Einführung in die Kunststoffverarbeitung - Christian Hopmann - E-Book

Einführung in die Kunststoffverarbeitung E-Book

Christian Hopmann

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Beschreibung

Seit über 40 Jahren erfolgreich
Das nun schon in der 8. Auflage vorliegende Lehrbuch vermittelt in verständlicher, auch zum Eigenstudium geeigneter Form Studierenden sowie Praktikern aus Industrie und Handwerk einen umfassenden Überblick über die wesentlichen Kunststoffverarbeitungsprozesse, ihre Funktionsweise und verfahrenstechnischen Hintergründe.

Bewährtes Konzept
Zahlreiche Beispiele und Bilder sollen ein grundlegendes Verständnis erzeugen und eine Faszination für die Möglichkeiten der Kunststofftechnik wecken.

Inklusiv aktueller Entwicklungen
Die jüngsten Entwicklungen werden berücksichtigt und einige Themen sind neu geordnet. Eigene Kapitel zur Elastomerverarbeitung und Verarbeitung von Polyurethanen werden kompakt und umfassend dargestellt.

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Christian Hopmann Walter Michaeli

Einführung in die Kunststoffverarbeitung

8., aktualisierte Auflage

Die Autoren:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann, Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), AachenProf. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Walter Michaeli, ehemals Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), Aachen

Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.

Ebenso übernehmen Autoren und Verlag keine Gewähr dafür, dass beschriebene Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt deshalb auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen­ und Markenschutz­Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2017 Carl Hanser Verlag Münchenwww.hanser-fachbuch.de

Herstellung: Jörg Strohbach Coverbild: IKV Aachen Coverconcept: Marc Müller-Bremer, www.rebranding.de, München Coverrealisierung: Stephan Rönigk Satz, Druck und Bindung: Kösel, Krugzell Printed in Germany

ISBN 978-3-446-45355-5 E-Book ISBN 978-3-446-45356-2

Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz) CSS-Version: 1.0

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort zur achten Auflage

Vorwort zur siebten Auflage

Vorwort zur sechsten Auflage

Vorwort zur fünften Auflage

Vorwort zur vierten Auflage

Vorwort zur dritten Auflage

Die Autoren

Kurzzeichen für Polymere

In Anlehnung an DIN EN ISO 1043-1, DIN 1629

1 Einleitung

2 Aufbau und Einteilung der Kunststoffe

2.1 Aufbau der Kunststoffe

2.1.1 Herstellung von Kunststoffen

2.1.2 Bindungskräfte in Polymeren 

2.2 Einteilung der Kunststoffe

2.2.1 Thermoplaste 

2.2.2 Duroplaste und Elastomere 

2.2.3 Copolymere und Polymergemische 

2.2.4 Zuschlagstoffe 

2.3 Biopolymere

3 Physikalische Eigenschaften der Kunststoffe

3.1 Thermische Werkstoffeigenschaften

3.1.1 Dichte 

3.1.2 Thermische Ausdehnung

3.1.3 Wärmeleitfähigkeit 

3.1.4 Spezifische Wärmekapazität 

3.2 Fließeigenschaften von Polymerschmelzen

3.2.1 Newtonsche und nicht-newtonsche Fluide

3.2.2 Ansätze zur Beschreibung des strukturviskosen Fließverhaltens der Schmelze

3.2.3 Einfluss der Temperatur auf das Fließverhalten 

3.2.4 Messung viskoser Fließeigenschaften

3.3 Elastische Eigenschaften von Polymerschmelzen

3.3.1 Normalspannungen

3.3.2 Zeitabhängiges Verhalten

3.4 Abkühlen aus der Schmelze

3.4.1 Amorph erstarrende Thermoplaste

3.4.2 Teilkristallin erstarrende Thermoplaste 

3.4.3 Nukleierung

3.4.4 Bestimmung des Kristallisationsgrades 

3.5 Morphologie erstarrter Thermoplaste 

3.5.1 Amorph erstarrte Thermoplaste

3.5.2 Teilkristallin erstarrte Thermoplaste

4 Werkstoffkunde der Kunststoffe

4.1 Allgemeines zum Werkstoffverhalten

4.2 Spannungs-Dehnungs-Verhalten

4.2.1 Kurzzeit-Verhalten

4.2.2 Stoßartige Beanspruchung

4.2.3 Verhalten bei langzeitiger und ruhender Beanspruchung

4.2.4 Schwingende Beanspruchung

4.3 Eindruck-, Verschleiß- und Reibverhalten

4.3.1 Härte

4.3.2 Abrieb

4.3.3 Reibverhalten

4.4 Elektrisches Verhalten

4.4.1 Dielektrisches Verhalten

4.4.2 Elektrische Leitfähigkeit

4.4.3 Durchschlagfestigkeit

4.4.4 Elektrostatische Aufladung

4.5 Optisches Verhalten

4.5.1 Brechung und Dispersion

4.5.2 Transparenz

4.5.3 Glanz

4.5.4 Farbe

4.6 Akustisches Verhalten

4.7 Verhalten gegen Umwelteinflüsse

4.7.1 Widerstandsfähigkeit gegen Medien

4.7.2 Spannungsrissbeständigkeit

4.7.3 Diffusion und Permeation

4.7.4 Bewitterung

4.7.5 Biologisches Verhalten

4.7.6 Brandverhalten

4.8 Gebrauchstauglichkeit und Qualitätssicherung

5 Aufbereitung von Kunststoffen

5.1 Einleitung

5.2 Aufgaben in der Aufbereitung

5.2.1 Lagern und Fördern

5.2.2 Dosieren

5.2.3 Mischen

5.2.4 Granulieren

5.3 Zuschlagstoffe

5.3.1 Verarbeitungshilfsmittel

5.3.2 Stabilisatoren

5.3.3 Antistatika

5.3.4 Elektrisch leitfähige Füllstoffe

5.3.5 Flammschutzmittel

5.3.6 Treibmittel

5.3.7 Festigkeit und Steifigkeit herabsetzende Zuschlagstoffe

5.3.8 Festigkeit und Steifigkeit erhöhende Zuschlagstoffe

6 Verarbeitungsverfahren für Kunststoffe

6.1 Extrusion

6.1.1 Der Extruder

6.1.2 Weitere Anlagenkomponenten

6.1.3 Coextrusion

6.2 Extrusionsblasformen und Streckblasen

6.2.1 Extrusionsblasformen

6.2.2 Streckblasen

6.3 Spritzgießen

6.3.1 Maschine und Verfahrensablauf

6.3.2 Baugruppen

6.3.3 Sonderverfahren

6.4 Herstellung von Formteilen aus duroplastischen Pressmassen

6.4.1 Der Werkstoff „Duroplastische Pressmasse“

6.4.2 Das Pressverfahren

6.4.3 Verfahrensvarianten

6.5 Elastomerverarbeitung

6.5.1 Rohstoffe und Mischungen

6.5.2 Mischungsherstellung

6.5.3 Formgebung von Elastomeren

6.6 Verarbeitung von Polyurethanen

6.6.1 Schaumbildungsprozess

6.6.2 Anlagentechnik zur Verarbeitung reaktiver Polyurethane

6.6.3 RIM-Verfahren

6.7 Faserverstärkte Kunststoffe

6.7.1 Materialien

6.7.2 Bauteilkonstruktion und -auslegung

6.7.3 Verarbeitungsverfahren für Faserverbundkunststoffe

6.7.4 Prozesssimulation bei der Pressverarbeitung

6.8 Kalandrieren

6.9 Verarbeitung durch Gießen

6.9.1 Gießen

6.9.2 Schüttsintern

6.9.3 Schleudergießen (Rotationsformen)

6.9.4 Foliengießen

6.9.5 Umgießen

6.9.6 Imprägnieren

7 Weiterverarbeitungstechniken für Kunststoffe

7.1 Thermoformen

7.1.1 Maschinen

7.1.2 Verfahrensschritte

7.2 Schweißen von Kunststoffen

7.2.1 Heizelementschweißen (HE-Schweißen)

7.2.2 Warmgasschweißen

7.2.3 Reibschweißverfahren

7.2.4 Strahlungsschweißverfahren

7.2.5 Induktionsschweißen (Elektromagnetisches Schweißen)

7.3 Kleben von Kunststoffen

7.3.1 Mechanismus der Klebung

7.3.2 Einteilung der Klebstoffe

7.3.3 Werkstoffeinflüsse auf die Klebbarkeit von Kunststoffen

7.3.4 Verfahrensablauf beim Kleben

7.4 Mechanische Bearbeitung

7.4.1 Sägen

7.4.2 Fräsen

7.4.3 Schleifen und Polieren

7.4.4 Bohren

7.4.5 Drehen

8 Recycling von Kunststoffen

8.1 Einleitung

8.2 Aufbereitung von Kunststoffabfällen

8.3 Werkstoffliche Verwertung von Kunststoffabfällen

8.4 Rohstoffliche Verwertung

8.5 Energetische Verwertung

8.6 Abschließende Bemerkungen

Vorwort zur achten Auflage

Die vorherige 7. Auflage hat sich erfreulicherweise sehr gut verkauft, so dass wir nur zwei Jahre später eine 8. Auflage dieses Buches herausbringen können.

Nach den umfangreicheren Überarbeitungen für die 7. Auflage umfasst die hier vorliegende 8. Auflage einige Verbesserungen und Aktualisierungen. Im Detail: Einzelne Darstellungen wurden inhaltlich erweitert und Bilder erneuert, so dass die Grundlagen der Kunststoffverarbeitung in Forschung und Praxis in weiterhin aktueller, umfassender und anschaulicher Weise abgebildet sind.

Auch dieses Mal gilt mein Dank meinen Mitarbeitern am Institut für Kunststoffverarbeitung, den Mitarbeitern beim Carl Hanser Verlag sowie den aufmerksamen Lesern, die uns auf Verbesserungsmöglichkeiten hingewiesen und so zum Gelingen dieser Überarbeitung beigetragen haben.

