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Als Instrument zur Bereitstellung von Finanzinformationen für die externe Berichterstattung ebenso wie für die interne Steuerung muss das Rechnungswesen in Unternehmen vielfältige Anforderungen erfüllen. Das beliebte Lehrbuch führt leicht verständlich und praxisnah in das externe Rechnungswesen sowie die Kosten- und Erlösrechnung ein. Durch Fallbeispiele und Kurztests inkl. Musterlösungen ist das Lehrbuch bestens zum Selbststudium geeignet. Bewährt praxisnah verbinden die Autoren die Bereiche externes Rechnungswesen nach HGB in Kombination mit den wichtigsten Grundlagen internationaler Rechnungslegungsvorschriften mit der Kosten- und Erlösrechnung für Preiskalkulation, Wirtschaftlichkeitsanalysen und Entscheidungssteuerung. Die 11. Auflage wurde aktualisiert und an die aktuelle Rechtslage (Rechtsstand Sommer 2025) angepasst.
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Seitenzahl: 1090
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Jürgen Weber/Barbara E. Weißenberger
Einführung in das Rechnungswesen
11. aktualisierte und überarbeitete Auflage, Oktober 2025
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Das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen bildet seit jeher einen zentralen Baustein in der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung. Alle Großen unseres Faches haben sich intensiv mit der Abbildung des ökonomischen Geschehens im Unternehmen in Zahlen auseinandergesetzt. Zudem kann man die Auffassung vertreten, dass das Rechnungswesen den Kristallisationskern einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den ökonomischen Problemen von Unternehmen bildet.
Dies mag auf den ersten Blick überraschen, denn das Wirtschaften in Unternehmen stellt zunächst auf realwirtschaftliche Zusammenhänge ab, d. h. auf den Verbrauch von Ressourcen wie Rohstoffen, technischen Anlagen oder menschlicher Arbeitskraft für die Produktion und den Verkauf von Sachgütern und Dienstleistungen. Zielsetzung ist es, im Sinne des ökonomischen Prinzips einen möglichst hohen Überschuss der erstellten Sachgüter und Dienstleistungen über die eingesetzten Mittel zu erreichen.
Genau hier liegt aber der sprichwörtliche Hase im Pfeffer: Die Messung des erwirtschafteten Überschusses ist durch einen einfachen Vergleich von verbrauchten Ressourcen und produzierten bzw. verkauften Gütern nicht zu erreichen, sondern vielmehr nur dann, wenn all diese sogenannten Realgüter über Geldgrößen vergleichbar gemacht werden. Solche Geldgrößen – in den folgenden Kapiteln werden Sie dafür Begriffe wie Vermögen, Aufwand, Kosten oder Gewinn kennenlernen – werden im Rechnungswesen ermittelt. Ihre Kenntnis erlaubt es Managern, die in einem Unternehmen Verantwortung für betriebswirtschaftliche Entscheidungen tragen, betriebswirtschaftliche Entscheidungen »richtig«, d. h. im Sinne des ökonomischen Prinzips zu treffen. Dies wird auch als instrumentelle Nutzung des Rechnungswesens bezeichnet. Vielleicht haben Sie schon einmal von den Begriffen »Gewinnmaximierung« oder »Wertsteigerung« als Aufgabe des Managements gehört – genau dies ist damit gemeint.
Gleichzeitig geht es aber auch darum, das abstrakte Geschehen im Unternehmen abzubilden und für unterschiedlichste Adressatengruppen (Manager, Investoren, Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmer, den Staat oder die gesamte interessierte Öffentlichkeit) fassbar zu machen. Mithilfe des Rechnungswesens wird eine Finanzsprache geschaffen, die eine Kommunikation über das, was im Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Perspektive geschehen ist bzw. das, was erwartet wird, überhaupt erst möglich macht. Dieser Aspekt wird auch als konzeptionelle Nutzung des Rechnungswesens bezeichnet.
Wir unterscheiden externes Rechnungswesen (Bilanzierung) und internes Rechnungswesen (Kostenrechnung).
Das betriebswirtschaftliche Rechnungswesen wird gemeinhin in zwei verschiedene Bereiche unterteilt.
Das externe Rechnungswesen:
Es wird auch (verkürzt) Bilanzierung genannt, weil bei den Finanzberichten, die das externe Rechnungswesen erstellt, die Bilanz, d. h. die Gegenüberstellung von Vermögen und Kapital eines Unternehmens, ein Kernelement darstellt. Die Zahlen aus dem externen Rechnungswesen – daher die Bezeichnung – richten sich primär an unternehmensexterne Adressaten. Dies können z. B. die Aktionäre einer großen Publikumsgesellschaft sein, die Banken, die einem Unternehmen Kredit geben, der Staat, der Steuern erheben möchte, oder Kunden und Lieferanten, die wissen möchten, ob das Unternehmen, mit dem sie zusammenarbeiten, auch wirtschaftlich solide ist.
Das interne Rechnungswesen:
Es dient dem Management als unternehmensinternes Informationsinstrument über das, was täglich geschieht: Wie viele Ressourcen verbraucht werden, d. h. was die Herstellung der Sachgüter und Dienstleistungen kostet, welche Verkaufserlöse erwirtschaftet werden und ob das Unternehmen als Ganzes oder in seinen Teilbereichen – wie Produkten, Sparten oder Filialen – Gewinn erwirtschaftet. Das interne Rechnungswesen stellt so sehr viel detailliertere Informationen als das externe Rechnungswesen bereit.
Weil im Mittelpunkt des internen Rechnungswesens das Denken in Kosten und Erlösen steht, wird es auch als Kosten- und Erlösrechnung oder kurz Kostenrechnung bezeichnet. Kosten und Erlöse sind die Grundlage vieler weiterführender Analysen, die in größeren Unternehmen im Regelfall durch Controller erstellt und dem Management als Informationsgrundlage für betriebswirtschaftliche Entscheidungen an die Hand gegeben werden.
Jeder Studierende eines wirtschaftswirtschaftlich ausgerichteten Bachelor- und erst recht eines Master-Studiums muss beide Gebiete des Rechnungswesens, die Bilanzierung wie auch die Kostenrechnung, umfassend erlernen. Konzepte und Methoden des Rechnungswesens sind Kernkompetenzen, deren Beherrschung von einem Absolventen der Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre als Selbstverständlichkeit erwartet werden. Aus diesem Grund werden umfangreiche Veranstaltungen im Fach Rechnungswesen von Anfang an in den Pflichtkanon des wirtschaftswissenschaftlichen Bachelor-Studiums aufgenommen.
Allerdings fällt die Vermittlung dieser Stoffinhalte offensichtlich nicht leicht. Die Klausuren im Fach Rechnungswesen stechen zum Leidwesen der Dozenten (und der Autoren dieses Lehrbuchs) an vielen Hochschulen durch hohe Durchfallquoten hervor. Ein Grund hierfür ist schnell gefunden: Das Rechnungswesen soll die ökonomische Realität in Unternehmen, d. h. die Leistungserstellung wie auch die Beziehung zu wichtigen Partnern, wie Aktionären oder Gläubigern, abbilden. Wie diese Abbildung erfolgen sollte, kann man dann am besten verstehen, wenn man diese Realität kennt. Genau diese Kenntnis fehlt aber Studierenden insbesondere zu Beginn ihres Studiums, vor allem dann, wenn sie keine kaufmännische Lehre vorab absolviert haben.
Nichts ist so gut für die Praxis wie eine gute Theorie …
Oftmals gehen Lehrbücher (deshalb?) den Weg der reinen Faktenpräsentation. Für die Studierenden verbleibt dann nur der Weg, die Fülle des Stoffes einfach »abzuspeichern«, ohne erklären zu können, warum Begriffe, Regeln und Konzepte so und nicht anders ausfallen. Dies ist unbefriedigend und wir unternehmen in diesem Lehrbuch den Versuch, auf dieses grundsätzliche Verständnisproblem explizit einzugehen. Es wurde in Veranstaltungen der WHU – Otto Beisheim Hochschule in Vallendar, der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Bucerius Law School in Hamburg in Studiengängen entwickelt, in denen sich aufgrund zeitlicher Enge die Frage nach unmittelbarer Verständlichkeit und Anwendungsbezug besonders prägnant stellt. Bei der Entscheidung für eine hohe Detailtiefe vs. unmittelbare Eingängigkeit gerade auch in berufsqualifizierenden Bachelor-Studiengängen haben wir uns für Letztere entschieden. Gleichzeitig gilt aber auch das Motto »Nichts ist so gut für die Praxis wie eine gute Theorie!«, sodass Sie an vielen Stellen nicht nur die praktische Anschauung kennenlernen, sondern auch Erläuterungen, warum eine bestimmte Regel, ein Konzept oder eine Methodik theoretisch sinnvoll ist oder nicht. Dabei richten wir uns ganz bewusst an Studierende, die zu Beginn ihrer ökonomischen Ausbildung stehen bzw. von Praxiserfahrungen im Unternehmen weitestgehend »unbelastet« sind. Wir streben an, die Theorie so klar wie nötig, aber auch so knapp und anwendungsorientiert wie möglich zu vermitteln. Das theoretische Fundament ist es, das ein Hochschulstudium im Kern ausmacht: Sie sollen nicht nur kurzfristig geltendes Faktenwissen erlernen, sondern Gedankenstrukturen erwerben, die es Ihnen ermöglichen, auch nach vielen Jahren eigenständig neue Problemstellungen im Fach Rechnungswesen zu analysieren und erfolgreich zu lösen.
