Einmal Dresden - nicht zurück - Heike Susanne Rogg - E-Book

Einmal Dresden - nicht zurück E-Book

Heike-Susanne Rogg

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Beschreibung

Dresden ist eine Reise wert! So sieht es auch eine saarländische Reisegruppe und bucht eine Fahrt in die sächsische Hauptstadt. Zusamen mit Busfahrer Hannes und seiner Frau Susanne erleben sie eine informationsreiche Woche, bis ... Ja, bis plötzlich ein Fahrgast spurlos verschwindet, Sofort begebe sich Hannes und Susanne auf Spurensuche, werden aber von der zuständigen Polizei ausgebremst. Das wiederum hindert sie nicht daran, den Fall auf ihre Art weiterzuverfolgen. Die Spur, die sie dabei entdecken, führt in Abgründe. Gelingt es Busfahrer Hannes trotz allem, seinen vermissten Fahrgast lebend wieder zu finden?

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Seitenzahl: 153

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Der Tag vorher
Schock am Nachmittag
Ab nach Dresden
Ankunft im ›Tal der Ahnungslosen‹
Das Reiseprogramm
Besuch in Schloss Pillnitz
Berger auf Abwegen
Parkplatznöte
Bergers Verschwinden
In der Polizeidirektion
Klaus Robeneker
Susannes Fund
In Blieskastel
Abfahrt
In der Ockerwitzer Straße
Wieder daheim
Saarländische Aktivitäten
Der Gefangene
Spurensuche
Zurück in Dresden
Endlich ein Hinweis?
Einzelhaft
Blieskastel am Freitag
Undercover
Im Keller
Dresdenrundfahrt
Fluchtpläne
Sünden der Vergangenheit
Die Fäden laufen zusammen
Ein interessantes Gespräch
Dumm gelaufen
Endlich geht was
Neue Hoffnung
Erklärungsnöte
Erwischt
Eingeholt
Der Tod der jungen Frau
Webers Rache
Nachwort

Impressum neobooks

Einmal Dresden - nicht zurück

Der Tag vorher

»Verdammt noch mal!«

Entgegen seiner ansonsten ruhigen Art fluchte Hannes Germann wie ein Flussschiffer.

»Wie kommt dieser verfluchte Virus auf mein Netbook?«

Er wusste, es würde ihn wieder Stunden kosten, den Computer virenfrei zu bekommen. Und das ausgerechnet Heute, am Vortag seiner nächsten Reise, wo er auf das Gerät angewiesen war. Dabei empfand er besonders diesen Tag immer als besonders stressig.

Nicht nur, dass Kofferpacken angesagt war, er musste seine Papiere und sämtliche Reiseunterlagen zusammenstellen, Getränke sortieren und den Bus für morgen beladen. Wenn er Glück hatte, lagen wenigstens die notwendigen Kleidungsstücke gewaschen und gebügelt im Schrank.

Zudem fiel das Reisegepäck diesmal umfangreicher aus, denn seine Frau Susanne begleitete ihn. Da sie dazu neigte, viel mehr mitzunehmen, als sie letzthin benötigte, durfte sie ihre Habseligkeiten nur noch auf dem Bett stapeln. Er entschied dann, was wichtig war und eingepackt wurde. Immerhin schleppte er den Koffer.

Beide freuten sich auf die gemeinsame Reise, denn durch den Beruf seiner Frau waren sie während der Saison oftmals getrennt. Jetzt aber hatte sie Sommerferien und erledigte auf einer solchen Fahrt die vielen Dinge, die er nicht so mochte.

Am nächsten Tag wollten sie also in den Osten der Republik, nach Dresden starten, aber noch lag viel Arbeit vor ihm. Er rief Susanne, die irgendwo im Haus herumwuselte. Jetzt mussten sie erst einmal den Bus begutachten und laden.