März 2017

Christian Hopmann

Vorwort zur siebten Auflage

Seit genau 40 Jahren begleitet das Buch „Einführung in die Kunststoffverarbeitung“ Studierende des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen durch ihr Studium. Mit seinem erstmaligen Erscheinen im Hanser Verlag im Jahr 1975 ist es darüber hinaus für Praktiker aus Industrie und Handwerk sowie für Studierende anderer Hochschulen zu einem verbreiteten Nachschlagewerk und Lehrbuch geworden, das die vielfältigen Möglichkeiten bei der Verarbeitung von Kunststoffen grundlegend und umfassend erläutert.

Die vorliegende siebte Auflage behält das bewährte Konzept des Buches bei. Es verzichtet weitgehend auf eine tiefe und allzu komplexe wissenschaftliche Darstellung von Werkstoffverhalten und Fertigungsverfahren, sondern versucht, mit zahlreichen Beispielen und Bildern ein grundlegendes Verständnis zu erzeugen und eine Faszination für die Möglichkeiten der Kunststofftechnik zu wecken. Mit der Neuauflage werden jüngere Entwicklungen berücksichtigt und einige Themen neu geordnet. Ein eigenes Kapitel zur Elastomerverarbeitung stellt dieses wichtige Thema nun kompakt und umfassend dar, auch der Verarbeitung von Polyurethanen wird in der vorliegenden Auflage erstmalig ein eigenes Kapitel gewidmet. Wir hoffen, dass diese Ergänzungen und Umstrukturierungen weiter zur Verständlichkeit und Zugänglichkeit der in diesem Buch beschriebenen Inhalte beitragen.

Die „Einführung in die Kunststoffverarbeitung“, die in den Lehrveranstaltungen von Prof. Dr.-Ing Georg Menges ihren Ursprung nahm, erscheint mit der vorliegenden überarbeiteten Auflage erstmalig in doppelter Autorenschaft: Im April 2011 trat Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann die Nachfolge von Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Walter Michaeli als Lehrstuhlinhaber und Institutsleiter des IKV an. Wir freuen uns beide sehr, dass uns dieses Buch mit seiner langen Geschichte im Hanser Verlag in die dritte IKV-Generation begleitet. Es ist weiterhin grundlegend für die Lehre am IKV und der RWTH Aachen, insbesondere für die einführende Vorlesung „Kunststoffverarbeitung I“. Auch in Zukunft soll es ‒ vielleicht heute, in Zeiten so vielfältiger anderer Informationsmöglichkeiten, mehr denn je ‒ als fundiertes und in sich geschlossenes Lehrbuch sowie als verlässliches und übersichtliches Nachschlagewerk für die Praxis dienen.

Die Erstellung und Überarbeitung eines solchen Buches ist ohne engagierte Unterstützung zahlreicher Helferinnen und Helfer nicht möglich. Daher danken wir unseren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Vorhandenes kritisch gesichtet, überarbeitet und ergänzt haben. Ein ganz besonderer Dank geht an Frau Dr. Scheller-Brüninghaus, die für die Redaktion, Koordination und permanente Abstimmung mit dem Carl Hanser Verlag verantwortlich zeichnete und mit ihrem hohen Engagement einen erheblichen Beitrag zum Gelingen dieses Buches geleistet hat. Herzlich danken möchten wir zudem dem Carl Hanser Verlag für die Bereitschaft, dieses Werk erneut aufzulegen, sowie namentlich Frau Wittmann, die mit Rat und Tat geduldig die Entstehung des Werkes begleitet und maßgeblich unterstützt hat.

Aachen im August 2015

Christian Hopmann, Walter Michaeli

Vorwort zur sechsten Auflage

Ich freue mich, dass dieses Buch auch weiterhin eine so gute Resonanz erfährt. Vielleicht ist dies ja ein Zeichen, dass die Wissensvermittlung der Kunststofftechnik bundesweit vermehrt in den Lehrplänen der Schulen und Hochschulen Berücksichtigung findet. Ich würde dies sehr begrüßen. Eine Welt ohne Kunststoffe ist nicht mehr vorstellbar, und die Entwicklung der Kunststoffe und deren Be- und Verarbeitung schreitet unaufhaltsam voran. Dies war auch wiederum der Anlass für die Überarbeitung dieses Buches. So finden Sie in dieser Auflage neue Kapitel zur Thematik „Biopolymere“ und „Spaltimprägnierung“, ein neu entwickeltes Verfahren zur Herstellung von Leichtbauteilen, welches zukünftig vielleicht die industrielle Herstellung revolutionieren wird.

Ganz herzlich möchte ich mich bedanken bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Herrn Dipl.-Ing. Lennart Ederleh, Abteilungsleiter Extrusion und Weiterverarbeitung, Herrn Dipl.-Ing. Jörg Strohhäcker, Abteilungsleiter Faserverstärkte Kunststoffe, Herrn Dipl.-Ing. Oliver Grönlund, Abteilungsleiter Spritzgießen/PUR-Technologie, Frau Dipl.-Ing. Ina Michaelis, Herrn Dipl.-Ing. Henning Seidel und Herrn Dipl.-Ing Mathias Weber für die tatkräftige Hilfe bei der Überarbeitung dieses Buches. Dank gilt besonders auch Herrn Dipl.-Ing. Leo Wolters, Abteilungsleiter Ausbildung für die redaktionelle Überarbeitung.

Dem Carl Hanser Verlag sei auch an dieser Stelle für die stets vorzügliche Kooperation bei diesem und vielen gemeinsamen Projekten gedankt.

Aachen im August 2010

Walter Michaeli

Vorwort zur fünften Auflage

Dieses Buch findet weiterhin vorzügliche Resonanz bei seinen Lesern. Ihnen allen sei hierfür herzlich gedankt. Gedankt sei auch für die Anregungen zur weiteren Verbesserung dieses Buches, welche gerne aufgegriffen und in diese überarbeitete Auflage eingearbeitet wurden.

Seit dem Erscheinen der letzten Auflage im Jahre 1999 haben sich einige neue und innovative Kunststoffverarbeitungsverfahren in der Praxis durchsetzen können, so dass über diese nun als „Stand der Technik“ berichtet werden kann und sie daher auch zu Recht Aufnahme in dieses einführende Buch finden. Dies sind einige Spritzgießverfahren und Verfahren aus dem Bereich der Herstellung von langfaserverstärkten Kunststoffbauteilen.

Herzlich bedanke ich mich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Herrn Dr.-Ing. Torsten Schmitz, Leiter der Abteilung Extrusion und Weiterverarbeitung, Herrn Dipl.-Ing. Michael Schlumm, Leiter der Abteilung Faserverbundwerkstoffe und Herrn Dipl.-Ing. Christoph Lettowsky, Leiter der Abteilung Spritzgießen am IKV für ihre tatkräftige Hilfe bei der Überarbeitung dieses Buches. Dank gilt auch Frau Ingrid Zekorn und Frau Georgette Nelissen für die redaktionelle Überarbeitung.

Dem Carl Hanser Verlag sei besonders gedankt für die vorzügliche Kooperation bei diesem und vielen gemeinsamen Projekten.

Walter Michaeli

Vorwort zur vierten Auflage

Viele Resonanzen haben mich zu diesem Einführungsbuch in die Welt der Kunststoffverarbeitung in der Vergangenheit erreicht. Hierbei war besonders erfreulich, dass sie vornehmlich positiv waren. Aber sie waren auch hilfreich und anregend, denn sie enthielten konstruktive Hinweise zur punktuellen Verbesserung. Alle diese Anmerkungen wurden in dieser vierten Auflage aufgenommen und eingearbeitet. So möchte ich mich herzlich bei allen Kritikern für ihren der Sache dienenden konstruktiv-kritischen Beitrag bedanken.

Diese vierte Auflage wurde um ein Kapitel zum Recycling von Kunststoffen ergänzt. Dies ist heute und auch in Zukunft eine Aufgabe unserer Industrie sowie unserer Gesellschaft. Daher gehört dies auch in ein solches Einführungsbuch. Auch haben Sonderverfahren des Spritzgießens an Bedeutung zugenommen, so dass dieser Teil im Buch erweitert wurde.

Ganz herzlich bedanke ich mich bei meinem Mitarbeiter und Leiter der Abteilung Spritzgießen im IKV, Herrn Dr.-Ing. Frank Ehrig, für die tatkräftige Unterstützung bei der Überarbeitung des Buches. Danken möchte ich allen Mitarbeitern, die einen Beitrag zu diesem Buch beigesteuert haben sowie Frau Ingrid Zekorn und Frau Georgette Nelissen für die redaktionelle Überarbeitung.

Dank gilt auch dem Carl Hanser Verlag für die traditionell gute Kooperation in dieser Sache und in vielen weiteren Buchprojekten.

Walter Michaeli

Vorwort zur dritten Auflage

Viele Jahre lang hat mein Vorgänger in der Leitung des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen, Professor Dr.-Ing. G. Menges, seinen Studenten und Studentinnen mit seinem Buch „Einführung in die Kunststoffverarbeitung“ einen ersten, umfassenden Einblick in die Faszination der Kunststoffe und ihre Verarbeitungstechniken vermittelt. Er nutzte dieses Buch als Basis für seine Vorlesungsreihe „Kunststoffverarbeitung I“. Sein Buch hat sich dabei vielfach bewährt.

So wundert es auch nicht, dass Professor Menges eines Tages vom Verband Kunststofferzeugender Industrie (VKE), Frankfurt, angesprochen wurde, auf seinem Fachwissen und seinen Lehrerfahrungen aufbauend ein Buch zu schaffen, welches weiterhin die Kunststoffverarbeitung in ihrer Breite darstellt, zum Eigenstudium geeignet und auch für Nicht-Techniker und Menschen ohne wissenschaftliche Vor- und Ausbildung gut verständlich ist.

