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Askia ist keine Chaos-Queen wie Bridget Jones, und doch ist ihr der Freund davongelaufen. Alle besten Freundinnen sind inzwischen eifrig mit Nestbau beschäftigt, Askia gerät in Panik und sondiert aufs Neue den Markt. Aus pragmatischen Erwägungen wird sie Mitglied in einem einschlägigen Internetportal, doch die passgenauen Profile der Kandidaten lassen einfach zu wenig Spielraum für romantische Glücksgefühle. Ihre esoterisch angehauchte Freundin schleppt sie zum Klangschalenseminar und zu schamanischen Kartenlegern, nichts will helfen. Bis ihr der richtige Mann buchstäblich vor die Füße fällt
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Seitenzahl: 341
Veröffentlichungsjahr: 2016
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© für die Originalausgabe und das eBook: 2012 LangenMüller in der
F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Wolfgang Heinzel und atelier-sanna, München
eBook-Produktion: VerlagsService Dr. Helmut Neuberger
& Karl Schaumann GmbH, Heimstetten
ISBN 978-3-7844-8138-8
1
Wenn man die Frau von nebenan beneidet, die gerade eine verkorkste Hüft-OP hinter sich und ein Leben auf zwei ungleich langen Beinen vor sich hat, geht es einem in der Regel nicht sehr gut. Weiß man. Ich stand jetzt seit einer halben Stunde etwas verloren in meiner Diele rum und starrte in den großen Flurspiegel. Als Sirene würde ich eher nicht durchgehen in dem Aufzug. Strickjacke und Schlafanzughose wären von wohlwollenden Leuten vielleicht noch als Loungewear betrachtet worden, aber selbst die nettesten unter ihnen hätten in den wirren Haaren keine Frisur erkennen können. Weniger Farbe auf der bunten Jacke und dafür mehr im Gesicht wäre auch nicht schlecht gewesen. Aber immerhin hielt die Nase die Fahne hoch und leuchtete intensiv rot. In meinen Augenringen hätte man eine halbe Tube Make-up versenken können, und mit dem Gesichtsausdruck wäre ich die Idealbesetzung für ein Plakat der Katastrophenhilfe gewesen.
Ich sah furchtbar aus.
Selbst mein kleiner Colliemix Whisky sah nur kurz zu mir hoch und ließ dann winselnd Kopf und Ohren hängen.
»Bei dir sieht man wirklich, dass das Äußere das Innere widerspiegelt.«
Mein Vater lief mit seinem Werkzeugkoffer an mir vorbei und betrachtete mich kritisch.
»Danke, Papa.«
»Willst du lieber angelogen werden?«
»Nein, Papa.«
»Siehst du.«
Meine Eltern hatten sich gerade diesen Moment ausgesucht, um auf einen Sprung vorbeizusehen. Ich hatte ihnen am Abend zuvor leichtsinnigerweise von meiner verstopften Spüle erzählt, was die Stimmung meines Vaters, der zu Hause schon lange nichts mehr reparieren durfte, schlagartig gehoben hatte.
»Wie lange willst du ihm denn noch hinterhertrauern? Es ist jetzt mehr als ein Jahr her, dass er gegangen ist. Er ist es nun wirklich nicht wert.«
Meine Mutter hatte es also auch in die Diele geschafft. Sie zupfte unbehaglich an ihrem makellosen Hosenanzug herum, während sie meinen Aufzug musterte.
Er, das war der, dessen Name nicht mehr laut genannt wurde. Er war Mark. Der Ex. Der Mann, von dem ich angetrunken oft behauptet hatte, er sei mein fleischgewordener Traum, und dem ich im nüchternen Zustand immerhin noch dschinnähnliche Qualitäten bescheinigt hatte. Mark ist aber leider auch der Mann, der bei seinem letzten Männerausflug in die Alpen nicht nur auf die Berge geklettert ist. Als Souvenir aus seinem Urlaub hatte er sich Miriam mitgebracht, die mit einer üppigen Oberweite gesegnet und jetzt mit Mark liiert ist.
»Du musst wieder raus an die Front!«
Vor mir tauchte das enthusiastische Gesicht meiner Mutter auf, die mir aufmunternd zunickte.