… deshalb gilt für dieses Buch: so viel Theorie wie nötig, so viel Praxis wie möglich.
Die Kombination von Anwendungswissen und Theorie unterscheidet letztlich unser Lehrbuch von vielen anderen Vorbildern, die von Kollegen, Dozenten und Praktikern bis heute geschrieben wurden. Den Erfolg dieses Konzepts belegt die seit der Erstveröffentlichung vor gut 30 Jahren erreichte hohe Auflagenzahl. Unser Buch macht aber den Blick in andere Lehrbücher nicht überflüssig, etwa als Ergänzung für vielfältige Detailfragen des Rechnungswesens oder für eine umfassende theoretische Fundierung einzelner Konzepte, wie sie z. B. in Rechnungswesen-Veranstaltungen des Master-Studiums erfolgen – deshalb die umfangreichen Angaben im Literaturverzeichnis, die wir Ihnen ans Herz legen.
Hinzu kommt, dass sich das externe Rechnungswesen derzeit besonders dynamisch im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt. Unternehmen müssen dabei nicht nur über ihre finanzielle Lage informieren, sondern – frei nach dem Slogan »Planet, People, Profit« – auch über ihren Beitrag zur ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit bzw. zur Effektivität ihrer Governance-Strukturen berichten. Wir werden in Kapitel 9 ausführlicher darüber berichten. Dabei geht es weniger um ausgeklügelte Instrumente, wie wir sie z. B. in Form der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung für den Jahresabschluss von Unternehmen kennenlernen, sondern vor allem um die Erzeugung von Transparenz über nachhaltiges Verhalten. Unternehmen, die hier mit besonders hohen Anstrengungen punkten, sollen auf diesem Weg einen Wettbewerbsvorteil bei Kapitalgebern, Kunden oder Mitarbeitern erhalten und so die Transformation hin zu grüner Technologie und sozialer Gerechtigkeit im Sinn des von der EU-Kommission 2019 propagierten »European Green Deal« beflügeln. Aber so wichtig diese Fragestellungen gesellschaftlich sind: Ohne ökonomische Profitabilität lässt sich nachhaltiger Wohlstand eben auch nicht erreichen und deshalb spielt das externe und interne Rechnungswesen noch eine genauso wichtige Rolle wie früher.
Das Rechnungswesen ist eines der spannendsten Gebiete der BWL – wir hoffen, wir können Sie davon überzeugen!
Abschließend ein tröstliches Wort für alle Studienanfänger: Das Rechnungswesen erschließt sich als »trockenes« Gebiet dem Neueinsteiger nur langsam, weil viel Vorstellungsvermögen über das, was in Unternehmen geschieht, vonnöten ist. Damit wird Ihre Strukturierungsfähigkeit vor hohe Anforderungen gestellt! Hat man aber erst einmal den Zugang gefunden, dann – und das versprechen wir Ihnen! – wird das Rechnungswesen zu einem der spannendsten Gebiete der Betriebswirtschaftslehre, was durch die hohe Beliebtheit dieser Disziplin im weiterführenden Studium auch praktisch dokumentiert wird.
Was bleibt noch anzumerken? Ein Punkt ist uns wichtig: Zugunsten des Leseflusses wird in diesem Buch zwar oft das generische Maskulinum verwendet, wie es Ihnen sicherlich auch schon im Vorwort aufgefallen ist. Damit sind aber alle Gender angesprochen und inkludiert: Die Welt ist bunt in den Farben des Regenbogens – und das ist auch gut so!
Natürlich wäre die Neuauflage dieses Buchs ohne Unterstützung nicht möglich gewesen. Am Lehrstuhl für BWL, insbes. Controlling und Accounting, an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf geht ein ganz besonderes Dankeschön an das Team: Fabian Failenschmid, Marcus Jezierski, Fabian T. Müller, Domenic Offermanns, Sonja Schattevoy, Armando Schrödter sowie Katja Nolden. Ihnen und auch den Studierenden, die uns in unseren Veranstaltungen immer wieder Feedback und Ideen für die Weiterentwicklung dieses Lehrbuchs gaben, sei an dieser Stelle für ihr Engagement herzlich gedankt.
Vallendar/Düsseldorf, im Sommer 2025
Jürgen Weber/Barbara E. Weißenberger
Kompetenzziele
Am Ende dieses Kapitels können Sie …
begründen, warum Unternehmen ein externes Rechnungswesen haben und welche Aufgaben (Rechnungszwecke) es besitzt,
darstellen, wie sich ausgewählte Unternehmensaktivitäten (»Geschäftsvorfälle«) in der Bilanz widerspiegeln,
die Bilanz als Kerninstrument der Finanzberichterstattung im Jahresabschluss und ihre Herleitung aus dem Inventar erläutern,
wichtige Adressatengruppen des externen Rechnungswesens und die für sie bedeutsamen Funktionen der Bilanz charakterisieren sowie
die nationalen und internationalen Rechtsgrundlagen des externen Rechnungswesens unterscheiden.
Das erste Kapitel will transparent machen, warum Unternehmen überhaupt auf die Idee kommen, ein ausgebautes, kompliziertes und nicht gerade billiges (externes) Rechnungswesen zu betreiben.
Hierzu dient ein stark vereinfachtes, aber dafür anschauliches Beispiel. Es geht dabei um die drei Studierenden Abs, Primus und Schäff, die an der Freien Hochschule für Organisation und angewandte Managementlehre (FOAM) einen Bachelor im Fach Betriebswirtschaftslehre erwerben möchten.
Schon seit Beginn ihres Studiums klagen nicht nur die drei Studierenden, sondern auch ihre Kommilitonen über die mangelhafte Infrastruktur an ihrer Hochschule, die in der kleinen Steueroase Dunkelfels beheimatet ist. Neben vielem fehlt insbesondere eine ausreichende Möglichkeit zum Kopieren (25 Cent pro Kopie auf einem uralten und dementsprechend langsamen Kopierer in der örtlichen Apotheke sind allen zu viel).
Angeregt durch die hervorragende Ausbildung im ersten Semester überlegen die drei Studierenden, selbst Unternehmer zu werden und einen Copyshop zu gründen. Viele Gespräche mit Kommilitonen lassen eine hohe Nachfrage nach Kopien erwarten. Der Startschuss für die Gründung fällt kurz vor Beginn des zweiten Semesters im August.
Gründung der more-copy-gmbh
Aus Haftungsgründen entscheiden sich Primus, Abs und Schäff für eine GmbH mit dem Namen »more-copy-gmbh«. Das Eigenkapital – bei einer GmbH auch als Stammkapital bezeichnet – muss mindestens 25.000 € betragen, wie sie in § 5 Abs. 1 GmbHG nachlesen. Davon muss wiederum mindestens die Hälfte, also 12.500 €, eingezahlt sein, um die Gesellschaft anmelden zu können (§ 7 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Seit 2008 allerdings gibt es auch die Möglichkeit zur Gründung einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft, deren Mindeststammeinlage nur 1 € beträgt – umgangssprachlich auch als 1-€-GmbH bezeichnet. Diese Bezeichnung allerdings ist irreführend, da eine Gesellschaft, die mit einem Stammkapital von weniger als 25.000 € gegründet wird, in der Firma stets die Bezeichnung »Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)« oder »UG (haftungsbeschränkt)« führen muss, letztlich also gar nicht die Bezeichnung »GmbH« zu führen berechtigt ist.
Unter der Lupe
Rechnungswesen vs. Rechnungslegung
Das Lehrbuch trägt die Bezeichnung »Rechnungswesen« im Titel, wir werden im Folgenden aber häufig auch von »Rechnungslegung« sprechen. Der Unterschied zwischen beiden Begriffen ist einfach zu fassen: Das Rechnungswesen ist die Gesamtheit aller Prozesse im Unternehmen, mit denen das wirtschaftliche Geschehen erfasst wird, um es für Zwecke der Rechnungslegung, d. h. die Erstellung von Finanzberichten, abzubilden.
Beschaffung von Eigenkapital
Die drei Gründer sind jedoch der Ansicht, dass eine solche »1-€-GmbH« für ihren Copyshop nicht ausreicht, denn die GmbH benötigt Kapital in Form von ausreichenden finanziellen Mitteln für den Kauf von Kopierern, Papier und Toner sowie die Anmietung der Geschäftsräume. All dies muss vorhanden sein, bevor der Copyshop seine Arbeit aufnehmen und Umsätze erwirtschaften kann, sodass Geld wieder in das Unternehmen zurückfließt. Abs, Primus und Schäff beschließen deshalb nach langen Diskussionen, die more-copy-gmbh tatsächlich mit einem Stammkapital von 25.000 € auszustatten. Diese kommen nach Ausschöpfen aller Finanzierungskanäle wie folgt zustande:
Abs bringt 5.000 € und einen gebrauchten Kopierer ein (Spende seines Vaters), dessen Wert er auf 3.500 € bemisst.
Primus steuert 7.000 € (davon 5.000 € als Kredit aufgenommen) in bar und für 1.500 € Kopierpapier (1 Palette) bei, das er billig erstehen konnte.
Schäff räumt sein Sparbuch und legt 8.000 € in bar auf den Tisch.