Zur Umsetzung dieser Idee lag es nahe, dies zusammen mit dem Süddeutschen Kunststoffzentrum (SKZ) in Würzburg zu machen, mit dem unser Institut eng fachlich und freundschaftlich verbunden ist.

Mit meiner Rückkehr an die RWTH Aachen zum Wintersemester 1987/1988 lagen schon erhebliche Vorarbeiten zu diesem Projekt vor, die nun in den Folgejahren mit meinen eigenen Erfahrungen in der Fortsetzung der ehemaligen Vorlesungen von Professor Menges verknüpft und abgerundet wurden.

So liegt vor dem Leser nun ein Buch, welches versucht, in gut verständlicher Form und Sprache Lernenden und Studierenden sowie Praktikern aus Industrie und Handwerk eine Einführung und einen umfassenden Überblick über die wesentlichen Kunststoffverarbeitungsprozesse, ihre Funktionsweise und verfahrenstechnischen Hintergründe zu vermitteln. Hierbei werden nach einer Einführung in die Herstellung der Kunststoffe und ihrer Eigenschaften die wesentlichen, ihr Verarbeitungsverhalten beeinflussenden Größen aufgezeigt und die Grundprinzipien der wichtigsten Kunststoffverarbeitungs- und Weiterverarbeitungsverfahren dargestellt. Ein Stichwortverzeichnis dient der schnelleren Orientierung bei seiner Nutzung als Nachschlagewerk; auch wurde wesentlicher Wert auf die umfassende Darstellung weiterführender Literatur gelegt.

Wie eingangs dargelegt, ist dieses Buch ein Gemeinschaftswerk. Besonderer Dank gilt zunächst Herrn Professor Menges für die Vorarbeiten und die Tatsache, dass wir hierauf aufbauen durften. Weiterhin sei allen Mitarbeitern des SKZ und des IKV für ihren Beitrag zum Gelingen dieses Buches ganz herzlich gedankt.

Der VKE unterstützte uns großzügig ‒ fachlich und finanziell ‒ bei der Realisierung dieser Buchidee. Ihm, seinen Mitarbeitern und hierbei besonders Herrn Abele, sei besonders herzlich gedankt.

Dank gilt auch dem Carl Hanser Verlag, der unseren Text letztlich erst zu einem Buch werden ließ, von dem ich hoffe, dass seine Leser viel aus ihm lernen mögen und dabei auch Spaß haben.

Aachen, im Juli 1992

Prof. Dr.-Ing. W. Michaeli

Die Autoren

Univ.-Prof. Christian Hopmann

Seit April 2011 ist Prof. Christian Hopmann Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen. Er studierte Maschinenbau mit der Vertiefungsrichtung Kunststofftechnik an der RWTH Aachen und promovierte 2000 bei Prof. Walter Michaeli. 2005 wechselte Hopmann in die Industrie und trat bei der RKW AG Rheinische Kunststoffwerke (heute: RKW SE) ein. Von Januar 2010 bis zu seinem Wechsel an das IKV war er Managing Director der RKW Sweden AB in Helsingborg/Schweden. 2014 wurde er für die Entwicklung der Spaltimprägniertechnologie für faserverstärkte Kunststoffe mit dem NRW-Innovationspreis ausgezeichnet.

Prof. Walter Michaeli

Prof. Walter Michaeli verabschiedete sich 2011 nach 23 überaus erfolgreichen Jahren als Institutsleiter am IKV und nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand. Michaeli studierte Fertigungstechnik an der RWTH Aachen, nach über acht Jahren Industrietätigkeit übernahm er 1988 als Direktor die Leitung des IKV. Er war Mitglied in mehreren bedeutenden wissenschaftlichen Akademien und in der Jury des Deutschen Zukunftspreises. Für seine Entwicklung einer innovativen Wasserinjektionstechnik beim Spritzgießen von Kunststoffen erhielt Professor Michaeli im Jahr 2002 den Otto von Guericke-Preis der AiF.

Kurzzeichen für Polymere

In Anlehnung an DIN EN ISO 1043-1, DIN 1629

ABS

Acrylnitril-Butadien-Styrol

AMMA

Acrylnitrilmethylmethacrylat

ASA

Acrylnitril-Styrol-Acrylester

AU

Polyesterurethan-Kautschuk

BR

Butadienkautschuk

CA

Zelluloseacetat

CAB

Zelluloseacetobutyrat

CO

Epichlorhydrinkautschuk

CP

Zellulosepropionat

CR

Chloroprenkautschuk

CSM

Chlorsulfoniertes Polyethylen

EAM

Ethylen-Vinylacetat-Kautschuk

ECB

Ethylen-Copolymer-Bitumen

ECO

Epichlorhydrin-Kautschuk

E-CTFE

Ethylen-Chlortrifluorethylen-Copolymer

EP

Epoxid

EPDM

Ethylen-Propylen-Kautschuk

ETER

Epichlorhydrin-Ethylenoxid-Terpolymer

ETFE

Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymer

EVA/EVM

Ethylen-Vinylacetat-Copolymer

FEP

Perfluorethylen-Propylen-Copolymer

FKM

Fluorkautschuk

FPM

Vinylidenfluorid-Hexafluoropropylen-Copolymer

FVMQ

Fluorsilikon-Kautschuk

IIR

Butylkautschuk

IR

Cis-1,4-Polyisoprenkautschuk

MBS

Methylmethacrylat-Butadien-Styrol-Copolymer

MF

Melamin-Formaldehyd

MP

Melamin-Phenol-Formaldehyd

NBR

Acrylnitril-Butadien-Kautschuk

NR

Naturkautschuk

PA

Polyamid

PAN

Polyacrylnitril

PAI

Polyamidimid

PB

Polybutylen, Polybuten

PBI

Polybismaleinimid

PBT

Polybutylenterephthalat

PC

Polycarbonat

PCTFE

Polychlortrifluorethylen

PE

Polyethylen

PE-HD

Polyethylen hoher Dichte

PE-LD

Polyethylen niedriger Dichte

PE-LLD

Lineares Polyethylen niedriger Dichte

PE-C

Chloriertes Polyethylen

PE-X

Vernetztes Polyethylen

PEEK

Polyetheretherketon

PEI

Polyetherimid

PES

Polyethersulfon

PETP

Polyethylenterephthalat

PMMA

Polymethylmethacrylat

PMP

Polymethylpenten

POM

Polyoxymethylen

PP

Polypropylen

PPB

Polypropylen-Block-Copolymer

PPH

Polypropylen-Homopolymerisat

PPO

Polyvinylenoxid

PPR

Polypropylen-Statisches-Copolymer

PPS

Polyphenylensulfid

PPSU

Polyphenylsulfon

PS

Polystyrol

PSU

Polysulfon

PTFE

Polytetrafluorethylen

PUR

Polyurethan

PVAC

Polyvinylacetat

PVC

Polyvinylchlorid

PVC-C

Chloriertes Polyvinylchlorid

PVC-P

Polyvinylchlorid weichmacherhaltig

PVC-U

Polyvinylchlorid nicht weichmacherhaltig

PVDC

Polyvinylidenchlorid

PVDF

Polyvinylidenfluorid

PVF

Polyvinylfluorid

PUK

Polyvinylcarbazol

Q

Silikon-Kautschuk

SAN

Styrol-Acrylnitril-Copolymer

SB

Styrol-Butadien-Copolymer

SBR

Styrol-Butadien-Kautschuk

Si

Silikon

TM

Thioplaste

UF

Harnstoff-Formaldehyd

UP

Ungesättigte Polyester

VMQ

Silikon-Kautschuk

1Einleitung

Die Beschäftigung des Menschen mit organischen, hochmolekularen Werkstoffen, wie Holz, Textilien oder Leder, ist seit alters her dokumentiert. Dabei beschränkte er sich lange auf die Verarbeitung vorhandener Materialien. Die gezielte Umwandlung von Naturstoffen in die heute unter dem Begriff „Kunststoffe“ bekannten Materialien begann erst im 19. Jahrhundert. Erst seit den 1930er Jahren jedoch kamen die Kunststoffe zu größerer wirtschaftlicher Bedeutung, nachdem Hermann Staudinger Anfang der 1920er Jahre das Modellbild vom Aufbau der Kunststoffe und den daraus resultierenden Synthesemöglichkeiten entwickelt hatte. 

Kunststoff auf Erdölbasis

Der weltweite Aufschwung der Kunststoffindustrie begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Ausgangsbasis diente zuerst die Kohle, bis Mitte der fünfziger Jahre die Umstellung auf das billigere Erdöl erfolgte. Der Vorteil dieser Umstellung lag darin, dass bis dato wertlose Raffinationsanteile, die beim Cracken von Rohöl als Spaltprodukte anfielen, sinnvoll verwendet werden konnten. Damit begann parallel zum steigenden Benzin- und Heizölverbrauch ein schnelles Wachstum der Kunststoffproduktion, das erst mit der Erdölkrise 1973 eine gewisse Dämpfung erhielt. Zwar hat sich seither die Wachstumsrate verlangsamt, dennoch verzeichnen diese Werkstoffe weiterhin eine überdurchschnittlich dynamische Entwicklung.

Die heutige Anwendung der Kunststoffe erstreckt sich auf nahezu alle Lebensbereiche. Sowohl bei Massenartikeln, wie sie in den Bereichen Bauwesen, Verpackung, Landwirtschaft, Haushaltsgeräten und Freizeit Anwendung finden, als auch bei höherwertigen Artikeln, wie in der Elektrotechnik, im Fahrzeug- und Feingerätebau bis hin zu High-Tech-Anwendungen in der Luft- und Raumfahrtindustrie, hat sich der Einsatz von Kunststoff in hohem Maße bewährt. 