»Mach dich chic, ruf deine Freundin an und dann ab auf die Piste!«
Noch eine Floskel, und es wäre wenigstens ein schöner Dreierpack.
»Andere Mütter haben auch schöne Söhne.«
Na also, da hatten wir sie doch schon.
»Ich konnte den Kerl ja sowieso noch nie so besonders gut leiden, weißt du ja«, Ma fuchtelte unbestimmt in der Luft herum. »Der kam mir immer ein bisschen … Alexander!« Aus der Küche hörte man ein lautes Knirschen, gefolgt von sanftem Plätschern.
Da konnte man mal sehen, wie durch den Wind ich war. Normalerweise schrillen bei mir sämtliche Alarmglocken, wenn ich meinen Vater mit einem Werkzeugkoffer sehe. Sowohl sein Hang zu handwerklichen Tätigkeiten als auch seine völlige Talentlosigkeit, wenn es nur darum geht, eine Glühbirne zu wechseln, ohne dass die halbe Straße im Dunkeln liegt, sind legendär. Er ist der stolze Besitzer einer Komplettausgabe von Selbst ist der Mann, die normalerweise ruhig und harmlos auf dem obersten Regalbrett zustaubt. Aber in regelmäßigen Abständen bricht das Heimwerkerfieber durch, weswegen er Stammkunde ist im Baumarkt, dort Rabattmarken bekommt und wahrscheinlich auch bald die Auszeichnung »Unser bester Kunde«. Mein Vater lebt treu nach dem Motto: Was der Mann selbst erschaffen hat, ist gut. Eine unumstößliche Tatsache und, laut Pa, der Professor für Steinzeitforschung ist, schon seit Urzeiten im Genprogramm eines jeden Mannes verankert.
Schon der Frühmensch zog schließlich morgens los, um einem mehr oder weniger netten pelzigen Vieh mit der Keule eins überzuziehen und es dann mit stolzgeschwellter Brust in die Höhle zu schleifen. Dann ist Wilma hinter dem Fellparavent vorgekommen, hat den Fang bewundert, die Keule für den nächsten Tag abgestaubt – und die Welt des Urmenschen war in Ordnung. Heute findet der Beutezug beim Schraubensortiment in Gang 14 im Heimwerkermarkt statt, meine Mutter verdreht beim Anblick einer Baumarkttasche die Augen und notiert sich schon mal den nächsten Sperrmülltermin im Kalender.
Ich schlich mit hängenden Schultern hinter Ma in die Küche. Dort hielt sich mein Vater nicht lange mit einer Entschuldigung dafür auf, dass er gerade alles unter Wasser gesetzt hatte, sondern teilte mir direkt mit: »Ich habe mindestens einen halben Eimer Sand gefunden.«
»Aha.«
»In deiner Spüle.«
»Sicher nicht«, sagte ich bestimmt. »Ich hole schnell was zum Aufwischen. Wir könnten übrigens mal wieder zu unserem Italiener gehen, da waren wir ewig nicht mehr, habt ihr Lust?«
»Themenwechsel gehören wirklich nicht zu deinen Stärken, Kia«, hörte ich hinter mir.
Heute war definitiv mein Glückstag. Meine Eltern hatten offensichtlich auch noch Brüderchen mitgebracht, und Oliver lehnte sich lässig an den Türrahmen, wobei er peinlich darauf achtete, dass seine Designerschlappen nicht nass wurden. Pa nickte ihm nur kurz zu und kam dann direkt wieder auf sein Anliegen zurück: »Es waren Dreckklumpen in der Spüle.«
Mir dämmerte, was er da entdeckt hatte, und ich war nicht stolz darauf, gleich zugeben zu müssen, 40 Euro für eine Dose natürliches Mineralpulver aus Vulkangestein mit zermahlenem Löss … also mehr oder weniger für Sand ausgegeben zu haben. In der Spüle lag das Ganze, weil mir mein Mineralhaushalt in dem Moment vollkommen egal geworden war, als ich den Mund voller Sandwasser hatte und es noch eine Viertelstunde danach verdächtig geknirscht hatte beim Kauen. Ich fasste das alles so knapp wie möglich zusammen, um dann schnell Richtung Abstellkammer zu verschwinden.
»Aber warum in aller Welt sollte man so etwas Widerliches freiwillig trinken?«, wollte Olli wissen.