Abs, Primus und Schäff stehen nun vor der Aufgabe, zur Gründung eine Eröffnungsbilanz aufzustellen, die das Vermögen der more-copy-gmbh und auch deren Verpflichtungen gegenüberstellt. Hierfür müssen die drei Studierenden auf ein vorgegebenes Regelwerk zurückgreifen, d. h., zu Beginn steht die Frage nach dem anzuwendenden Rechnungslegungsstandard. Dies ist für deutsche Unternehmen das Handelsgesetzbuch (HGB) bzw. genauer das dritte Buch des HGB (§§ 238–342a HGB). Das HGB ist zwar schon zum Ende des 19. Jahrhunderts (am 10. Mai 1897) erstmals in Kraft getreten, seither aber mehrfach deutlich verändert worden. Neben vielen kleineren Veränderungen, die insbesondere das dritte Buch des HGB betreffen, stammt die letzte dieser großen Veränderungen mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) aus dem Jahre 2009.
Für kapitalmarktorientierte Konzerne, die sich z. B. an der Börse Eigenkapital über die Ausgabe von Aktien beschaffen, gelten ergänzend aufgrund der Vorschriften der EU-Verordnung 1606/2002 die International Financial Reporting Standards (IFRS). Diese werden von einem privatrechtlichen Gremium, dem International Accounting Standards Board (IASB), mit Sitz in London erlassen. Damit die IFRS formell Teil des EU-Rechts werden, muss jeder neue Standard bzw. jede Neuregelung von der EU-Kommission nach einem genau festgelegten Beschlussverfahren im Rahmen einer Kommissionsverordnung verabschiedet und im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden.
Auch wenn die IFRS-Finanzberichte strukturell vergleichbar sind zu denen nach HGB, können sich inhaltlich doch deutliche Unterschiede in der Abbildung des Unternehmens ergeben.
Zwar ist der HGB-Abschluss immer noch die Grundlage der externen Rechnungslegung; in der Praxis haben die IFRS aber eine hohe Sichtbarkeit erlangt. Die bekannten großen Publikumsgesellschaften, wie z. B. Adidas, BMW, Deutsche Post DHL, Henkel, SAP, veröffentlichen so gut wie ausnahmslos in ihren Geschäftsberichten einen IFRS-Abschluss. Aus diesem Grund werden wir Ihnen in jedem Kapitel des ersten Teils dieses Lehrbuchs zwar zunächst die HGB-Regelungen vorstellen, im Anschluss aber perspektivisch erläutern, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich bei einer Bilanzierung nach IFRS ergeben würden.
Unter der Lupe
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG)
Das BilMoG ist – ebenso wie beispielsweise das in 2012 erlassene MicroBilG (Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz (MicroBilG)Kleinstkapitalgesellschaften-Bilanzrechtsänderungsgesetz) oder das 2015 in Kraft getretene BilRUG (Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG)Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz) – ein sogenanntes Abänderungsgesetz, das einzelne Paragraphen der alten HGB-Fassung verändert. Wer sich genau für die rechtlichen Hintergründe interessiert, kann den Text sowie die Gesetzesentwürfe der Bundesregierung, die auch ausführliche Begründungen für die Veränderungen enthalten, im Internet abrufen. Allen anderen Lesern sei begleitend zum ersten Teil dieses Lehrbuches ein aktueller Gesetzestext des HGB empfohlen, wie er von verschiedenen Verlagen veröffentlicht wird.
In § 242 Abs. 1 schreibt das Handelsgesetzbuch vor: »Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (EröffnungsbilanzEröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen«. Welche Funktion hat nun eine Bilanz und wie ist sie aufgebaut?
Zunächst einmal gilt, dass jedes Unternehmen zu Beginn seines wirtschaftlichen »Lebens« zahlenmäßige Klarheit über drei Fragen haben muss:
Wie viele Mittel (diese werden auch als Kapital bezeichnet) können für den Unternehmenszweck eingesetzt werden?
In welcher Form (Bargeld, Buchgeld, körperliche Gegenstände, Rechte usw.) steht das Kapital bei Gründung zur Verfügung?
Von wem stammen die zur Verfügung stehenden Mittel?
Alle drei Fragen könnten recht einfach anhand einer tabellarischen Aufstellung beantwortet werden. Für unser Beispiel sähe diese etwa so aus, wie sie die Abbildung 1-1 zeigt.
Bargeld
• Abs
5.000 €
• Primus
7.000 €
• Schäff
8.000 €
20.000 €
1 Kopierer
3.500 €
1 Palette Kopierpapier
1.500 €
Anteile am Stammkapital (Eigenkapital der GmbH)
• Abs
8.500 €
• Primus
8.500 €
• Schäff
8.000 €
25.000 €
Abb. 1-1: Inventar der more-copy-gmbh
Die Tatsache, dass Primus seinen Anteil wesentlich durch einen Kredit finanziert, den er selbst als Fremdkapital aufgenommen hat, spiegelt diese Aufstellung nicht wider. Der Grund hierfür ist einfach: Was wir hier und im Folgenden betrachten, ist die von drei sogenannten »natürlichen« Personen – unseren Studierenden – gegründete »juristische« Person more-copy-gmbh. Um ihre wirtschaftliche Situation, ihr Vermögen und ihre Schulden geht es. Wie das Stammkapital von den Gesellschaftern privat aufgebracht wird, ist für die GmbH ohne Bedeutung.
Erstellung eines Inventars: Messen, Wiegen, Zählen, Schätzen!
Eine Aufstellung, wie wir sie eben erstellt haben, muss ein Unternehmen ebenfalls zu seiner Gründung (und danach zu jedem Jahresabschluss) anfertigen. Man nennt sie InventarInventar, den Prozess ihrer Erstellung InventurInventur. Das HGB verlangt in § 240 Abs. 1: »Jeder Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes sowie seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen und dabei den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden anzugeben«.
Ein Inventar ist die detaillierte Einzelaufstellung aller Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens. Es wird durch eine körperliche Bestandsaufnahme erstellt (Inventur), d. h. Menge und Wert der Vermögensgegenstände und Schulden werden durch Messen, Wiegen, Zählen oder ggf. Schätzen ermittelt.
Man kann sich leicht vorstellen, wie umfangreich dieses Verzeichnis in größeren Unternehmen ausfällt. Die damit verbundene Unübersichtlichkeit ist ein wichtiger Grund, warum das Handelsrecht nicht die Veröffentlichung des Inventars, sondern eine Zusammenschau in Form einer Bilanz fordert. Diese fasst die Einzelpositionen des Inventars in übergeordneten Gruppen zusammen und ermöglicht so eine Übersicht über das Vermögen und das Kapital eines Unternehmens auf einen Blick.
Was ist aber nun genau eine Bilanz? An dieser Stelle hilft uns das HGB zunächst nicht recht weiter. Zwar findet sich in § 247 Abs. 1 folgende Vorschrift: »In der Bilanz sind das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Eigenkapital (auch Reinvermögen genannt), die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern.« Unter diesen Begriffen werden sich die meisten von Ihnen jedoch noch nichts Konkretes vorstellen können. Zudem bleibt offen, wie dieser Ausweis erfolgen soll.
Unter der Lupe
Die Begriffe »AktivaAktiva«, »PassivaPassiva« und Bilanz»Bilanz«
Der Begriff »Aktiva« kommt vom lateinischen »agere«, was mit »handeln« oder »arbeiten« übersetzt werden kann. »Passiva« wird auf »pati«, übersetzt »leiden«, zurückgeführt – das Unternehmen leidet quasi unter der Last, für die beschafften Geldmittel Zins- und Tilgungszahlungen sowie Gewinnausschüttungen zu generieren. Schließlich hat auch der Begriff der »Bilanz« einen lateinischen Ursprung: »Libra bilanx« ist eine Waage mit zwei Waagschalen, die nur dann ausgeglichen ist, wenn beide Waagschalen – wie im übertragenen Sinne auch beide Seiten der Bilanz – das gleiche Gewicht besitzen.
Versuchen wir eine möglichst einfache Definition: In einer Bilanz wird für ein Unternehmen wertmäßig gegenübergestellt, über welche Vermögensgegenstände es verfügen kann und von wem die zu ihrer Bereitstellung erforderlichen Mittel stammen (vgl. auch Abbildung 1-2). Dies bezieht sich immer auf einen ganz bestimmten Zeitpunkt, den sogenannten Bilanzstichtag, und wird deshalb auch als statische Interpretation der Bilanz bezeichnet.
Abb. 1-2:
Grundaufbau einer Bilanz
In der Bilanz werden Mittelherkunft (Passiva), d. h. das bereitgestellte Kapital, und die Mittelverwendung (Aktiva), d. h. das Vermögen des Unternehmens, einander gegenübergestellt (statische Bilanzauffassung).
Es leuchtet unmittelbar ein, dass nicht mehr Mittel verwendet werden können, als vorhanden sind, d. h., in einer Bilanz sind stets beide Seiten exakt gleich groß. Trifft dies nicht zu, hat man einen Fehler gemacht.
Eine fundamentale Konvention der externen Rechnungslegungfundamentale Konvention der externen Rechnungslegung (fundamentale Bilanzgleichung) lautet, dass die Summe aller Positionen auf der Aktivseite einer Bilanz (Gesamtvermögen) immer identisch ist mit der Summe aller Positionen auf der Passivseite (Gesamtkapital).