Großserienwerkstoff nach Maß

Bei der Eroberung neuer Einsatzgebiete tritt immer mehr die Substitution von klassischen (metallischen) Werkstoffen durch Kunststoffe in den Vordergrund. Die vielfältigen Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Materialeigenschaften lassen den Kunststoff zum „Werkstoff nach Maß“ avancieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass Kunststoffe typische „Großserienwerkstoffe“ sind. Die Gründe hierzu liegen in der leichten Verarbeitbarkeit zu auch komplizierter gestalteten Formkörpern in sehr wenigen Arbeitsgängen ‒ beim Spritzgießen z. B. ist es nur ein Arbeitsgang ‒ und dies bei einem vergleichsweise niedrigen Temperaturniveau, was niedrige Energiekosten bedeutet. Trotz einer leichten manuellen Bearbeitbarkeit findet man in der Kunststoffverarbeitung nur in geringem Umfang handwerkliche Einzelfertigung oder eine den Metallen entsprechende spanende Fertigung aus Halbzeugen.

Es ist durchaus nicht unbegründet, dass Kunststoffe eine so rasante Entwicklung durchlaufen haben. Denn Kunststoffe sind Werkstoffe mit einem außergewöhnlichen Leistungsspektrum. Ihre Eigenschaften lassen sich knapp zusammenfassen:

Kunststoffe sind leicht. Ihre Dichte liegt zwischen 0,8 und 2,2 g/cm3. Damit sind sie leichter als Metalle und auch Keramiken.

Kunststoffe zeigen ein breites, einstellbares Spektrum an mechanischen Eigenschaften. Sie können weich und dehnbar wie auch hart und steif sein.

Kunststoffe lassen sich einfach und wirtschaftlich bei niedrigen Verarbeitungstemperaturen zu oft nachbearbeitungsfreien, komplexen Teilen verarbeiten. Kunststoffe lassen sich mit relativ geringem Energieeinsatz erzeugen und verarbeiten. Kunststoffe sind jedoch thermisch begrenzt beständig.

Kunststoffe sind gute thermische und elektrische Isolatoren (wobei in einigen Anwendungsfällen auch genau das Entgegengesetzte gefordert wird und auch in Grenzen erzielbar ist).

Kunststoffe sind häufig transparent und lassen sich beliebig einfärben.

Kunststoffe haben eine hohe chemische Beständigkeit.

Kunststoffe sind durchlässig (Permeation und Diffusion). Dies ist nicht immer gewünscht, jedoch werkstoffspezifisch unterschiedlich. So gibt es Anwendungen, bei welchen gerade dies notwendig ist, z. B. bei Membranen zur Meerwasserentsalzung.

Kunststoffe lassen sich nach unterschiedlichen Verfahren wiederverwenden bzw. -verwerten.

Kunststoffe ermöglichen die Integration zahlreicher Funktionen in einem Bauteil und die Fertigung komplexer Produkte in integrierten Prozessen. 

„kunststoffgerechtes Vorgehen“

Der Einsatz von Kunststoffen ist nur dann erfolgreich, wenn auf die besonderen Merkmale dieser Materialien Rücksicht genommen wird. Gerade bei der Substitution von klassischen Werkstoffen ist die Umstellung von der bisher üblichen Strategie, z. B. bezüglich Werkstoffauswahl und Bauteilkonstruktion, auf eine „kunststoffgerechte“ Vorgehensweise von essentieller Bedeutung. Dies erfordert die eingehende Beschäftigung mit dem Werkstoff, und zwar sowohl mit der Synthese und den Syntheseverfahren als auch mit den Materialkennwerten und dem Werkstoffverhalten sowie auch mit der Vielfalt der Urform- und Weiterverarbeitungsverfahren.

Hierzu eine einfache und übersichtliche Einführung zu geben, ist Zielsetzung dieses Buches.

Literatur zu Kapitel 1

Menges, G., Haberstroh, E., Michaeli, W., Schmachtenberg, E.: Werkstoffkunde Kunststoffe, 6. Aufl., Carl Hanser Verlag, München, 2011

2Aufbau und Einteilung der Kunststoffe
2.1 Aufbau der Kunststoffe

Das Wort „Kunststoff“, in dem die Definition „künstlicher Stoff“ steckt, wurde für eine zunächst noch nicht klar definierte Stoffgruppe erstmalig von der Zeitschrift Kunststoffe (gegründet 1911) eingeführt und so im deutschen Sprachraum festgeschrieben. 

erste Kunststoffe

Die ersten Kunststoffe wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch chemische Umwandlung hochmolekularer Naturstoffe entwickelt (Galalith, Celluloid, Kunstseiden), zum Teil als Ersatz der teuren und hochwertigen Naturprodukte. 1905 gelang es Baekeland, die Harzbildung aus Formaldehyd und Phenolen so zu steuern, dass die dabei gebildeten Produkte als Werkstoffe verarbeitet werden konnten. Die ersten Versuche zur Herstellung eines synthetischen Elastomers („Gummi“, Methyl-Kautschuk) ‒ wiederum als Ersatz des durch die Blockade im 1. Weltkrieg nicht mehr zur Verfügung stehenden Naturkautschuks ‒ wurden in Deutschland unternommen. Die Entwicklung der Kunstfasern geht vor allem auf Arbeiten von Carothers (USA) zurück, dem es gelang, aus Dicarbonsäuren und Diaminen Polyamide zu erhalten, welche sich zu Fasern verspinnen ließen.

Durch das Fehlen jeglicher Grundkenntnisse über die Struktur dieser Werkstoffe wurde allerdings zunächst ein echter Fortschritt verhindert. Lange Zeit war man allgemein der Ansicht, dass auch Stoffe wie Cellulose, Gummi oder Vinylpolymere im Wesentlichen aus Molekülen von relativ niedriger Molekülmasse bestehen würden. Man sah die besonderen Eigenschaften dieser Materialien als eine Folge der Zusammenlagerung der Moleküle zu Kolloidteilchen, sogenannten Micellen, an. 

Makromoleküle

Erst durch die energische Pionierarbeit des deutschen Chemikers Hermann Staudinger, der 1922 den Begriff „Makromolekül“ einführte, begann der eigentliche Fortschritt. Staudinger erkannte, dass die Hochpolymeren aus Molekülen von sehr hoher Molmasse, den sogenannten Makromolekülen, aufgebaut sind, in welchen die einzelnen Kohlenstoffatome untereinander in genau derselben Weise miteinander verknüpft sind wie in irgendeinem niedermolekularen organischen Stoff. Für diese Arbeiten erhielt Staudinger 1953 den Nobelpreis. Der „Normenausschuss Kunststoffe“ schlug später für diese Werkstoffklasse folgende Begriffsbestimmung vor: 

Definition: „Kunststoff“

„Kunststoffe sind Materialien, deren wesentliche Bestandteile aus solchen makromolekularen organischen Verbindungen bestehen, die synthetisch oder durch Umwandlung von Naturprodukten entstehen. Sie sind in der Regel bei der Verarbeitung unter bestimmten Bedingungen (Wärme, Druck) plastisch formbar oder sind plastisch geformt worden“.

Diese makromolekularen Verbindungen werden Polymere genannt. Innerhalb eines Makromoleküls und somit einer Polymerkette liegt eine niedermolekulare Einheit vor, welche sich vielfach wiederholt aneinanderreiht und somit ein Makromolekül bildet. Je mehr dieser Wiederholungseinheiten verknüpft sind, desto länger ist die resultierende Polymerkette. Die Art (struktureller Aufbau) der Wiederholungseinheit und dessen Anzahl (durchschnittliche Kettenlänge) innerhalb eines Polymers legen chemische und physikalische Eigenschaften fest. Durch zugeführte Zusätze (Additivierung) können die Eigenschaften beeinflusst und somit angepasst bzw. optimiert werden. Das resultierende Produkt aus dem Polymer und seiner Additivierung wird als Kunststoff bezeichnet.

Anstelle von „Kunststoff“ findet man vor allem in älterer Literatur ebenso wie im allgemeinen Sprachgebrauch auch die Bezeichnung „Plastik“ oder „Plaste“ (von lat. „plasticus“ mit der Bedeutung weich, verformbar, elastisch). Plaste war ein in der ehemaligen DDR offiziell eingeführter Begriff für Kunststoffe.

2.1.1 Herstellung von Kunststoffen

Ein Kunststoff entsteht durch die Additivierung des zuvor gefertigten Polymers indem beispielsweise Stabilisatoren, Zuschlagstoffe, Weichmacher oder Flammschutzmittel sowie Zusätze in Form von Pigmenten und Füllstoffen zugefügt werden (vgl. hierzu Kapitel 5).

Die Herstellung von Polymeren basiert grundsätzlich auf drei zu unterscheidenden Reaktionsvorgängen:

Polymerisation,

Polykondensation und

Polyaddition.

Die niedermolekularen Ausgangsmoleküle bezeichnet man bei allen Reaktionsvorgängen als Monomere.

2.1.1.1 Polymerisation 

Monomere als Grundbausteine

Unter dem Begriff Polymerisation versteht man eine Kettenreaktion, bei der ungesättigte Moleküle zu Makromolekülen (Polymeren) verknüpft werden. Es bilden sich hierbei keine Reaktionsnebenprodukte.

Im Fall der Polymerisation besitzen die Monomere aufspaltbare Doppel- bzw. Dreifachbindungen. Nach erfolgter Reaktion stellen sie die Basis für die sich wiederholende Einheit dar und bilden somit den Grundbaustein eines Polymers. Als einfaches Beispiel ist die Entstehung von Polyethylen aufgezeigt:

(2.1)

Die Anzahl n der Grundbausteine, die eine Molekülkette bilden, nennt man auch Polymerisationsgrad. Die Gesamtheit der entstehenden Makromoleküle und somit der Polymerketten stellt das Polymer dar.