Erschießt den Mann.
»Mal ehrlich: feingemahlene Steine mit Gartenerde in Wasser?! Ist das wieder so ein Frauending, von dem ihr glaubt, dass es sämtliche Falten binnen Stunden wegbügelt und kommenden gleichzeitig vorbeugt?«
Teeren und Federn nicht vergessen.
»Oder verjüngt die tägliche Einnahme einer Handvoll Dreck gleich so, dass du dich bald in der Pubertät wiederfindest und auf Clerasil umsteigen musst?«
Ich hatte es mir spontan anders überlegt: zuerst teeren und federn, dann vierteilen, gefolgt von Erhängen und danach erst erschießen. Ich knirschte leise mit den Zähnen (unterstützt vom Sand), arbeitete kurz an meinem Gesichtsausdruck und wandte mich meinem Bruder zu. Ich sah einen strahlenden Oliver, der hochzufrieden mit sich und seinem detektivischen Spürsinn an der Wand lehnte und mich mit fragend hochgezogenen Augenbrauen ansah.
»Hör zu, Clouseau, halt dich einfach zurück – und wenn’s irgend möglich ist, halt gleich noch den Mund. Ich hacke schließlich auch nicht auf deinen Fehlern rum.«
Gerade heute musste natürlich der Stiel vom Wischmopp feststecken. Ich zerrte und zog, das blöde Teil bewegte sich aber keinen Deut.
»Welche Fehler?«
Ich zerrte noch etwas fester und stolperte mitsamt Besen zurück in den Flur, wo mein Bruder ein ehrlich fragendes Gesicht zur Schau trug.
»Deine 47 und 11 Frauengeschichten? Diese Fehler?«, half ich ihm auf die Sprünge.
»Würde ich nicht als Fehler sehen. Man hat ja bei dir gesehen, wohin es führt, wenn man sich auf einen Partner festlegt.«
»Oliver!«
Meine Mutter stand sofort alarmiert neben mir und musterte mich besorgt.
»Ja, ja, schon gut«, ruderte Olli zurück. »Wir erwähnen Mark ja nicht mehr …«
Bei dem Namen war nicht nur Ma zusammengezuckt. Beschützend legte sie mir den Arm um die Schultern.
»Das war völlig unnötig, Oliver.«
Während sie meinen Bruder nach nebenan scheuchte, meinte sie leise: »Kialein, so geht es nicht weiter.«
So weit war ich auch schon gewesen.
»In deinem Leben liegt so einiges in Scherben …«
Mein Vater unterstrich den Satz seinerseits mit einem satten Scheppern.
Nachdem wir den Siphon wieder notdürftig geflickt, den Werkzeugkoffer versteckt und das Wasser auf dem Boden aufgewischt hatten, nahm ich die Einladung meiner Eltern zum Essen dankbar an. Ich verstaute alle sicher im Wohnzimmer auf der Couch, setzte Whisky als Wache davor und verschwand kurz im Bad. Nach einer schnellen Dusche legte ich ein leichtes Make-up auf, zog meine Lieblingsjeans, ein schwarzes Top und einen schwarzen Samtblazer über und war gerade dabei, meine dunklen Locken in eine halbwegs gesellschaftsfähige Form zu zwingen, als die gesamte Combo an mir vorbei zur Tür zog und mich dabei unverhohlen musterte. Whiskys Blick war dabei mit Abstand der netteste.
»Die Trauer trägt Schwarz oder wie?«
Oliver. Feinfühlig wie immer.