Was bedeutet dies für unsere more-copy-gmbh? Wir müssen die oben angefertigte tabellarische Darstellung einfach etwas umstellen! Heraus kommt dann ein (sehr kleines) Bilanzkonto (Abbildung 1-3).
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eingezahltes Stammkapital
25.000,00 €
Kopierpapier
1.500,00 €
Geld
20.000,00 €
25.000,00 €
25.000,00 €
Abb. 1-3: Eröffnungsbilanz der more-copy-gmbh
Auf der Aktivseite finden sich die einzelnen Vermögensgegenstände. Auf der Passivseite ist das Eigenkapital ausgewiesen; Schulden gibt es (noch) nicht. Die Summe des Vermögens (auch Bilanzsumme genannt) entspricht deshalb genau dem Eigenkapital von 25.000,00 €. Mit anderen Worten: Reinvermögen (Eigenkapital) und Gesamtvermögen sind identisch.
Erinnern wir uns an die oben zitierte Vorschrift des § 247 Abs. 1 HGB. Von den dort aufgeführten Bilanzinhalten fehlen uns noch die Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten, und auch der genaue Unterschied zwischen Anlage- und Umlaufvermögen soll an dieser Stelle noch nicht interessieren. Beide Posten treten in der oben dargestellten Eröffnungsbilanz nicht auf; wir werden ihnen jedoch bald begegnen.
Unter der Lupe
Befreiung von der Pflicht zur RechnungslegungBefreiung der Einzelkaufleute von der Pflicht zur Rechnungslegung
Seit dem BilMoG enthält das HGB einen neuen § 241a. Dieser befreit Einzelkaufleute, die in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht mehr als 600.000 € Umsatz und einen Gewinn (Jahresüberschuss) von nicht mehr als 60.000 € erwirtschaften, von der Pflicht zur Buchführung und damit in Konsequenz auch von der Bilanzierung nach den Vorschriften des HGB. Es reicht für diese Unternehmen aus, ihren externen Rechnungslegungsverpflichtungen über eine deutlich einfachere Einnahmen-Überschuss-Rechnung nachzukommen, die im Rahmen der Jahressteuererklärung für die zuständigen Finanzbehörden ohnehin aufgestellt werden muss.
Da die überwiegende Mehrzahl der Unternehmen in Deutschland solche Kleinstunternehmen sind, stellt diese Regelung eine bedeutende Möglichkeit der Kostenersparnis dar – in aller Regel zulasten der Steuerberater, die in der Vergangenheit die Erstellung von Abschlüssen vielfach als Dienstleistung angeboten haben.
In unserem Fallbeispiel allerdings kann von dieser Befreiungsregel keinen Gebrauch gemacht werden, da die more-copy-gmbh aufgrund ihrer Rechtsform nicht die nötigen Voraussetzungen erfüllt. Diese nämlich steht leider nur Einzelkaufleuten zur Verfügung, nicht aber Kapitalgesellschaften.
Erste Geschäftsvorfälle in der more-copy-gmbh
Bis alle Gründungsformalitäten und Vorbereitungen erledigt sind, ist der September ins Land gegangen. Gerade noch rechtzeitig zum Semesterbeginn kann die more-copy-gmbh ihr raues geschäftliches Leben beginnen. Aller Anfang ist schwer. Dies stellt sich auch für die drei Kommilitonen schnell heraus. Im Einzelnen bricht folgende Ausgabenlawine über sie herein:
Durch den Gründungsvorgang (Abschließen des Gesellschaftsvertrages, Eintragung in das Handelsregister, usw.) verlassen insgesamt 1.570,50 € das Girokonto der more-copy-gmbh, auf dem das eingezahlte Kapital liegt.
Die beiden Geschäftsräume (ehemalige Imbissstube), die Abs in der Nähe der Hochschule findet, kosten zwar »nur« 175,00 € Miete pro Monat (zuzüglich 55,00 € Nebenkosten). Aufgrund schlechter Erfahrungen mit dem vorherigen Mieter will die Vermieterin aber die Miete für ein Jahr im Voraus (Mietbeginn 01.10.). Weitere 2.760,00 € verlassen damit das Girokonto.
Für Strom und Gas werden bis Ende Dezember insgesamt 375,50 € abgebucht.
Für Toner müssen an den Lieferanten insgesamt 484,69 € bezahlt werden. Die 2 % Skonto, die er gewährt, werden auf Schäffs Rat durch eine umgehende Überweisung der Schuld ausgenutzt.
Schließlich bedarf der Kopierer einer eingehenden Grundwartung, die noch Anfang Oktober durchgeführt wird. Der hierfür berechnete Betrag von 1.150,00 € wird erst im Dezember fällig.
Allerdings klingelt auch – nach anfänglichem Zögern – nicht unerheblich die Kasse. Bis Weihnachten beläuft sich die Nachfrage – bei einem Stückpreis von 9 Cent – auf insgesamt 37.455 Kopien. Während der Toner gerade eben ausreicht, musste im Dezember noch eine Lieferung Papier nachgeordert werden (520,40 € nach Skontoabzug), von der am 31.12. noch die Hälfte übrig geblieben ist.
Unter der Lupe
Typen von Preisnachlässen (Skonto, RabattRabatt, Bonus)
SkontoSkonto ist ein Preisnachlass, der vom Verkäufer gewährt wird, wenn der Käufer die Rechnung besonders schnell zahlt. Eine übliche Klausel im Geschäftsverkehr lautet beispielsweise: »Bei Zahlung bis 14 Tage nach Rechnungseingang werden 2 % Skonto gewährt.« Bei einem Rechnungsbetrag von 100 € heißt dies, dass der Käufer in dieser Frist nur 98 € überweisen muss. Vorteil für den Verkäufer: Er kommt schneller an sein Geld und muss nicht auf säumige Zahler warten.
Weitere Formen des Preisnachlasses sind Rabatte und Boni. Rabatte werden gewährt, um die Kunden zur Abnahme großer Mengen zu bewegen. Üblich sind Naturalrabatte (Beispiel: »Bei Abnahme von 100 Paketen erhalten Sie ein weiteres Paket kostenlos.«) oder prozentuale Abschläge vom Listenpreis (Beispiel: »Bei Abnahme von 100 Stück reduziert sich der Preis um 5 %.«).
Boni sind als nachträgliche Preisnachlässe ein Mittel zur Kundenbindung, denn es wird ein vereinbarter Prozentsatz des Umsatzes zurückgezahlt, wenn im festgelegten Zeitraum – meist ein Jahr – ein bestimmtes Umsatzvolumen erreicht wird (Beispiel: »Bei einem Mindestumsatz von 100.000 € im Kalenderjahr erhält der Kunde einen BonusBonus von 3 % des Umsatzvolumens.«).
Am Jahresende setzen sich die drei Kommilitonen zusammen und ziehen Bilanz. Was alle drei am meisten interessiert, sind zwei Fragen:
War das Geschäft bei dem Preis von 9 Cent und der Nachfrage von knapp 40.000 Kopien erfolgreich?
Kann die more-copy-gmbh an die drei Gründer (und Eigentümer) einen Gewinn ausschütten?
Diese Fragen charakterisieren die zentralen Rechnungszwecke, d. h. die Aufgaben des externen Rechnungswesens. Sie sind nicht nur für die Eigentümer relevant, sondern auch für die außenstehenden Geschäftspartner. Ein Unternehmen, das jetzt und vor allem in Zukunft keinen Gewinn, sondern Verlust macht, wird vermutlich nicht lange existieren – also sollte man es sich gut überlegen, ob man einem solchen Unternehmen einen Kredit gibt oder dorthin Waren »auf Ziel«, d. h. auf Rechnung, liefert. Würden Abs, Primus und Schäff weitere Mitgesellschafter suchen, die zusätzliches Eigenkapital in die more-copy-gmbh einbringen, hätten sie es wahrscheinlich auch schwer, ihre Kommilitonen davon zu überzeugen, wenn die more-copy-gmbh Verlust macht.
Auch die zweite Frage ist spannend: Blicken Sie noch einmal in die in Abbildung 1-3 dargestellte Eröffnungsbilanz. Auf der Aktivseite finden Sie den Posten »Geld« mit einem Betrag von immerhin 20.000 €. Dies kann Begehrlichkeiten bei den Eigentümern wecken – möglicherweise möchte Primus in den Semesterferien mit seiner Freundin durch Australien touren, und da käme ein »Zuschuss« aus der Kasse der more-copy-gmbh sicherlich gerade recht. Wenn dann die beiden anderen Gründer diese liquiden Mittel aber lieber im Unternehmen halten wollen, z. B. um in den kommenden Monaten einen weiteren Kopierer zu kaufen oder anstehende Reparaturen zahlen zu können, ist der Konflikt vorprogrammiert. Als »faire« Lösung erscheint es, wenn Primus einen Anteil an dem bereits erwirtschafteten Gewinn fordern kann – der muss aber erst ermittelt werden.
Wozu braucht man eigentlich die externe Rechnungslegung?
Die externe Rechnungslegung muss zwei zentrale Aufgaben im Unternehmen erfüllen, die als Bilanz, RechnungszweckRechnungszwecke bezeichnet werden.