Der Ausdruck „Kettenreaktion“ hat nichts damit zu tun, dass in diesem Falle Molekülketten entstehen. Er bezeichnet vielmehr die Kinetik und somit das zeitliche Voranschreiten einer Reaktion, die aus drei zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen bzw. Reaktionsteilschritten besteht:

Startreaktion,

Kettenwachstumsreaktion und

Abbruchreaktion.

Je nach Art der reaktionsfähigen Teilchen, die die Polymerisation der Monomere auslösen, unterscheidet man die folgenden Polymerisationsarten voneinander:

radikalische Polymerisation,

ionische Polymerisation (kationisch oder anionisch) und

Polymerisation mit Übergangsmetallverbindungen.

Die Reaktionsteilschritte für die Polymerisation mit Übergangsmetallverbindungen können nicht ohne Einschränkung formuliert werden, da es bis heute noch nicht gelungen ist, den Reaktionsablauf dieser Polymerisationsart restlos aufzuklären.

2.1.1.1.1 Radikalische Polymerisation 

Initiatoren bilden Radikale

Zum Start der Polymerisation zerfallen sogenannte Initiatoren durch Energiezufuhr in sehr reaktionsfähige Radikale (I*), die dann mit den Monomeren (M) reagieren. Eine typische Initiatorklasse sind Peroxide wie beispielsweise Wasserstoffperoxid (H2O2) oder Dibenzoylperoxid.

Reaktionsablauf (Bild 2.1):

Startreaktion, d. h. die Initiatoren (I-I) zerfallen in ihre Radikale (I*) durch Energiezufuhr.

Kettenwachstumsreaktion:

Die Radikale reagieren nun mit einem doppelt gebundenen Kohlenstoffatom eines Monomers (M; in diesem Fall Ethen: H2C=CH2). Es resultieren eine Bindung zwischen dem Initiatorfragment und dem Kohlenstoffatom sowie ein Radikal am anderen Kohlenstoffatom der Doppelbindung.

Die neue reaktive Gruppe (Position des Radikals) reagiert Schritt für Schritt mit weiteren Doppelbindungen, wobei stets die Position des Radikals um einen Grundbaustein verschoben wird. Dies führt zu einer Verlängerung der Polymerkette. Da diese Art von Wachstum sehr schnell abläuft, spricht man von einer Kettenreaktion.

Abbruch, d. h. die Polymerisation kommt zum Stillstand durch:

Reaktion zweier Radikal-Enden von zwei Polymerketten unter Bildung einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindung (Kombination). Es resultiert eine zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise lange Kette mit vielen Wiederholungseinheiten (Grundbausteinen).

Reaktion der radikalischen Gruppe einer Polymerkette mit dem Initiatorradikal (ebenfalls eine Kombination).

Übertragung eines Wasserstoffatoms von einem Makroradikal zu einem anderen Makroradikal (Disproportionierung). Von den zwei entstehenden, unreaktiven Ketten kann diejenige mit der neu gebildeten Doppelbindung theoretisch wieder von einem Radikal angegriffen werden. In diesem Fall wird die bestehende Kette als Verzweigung eingebaut.

Eliminierung eines Wasserstoffatoms (der Radikalposition benachbart) unter Bildung einer Doppelbindung sowie eines neuen, eigenständigen Radikals.

Bild 2.1 Polymerisation

2.1.1.1.2 Ionische Polymerisation 

Reaktivität durch Ionen

Im Gegensatz zu der radikalischen Polymerisation, bei der die wachsenden Ketten an einem Ende eine reaktive Stelle (Radikal) besitzen, liegen bei der ionischen Polymerisation am Kettenende immer positiv (Kationen) oder negativ (Anionen) geladene Ionen vor. Dies basiert auf der abweichenden Initiierung, da an dieser Stelle ionische Katalysatoren verwendet werden.

Kationische Polymerisation 

Protonenabgabe

Katalysatoren für die kationische Polymerisation sind Säuren (z. B. Schwefelsäure H2SO4 oder Phosphorsäure H3PO4) und sogenannte Friedel-Crafts-Katalysatoren (z. B. Bortrifluorid BF3 oder Aluminiumchlorid AlCl3). Diese Substanzen geben in Verbindung mit Wasser Protonen (H+) ab. Infolge ihrer positiven Ladung sind Protonen elektronenanziehend und dienen ‒ aufgrund ihrer Neigung sich an Doppelbindungen anzulagern ‒ als Reaktionsstarter einer kationischen Polymerisation.

Beispielhaft ist die kationische Polymerisation von Isobutylen mit Bortrifluorid/Wasser zu Polyisobutylen, siehe Bild 2.2:

Bild 2.2 Kationische Polymerisation von Polyisobutylen

Startreaktion, d. h. Ionenbildung eines sauer reagierendem Katalysators,

Wachstumsreaktion,

Kettenabbruch: Dieser Abbruch erfolgt durch die Anlagerung eines Anions. Die willkürliche Beendigung der Reaktion kann durch den Zusatz von Basen oder analogen Stoffen herbeigeführt werden. Ein verfrühter, ungewollter Abbruch findet durch die Anlagerung des Katalysator-Anions statt.

Anionische Polymerisation 

Protoneneinfang

Katalysatoren für die anionische Polymerisation sind starke Basen (z. B. Natronlauge NaOH oder Kalilauge KOH). In der Praxis werden häufig starke Basen auf Grundlage metallorganischer Verbindungen angewendet (z. B. Natriumalkoholate R-ONa oder Natriumamid NaNH2). Diese Substanzen sind nucleophil („kernsuchend“). Sie sättigen mit ihrem freien Elektronenpaar ein positiv polarisiertes C-Atom in der Doppelbindung eines Monomers ab. Dadurch entsteht an dem anderen C-Atom der Doppelbindung ein Anion, das sofort mit einem weiteren Monomer reagieren kann. Es ergibt sich eine wachsende Kette. Durch Anlagerung eines Protons, z. B. aus einem Lösungsmittelmolekül, erfolgt jeweils der Kettenabbruch.

Die anionische Polymerisation ist beispielhaft anhand der Reaktion von Acrylsäuremethylester mit Natriumamid zu Polymethacrylat in Bild 2.3 dargestellt.

Bild 2.3 Anionische Polymerisation von Polymethacrylat

2.1.1.1.3 Polymerisation mit Übergangsmetallverbindungen 

Metallkomplexe als Katalysator

Die große Bedeutung dieser Polymerisationsmethode besteht darin, dass sehr regelmäßig aufgebaute Ketten entstehen. Das nach diesem Verfahren (Niederdruckverfahren) hergestellte Polyethylen hoher Dichte (PE-HD) hat z. B. im Unterschied zu dem unter hohem Druck radikalisch hergestellten Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD) keine oder nur wenige Kettenverzweigungen und damit infolge stärkerer Kristallisation eine höhere Dichte (Bild 2.4). Lineares Polyethylen niedriger Dichte (PE-LLD), das nach verschiedenen Verfahren polymerisiert werden kann, hat nur sehr kurze Seitenäste, diese aber in großer Anzahl.

Bild 2.4 Molekülaufbau verschiedener PE-Typen

Als Katalysatoren verwendet man sogenannte Metallkomplexverbindungen, z. B. ein Gemisch aus Titantrichlorid und Triethylaluminium.

Der Mechanismus dieser Polymerisation ist noch nicht in allen Einzelheiten bekannt. Jedoch muss man aufgrund unterschiedlicher Polymerisationsmöglichkeiten sowie verschiedener Kettenabbruchreaktionen, welche parallel zueinander ablaufen, davon ausgehen, dass das so synthetisierte Polymer nicht aus Ketten mit einer einheitlichen Länge (Molekulargewicht) besteht. Man findet in Polymeren immer eine mehr oder weniger breite Molekulargewichtsverteilung der Ketten (Polydispersität) vor. Diese beeinflusst ‒ neben der Art der Wiederholungseinheit ‒ das Eigenschaftsbild des Werkstoffes massiv.

2.1.1.1.4 Die Technik der Polymerisation 

Aktivierung durch Energiezufuhr

Um eine Kettenbildung zu starten, ist eine gewisse Aktivierungsenergie, meist in Form von zugeführter Wärme bzw. Strahlung, notwendig. Man unterscheidet die in Tabelle 2.1 aufgelisteten technischen Polymerisationsverfahren.

Tabelle 2.1 Übersicht über technische Polymerisationsmethoden

Polymerisationsmethode

Merkmale

Substanzpolymerisation

Direkte Polymerisation der Monomere unter Druck und Temperatur (ohne Zusatzflüssigkeit).

Lösungspolymerisation

Die Monomere werden in einem Lösungsmittel gelöst und polymerisiert. Das Polymerisat bleibt in Lösung.

Fällungspolymerisation

Die Monomere werden in einem Lösungsmittel gelöst. Das resultierende Polymerisat ist in diesem Lösungsmittel unlöslich und fällt aus.

Emulsionspolymerisation

Die Monomere werden in einem sogenannten Emulgator fein verteilt und in diesem polymerisiert. Das Polymerisat bleibt dispergiert.

