wie ein Irrer um die beiden Kontrahenten herumzurennen. Das führte dazu, dass die beiden Streithähne sich beruhigten und die Situation ohne einen Kampf aufgelöst wurde. Wie soll man auch kämpfen, wenn jemand wie verrückt um einen herumrennt?

Umarmungen sind für uns Ausdruck der Zuneigung. Hunde empfinden sie als irritierend.

Bei anderer Gelegenheit wurde ich Zeuge einer ähnlichen Situation mit zwei wütenden Hunden und einer älteren Deutschen Schäferhündin, die den Konflikt der beiden erkannte. Sie sauste sofort los und direkt zwischen die beiden Streithähne, sodass sie auseinandersprangen. Der Konflikt war beigelegt.

Denken Sie dran, wie oft es passiert, dass ein Hund an seinen Besitzern hochspringt, wenn sie sich umarmen oder miteinander tanzen. Das tut er nicht aus „Eifersucht“, was häufig fälschlicherweise angenommen wird. Der Hund sieht, dass „Mama“ und „Papa“ dicht beieinanderstehen, und wertet das als Auftakt zu einem Kampf. Instinktiv möchte er sie trennen, um den Frieden wiederherzustellen.

Ein wichtiger Teil des Bildes, das sich einem Hund bietet, wenn er eine Situation als Risiko einstuft, ist die Tatsache, dass zwei Menschen nah beieinanderstehen. Nähe und Körperkontakt haben eine intensive Wirkung auf Hunde. Deshalb knurren Hunde, drehen sich weg oder zeigen sich unterwürfig, wenn man sie umarmt. Sie empfinden das als Bedrohung. Hunde und Umarmungen passen einfach nicht zusammen.

Mir tun bei Ausstellungen immer die Hunde leid, die der Richter zum Sieger kürt. Der überglückliche Hundebesitzer umarmt seinen Hund dann stürmisch. Er sieht dessen Gesichtsausdruck nicht - ich schon. So ein Hund sieht sehr unglücklich aus. Seine Lefzen sind nach hinten gezogen, sein Kinn ist angehoben und seine Ohren sind nach hinten geklappt - alles eindeutige Zeichen von Unterwerfung, als wollte der Hund sagen: „Tut mir leid, ich werde mir Mühe geben, nicht noch mal zu gewinnen.“

Alarm! Alarm!

Es gibt viele Fälle, in denen Tiere ihre Besitzer vor einem Feuer gewarnt haben. Hier ist eine wahre Geschichte:

Mitten in der Nacht breitet sich im Haus langsam ein schwacher Geruch aus. Es ist der kaum wahrnehmbare Geruch des betäubenden und gefährlichen Gases Kohlenmonoxid, das Rauch und Feuer ankündigt. In den alten Kabeln hat es einen Kurzschluss gegeben, sie glühen immer stärker und plötzlich schießt eine Flamme aus der Holzwand. Graubrauner Rauch steigt langsam ins Obergeschoss auf, in dem die Familie schläft. Es wird nicht mehr lang dauern, bis ihr Fluchtweg über die Treppe nach unten versperrt ist …

Hunde sind Schutzengel

Hunde passen auf ihre Lieben auf. Es kam schon vor, dass ein Hund die Eltern gewarnt hat, wenn das Baby Atembeschwerden hatte oder in der falschen Position schlief. Einmal rannte ein kleiner Terrier aufgeregt bellend die Treppe hinunter und in die Küche. An seinem eigenartigen Verhalten erkannte die Mutter, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie unterbrach das Kochen und fragte: „Was ist los, mein Schatz?“Daraufhin drehte der Hund um und rannte vor ihr her die Treppe hoch zum Kinderzimmer. Dort lag ihre neugeborene Tochter im Bettchen und drohte zu ersticken! Dank des Hundes konnte sie gerettet werden.

Ein Winseln des Hundes wird schnell zu einem ängstlichen Jaulen. Das kurze, leise Bellen wird bald schon lauter, und dann rennt der Hund ins Schlafzimmer, wo es ihm gelingt, die Eltern zu wecken. Sie begreifen die Situation sofort und handeln schnell. Sie haben noch genug Zeit, um nach draußen zu rennen und sich und ihr neugeborenes Baby zu retten.