Zum einen informiert sie die Eigentümer und Geschäftspartner über den ökonomischen Erfolg (Gewinn oder Verlust) des Unternehmens im vergangenen Geschäftsjahr (Informationsfunktion).
Zum anderen wird über die Ermittlung des Gewinns geregelt, wie viel Liquidität maximal an die Eigentümer ausgeschüttet werden darf (Ausschüttungsbemessungsfunktion).
Wenn Sie diese beiden Rechenzwecke im HGB suchen, werden Sie nur für die Informationsfunktion fündig, und sogar erst in dem nur für Kapitalgesellschaften zwingend geltenden § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB, der sogenannten Generalnorm der handelsrechtlichen Rechnungslegung: »Der Jahresabschluss ... hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ... zu vermitteln.«
Die Höhe der Ausschüttung ist dagegen nicht festgelegt; sie ergibt sich aus der kaufmännischen Praxis der in dieser Norm angesprochenen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (kurz: GoB) nach dem Prinzip der Nominalkapitalerhaltung aus dem ausschüttungsfähigen Überschuss des Eigenkapitals – und wie man den genau ermittelt, werden wir in Kapitel 6 noch ausführlicher behandeln. Lediglich für Aktiengesellschaften findet sich der Hinweis in § 58 Abs. 4 Satz 1 AktG: »Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn ...«.
Das angesprochene »Bilanz-Ziehen« ist darüber hinaus auch ganz wörtlich zu verstehen: Das Geschäftsjahr der more-copy-gmbh soll nämlich das Kalenderjahr sein, sodass für das sogenannte »Rumpfgeschäftsjahr« (September bis Dezember) ein gesonderter Abschluss erstellt werden muss.
Um die beiden im vorangegangenen Kapitel aufgeworfenen Fragen zu beantworten, müssen Schäff, Abs und Primus zunächst in mühsamer Kleinarbeit alle Ereignisse verbuchen, die mittelbar oder unmittelbar das Aussehen der Bilanz der more-copy-gmbh beeinflussen. Diese Ereignisse werden auch als Geschäftsvorfälle bezeichnet.
Unter einem GeschäftsvorfallGeschäftsvorfall versteht man eine Transaktion, die den Ausweis und/oder die Höhe des Vermögens, des Kapitals und/oder des Erfolgs eines Unternehmens beeinflusst und deshalb in der Buchführung erfasst wird.
Gründungsaufwendungen
Der erste Geschäftsvorfall betraf Gründungsaufwendungen, die hauptsächlich die Rechnung des Notars umfassten. Die Reduzierung des Bankkontos lässt sich direkt auf dem ersten Auszug ablesen: Es verbleiben noch 18.429,50 €. Ändert man die entsprechende Zahl in der Eröffnungsbilanz in der Abbildung 1-3 und berechnet die Bilanzsumme auf der Aktivseite neu, so bleiben noch 23.429,50 € übrig.
Was passiert nun mit der Passivseite der Bilanz? Beide Seiten müssen ja gleich groß sein! Die einzige Möglichkeit, das Problem zu lösen, besteht darin, auch das Eigenkapital um einen entsprechenden Betrag zu reduzieren. Wir werden später noch sehen, dass in der Praxis anders gebucht wird, nämlich über die Gewinn- und Verlustrechnung als Nebenrechnung zur Bilanz und detaillierte Veränderungsrechnung des Eigenkapitals. Der Einfachheit halber bleiben wir an dieser Stelle aber bei einer direkten Reduktion des Eigenkapitals. Dies ist nun in der Abbildung 1-4 geschehen.
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eingezahltes Stammkapital
23.429,50 €
Kopierpapier
1.500,00 €
Geld
18.429,50 €
23.429,50 €
23.429,50 €
Abb. 1-4: Verbuchung der Gründungsaufwendungen
Aufwendungen vermindern das Eigenkapital.
Wie lässt sich die durch die Verbuchung der Gründungsaufwendungen entstandene BilanzverkürzungBilanzverkürzung betriebswirtschaftlich interpretieren? Dies fällt nicht schwer: Für die 1.570,50 € hat die more-copy-gmbh keinen direkten, veräußerbaren Gegenwert erhalten, sie hat lediglich die Formalien erledigt, die unser Rechtsstaat vor den Beginn jeder Unternehmertätigkeit gestellt hat. Würde die Gesellschaft sofort wieder eingestellt, wäre die Ausgabe unwiderruflich verloren. Es verringert sich somit nicht nur der Geldbestand, sondern in gleicher Weise auch der Bestand an Mitteln, die der Gesellschaft zur Verfügung gestellt worden sind. Dies ist gleichbedeutend mit einem Verlust an Eigenkapital. Ökonomen sprechen bei diesem Beispiel übrigens auch von »versunkenen« KostenKosten, versunkene (sunk costs), denn der Kapitalabfluss ist irreversibel, d. h. er lässt sich nie mehr rückgängig machen.
Miete
Der Geschäftsvorfall »Miete« bereitet in seiner Auswirkung auf den Geldbestand sicher keine Probleme: Das Bankkonto nimmt um 2.760 € ab. Bedeutet dies – wie im letzten Geschäftsvorfall – nun auch eine gleich hohe Reduzierung des Eigenkapitals? Hier muss man wiederum die Frage stellen, ob mit der Auszahlung zugleich ein gesonderter, letztlich veräußerbarer Wert geschaffen wurde. Dies ist grundsätzlich zu bejahen: Die more-copy-gmbh erhält mit der Miete das Recht, Räumlichkeiten ein Jahr lang zu nutzen. Am Jahresende, zu dem die Verbuchungen erfolgen, ist von diesem Recht schon ein Viertel »verbraucht«. Umgekehrt ausgedrückt: Für das nächste Jahr stehen noch drei Viertel dieses Mietrechts zur Verfügung.
Um zu verstehen, wie man eine solche Situation bilanziell behandelt, muss man neben der oben schon dargestellten Bilanz, statischestatischen Sicht die Bilanz dynamisch interpretieren.
Unter der Lupe
RechnungsabgrenzungspostenRechnungsabgrenzungsposten
Ein Rechnungsabgrenzungsposten darf – wie in diesem Beispiel – nur dann ausgewiesen werden, wenn vom Fortgang des Unternehmens auszugehen ist. Dies wird auch als Going-concern-Prämisse (vgl. das Kapitel 11) bezeichnet, die im Regelfall unterstellt wird, sofern dem nicht tatsächliche (z. B. eine drohende Insolvenz) oder rechtliche (z. B. eine gesellschaftsvertraglich vorgesehene Auflösung des Unternehmens) Gründe entgegenstehen. Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, zeigte die Corona-Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022: Viele Unternehmen mussten sich gut überlegen, ob sie ihre Bilanz 2020 unter der Going-concern-Prämisse aufstellen konnten, d. h. ob sie eine realistische Chance hatten, die Unternehmensexistenz mittelfristig sicherzustellen. Der relevante Zeitraum zur Abschätzung der Going-concern-Prämisse umfasst nach herrschender Praxis ein Geschäftsjahr. Ist die Going-concern-Prämisse nicht erfüllt, darf der Rechnungsabgrenzungsposten nicht angesetzt werden; im oben dargestellten Fall würden dabei die Mietzahlungen in voller Höhe und nicht nur anteilig das Eigenkapital mindern, denn von einer zukünftigen Nutzung der Räume wäre ja nicht mehr auszugehen.
Bilanzen dienen auch dazu, den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens den einzelnen Geschäftsjahren richtig zuzuordnen (Bilanz, dynamischedynamische Bilanzauffassung).
Die Bilanz wird nicht nur statisch, sondern auch dynamisch interpretiert.
Dies bedeutet im vorliegenden Fall konkret, dass zum Jahresende nicht die gesamte Miete – wie im Fall der Gründungskosten – das Eigenkapital mindert, sondern nur ein Viertel davon. Der restliche Betrag, dem ein entsprechendes Recht auf Nutzung der Räumlichkeiten gegenüber der Vermieterin entspricht, wird auf der Aktivseite erfasst, und zwar unter einem Posten, den man Rechnungsabgrenzungsposten nennt – der vorletzte der noch »offenen« Begriffe des § 247 Abs. 1 HGB. Dies zeigt auch die Abbildung 1-5.
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eigenkapital
22.739,50 €
Kopierpapier
1.500,00 €
Geld
15.669,50 €
Rechnungsabgrenzungsposten
2.070,00 €
22.739,50 €
22.739,50 €
Abb. 1-5: Verbuchung der Mietzahlung
Wer diese Art der Verbuchung genauer durchdenkt, wird eine erste Ahnung davon bekommen, in welchem Dilemma die Bilanzierung grundsätzlich steckt: Auf der einen Seite soll sie im Sinne eines Status Vermögen und Kapital zu einem Stichtag aufzeigen, auf der anderen Seite eine periodengerechte Zuordnung von Erfolgen ermöglichen. Beide Zielrichtungen geraten manchmal in Konflikt miteinander, beispielsweise wenn ein Geschäftsvorfall zu einer Bilanzposition führt, die kein bilanziell greifbarer Vermögensgegenstand (bzw. Schuld gegenüber einem Dritten) ist. Genau dies liegt hier vor: Das Nutzungsrecht der Räumlichkeiten ist auf ein Jahr befristet und nicht ohne Zustimmung der Vermieterin an Dritte übertragbar. Im Falle des Aufgebens der more-copy-gmbh würde es damit verfallen. Dennoch muss es nach geltendem Recht (§ 250 Abs. 1 HGB) als Aktivposten in der Bilanz ausgewiesen werden.