Perl(Suspensions-)polymerisation

Die Monomere werden durch Rühren in Wasser zu kleinen Tröpfchen zerteilt und in diesen polymerisiert. Das Polymerisat fällt aus.

a) Substanzpolymerisation (Masse- oder Blockpolymerisation) 

spontane Reaktion

Die Substanzpolymerisation besteht im Wesentlichen darin, dass Monomere ‒ zusammen mit Initiatoren und Katalysatoren ‒ ohne Zugabe von Flüssigkeiten unter bestimmten Reaktionsbedingungen (wie beispielsweise Druck und Temperatur) spontan miteinander reagieren. Das größte Problem stellt naturgemäß die Beherrschung der Reaktionswärme dar. Die Wärmeabfuhr wird durch die Beschränkung auf rohrförmige Reaktionsräume mit nicht zu großen Querschnitten kontrolliert. Das wichtigste Verfahren dieser Art ist die Hochdruckpolymerisation von Polyethylen, bei welcher das gasförmige Ethylen unter Druck von ca. 2000 bar und Temperaturen von 200 °C in Hochdruckreaktoren ‒ Rohrleitungen mit sorgfältiger Temperierung ‒ polymerisiert wird.

Styrol, Methacrylsäuremethylester, Butadien und Vinylchlorid polymerisieren ebenfalls auf diese Weise.

In einigen wenigen Fällen lässt sich eine Substanzpolymerisation direkt in Formen (und somit in situ) ausführen. Die schwierige Temperaturführung und der Volumenschwund (der oft auch bei anderen Gelegenheiten in der Kunststoffverarbeitung Schwierigkeiten bereitet) werfen jedoch Probleme auf, sodass sich das Verfahren nur bei besonders hochwertigen Polymerisaten, wie z. B. organischen Gläsern aus Polymethylmethacrylat (PMMA), realisieren lässt.

b) Lösungspolymerisation 

Polymerisation in Lösung

Hier liegen sowohl Monomere als auch die entstehenden Polymere zwecks einfacherer Temperaturführung in einer flüssigen Umgebung gelöst vor. So entstehen z. B. Polyvinylacetat, Niederdruckpolyethylen und Polyacrylsäure. Nach der Polymerisation muss das Lösungsmittel gegebenenfalls durch Verdampfung entfernt werden.

Vielfach werden die Lösungen, in denen das synthetisierte Polymer in gelöster Form vorliegt, auch direkt verwendet, z. B. für Klebstoffe.

c) Fällungspolymerisation 

Ausfällen aus der Lösung

Bei diesem Verfahren werden die Monomere in einem Lösungsmittel gelöst und in diesem polymerisiert. Das entstandene Polymer ist ‒ im Gegensatz zu dem Monomer ‒ unlöslich und fällt daher ab der Überschreitung einer bestimmten Kettenlänge aus. Dieses Verfahren ist wirtschaftlicher als die Lösungspolymerisation, da es schneller abläuft und das Lösungsmittel unmittelbar wieder verwendbar ist. Nach diesem Verfahren werden z. B. Niederdruckpolyethylen und Polyisobutylen hergestellt.

d) Emulsionspolymerisation 

Polymerisation in einer Emulsion

Bei der Emulsionspolymerisation werden wasserunlösliche Monomere zunächst unter Verwendung geeigneter Stabilisatoren in Wasser emulgiert. Für diese Stabilisierung werden sogenannte Emulgatoren (z. B. Seifen) eingesetzt. Zum Start der Polymerisation werden wasserlösliche Initiatoren zugesetzt. Diese lagern nun Monomermoleküle unter Ausbildung der Polymerkette an. Die Polymerisation findet jedoch nicht in den emulgierten Monomertröpfchen, sondern an der Grenzfläche und somit in den Seifenmizellen statt. Es liegt folglich ein dreiphasiges Gemisch aus flüssigem Monomer, kurzkettigen Polymeren und festem Polymer (in wässriger Phase dispergiert) vor. Das Endprodukt fällt schließlich als pulverartig dispergierter Bodensatz an. Ein anschließender Trennungsprozess liefert ein sehr feinpulvriges Material (z. B. das sogenannte E-PVC). Nicht immer ist ein anschließender Trennungsprozess notwendig; teilweise werden die anfallenden Dispersionen direkt weiterverarbeitet (Anstrichmittel, Klebstoff oder Appretur).

Aus technischen Gründen ist eine vollständige Entfernung des Emulgators in der Regel nicht möglich. Die im Polymerisat verbleibenden Emulgator-Rückstände können einen negativen Einfluss auf die Eigenschaften des Polymers und somit auch auf den Kunststoff haben.

e) Suspensionspolymerisation (Perlpolymerisation) 

Polymerisation in Suspension

Bei der Suspensionspolymerisation werden Monomere und Initiatoren durch entsprechend stärkeres, mechanisches Rühren in Wasser fein verteilt. Diese Methode hat den Vorteil, dass durch den Verzicht auf einen Emulgator dieser auch nicht nachträglich entfernt werden muss. Das Polymerisat fällt in Form kleiner Perlchen an, die leicht von Wasser getrennt werden können. Man erhält hochwertige Polymerisate. Die Perlen lassen sich teilweise direkt als Granulat verwenden. Auf diese Weise lassen sich z. B. Polyacrylnitril und Polyvinylacetat herstellen.

2.1.1.2 Polykondensation 

Unter dem Begriff Polykondensation versteht man eine Stufenreaktion, bei der Makromoleküle („Polykondensate“) unter Abspaltung von Nebenprodukten (z. B. Wasser, Ammoniak, Alkohol) gebildet werden. Bei den Ausgangssubstanzen (Monomere) dieser Methode werden ‒ im Gegensatz zu den Polymerisationen ‒ keine Doppelbindungen vorausgesetzt. Stattdessen sind sogenannte „funktionelle Gruppen“, d. h. Atomgruppierungen, die besonders reaktionsfähig sind, notwendig. Dies sind z. B. folgende funktionelle Gruppen:

Hydroxyl-Gruppe [-OH],

Carbonyl-Gruppe [-C=O],

Carboxyl-Gruppe [-COOH],

Amino-Gruppe [-NH2].

Sowohl lineare als auch verzweigte oder gar vernetzte Polykondensate können je nach Funktionalität der Monomere (bi-, tri- oder höherfunktional; d. h. zwei, drei oder mehrere funktionelle Gruppen besitzend) hergestellt werden (Bild 2.5).

Bild 2.5 Polykondensation; oben: unverzweigt, unten: verzweigt 

Gleichgewichtsreaktion

Die Polykondensation stellt eine echte chemische Gleichgewichtsreaktion dar. Werden die Nebenprodukte nicht abgeführt, so hört die Reaktion auf, wenn sich ein Gleichgewicht zwischen den Monomeren auf der einen sowie den Polymerketten und Abspaltprodukten auf der anderen Seite eingestellt hat. Die Reaktion lässt sich entsprechend in Stufen durchführen, d. h. sie kann unterbrochen und wieder in Gang gesetzt werden. Dies wird vielfach ausgenutzt. Ferner können verschiedene Arten von Monomeren aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionalitäten miteinander kombiniert werden. Auch das Gebiet der sogenannten Copolymerisation wird vielseitig angewendet.

Das Abführen der Nebenprodukte wirft oft technische Probleme auf, z. B. Blasenbildung, die den Einsatz von Polykondensationsprodukten nicht immer angemessen erscheinen lassen, z. B. beim Vergießen oder Laminieren.

Die wichtigsten Gruppen der Polykondensate sind: Melaminharze, Harnstoffharze, Phenolharze, Polyamide, Polycarbonate, Polyester und Silikone.

2.1.1.3 Polyaddition 

Wie bei der Polykondensation müssen die Ausgangssubstanzen der Polyaddition besonders reaktionsfähige funktionelle Gruppen enthalten. Im Gegensatz zu den Kondensationsreaktionen werden jedoch keine Nebenprodukte, sondern ‒ lediglich durch „Addition“ der Monomere ‒ hochmolekulare Polyaddukte gebildet (Bild 2.6).

Bild 2.6 Polyaddition am Beispiel der Polyurethansynthese

Für diesen Reaktionstyp ist charakteristisch, dass Protonen einer funktionellen Gruppe (z. B. OH) des einen Ausgangsmoleküls zu einem freien Elektronenpar einer funktionellen Gruppe eines anderen Ausgangsmoleküls (z. B. am Stickstoffatom eines Isocyanates) wandern. Am verbleibenden Nachbarn (Sauerstoffatom) des wandernden Protons entsteht ein Elektronenüberschuss. Der ‒ aufgrund des Umklappens einer Doppelbindung entstehende ‒ Elektronenmangel am C-Atom (der Isocyanatkomponente) verursacht wiederum das Anbinden an den elektronenreichen Sauerstoff unter Bildung einer sogenannten kovalenten Bindung. Auf diese Weise werden zwei unterschiedliche Monomere miteinander verknüpft (beispielsweise über die Ausbildung einer Urethangruppe) ohne ein Abspaltungsprodukt zu bilden. Ursache der Polyaddition ist meist die Polarisierung der funktionellen Gruppe mit einer Positivierung des Kohlenstoffatoms. Typische Polyaddukte sind

Polyoxymethylene,

Polyurethane,

Epoxidharze.

Polykondensations- und Polyadditionsreaktionen können nur unter verschiedenartigen Reaktionspartnern stattfinden, falls kein aufeinander abgestimmtes, bifunktionales Monomer vorliegt. Um das Voranschreiten der Polyaddition gewährleisten zu können, müssen mindestens zwei funktionelle, d. h. reaktionsfähige, Bausteine in einem Monomer vorliegen.

Sowohl bei der Polykondensation als auch bei der Polyaddition erfolgt die Zusammenlagerung der Monomere durch die Verbindung reaktionsfähiger Endgruppen verschiedener Monomere. Bei der Polymerisation basiert das Prinzip auf einem radikalisch induzierten Aufklappen einer Doppelbindung in zwei Einfachbindungen. 

lineare und verzweigte Ketten

Handelt es sich ‒ im Fall einer Polyaddition oder Polykondensation ‒ um bifunktionelle Monomere, d. h. die Monomere können nur jeweils zwei Bindungen tätigen, so resultieren zwangsläufig rein lineare Kettenmoleküle. Handelt es sich hingegen um mehrfunktionelle Partner, so verknüpfen sich die gebildeten Ketten zudem untereinander. Es entsteht ein Netzwerk (Bild 2.7).