Hannes arbeitete als selbstständiger Dienstleister im Fahrdienst für verschiedene Busunternehmen. Fehlten einem Disponenten Fahrer, sprang er ein. Deshalb wusste er auch nicht, wie sein Bus diesmal aussah, denn man hatte ihm einen Leihbus avisiert. Diese stellen renommierten Busherstellern zur Verfügung, damit man ausprobieren kann, ob sie sich in der Praxis bewähren und für das Unternehmen geeignet sind. Zu seinem großen Bedauern kam der Bus nicht von einem deutschen Hersteller. Aber die Fahrt führte diesmal eine französische Firma durch, die aufgrund der Grenznähe eine Art Filiale oder vielmehr eine Dependance im Saarland unterhielt. Auch die Reisegruppe kannte der Busfahrer noch nicht, wusste aber, dass der Veranstalter ein großer deutscher Automobilclub war. Da er mit Kurt Altmann, dem Organisator bereits unterwegs gewesen war, konnte er sicher sein, dass die Organisation klappte, und viele Dinge, die normalerweise in seinen Aufgabenbereich fielen, von Mitarbeitern des Clubs übernommen wurden. Insofern stand ihm eine angenehme Fahrt bevor.

Sowohl Hannes als auch seine Frau kannten Dresden bereits. Susanne hatte sie kurz nach der Wende im Rahmen einer Exkursion der Uni kennen gelernt und Hannes war zu DDR-Zeiten dort in U-Haft gelandet. Dabei hatte er nur freundlich ›Grüß Gott‹ gesagt. Dummerweise zu einem Volkspolizisten, der ihn daraufhin anfuhr, das hieße ›Guten Tag‹, denn sie seien ein Arbeiter- und Bauernstaat. Und da Hannes meinte, ein Polizist sei nun mal kein Arbeiter, sagte er folgerichtig: »Guten Tag, du Bauer.«.

Das führte zu seiner sofortigen Verhaftung. Da aber kein ostdeutscher Vopo den Bus fahren konnte, geleitete man ihn unter verstärktem Polizeischutz zum Parkplatz an der Carolabrücke, von wo aus es weiter in die Schießgasse ging. Statt im Hotel verbrachte er die Nacht in einer Zelle im Keller der Polizeidirektion. Als er am nächsten Morgen Frühstück verlangte, da in seiner eigentlichen Unterkunft Vollpension gebucht war, wurde er gegen die Zahlung von fünfzig Westmark umgehend entlassen. Eine Quittung händigte man ihm allerdings nicht dafür aus.

Da diese Geschichte aber mehr als dreißig Jahre zurücklag und er weitere Dresdenbesuche unbeschadet überstanden hatte, stand dem aktuellen Reiseplan nichts im Wege.

Aber jetzt war keine Zeit für derartige Reminiszenzen, denn sie mussten endlich los.

Schock am Nachmittag

Wie immer war ihr Auto bis unters Dach mit Getränkekisten und anderen, für die Fahrt notwendigen, Dingen beladen. Vielleicht sollten sie doch endlich über die Anschaffung eines Lieferwagens nachdenken.

Schon von Weitem erkannte Hannes den weißen Bus, der auf dem Betriebshof des Busunternehmens stand. Wie ein Fremdling wirkte er zwischen den betriebseigenen Silbernen. Er verglich das Kennzeichen mit dem auf seinem Fahrauftrag, holte den Schlüssel und öffnete die vordere Tür. Entsetzt wich er zurück.

Seine schrecklichsten Befürchtungen bestätigten sich, als er sah, in welchem Zustand sich dieser ›Vorführbus‹ befand. Das Innere stand vor Dreck. Wo er auch hinsah, nichts als Schmutz und Müll. Die Bordtoilette stank bis in den vorderen Fahrgastraum, Klappen schlossen nicht mehr richtig, schwarze Streifen zogen sich über Monitore und Ablagen. Als er das Wasser sah, das sich zwischen den Seitenscheiben am Fahrplatz gesammelt hatte, überlegte er ernsthaft, Goldfische auszusetzen.

Postwendend fuhr er nach Hause und informierte von dort seinen Auftraggeber in Frankreich. Der meinte zunächst, dann müsse er, als Busfahrer, eben den Bus putzen. Auf den massiven Protest hin beauftragte er dann doch die betriebseigene Putzfrau, die dafür ihren Sonntagnachmittag opfern musste.

Hannes war stinksauer. Er hätte auf seine innere Stimme hören sollen, die ihm sagte, dieses Unternehmen zu meiden. Mit Schrecken dachte er an die letzte Fahrt im vergangenen Jahr zurück, als einer seiner Fahrgäste in Kassel vom Herkules gestürzt wurde und er ohne ihn nach Hause fahren musste. Im Zuge der Mordermittlungen war er ins Visier des Kasseler Hauptkommissar Faubel geraten und nur mithilfe eines mitreisenden saarländischen Kommissars hatte er diesen Verdacht widerlegen können. Gemeinsam hatten sie dann, wenn auch nicht ganz pannenfrei, den wahren Täter ermittelt. Und jetzt das.

Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, starteten Germanns den zweiten Versuch, endlich zu laden. Da die Putzfrau noch nicht eingetroffen war, manövrierte Hannes den Bus in die Waschhalle und sorgte zumindest für äußerliche Sauberkeit. Als er eben die übervolle Toilette leerte, fuhr überraschend der Geschäftsführer auf den Hof. Scheinbar hatte ihm der Bericht seines Fahrers keine Ruhe gelassen. Hatte er bis zu diesem Zeitpunkt gedacht, Hannes würde übertreiben, war er jetzt geschockt. Mit einem solchen Ausmaß hatte er nicht gerechnet.

Er bat Susanne, welche die schmutzigen Tatsachen fotografierte, ihm die Bilder zu schicken, und sie möge doch bitte einen Mängel- und Erfahrungsbericht schreiben. Nachdem auch die Putzfrau eintraf, luden die beiden endlich die Getränkekisten ein. Dann fuhren sie nach Hause.

Den Rest des Tages verbrachten sie mit vielerlei Kleinigkeiten, die wie immer noch zu erledigen waren. Susanne sortierte das ausgedruckte Informationsmaterial über Dresden, Meißen und die sächsische Schweiz. Außerdem druckte sie die etwa hundert Fotos aus, die sie morgen im Büro abliefern wollte. Hannes stellte seine Landkarten zusammen und sah sich den genauen Anfahrtsweg zum Hotel auf Google Earth an. Er stöhnte, als er die Parksituation in der engen Straße erkannte. Danach trödelten sie noch ein bisschen durch den Abend, bis es Zeit wurde, schlafen zu gehen. Die Nacht war wieder einmal kurz.

Ab nach Dresden

Am Morgen füllte Susanne die beiden Coffee-to-go-Becher, die auf jeder Fahrt dabei sein mussten. Wie wichtig sie werden konnten, hatte ihr Mann in Kassel erfahren. Damals bewies sein Kaffeebecher, dass er nicht der Täter sein konnte, und stellte somit sein Alibi dar.

Der Kater bekam noch sein Fressen. Um ihn kümmerte sich in den nächsten Tagen ihre Nachbarin Doris. Hannes packte das restliche Gepäck ins Auto, dann begann die Reise.

Auf dem Betriebshof räumte Susanne den Kühlschrank ein, ihr Mann verlud die Koffer. Die Putzfrau hatte wahre Wunder vollbracht. So wie sie geputzt hatte, konnte man den Bus zumindest mitnehmen. Weitere Mängel würden sich wenn, erst auf der Fahrt rausstellen.

Kurz danach trafen zwei Ehepaare, die so den Weg nach Saarbrücken sparten, auf dem Hof ein. Es überraschte sie sehr, als sie erfuhren, dass ihre Busbesatzung aus dem gleichen Ort stammte, wie sie. Man hatte sich ja noch nie gesehen. Wie auch, wenn man immer unterwegs war? Nachdem das geklärt war, sammelte Hannes die restliche Gruppe an der Saarlandhalle in Saarbrücken ein.

Sieht man davon ab, dass statt Wasser eine Art Klebstoff aus der Scheibenwaschanlage spritzte, was eine sofortige Frontscheibenreinigung erforderte, verlief die Fahrt nach Dresden ohne besondere Vorkommnisse. Hannes fuhr notgedrungen den nächsten Autobahnparkplatz an und Susanne organisierte auf der Damentoilette kaltes Wasser. Dass sich an der einzigen Waschgelegenheit eine Schlange hinter ihr bildete, störte sie nicht weiter. Unverdrossen drückte sie für jeden halben Liter erneut den Druckknopf. Mit einem halb vollen Eimer kehrte sie zum Bus zurück.

Die Fahrgäste genossen inzwischen die unverhoffte Pause bei Crémant und Kuchen. Währenddessen versuchte Hannes, die klebstoffähnliche Substanz mit dem kalten Wasser zu entfernen. Einen sichtbaren Erfolg erzielte er dabei weniger. Immerhin konnte die Fahrt nach einer halben Stunde weitergehen.

In Obersuhl verbrachte die Gruppe eine längere Mittagspause in der Gaststätte ›Zur Krone‹. Susanne hatte die Essenswünschen bereits von unterwegs aus durchgegeben und so erfolgte eine flotte Bewirtung. Gute Organisation ist eben wichtig.