Strom- und Gaslieferungen
Zur Verbuchung der Strom- und Gaslieferungen sind an dieser Stelle kaum zusätzliche Erklärungen erforderlich. Die Geschäftsvorfälle entsprechen in ihrem Charakter exakt dem der Gründungskosten: Da Strom und Gas sofort verbraucht werden, kann hier ein Fall wie bei den gerade betrachteten Mietzahlungen nicht eintreten. Deshalb kommt es zu einer gleichzeitigen Verminderung des Geldbestandes und des Eigenkapitals um 375,50 € (vgl. Abbildung 1-6).
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eigenkapital
22.364,00 €
Kopierpapier
1.500,00 €
Geld
15.294,00 €
Rechnungsabgrenzungsposten
2.070,00 €
22.364,00 €
22.364,00 €
Abb. 1-6: Verbuchung der Strom- und Gaslieferung
Tonerlieferungen
»Neu« bei diesem Geschäftsvorfall ist lediglich das Phänomen »Skonto«. Skonto lässt sich – wie oben schon ausgeführt – als Prämie für den Empfänger einer Rechnung dafür verstehen, dass die Rechnung sofort bezahlt wird. Zieht man 2 % vom Rechnungsbetrag von 484,69 € ab, so erhält man den zu zahlenden Betrag von 475,00 € (entspricht 98 % des Rechnungsbetrags). Dieser wird in der mittlerweile bekannten Weise verbucht (vgl. Abbildung 1-7).
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eigenkapital
21.889,00 €
Kopierpapier
1.500,00 €
Geld
14.819,00 €
Rechnungsabgrenzungsposten
2.070,00 €
21.889,00 €
21.889,00 €
Abb. 1-7: Verbuchung der Tonerlieferung
Wir nehmen hierbei an, dass der Toner sofort verbraucht, d. h. in die Kopierer eingefüllt wird. Würde der Toner dagegen auf Lager gelegt, um vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgefüllt zu werden, hätten wir eine Situation, die dem Geschäftsvorfall »Mietzahlung« strukturell vergleichbar wäre – allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Der Toner würde dann als Vermögensgegenstand des Vorratsvermögens auf der Aktivseite der Bilanz gezeigt. Wir hätten dann keine Bilanzverkürzung, sondern einen sogenannten Aktivtausch: Während sich die Geldmittel um 475,00 € verringern, würde gleichzeitig bei unveränderter Bilanzsumme von 22.364,00 (siehe Abbildung 1-6) ein neuer Vermögensgegenstand »Tonervorrat« mit genau dem gleichen Wert, d. h. 475,00 € ausgewiesen werden.
Grundwartung des Kopierers
Abbildung der Grundwartung im Vermögen oder als Aufwand?
Bei diesem Geschäftsvorfall werden wir zum ersten Mal mit dem Bilanzposten Verbindlichkeiten (als Teil der Schulden eines Unternehmens) konfrontiert – damit sind nun alle Termini des § 247 Abs. 1 HGB angesprochen. Die Grundwartung lässt sich in zwei Teilschritte zerlegen. Zunächst erbringt das Serviceunternehmen eine konkrete Dienstleistung, für die eine Rechnung erstellt wird. Wie wir es mittlerweile gewohnt sind, muss zuerst gefragt werden, ob dadurch ein aktivierungsfähiger Vermögensgegenstand geschaffen wird. Hierüber lässt sich durchaus streiten:
Auf der einen Seite kann man argumentieren, dass das Kopiergerät durch die Grundwartung wertvoller geworden ist: Die more-copy-gmbh würde im Falle seines Verkaufs nach Durchführung der Grundwartung für den Kopierer mehr Geld bekommen als ohne diese Wartung – vergleichbar zu einem »scheckheftgepflegten« Gebrauchtwagen. In dieselbe Richtung weist das Argument, dass der »nackte« Kopierer für sich allein nicht funktionsfähig ist: Die Grundwartung wird benötigt, um überhaupt kopieren zu können.
Auf der anderen Seite lässt sich die Auffassung vertreten, dass die Wartung von Kopiergeräten ein ganz normaler, häufig auftretender Vorgang ist, den man fast mit dem Nachfüllen von Toner vergleichen kann.
Im Gesetz gibt es hierzu keine direkte Lösung. In der kaufmännischen Praxis hat sich jedoch die zweite Auffassung durchgesetzt. Hintergrund ist der ganz allgemeine Grundsatz der Vorsicht, der in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB festgehalten ist. Man bezeichnet diesen und andere Grundsätze auch als »Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung« (GoB), die wir in Kapitel 11 ausführlicher darstellen werden. Die GoB, auf die der Gesetzgeber bereits in § 243 Abs. 1 HGB (»Der Jahresabschluss ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen.«) verweist, entlasten das HGB und helfen, Regelungslücken konsistent zu schließen.
Unter der Lupe
VorsichtsprinzipVorsichtsprinzip
Eine wichtige Regel der GoB im deutschen Handelsrecht ist das Vorsichtsprinzip – in der internationalen Literatur auch als »conservatism« bezeichnet. Es besagt inhaltlich, dass sich Unternehmen eher »arm« als »reich« rechnen sollen, d. h. Erfolg und (Rein-)Vermögen sollten im Rahmen der gesetzlich bestehenden Spielräume eher an der Untergrenze als an der Obergrenze möglicher Wertansätze ausgewiesen werden.
Eine vorsichtige Vermögens- und Erfolgsermittlung dient vor allem dem bereits angesprochenen Rechnungszweck der Ausschüttungsbemessung: Die Eigentümer sollten einem Unternehmen nicht durch eine überoptimistische Betrachtung Liquidität in Form von Gewinnen entziehen dürfen, die noch gar keine ökonomische Substanz haben, und damit die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zulasten der Gläubiger gefährden.
Zurück zu unserem Beispiel. Wenn die Wartung den Wert des Kopierers nicht erhöht, reduziert sich das Eigenkapital erneut, und zwar um 1.150,00 €. Geld verlässt das Bankkonto jedoch nicht (sofort).
Schon allein aus dem ehernen Grundsatz »Beide Seiten der Bilanz sind gleich groß« heraus muss folglich auf der Passivseite ein neuer Posten »Verbindlichkeiten« erscheinen (vgl. Abbildung 1-8, Teil a).
Buchung vor Zahlung der Rechnung
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eigenkapital
20.739,00 €
Kopierpapier
1.500,00 €
Verbindlichkeiten
1.150,00 €
Geld
14.819,00 €
Rechnungsabgrenzungsposten
2.070,00 €
21.889,00 €
21.889,00 €
Buchung nach Zahlung der Rechnung
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eigenkapital
20.739,00 €
Kopierpapier
1.500,00 €
Geld
13.669,00 €
Rechnungsabgrenzungsposten
2.070,00 €
20.739,00 €
20.739,00 €
Abb. 1-8: Verbuchung der Grundwartung des Kopierers
Detaillierter spricht man bei diesem Geschäftsvorfall auch von »Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen« (im Unterschied z. B. zu Verbindlichkeiten aus Bankkrediten) oder von »Kreditoren«.
Was bedeutet dies betriebswirtschaftlich? Die Erklärung ist einfach: In Höhe des Rechnungsbetrags bekommt die more-copy-gmbh einen (Lieferanten-)Kredit. An die Seite des Eigenkapitals ist Fremdkapital getreten, um die Aktiva zu finanzieren. Bei Ausgleichen der Rechnung wird dieses Fremdkapital durch Überweisung wieder zurückgezahlt. Die Position verschwindet, in gleicher Höhe wird der Geldbestand vermindert (vgl. Abbildung 1-8, Teil b).
Kopiergeschäft
Schließlich verbleibt noch das Kopiergeschäft zu verbuchen – die eigentliche Leistungserstellung, die zu Umsatzerlösen führt. Dies bedeutet – wie im Ergebnis der Abbildung 1-9 zu entnehmen – die Erfassung zweier Tatbestände:
Verbuchung der Einnahmen als Umsatzerlöse: 37.455 Kopien ergeben bei einem Stückpreis von 9 Cent (natürlich haben alle Kommilitonen bezahlt!) 3.370,95 € Einnahmen. Ohne andere Folgen zu berücksichtigen, bedeuten diese Einnahmen eine Erhöhung des Geldbestandes (auf 17.039,95 €) und des Eigenkapitals (auf 24.109,95 €). Sie sind quasi spiegelbildlich zu den Ausgaben für Tonerverbrauch, Miete usw. zu sehen.
Verbuchung des Papierverbrauchs: Der Verbrauch des Papiers führt in der Bilanz zunächst dazu, dass der entsprechende Bilanzposten entfällt. Allerdings wird im Dezember bekanntlich für 520,40 € Papier nachbestellt. Dadurch verringert sich der Geldbestand wieder auf 16.519,55 €. Dies wird allerdings durch eine Erhöhung der Position Kopierpapier um den gleichen Betrag ausgeglichen. Am Jahresende wird das verbrauchte Kopierpapier – (1.500,00 € + 260,20 € =) 1.760,20 € – ausgebucht. Dadurch reduziert sich auch das Eigenkapital um diesen Betrag auf 22.349,75 €.