Bild 2.7 Vernetzungsreaktion der Epoxidharze

2.1.2 Bindungskräfte in Polymeren 

Haupt- und Nebenvalenzkräfte

Innerhalb einer Polymerkette wirken Haupt- und Nebenvalenzkräfte, welche die Eigenschaften des Polymers beeinflussen. Bei den Hauptvalenzkräften handelt es sich um die chemischen Atombindungen, auch Kovalent- oder Elektronenpaar-Bindungen genannt. Je nach Anzahl der Bindungen zwischen zwei Atomen unterscheidet man zwischen Einfach-, Doppel- und Dreifachbindung.

Die Nebenvalenzkräfte, auch zwischenmolekulare Kräfte, sekundäre Bindungskräfte oder Van-der-Waalssche Kräfte genannt, sind im Gegensatz zu Hauptvalenzkräften physikalischer Natur. Solche zwischenmolekularen Kräfte sind die zwischen den Makromolekülen wirksamen Kräfte, die auf der Verteilung und Bewegung der Elektronen beruhen. Sie lassen sich ihrem Ursprung nach in folgende Gruppen einteilen:

Dispersionskräfte,

Dipolkräfte,

Wasserstoffbrückenbindungen. 

Temperatureinfluss

Die Stärke der Nebenvalenzkräfte und damit ihre Bedeutung für die Moleküleigenschaften sind abhängig von der Größe, der Gestalt und der Ordnung der Makromoleküle, ferner von der Molekülart und den äußeren Einflüssen. Beim Erwärmen werden beispielsweise Nebenvalenzkräfte zunehmend überwunden, was zu einem leichteren „Abgleiten der Ketten“ führt. Das geschieht bei einer für jedes Molekül charakteristischen Temperatur.

a) Dispersionskräfte 

E ∼ r‒6

Dispersionskräfte sind die allgemein in Materie wirkenden Anziehungskräfte. Die Bindungsenergie dieser Dispersionskräfte ist dem Abstand der Moleküle zur sechsten Potenz umgekehrt proportional und liegt im Bereich < 10 kJ/mol. Erwartungsgemäß sind die Dispersionskräfte in kristallinen Bereichen besonders groß, da hier die Moleküle die dichtest mögliche Packung, d. h. die größte Nähe zueinander, besitzen. Dies ist die Ursache der vor allem im hochverstreckten Zustand beachtlichen Festigkeit von Kunststoffen.

b) Dipolkräfte 

Ladungsverschiebung

Gehen zwei Atome mit verschiedener Elektronegativität eine kovalente Bindung ein, so entsteht ein Dipol. Ein Dipol zeichnet sich dadurch aus, dass die Elektronenverteilung und somit die Ladungsschwerpunkte permanent unsymmetrisch sind, d. h. das elektronegative Atom zieht die Elektronen stärker an und ist infolgedessen negativ polarisiert, während das andere, elektronenärmere Bindungsatom positiv polarisiert vorliegt. Über die elektronische Anziehung unterschiedlich polarisierter Gruppen zweier Polymerketten können diese, wenn sie sich in räumlicher Nähe befinden, die freie Beweglichkeit der Ketten beinträchtigen. 

Fernwirkung

Dipolkräfte werden durch Wärmebewegung geschwächt, da das Dipolmoment (Maß der Polarisationsstärke) aufgrund der höheren Beweglichkeit der Atome geschwächt wird. Durch Verknäuelungen von Seitenketten wiederum kommen sich Dipole oft räumlich näher, sodass sich ihre Wirkung über größere Molekülabstände hinweg erstrecken kann (Initiierung neuer Dipole).

Polare Makromoleküle entstehen, wenn in den Molekülketten die Ladungsschwerpunkte verschoben sind. Bei symmetrischem Aufbau der Makromoleküle (z. B. Polyethylen) liegen die Ladungsschwerpunkte hingegen je innerhalb der Molekülachse und sind infolgedessen unpolar.

c) Wasserstoffbrückenbindungen 

Elektronegativität hohe Kräfte

Wasserstoffbrückenbindungen bestehen zwischen zwei verschiedenen Dipolen, die einerseits auf einem positiv polarisierten Wasserstoffatom und andererseits auf einem negativ polarisierten Atom mit mindestens einem freien Elektronenpaar, z. B. O, Cl, N oder F, aufgebaut sind. Aufgrund der stark ausgeprägten Anziehung zwischen einem polarisierten Wasserstoffatom und einem freien Elektronenpaar einer negativ polarisierten Gruppe ist die Bindungsenthalpie der Wasserstoffbrückenbindungen im Vergleich zu anderen Nebenvalenzkräften besonders hoch. Die entstehenden Anziehungskräfte bedingen die Festigkeit vieler Polymere, wie beispielsweise bei Cellulose, Proteinen, Polyamiden und Polyurethanen siehe (Bild 2.8).

Bild 2.8 Wasserstoffbrücken in Polyamid 6,6 und Polyurethan

2.2 Einteilung der Kunststoffe

Die Einteilung der Kunststoffe in bestimmte Werkstoffgruppen ergibt sich aus der Struktur und dem Bindungsmechanismus der Makromoleküle, aus denen die Polymerkomponenten aufgebaut sind. Je nach Art der Makromoleküle (Bild 2.9) , unterscheidet man:

lineare Kettenmoleküle → Thermoplaste

verzweigte Kettenmoleküle → Thermoplaste

schwach vernetzte Kettenmoleküle → Elastomere

stark vernetzte Kettenmoleküle → Duroplaste

Bild 2.9 Schematische Darstellung der Anordnung der Kettenmoleküle in Polymeren

2.2.1 Thermoplaste 

Seitenketten bedingen Kettenanordnungen

Die Polymere, deren Makromoleküle lineare oder verzweigte Ketten darstellen, nennt man Thermoplaste oder auch Plastomere. Die einzelnen Molekülfäden werden untereinander ausschließlich durch sekundäre Bindungskräfte zusammengehalten. Die Höhe der Sekundärkräfte ist unter anderem von der Art und Anzahl der Verzweigungen bzw. Seitenketten abhängig. Besitzen die Moleküle nur geringe Verzweigungen, d. h. kurze und wenige Seitenketten, so können sich die einzelnen Molekülfäden dicht nebeneinander legen. Diesen Vorgang der Entstehung des dichten Packungszustands der Moleküle bezeichnet man auch als Kristallisation. 

Teilkristallinität

Aufgrund der langen Molekülketten, die sich bei ihrer Synthese auch um- und ineinander verschlingen, kann es nie zu einer vollständigen Kristallisation kommen. Daher spricht man auch von teilkristallinen Thermoplasten. Diese teilkristallinen Thermoplaste sind im nicht eingefärbten Zustand nie glasklar, sondern durch die Lichtstreuung an den Grenzen der Kristallite (kristalline Bereiche) immer etwas trübe oder milchig. 

amorphe Thermoplaste

Polymere, deren monomere Bausteine komplexe chemische Strukturen darstellen (z. B. der Benzolring beim Polystyrol am C-Atom), deren Molekülketten stark verzweigt und deren Seitenketten lang sind, können den Zustand einer so dichten Packung wie in Kristalliten aufgrund ihres unregelmäßigen Aufbaus nicht einnehmen. Hier sind die Kettenmoleküle wie in einem Knäuel oder einem Wattebausch in- und umeinander verschlungen. Sie erstarren ebenso wie die anorganischen Gläser amorph. Kunststoffe mit solch einer amorphen Polymerkomponente bezeichnet man deshalb auch als amorphe Thermoplaste. Da sie im nicht eingefärbten Zustand immer glasklar sind, werden diese Thermoplaste auch als synthetische oder organische Gläser bezeichnet. In Bild 2.10 ist die Anordnung der Makromoleküle für einen teilkristallinen und einen amorphen Thermoplasten schematisch dargestellt.

Bild 2.10 Amorphe bzw. teilkristalline Struktur von Thermoplasten 

spröder bzw. zähelastischer Zustand

Im normalen Gebrauchsbereich (Raumtemperatur) verhalten sich Thermoplaste spröde (amorphe Thermoplaste) oder zähelastisch (teilkristalline Thermoplaste). Bei steigender Temperatur werden die sekundären Bindungskräfte der Kettenmoleküle infolge der erhöhten Wärmeschwingung herabgesetzt. Die einzelnen Molekülketten lassen sich gegeneinander verschieben, so dass der Werkstoff elastisches Materialverhalten zeigt. 

plastisches Fließen

Wird die Temperatur noch weiter gesteigert, so gleiten die einzelnen Molekülketten aneinander ab und das Material geht in den Zustand des plastischen Fließens über. Dieser Übergang vom hart-elastischen in den plastischen Zustand kann bei Thermoplasten beliebig oft durch Aufheizen und Abkühlen wiederholt werden, solange nicht die Temperatur überschritten wird, bei der die Makromoleküle chemisch abgebaut oder zerstört werden. Thermoplastische Kunststoffe sind daher aufgrund der Beweglichkeit ihrer Molekülketten schmelzbar, schweißbar, quellbar und löslich. 

amorphe Thermoplaste Glasübergang

Betrachtet man das Formänderungsverhalten eines amorphen Thermoplasten (Bild 2.11), so liegt dieser bei Raumtemperatur als harter, spröder Werkstoff vor. Mit steigender Temperatur sinkt die Festigkeit des Werkstoffs ‒ gleichzeitig steigt die Dehnbarkeit an. Nach Überschreiten der Glasübergangstemperatur TG, bei der die bisher eingefrorenen Makromoleküle beweglich werden, fällt die Festigkeit steil ab, während die Dehnung dagegen sprunghaft ansteigt. In diesem Temperaturbereich befindet sich der Kunststoff in einem kautschuk- oder hochelastischen Zustand. Wird die Temperatur weiter erhöht, geht der Kunststoff bei Überschreiten der Fließtemperatur in den Schmelzezustand über.