Am Hermsdorfer Kreuz erzählte Hannes seinen Fahrgästen eine Anekdote aus der Zeit, als die Autobahn noch zu DDR-Gebiet gehörte.

»Damals fuhr ich mit einem Bus zur Messe nach Leipzig. Auf der Rückfahrt steuerte ich einem normalen Autobahnparkplatz an, um Pause zu machen. Sofort hielt hinter mir ein Wartburg der Volkspolizei. Die Vopos stiegen aus und erklärten barsch, dass ich dort nicht halten dürfe.

›Warum?‹, lautete meine vorsichtige Frage. ›Da steht ein weißes P auf blauem Grund. Also darf ich hier parken.‹

Daraufhin belehrten sie mich, dass BRD-Busse im Transitverkehr nach Berlin-West ausschließlich auf den dafür vorgesehenen Transitparkplätzen halten dürften. Da ich nun aber aus Leipzig und nicht aus Westberlin kam, erklärte ich den ostdeutschen Polizisten:

›Ich bin ein Einreisebus und kein Transitbus.‹

Woraufhin der Vopo mich anschnauzte:

›Das hätten Sie ja auch gleich sagen können!‹

Nur selten um eine Antwort verlegen, antwortete ich:

›Ich bin belehrt worden nur auf das zu antworten, wonach ich gefragt werde und Sie haben nicht gefragt, woher ich komme.‹

Das war eindeutig der falsche Satz gewesen, denn die darauf folgende Kontrolle hatte sich gewaschen.

Nachdem ich dann einige Zeit später an der innerdeutschen Grenze ankam, empfingen mich die dortigen Grenzbeamten mit den Worten:

›Da kommt ja der Einreisebus, der kein Transitbus ist.‹«

Die Fahrgäste im Bus lachten. Aus der Distanz klangen die Erinnerungen lustig. In der Situation selbst hatte man sich immer mehr als unwohl gefühlt. Und insbesondere Hannes hätte damals so manchen Kommentar besser runtergeschluckt.

Ankunft im ›Tal der Ahnungslosen‹

In Dresden angekommen, erfolgte der Hotelbezug auf die bewährte Art. Susanne ging an die Hotelrezeption, checkte die Gruppe ein und holte die Zimmerschlüssel. Hannes begab sich in der Zwischenzeit in sein persönliches Fitnessstudio und lud das Gepäck aus.

Das Einzige, was sich diesmal von der üblichen Vorgehensweise unterschied, war die Frage des Hotelmitarbeiters, ob die Kurtaxe von den Gästen bereits kassiert wurde. Susanne sah ihn verblüfft an. Sie stand in der sächsischen Hauptstadt, nicht in einer Kurstadt oder einem Seebad. Anstandshalber wäre ›Guten Tag‹ die korrekte Begrüßung gewesen.

»Was bitte soll ich kassieren?«, Susanne glich einem Fragezeichen.

»Die Kurtaxe, ein Euro dreißig pro Tag und Gast. Das sind pro Person für Ihren Aufenthalt sieben Euro achtzig.«

»Seit wann heißt Dresden denn Bad Dresden?«

»Wir sind kein Bad, aber die Kurtaxe wird von den Touristen erhoben, um die kulturellen Einrichtungen der Stadt zu unterhalten.«

Susanne schüttelte unwillig den Kopf. Das würde sie so schnell wie möglich nachprüfen.

Dessen ungeachtet checkte sie die Fahrgäste ein. Bevor sie im Bus die Schlüssel verteilte, klärte sie die Gruppe über die neue Maßnahme auf und sammelte die Beiträge ein. Der Kleingeldbestand ihres Getränkegeldbeutels war dank der krummen Beträge schnell erschöpft, was sie zusätzlich ärgerte.

In der Zwischenzeit hatte Hannes die Koffer ausgeräumt. Ordentlich aufgereiht standen sie auf dem Bürgersteig vor dem Hotel. Während er den Bus endgültig einparkte, kehrte Susanne an die Rezeption zurück. Sie legte dreihundertzwölf Euro auf den Tresen.