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.500,00 €
Eigenkapital
22.349,75 €
Kopierpapier
260,20 €
Geld
16.519,55 €
Rechnungsabgrenzungsposten
2.070,00 €
22.349,75 €
22.349,75 €
Abb. 1-9: Verbuchung des Kopiergeschäfts
Abschreibung des Kopierers
Nach all dieser Buchungsmühe sind die drei Kommilitonen jedoch noch nicht (ganz) am Ziel. Eine einzige Buchung muss noch vorgenommen werden, und sie betrifft das Kopiergerät. Diese Buchung steht stellvertretend für AbschlussbuchungAbschlussbuchungen, also Buchungsvorgänge, die erst nach Ende eines Geschäftsjahres durchgeführt werden können – beachten Sie dabei als Praxishinweis, dass die Abschlussbuchungen in den meisten Unternehmen ein erhebliches Volumen einnehmen.
Der Grund der Buchung wird deutlich, wenn man sich – und dieser Gedankengang dürfte an dieser Stelle jedem geläufig sein – fragt, ob das Kopiergerät im Dezember noch genau so viel wert ist wie im Herbst. Diese Frage wird man aller Voraussicht nach verneinen müssen. Maschinen verlieren mit ihrer Nutzung in aller Regel an Wert. Sie kennen dies sicherlich vom Pkw-Gebrauchtwagenmarkt: Eine zunehmende Laufleistung führt zu einem Sinken des Gebrauchtwagenwerts.
Abschreibungen: ein Beispiel für Abschlussbuchungen
Nach den fast 40.000 Kopien muss man also auch beim Kopiergerät davon ausgehen, dass der Wert unter die 3.500 € gesunken ist – es fragt sich nur, um welchen Betrag. Diesen Vorgang nennt man Bildung von Abschreibungen. Der übliche Weg, diese Frage zu beantworten, läuft in mehreren Schritten ab, die an dieser Stelle nur in ihren Grundzügen dargestellt werden sollen:
Man bestimmt den Umfang an Leistungen, die eine Maschine insgesamt voraussichtlich erbringen kann (z. B. bei einem Pkw 150.000 km Fahrleistung).
Man stellt fest, wie viele Leistungen die Maschine in der betrachteten Abrechnungsperiode erbracht hat (z. B. im Fall des Pkw 15.000 km Jahresfahrleistung).
Man errechnet den Anteil, den diese Periodenleistungen an der Gesamtleistung ausmachen (im Falle des Pkw sind dies genau 10 %).
Man rechnet einen entsprechenden Anteil der Kosten der Maschine (in dem Fall möge der Pkw für einen Preis von 20.000 € angeschafft worden sein) auf die Abrechnungsperiode zu (in diesem Beispiel also 2.000 €).
Ohne die soeben skizzierten Schritte im Detail nachzuvollziehen, dürfte klar sein, dass es Abs, Primus und Schäff nicht gerade leicht von der Hand geht, die Zahl der Kopien zu bestimmen, die der Kopierer wohl noch »schaffen« wird. Hierzu sind Annahmen erforderlich, die von Person zu Person ganz unterschiedlich geschätzt werden können. In Form der Abschreibungen stoßen wir somit auf ein Beispiel, wo und warum in der Bilanz Ermessensspielräume vorhanden sind bzw. vorhanden sein müssen: Der Gesetzgeber sieht sich nicht in der Lage, den Unternehmen detailliert vorzuschreiben, über welche Zeiträume sie ihre Vermögensgegenstände planmäßig nutzen und wie sie die Nutzungseinheiten auf einzelne Zeitabschnitte, wie z. B. Geschäftsjahre, aufteilen.
Geschafft! Nun muss Bilanz »gezogen« werden.
Idealerweise sollte der Bilanzierende die Abschreibungsmethode wählen, die den ökonomischen Werteverzehr der abnutzbaren Vermögensgegenstände möglichst gut reflektiert. So ist z. B. beim genannten Pkw-Beispiel auch eine zeitabhängige Abschreibung denkbar, wenn der Wertverlust eher auf das Alter als auf die Nutzung des Fahrzeugs zurückgeht. Wir werden allerdings auch noch sehen, dass diese Ermessensspielräume durch verschiedene Regeln eingegrenzt werden – so sind beispielsweise sogenannte progressive Abschreibungsverfahren, bei denen zunächst nur geringe und in späteren Jahren hohe Abschreibungen angesetzt werden, nach deutschem Handelsrecht nicht zulässig, und zwar wieder aufgrund des bereits angesprochenen Vorsichtsprinzips gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB.
Wir wollen im Folgenden davon ausgehen, dass für das abgelaufene Jahr ein Abschreibungsbetrag von 500 € ermittelt wurde; wie wir auf diesen Betrag gekommen sind, soll hier (noch) nicht interessieren. Um diesen Betrag sinken der Wert des Kopierers und zugleich das Eigenkapital.
Unter der Lupe
Bilanztheoretische Interpretation von AbschreibungAbschreibungen
Werden Vermögensgegenstände über mehrere Geschäftsjahre hinweg verbraucht (z. B. Abnutzung von technischen Anlagen), muss ihr Wert im Zeitablauf entsprechend reduziert (abgeschrieben) werden. Abschreibungen helfen zum einen, die Vermögensgegenstände in der Bilanz zu bewerten (statische Bilanzauffassung). Zum anderen ordnen sie jeder Abrechnungsperiode einen anteiligen Ressourcenverzehr durch die Nutzung des Vermögens zu und tragen deshalb dazu bei, den Periodenerfolg möglichst realitätsnah zu ermitteln (dynamische Bilanzauffassung).
Nun endlich liegt den drei Kommilitonen die Schlussbilanz der more-copy-gmbh vor (vgl. Abbildung 1-10). Kann sie die beiden gestellten Fragen nach dem Erfolg der Gesellschaft und dem Ausschüttungspotenzial beantworten? Dies ist in beiden Fällen zu bejahen.
Aktiva
Passiva
Kopiergerät
3.000,00 €
Eigenkapital
21.849,75 €
Kopierpapier
260,20 €
Geld
16.519,55 €
Rechnungsabgrenzungsposten
2.070,00 €
21.849,75 €
21.849,75 €
Abb. 1-10: Schlussbilanz der more-copy-gmbh
Allerdings muss man hierbei einen zusätzlichen Rechengang durchführen: Der Erfolg ergibt sich als Differenz zwischen dem Eigenkapital zu Anfang der Periode in Höhe von 25.000 € und dem Eigenkapital zu deren Schluss, das nur noch knapp 22.000 € beträgt.
Die more-copy-gmbh hat somit einen Verlust von über 3.000 € erzielt! Eine Gewinnausschüttung ist deshalb nicht möglich. Für die Beurteilung des Erfolgs ist dagegen auch relevant, ob das betrachtete Rumpfgeschäftsjahr »typisch« ist, d. h. ob sich die Verluste in der Vergangenheit auch in der Zukunft fortsetzen werden. In diesem Zusammenhang spricht man bezogen auf die Informationsfunktion der externen Rechnungslegung häufig bildlich von einer Autofahrt, bei der sich der Fahrer nur durch den Blick in den Rückspiegel, d. h. in die Vergangenheit, orientieren kann. Gerade bei neugegründeten Unternehmen sind Verluste in der Startphase nicht selten – dies ist auch mit einer der Gründe dafür, dass viele der sogenannten Start-ups schnell scheitern, d. h. insolvent werden. Zehren nämlich die Verluste das Eigenkapital auf, müssen die Eigentümer selbst Geld nachschießen oder aber neue Kapitalgeber gewinnen – ein schwieriges Unterfangen bei einem Unternehmen, das (noch) nicht mit Gewinnen aufwarten kann.
Unter der Lupe
Buchführung
Die Fachleute unter Ihnen haben es schon gemerkt: Im Fallbeispiel ist in mehrfacher Hinsicht nicht so gebucht worden wie im »normalen Leben«.
So werden beispielsweise aufgrund der Vielzahl der Geschäftsvorfälle – bereits in einem kleineren Unternehmen können dies an jedem Tag mehrere hundert sein – diese nicht unmittelbar in der Bilanz verbucht, sondern in einzelnen Konten, die letztlich Nebenrechnungen zur Bilanz darstellen und die Geschäftsvorfälle sachlich und zeitlich ordnen. Weiterhin gibt es neben der Bilanz auch eine Gewinn- und Verlustrechnung (die von uns in diesem Einführungskapitel zunächst aus Vereinfachungsgründen unterschlagen wurde), das Stammkapital einer GmbH wird mit dem vollen Betrag in der Bilanz ausgewiesen und die Verluste werden gesondert ausgewiesen, um nur die wichtigsten Präzisierungen zu nennen. Am Prinzip ändert sich dadurch aber nichts, und auf das Prinzip kam es in diesem Fallbeispiel an.
Die Schlussbilanz bildet den Stand des Vermögens (Aktiva) sowie des Kapitals (Passiva) zum Bilanzstichtag (in Deutschland im Regelfall der 31.12. eines jeden Jahres) ab. Der im Eigenkapital ausgewiesene Gewinn oder Verlust gibt dabei Auskunft über den wirtschaftlichen Erfolg des betrachteten Geschäftsjahres.