Das alles geschah im Jahr 1965. Die Hündin hieß Pia und war ein fünfjähriger Boxermischling. Einige Wochen zuvor hatte diese Familie sie bei sich aufgenommen und ihr die Chance auf ein neues Leben gegeben. Niemand sonst hatte sie haben wollen. Zu dieser Zeit leitete ich das Tierheim einer schwedischen Hundeschutzorganisation in Stockholm. Ich hatte unsere Besucher, die auf der Suche nach einem Haustier waren, regelrecht angefleht, Pia aufzunehmen. Sie war ein älterer Hund und, ehrlich gesagt, nicht gerade hübsch. Diese Familie hatte sich nach einigem Zögern entschieden, Pia zur Probe mitzunehmen.

Hunde können lernen, ihre Familie im Brandfall zu warnen.

Pia wurde zur Heldin, und die schwedische Tageszeitung „Expressen“ widmete den Ereignissen in dieser Nacht einen einseitigen Bericht. Von einer Probezeit war nicht mehr die Rede, und es spielte auch keine Rolle mehr, dass Pia schon ein älterer Hund war. Sie durfte für den Rest ihres Lebens bei ihrer neuen Familie bleiben.

Nach diesem Vorfall fragte ich mich oft, warum Hunde ihre Besitzer wecken und vor einem ausbrechenden Feuer warnen können. Das tun jedoch nicht alle Hunde. Feuerwehrleute haben mir berichtet, dass in der Regel die Haustiere zusammen mit ihrer Familie im Feuer ums Leben kommen.

Erst viele Jahre später begann ich zu verstehen, warum Hunde auf Rauch und Feuer alarmiert reagieren. Ich erkannte auch, dass man sie entsprechend trainieren und so die Chance, dass sie ihre Familien im Brandfall warnen, enorm erhöhen kann.

EIN ZÖGERLICHER BEGINN

Ich entwickelte eine gut funktionierende Trainingsmethode, die ich 1985 meinen Hundetrainer-Schülern vorstellte. Sie zögerten jedoch. Das war etwas völlig Neues, und außerdem waren bei der Methode Rauch und Feuer im Spiel. Sie waren nicht gerade begeistert von der Idee, und nach einigen Versuchen, sie zu überzeugen, gab ich auf.

Zehn Jahre später, damals lebte ich in Ojai, Kalifornien, fragte mich eine Hundetrainerin, ob ich irgendwelche Ideen für eine neue Art des Hundetrainings hätte, die sie in ihr Programm mit aufnehmen könnte. Sie hatte wirklich genug von „all dem üblichen Kram“, das heißt davon, in erster Linie Gehorsamstraining für Junghunde zu unterrichten. Ich erzählte ihr von dem Rauchalarm-Training, für das sie sich sofort begeistert zeigte.

Ich führte ihr das Prinzip des Rauchalarm-Trainings erst einmal vor und dann begannen wir mit der Umsetzung. Der erste ausgebildete Rauchalarm-Hund war ein zweijähriger Border Terrier. Der nächste war Zippy, ein vierjähriger Mischling. Das Interesse an dem Training wuchs und es fanden Kurse in Schweden und mehreren anderen Ländern statt. Heute erreichen mich aus vielen Ländern Berichte von entsprechend ausgebildeten Hunden, die ihre Familien bei Ausbruch eines echten Feuers hatten warnen können. Ich möchte von Nero erzählen, einem schwarzen Labrador aus Deutschland. Eines Tages rannte er zu seiner Besitzerin in die Küche und bellte wie verrückt. Die Frau begriff, dass etwas nicht stimmte, und folgte Nero, der zurück ins Wohnzimmer lief. Dort sah sie sofort, was los war: Jemand hatte eine brennende Kerze auf ein Brett des Bücherregals gestellt, und die Hitze der Kerzenflamme versengte nun das darüberliegende Brett. Es glühte bereits und hätte ohne die Warnung des Hundes zum Ausgangspunkt eines gefährlichen Feuers werden können. Die deutschen Zeitungen schrieben über Nero.