Bild 2.11 Zugfestigkeit σ und Bruchdehnung ε eines amorphen Thermoplasten 

Fließfähigkeit

Als Fließtemperatur wird die Temperatur definiert, bei der eine für die Verarbeitung auf handelsüblichen Maschinen ausreichend niedrige Viskosität (Fließfähigkeit) erreicht ist, bei der eine Urformung möglich ist. Je höher z. B. das Molekulargewicht des Polymers ist, umso höher ist aufgrund der stärkeren Verschlaufung der Moleküle die Fließtemperatur. Wird die Temperatur zu weit erhöht, so wird der Werkstoff thermisch zersetzt, d. h. Hauptbindungen werden irreversibel gebrochen. Das Polymer ‒ und somit auch der Kunststoff ‒ verliert dadurch sehr schnell seine mechanische Belastbarkeit und unterliegt zudem diversen anderen Eigenschaftsveränderungen. 

teilkristalline Thermoplaste zwei Phasen Glasübergang

Mithilfe des Formänderungsverhaltens lässt sich der Unterschied zwischen einem teilkristallinen und einem amorphen Thermoplasten anschaulich erklären. In Bild 2.12 ist das Verhalten eines teilkristallinen Thermoplasten als Funktion der Temperatur dargestellt. Wie oben bereits angesprochen, ordnen sich die Moleküle eines teilkristallinen Thermoplasten in einigen Bereichen in kristalliner und somit geordneter Struktur an; die Zwischenbereiche zeigen amorphe Strukturen. Im polymeren Werkstoff liegen somit zwei Phasen ‒ amorph und kristallin ‒ nebeneinander vor. Unterhalb der Glasübergangstemperatur TG sind die amorphen Bereiche im Werkstoff erstarrt, sodass der Kunststoff hart und sehr spröde ist. Innerhalb dieses Temperaturbereichs ist der Kunststoff für praktische Anwendungen nicht brauchbar. Bei Überschreiten der Glasübergangstemperatur nimmt zuerst die Beweglichkeit der Molekülketten in den amorphen Bereichen zu. Innerhalb der kristallinen Phase können sich die Molekülketten aufgrund der höheren Nebenvalenzkräfte noch nicht bewegen. Die Glasübergangstemperatur üblicher teilkristalliner Thermoplaste liegt häufig im Bereich unterhalb der Raumtemperatur. Für den praktischen Anwendungsfall befindet sich der Kunststoff somit in einem Zustand, in dem die amorphen Bereiche erweicht sind, während die kristalline Phase noch fest ist. Der Kunststoff besitzt daher gleichzeitig Zähigkeit (aufgrund der Teilbeweglichkeit) und Festigkeit (aufgrund der Kristallite).

Bild 2.12 Zugfestigkeit σ</χσ> und Bruchdehnung ε eines teilkristallinen Thermoplasten 

Schmelzbereich

Mit steigender Temperatur wird die Beweglichkeit der Molekülketten in der amorphen Phase immer größer. Bei Überschreiten der Kristallitschmelztemperatur sind die Bindungskräfte innerhalb der kristallinen Bereiche zu schwach, um ein Verschieben und Abgleiten der Molekülketten zu verhindern. Die kristallinen Bereiche beginnen zu schmelzen. Dabei bildet sich bei einem hohen Molekulargewicht eine amorphe Phase aus. Die langen Moleküle, die sich unterhalb der Kristallitschmelztemperatur geordnet in den Kristalliten befanden, bekommen eine größere Bewegungsfreiheit, d. h. es bildet sich eine hochviskose Schmelze. Bei einer weiteren Temperaturerhöhung wird die Molekularbewegung so groß und somit die Viskosität so niedrig, dass die Fließtemperatur überschritten wird (siehe Bild 2.12). Somit tritt bei hochmolekularen Polymeren ein kautschukelastischer Bereich zwischen der Kristallitschmelz- und der Fließtemperatur auf.

Besitzt das Polymer jedoch ein niedriges Molekulargewicht, so wird der Kunststoff bei Überschreiten der Kristallitschmelztemperatur direkt dünnflüssig und niedrigviskos. Der kautschukelastische Bereich fällt weg, da die Fließtemperatur der amorphen Phase bereits überschritten ist. Dies ist bei den meisten handelsüblichen Thermoplasten der Fall.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Thermoplaste aus langen Molekülketten aufgebaut sind, die linear oder verzweigt sein können. Der Zusammenhalt der einzelnen Molekülketten wird durch sekundäre Bindungskräfte erzeugt. Ein Thermoplast kann deshalb immer wieder geschmolzen werden. Des Weiteren ist ein Thermoplast quellbar, schweißbar und löslich. Thermoplaste mit ungeordneten, ineinander verschlungenen Ketten nennt man amorph. Sie zeigen im erstarrten Zustand ein sprödes Verhalten und sind (im nicht eingefärbten Zustand) glasklar. Thermoplaste mit nebeneinander vorliegenden, geordneten Strukturen (kristalline Phase) und ungeordneten (amorphen) Bereichen nennt man teilkristallin. Sie sind im Bereich zwischen der Glas- und der Kristallitschmelztemperatur meist zähelastisch und durchweg leicht trübe, wenn sie nicht eingefärbt sind.

2.2.2 Duroplaste und Elastomere 

weitmaschige Vernetzung

Neben der Gruppe der Thermoplaste, die aus linearen und/oder verzweigten Kettenmolekülen aufgebaut sind, gibt es Kunststoffgruppen, bei denen die einzelnen Molekülfäden im Polymer durch Querbrücken miteinander verbunden sind. Man bezeichnet diese Querverbindungen auch als Vernetzungsstellen und dementsprechend die Werkstoffe als vernetzte Kunststoffe. Bild 2.13 zeigt zwei unterschiedliche Molekülstrukturen, die beide für vernetzte Kunststoffe charakteristisch sind. In einem Fall sind die Molekülketten regellos verteilt und besitzen nur relativ wenige Querbrücken zu benachbarten Molekülfäden. Kunststoffe mit einer solchen weitmaschigen Vernetzung bezeichnet man als Elastomere oder auch kautschukelastische Stoffe (Gummi), da sie bei Raumtemperatur ein entsprechendes, meist voll reversibles Verformungsverhalten zeigen. Durch die Vernetzungspunkte sind die einzelnen Molekülfäden gegeneinander nur sehr bedingt beweglich. Elastomere sind daher weder schmelzbar noch löslich. In gewissem Maße können Elastomere aber quellen.

Bild 2.13 Struktur von vernetzten Kunststoffen, Elastomere bzw. Duroplaste 

engmaschige Vernetzung nicht schmelzbar

Im anderen Fall handelt es sich ebenfalls um eine regellose Anordnung von Molekülketten. Im Vergleich zu der Elastomerstruktur besitzt diese Struktur aber wesentlich mehr Vernetzungsstellen zwischen den einzelnen Molekülfäden. Polymere, die aus solchen stark vernetzten Kettenmolekülen aufgebaut sind, nennt man Duroplaste. Die Makromoleküle, die über chemische Valenzbindungen dreidimensional miteinander verknüpft sind, bezeichnet man auch als „Raumnetzmoleküle“. Kunststoffe auf Basis dieser stark vernetzten Polymere sind bei Raumtemperatur sehr hart und spröde und zeigen gegenüber den Thermoplasten eine wesentlich geringere Erweichung. Im Unterschied zu Thermoplasten zeigen sie auch unter dauerhafter Last kein Kriechverhalten. Sie lassen sich, ebenso wie die Elastomere, weder schmelzen noch sind sie löslich. Im Gegensatz zu den Elastomeren sind sie aufgrund der starken Vernetzung nur schwach quellbar. 

Aggregatzustände

Die verschiedenen Aggregatzustände von vernetzten Kunststoffen lassen sich mithilfe des Torsionsschwingversuchs gut erklären. In Bild 2.14 ist der Verlauf des Schubmoduls, ein Maß für die Steifigkeit des Kunststoffs, für unterschiedlich vernetzte Kunststoffe in Abhängigkeit von der Temperatur dargestellt. Im Temperaturbereich unterhalb der Glasübergangstemperatur ist der Kunststoff unabhängig von seinem Vernetzungsgrad hart und spröde.

Bild 2.14 Schubmodulkurven von vernetzten und unvernetzten Polymeren

Die Schubmodulkurve des schwach vernetzten Polymers fällt ebenfalls nach Überschreiten der Glasübergangstemperatur ab, sodass der Kunststoff nur noch eine geringe Steifigkeit aufweist. Im Gegensatz zu dem unvernetzten Material behält das schwach vernetzte Polymer diese Steifigkeit aber auch bei weiterer Temperaturerhöhung bei. Der Grund für dieses Verhalten sind die Vernetzungsstellen, die ein Abgleiten der einzelnen Molekülfäden voneinander unmöglich machen. Das Polymer wird also nicht schmelzen, sondern sich bei weiterer Temperaturerhöhung zersetzen (Zersetzungstemperatur TZ).

Ist der Werkstoff stark vernetzt, nimmt seine Steifigkeit auch im Erweichungsbereich nur wenig ab. Bedingt durch die vielen Vernetzungsstellen zwischen den einzelnen Molekülfäden (Raumnetzmolekül) ist die Beweglichkeit der Makromoleküle untereinander sehr stark eingeschränkt. Analog zu den schwach vernetzten Polymeren sind natürlich auch die stark vernetzten nicht schmelzbar. Bei Erreichen der Zersetzungstemperatur wird auch an dieser Stelle die Polymerkomponente zerstört.