Von derartigen Problemen ist die more-copy-gmbh aktuell aber noch weit entfernt: Das Eigenkapital in Höhe von 21.849,75 € sowie die liquiden Mittel in Höhe von 16.519,55 € lassen eine drohende Insolvenz als unwahrscheinlich erscheinen. Die drei Kommilitonen beschließen also weiterzumachen, zur Vermeidung weiterer Verluste allerdings den Preis pro Kopie um drei Cent heraufzusetzen. Schäff rechnet nämlich, dass dies bei ca. 120.000 Kopien im folgenden Geschäftsjahr und gleichen Kosten zu 3.600,00 € zusätzlichen Einnahmen führen würde – und damit wäre die Verlustsituation beseitigt!
Unter der Lupe
InsolvenzInsolvenz
Ein Unternehmen kann aus zwei Gründen insolvent, d. h. zahlungsunfähig werden (siehe hierzu die Insolvenzordnung, § 17-19 InsO):
Der Verlust übersteigt das Eigenkapital (»Überschuldung«); im Falle der more-copy-gmbh müsste der Verlust des Rumpfgeschäftsjahres dann mehr als 25.000,00 € betragen, oder
das Unternehmen hat keine liquiden finanziellen Mittel, um finanzielle Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern (z. B. Lieferanten, die eine fällige Rechnung präsentieren) zu erfüllen (»Zahlungsunfähigkeit«). Dies könnte z. B. der Fall sein, wenn die liquiden Mittel der more-copy-gmbh sehr gering bzw. bei null liegen würden.
Solvenz, d. h. die Vermeidung von Überschuldung oder Zahlungsfähigkeit, ist eine unabdingbare Nebenbedingung für das unternehmerische Ziel der Gewinnmaximierung, denn: Auch Unternehmen, die auf dem Papier erfolgreich sind, weil sie beispielsweise noch lukrative Aufträge von ihren Kunden erhalten, müssen Insolvenz anmelden, wenn sie nicht mehr genügend liquide Mittel haben und fällige Zahlungsverpflichtungen nicht begleichen können.
Die Bilanz richtet sich an unterschiedliche Adressaten (Stakeholder).
An dieser Stelle ist das Fallbeispiel eigentlich abgeschlossen, stünde nicht noch die von Schäff als »philosophisch« bezeichnete Frage offen, warum sich der Gesetzgeber so eingehend mit Fragen der Rechnungslegung befasst hat und diesen Problemkreis nicht – wie bis weit ins 19. Jahrhundert hinein – den Kaufleuten selbst überlassen hat. Die ausführlichen Vorschriften im Handels- und Steuerrecht weisen darauf hin, dass außer den Unternehmenseignern noch andere Personen oder Institutionen ein Interesse daran haben, wie ein Unternehmen seinen Erfolg ermittelt bzw. wie es sein Vermögen und seine Schulden darstellt. Nur ganz kurz sei abschließend auf die wichtigsten Adressaten der (externen) Rechnungslegung eingegangen. Sie werden in der ökonomischen Theorie auch als »StakeholderStakeholder« bezeichnet, weil ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen mit denen des Unternehmens bzw. seiner Aktivitäten in Wechselwirkung stehen.
Hier sind zunächst und in erster Linie die Gläubiger eines Unternehmens zu nennen. Hier denken Sie sicherlich zunächst an Kreditgeber wie beispielsweise Banken; Gläubiger sind aber auch Leistungsgläubiger wie Lieferanten, die Waren nicht gegen Vorkasse, sondern auf Ziel liefern, oder Arbeitnehmer, die ihr Gehalt erst am Monatsende erhalten. Gläubigerschutz ist in Deutschland unbestritten der wichtigste Einflussfaktor für die Gestaltung des rechtlichen Rahmens des Jahresabschlusses. Ein solcher Schutz kann – als eine Möglichkeit – durch eine möglichst informative Bilanzierung erreicht werden, die erwartete Verluste und Gewinne zeigt. Dies allerdings um den Preis, dass die erwarteten Gewinne möglicherweise zwar ausgeschüttet, am Ende aber doch nicht realisiert werden. Dem Unternehmen werden dann an sich dringend benötigte Geldmittel entzogen und die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz steigt.
Eine zweite Möglichkeit – und diesen Weg wählt das deutsche Handelsrecht – ist der Gläubigerschutz durch Ausschüttungsbegrenzung. So gilt für die Aktionäre als Eigentümer einer Aktiengesellschaft gem. § 58 Abs. 4 AktG: »Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn«. Eine darüber hinausgehende Zahlung ist gem. § 57 Abs. 1 AktG (»Den Aktionären dürfen die Einlagen nicht zurückgewährt werden.«) ohne formelle Kapitalherabsetzung verboten. Da bei einer vorsichtigen Bilanzierung die Gewinne – und damit die dem Unternehmen durch Gewinnausschüttungen entziehbare Liquidität – so gering wie möglich ausgewiesen werden, sind die Gläubiger zumindest bis zu einem gewissen Grad vor einer Insolvenz geschützt.
Unter der Lupe
GläubigerschutzGläubigerschutz durch Ausschüttungsbegrenzung
Hans Mustermann gründet die Mustermann GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €. Von der örtlichen Parkbank AG erhält er einen Kredit über weitere 30.000 €. Von den so verfügbaren Finanzmitteln in Höhe von 55.000 € investiert er 35.000 € in Aktien der Technologie AG; die verbleibenden 20.000 € zahlt Hans Mustermann auf das Konto der Mustermann GmbH ein. Damit ergibt sich folgende Eröffnungsbilanz für die Mustermann GmbH:
Eröffnungsbilanz der Mustermann GmbH
Aktiva
(in €)
Passiva
Aktien
35.000
Eigenkapital
25.000
Geld
20.000
Verbindlichkeiten
30.000
Vermögen
55.000
Kapital
55.000
Am Jahresende zeigt sich, dass Hans Mustermann eine gute Entscheidung getroffen hat, denn die Aktienkurse sind gestiegen. Die Aktien der Technologie AG sind am 31.12., dem Bilanzstichtag, 47.000 € wert. Er möchte aber die Aktien trotz des Kursgewinns von 12.000 € nicht veräußern, da er davon ausgeht, dass der Kurs noch weiter steigt.
Bei einer informativen Bilanz müsste der Kursgewinn im Vermögen der Mustermann GmbH gezeigt werden. Die Schlussbilanz sähe dann folgendermaßen aus:
Schlussbilanz der Mustermann GmbH: Variante: Gläubigerschutz durch Information(nach HGB nicht erlaubt!)
Aktiva
(in €)
Passiva
Aktien
47.000
Eigenkapital
37.000
Geld
20.000
Verbindlichkeiten
30.000
Vermögen
67.000
Kapital
67.000
Diese Bilanz informiert Hans Mustermann als Eigentümer wie die Parkbank AG als Kreditgeber über den aktuellen Zeitwert der Technologie AG. Gleichzeitig steigt jedoch das Eigenkapital im Vergleich zur Eröffnungsbilanz um 12.000 €. Es wird ein Gewinn ausgewiesen, der noch nicht realisiert ist, denn: Ob die Investition erfolgreich war, wissen wir erst, wenn es Hans Mustermann gelungen ist, auch einen Käufer für die Aktien zu finden, der mehr als 35.000 € zahlt.
Erlaubt man nun der Mustermann GmbH, den Gewinn von 12.000 € an den Eigentümer Hans Mustermann auszuschütten, und stellt sich im Folgejahr heraus, dass der Aktienkurs der Technologie AG fällt, sodass das Aktienpaket z. B. nur noch für 15.000 € verkauft werden kann, dann würde das Vermögen nicht mehr ausreichen, um die Verbindlichkeiten an die Parkbank AG zurückzuzahlen. Neben den 15.000 € aus dem Erlös des Aktienverkaufs wären auf dem Konto nur noch die nach der Ausschüttung von 12.000 € verbleibenden 8.000 € verfügbar, d. h. in Summe 23.000 €. Dies ist deutlich geringer als die Verbindlichkeiten in Höhe von 30.000 €. Die Mustermann GmbH wäre überschuldet – das Eigenkapital wäre durch den Verlust mehr als aufgezehrt – und wohl auch nicht mehr zahlungsfähig. Die Folge: Die Rückzahlung des Kredits wäre also gefährdet.
Aus diesem Grund ist die dargestellte Vorgehensweise einer Bewertung über die ursprünglichen Anschaffungskosten hinaus im Jahresabschluss nach HGB fast ausnahmslos verboten (wer es ganz genau wissen will: Eine Ausnahme gibt es nur als Sondervorschrift für den Handelsbestand von Aktien bei Banken gem. § 340e Abs. 3 HGB). Es gilt vielmehr sehr grundlegend der Gläubigerschutz durch Ausschüttungsbegrenzung, der auf einer vorsichtigen Bilanzierung aufsetzt und der die Benachteiligung der Gläubiger durch verfrühte Gewinnausschüttungen vermeidet. Konkret sieht nämlich die HGB-Schlussbilanz der Mustermann GmbH so aus, dass die Wertsteigerung des Aktienpakets nicht abgebildet werden darf.
Schlussbilanz der Mustermann GmbH: Variante: Gläubigerschutz durch Ausschüttungsbegrenzung
Aktiva
(in €)
Passiva
Aktien
35.000
Eigenkapital
25.000
Geld
20.000
Verbindlichkeiten
30.000
Vermögen
55.000
Kapital
55.000