»Da fehlen aber noch fünfzehn Euro sechzig.«

»Wieso das? Ich habe vierzig Fahrgäste, und das entspricht diesem Betrag hier.«

»Sie und der Busfahrer fehlen noch.«

»Warum müssen wir das auch bezahlen? Wir sind keine Touristen.«

»Die Kurtaxe muss jeder zahlen, der nicht in Dresden wohnt.«

Susanne fühlte Wut in sich aufsteigen, trotzdem griff sie zu ihrem Geldbeutel und knallte dem Hotelangestellten einen Hunderteuroschein auf den Tisch. Der Mann verzog keine Miene, gab ihr das Wechselgeld raus und reichte ihr eine Quittung über den bezahlten Betrag. Sie blieb abwartend stehen.

»Ja bitte? Kann ich noch etwas für sie tun?«

»Ich warte auf die Kurkarten.«

Der Angestellte lächelte nachsichtig.

»Es gibt keine, sie haben doch eine Quittung.«

Susanne sah ihn fassungslos an.

»Und wie bekomme ich dann die üblichen Ermäßigungen für die Museen und anderen Einrichtungen?«

»Es gibt keine Preisnachlässe.«

Stinksauer verließ die Reiseleiterin die Lobby und informierte Hannes von dieser Unverschämtheit.

»Was heißt, es gibt keine Kurkarten und keine Ermäßigungen? Wo immer ich Kurtaxe zahlen muss, bekomme ich Nachlässe für kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen. Mit der Konus Karte kann man sogar kostenfrei die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen.«

Als ehemaliger Schwarzwälder kannte er sich auf diesem Gebiet aus.

»Vermutlich denken unsere Fahrgäste, wir wollten uns mit dem Geld einen schönen Abend machen.«

»Davon kannst du ausgehen.«

Auch Hannes war stocksauer. Das würde er so nicht auf sich beruhen lassen.

Nachdem der Bus geparkt, ihr Zimmer bezogen und das eigene Gepäck ausgepackt war, wollten Hannes und Susanne auf der Terrasse einen Kaffee trinken. Sie fuhren mit dem Fahrstuhl zurück ins Erdgeschoss und begaben sich in Richtung Außenbereich, als einer ihrer Fahrgäste auf sie zutrat.

»Ich habe meinen Geldbeutel im Bus liegen lassen«,sagte der schlanke, etwas unscheinbar wirkende, ältere Mann zu Hannes.

»Kann ich den noch holen?«

Hannes seufzte innerlich, der Busschlüssel lag natürlich oben im Zimmer. Er fuhr also noch einmal hinauf und holte ihn. Zusammen mit dem Fahrgast ging er zum Bus.

Susanne begab sich in der Zwischenzeit auf die Terrasse und bestellte einen Schümli Kaffee für ihren Mann sowie ihren obligatorischen Latte macchiato. Die Getränke standen gerade auf dem Tisch, als die zwei Männer zurückkamen. Der Mitreisende wollte die beiden zum Dank für die Mühe einladen, setzte sich zu ihnen und bestellte sich ein Bier.

Susanne betrachtete staunend sein Outfit. Zu einer hellgrauen Hose trug er ein weißes Hemd mit roten und blauen Blockstreifen. Sie fühlte sich vierzig Jahre zurückversetzt.

»Mein Name ist Rüdiger Berger«, stellte der Fahrgast sich vor. »Leider lasse ich häufiger etwas liegen und weiß dann oft nicht wo.«

›Na‹, dachte Susanne, ›das kann ja heiter werden. Hoffentlich vergisst er nicht eines Tages seinen Kopf.‹

Sie beteiligte sich nicht weiter an dem Gespräch, sondern setzte sich mit der Dresdner Kurtaxe im Internet auseinander.

Eine halbe Stunde später schaffte Herr Berger es, sein Bier auszutrinken und den Weg in sein Zimmer zu finden ohne, dass etwas zurückblieb.

Die beiden Zurückgebliebenen genehmigten sich zwei weitere Kaffees. Die hatten sie nach dem Ärger und den Anstrengungen der Fahrt auch verdient. Hannes nahm eine Zigarette aus der Packung. Dann blickte er über den Tisch:

»Hast du wieder einmal mein persönliches Feuerzeug eingesteckt?«

Susanne schaute ihn an.

»Ich würde mich doch nicht an deinem persönlichen Feuerzeug vergreifen. Bestimmt ist es wieder in einer deiner Taschen.«

Hannes griff in die Hosentasche, zog die Hand aber leer raus.

»Hab‘ ich gar nicht.«

»Hier, nimm solange meins. Es wird schon wieder auftauchen. Vermutlich liegt es oben.«

Endlich brannte die Zigarette.