Auch den kleinen Australian Shepherd Ozzy werde ich nie vergessen. Seine Besitzerin nahm an einem meiner Rauchalarm-Training-Kurse für Hundetrainer teil. Ozzy war damals noch ein kleiner, dreieinhalb Monate alter Welpe. Beim Kurs beobachtete er einfach nur die anderen Hunde beim Training. Er lief mit seiner Besitzerin Marie umher und die beiden machten auch ein paar spielerische Rauchalarm-Übungen. Eines Tages, als Ozzy bereits ein Jahr alt war, kam er aufgeregt in Maries Schlafzimmer gerannt. Als Hundepsychologin begriff sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Sie folgte Ozzy nach draußen. Dort entdeckte sie sofort den Rauch, der aus dem an das Haus angebauten Pumpenhäuschen aufstieg. In der Elektrik hatte es einen Kurzschluss gegeben und jeden Moment hätte ein echtes Feuer ausbrechen und auch auf das angrenzende Wohnhaus übergreifen können. Dank des Hundes ist jedoch nichts passiert. Ich war beeindruckt, als ich erfuhr, dass Ozzy in den folgenden Jahren den neuen Hunden in der Familie tatsächlich beibrachte, vor Rauch und Feuer zu warnen. Sie haben es wirklich nur von ihm gelernt, ohne irgendein anderes Training!

VIEL FRÜHER ALS TECHNISCHE RAUCHMELDER

Hunde warnen mindestens eine Minute früher als technische Rauchmelder. Das bedeutet jedoch nicht, dass Sie auf diese Geräte verzichten können. Sie gehören natürlich in jeden Haushalt.

Weil Hunde so schnell auf Rauch und Feuer reagieren können, ist das RauchalarmTraining bei der Feuerwehr auf sehr positive Resonanz gestoßen. Mittlerweile zeigen auch Versicherungsgesellschaften Interesse daran.

Hunde können zwischen einem gemütlichen Kaminfeuer und einem bedrohlichen Brand unterscheiden.

Während ein Rauchmelder nur auf eine bestimmte Menge Rauch im gleichen Raum reagiert, erkennt ein Hund bereits sehr kleine Mengen Rauch, selbst wenn diese sich in anderen Räumen entwickeln, und reagiert darauf - lange bevor der Rauch bei ihm angekommen ist. In einem Experiment, das wir hierzu durchführten, ging der technische Rauchmelder erst fünf Minuten nach der Warnung des Hundes los! Wir mussten den Rauchmelder zuvor sogar näher zum Rauch hinbewegen …

Vielleicht denken Sie jetzt, dass entsprechend ausgebildete Hunde auch auf Zigarettenrauch und den Rauch eines Kaminfeuers reagieren, aber das tun sie nicht. Sie scheinen genau zu wissen, wann wir die Situation unter Kontrolle haben und wann nicht. Deshalb liegen sie einerseits entspannt daneben, wenn wir ein schönes Feuer im Kamin machen, und reagieren andererseits sofort, wenn wir schlafen oder entfernt vom Ort der Rauchentwicklung beschäftigt sind.

Hunde tun uns einfach gut!

Mit ihren feinen „Antennen“ scheinen Hunde in der Lage zu sein, jede Stimmung zu registrieren. Wenn wir glücklich sind, ist unser Hund es auch. Wenn wir traurig sind, gibt es niemanden, der uns besser trösten könnte. Obwohl Hunde traurig sein können, können sie nicht wie wir weinen. Aber irgendwie scheinen sie zu erkennen, wenn jemand traurig ist oder ihm Tränen die Wangen hinunterlaufen. Haben sie einen sechsten Sinn oder sind sie bloß sehr sensibel gegenüber unseren Gefühlen? Vielleicht werden wir es nie erfahren, aber manchmal frage ich mich .

GESUNDHEITSVORSORGE