Susanne klärte Hannes darüber auf, was es mit dieser ominösen neuen ›Kurtaxe‹ auf sich hatte. Laut Internet sollten damit die kulturellen Einrichtungen der Landeshauptstadt mitfinanziert werden. Abgesehen von dieser idiotischen Begründung, denn man bezahlte bereits hohe Eintrittsgelder, verstand sie es nicht als ihre Aufgabe, mit einem Klingelbeutel durch den Bus zu gehen, um eine, in ihren Augen, ungerechtfertigte ›Kurtaxe‹ dieser Nichtkurstadt zu kassieren. Obwohl das Leipziger Bundesverwaltungsgericht längst ein Urteil fällte, das Geschäftsreisende davon ausnahm, hatte der Hotelmitarbeiter die Abzocksteuer auch für sie und ihren Mann verlangt.

Hannes ärgerte sich genauso darüber, und beschloss bei Gelegenheit die zuständige Stelle im Dresdener Rathaus aufzusuchen. Er würde ihnen das Urteil aus Leipzig vorhalten und seine zu Unrecht geforderte Taxe zurückfordern. Zum Glück hatte sich Susanne eine Extraquittung für ihren Beitrag geben lassen.

Sie besprachen noch kurz das Programm der folgenden Tage, tranken ihren Kaffee aus, bezahlten den Rest und brachen auf. In Kürze gab es Abendessen. Dafür wollten sie sich noch ein bisschen frisch machen.

Das Reiseprogramm

Das Programm der nächsten Tage sah eine Stadtrundfahrt und einen Rundgang durch sächsische Hauptstadt vor. Weiterhin wollten sie Meißen sowie das Elbsandsteingebirge besuchen.

Den Stadtrundgang und die folgende Freizeit der Gruppe am nächsten Tag, nutzten auch Hannes und Susanne als Gelegenheit, die wiederauferstandene Stadt zu besichtigen. War Hannes erst im letzten Jahr dort gewesen, so hatte Susanne die Stadt noch weitgehend als Ruinenstadt in Erinnerung, denn ihr Besuch lag immerhin fast ein Vierteljahrhundert zurück.

Beide waren von der wiederaufgebauten Frauenkirche und der dazu passenden Umgebung beeindruckt. Zum ersten Mal hatten sie das Gefühl, dass ihr Soli und die vielen Spenden für die Wiederherstellung, sinnvoll angelegt waren.

Dabei fiel ihnen erneut das ›Kurtaxenproblem‹ ein. Somit führte ihr Weg im Anschluss ins Dresdner Rathaus. Es erwies sich als mühsam, den offensichtlich frisch eingerichteten Raum des ›Kurtaxen-Dezernates‹ zu finden. Auch der junge Mitarbeiter dort schien neu und unerfahren.

Auf die Forderung des Busfahrers, ihm die zu Unrecht kassierte ›Kurtaxe‹ zu erstatten und gleichzeitig eine Bescheinigung über die weitere Befreiung davon auszustellen, da er schließlich geschäftlich nach Dresden käme und nicht als Tourist erklärte dieser:

»Die Kurtaxe muss jeder bezahlen, der nach Dresden kommt. Immerhin zahlt die Stadt davon die Orchester, die Wärter im Zoo und das Futter für die Tiere dort.«

Hannes empfand deutlich das Gefühl, im falschen Film gelandet zu sein.

»Im Regelfall habe ich einen Bus dabei, wenn ich komme, und fahre meine Gruppen durch die Gegend. Wie bitte soll ich dann kulturelle Einrichtungen besuchen.«

»Nach Dienstschluss haben Sie aber doch die Möglichkeit dazu.«

Während Hannes noch nach Worten suchte, konnte Susanne sich nicht mehr beherrschen. Zynisch bemerkte sie:

»Ach, somit sind wohl alle Männer potentielle Vergewaltiger? Immerhin hätten sie ja die Möglichkeit dazu.«

Der Jüngling lief bei diesen Worten puterrot an und rang sich nur noch ein: »Ich mache hier doch nur meine Arbeit und das ist alle noch ganz neu.« ab. Dann reichte er Hannes einen vierseitigen Antrag auf Rückerstattung der Kurtaxe, den er zuerst ausdrucken musste.

»Sie müssen aber die Originalquittungen ihrer Hotelrechnung mitschicken.«