»Schwarz macht dich wirklich ein bisschen sehr blass, Kialein.«
Meine Mutter. Sie selbst war wie immer stilsicher von Kopf bis Fuß in cremefarbene Schurwolle gehüllt zu ihrem schwarzen Pagenkopf und dezent klimperndem Goldschmuck. Ma war eine geborene Francesca Di Lauro, was meiner Ansicht nach um Längen besser geklungen hatte als Francesca Fuchs. Gegen Askia Di Lauro hätte ich auch nichts gehabt, denn dann wäre mein seltsamer Vorname nicht ganz so sehr ins Gewicht gefallen, und ich hätte behaupten können, es sei der Name einer vergessenen italienischen Gottheit. So musste ich aber seit meiner Schulzeit meinen Vornamen nicht nur regelmäßig buchstabieren, sondern meistens auch erklären, woher er kam. Mit der Zeit hatte ich mir ein paar glaubwürdige Lügen zurechtgelegt, in denen selbstverständlich nicht erwähnt wurde, dass die Askja ein aktiver Vulkan auf Island ist und meine Eltern es originell fanden, ihre Tochter danach zu benennen, weil sie schon als Neugeborene beim Essen eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Ding hatte. Aber ich musste fast dankbar sein für den Namensursprung, denn die Alternativen waren Désirée, ein Name, den mein Vater als Sortenbezeichnung auf einem Kartoffelsack entdeckt hatte, und Nadine gewesen. Nach einer Todesanzeige in der Regionalzeitung.
Abgesehen von dem Ausrutscher mit meinem Namen, war meine Mutter aber nicht nur Italienerin, sondern auch Romantikerin und hatte daher bei der Heirat ohne mit der Wimper zu zucken und entgegen der Tradition ihren melodischen Nachnamen aufgegeben. Ihr typisch italienisches Faible für alles, was mit Mode zu tun hat, hatte sie allerdings behalten.
»Wie wäre es denn mal mit einer Kette oder hübschen Ohrringen? Ein schöner Schal? Hm? So ein bisschen Farbe macht das Gesicht doch gleich viel frischer! Ich glaube, wir gehen nächste Woche mal zusammen einkaufen.«
Also wenn das Schicksal einen auf dem Kieker hat, dann aber richtig. Mein Vater störte sich als Einziger nicht weiter an meiner Kleiderwahl, was vielleicht auch daran lag, dass er selbst noch eher erfolglos an dem großen Ölfleck auf seiner Weste herumwischte.
2
Als ich am Abend das Essen mit meiner Familie noch einmal Revue passieren ließ, ärgerten mich genau drei Dinge. Erstens: Warum hatte nur mein moralisch verkommener Bruder das gute Aussehen unserer Eltern geerbt? Groß gewachsen, mit einem markanten Gesicht und jungenhaftem Charme hatte ihm natürlich auch die Bedienung im Restaurant wieder Blicke glühender Bewunderung zugeworfen. Er hätte statt über das Tagesmenü auch über die Überlegenheit von grünen gegenüber roten Gummibärchen sprechen können, sie hätte genauso gebannt an seinen Lippen gehangen. Aber er war schon immer ein Frauenmagnet gewesen.
Selbst seine Kunstlehrerin in der Schule war Wachs in seinen völlig unbegabten Händen gewesen und einmal sogar auf die glorreiche Idee verfallen, ihn für ein Stipendium an der Kunstakademie vorzuschlagen – und das, obwohl unsere eigene Mutter bei seinem »Stillleben mit Äpfeln« zuerst vermutet hatte, es handele sich um ein Bild über den Bürgerkrieg. Auch seine Mathematiknoten sind erst dann sprunghaft in die Höhe geschnellt, als eine Frau den Kurs übernahm und praktisch jede Klassenarbeit treu an seiner Seite verbrachte, um ihn subtil auf etwaige Fehler aufmerksam zu machen, die der arme Junge in seiner Nervosität sicher nur übersehen hatte. Damals hatten wir ihm alle eine beispiellose Karriere als Schauspieler vorausgesagt.
Geworden ist Olli Gastronom, aber auch das ziemlich erfolgreich. Er hat nach dem Studium mit einem Freund zuerst eine Cocktailbar aufgezogen, sie mit innovativen Ideen richtig bekannt gemacht in der Stadt, und inzwischen führten die beiden sogar noch eine Lounge und einen kleinen Club. Früher habe ich meinen Bruder maßlos beneidet um seinen Job, von dem ich naiverweise dachte, er sehe abends mal in jedem Laden nach dem Rechten und hätte ansonsten eine schöne Zeit – bis er mich einmal mitgenommen hat. Heute weiß ich, dass sein BWL-Studium nicht für die Katz war.
Apropos Katzen … Zweitens lag mir noch etwas anderes schwer im Magen. Meine Mutter hatte angekündigt, dass ich mich bald mal wieder für ein paar Tage um ihren launischen Kater kümmern dürfte, weil Pa mit seinen Studenten im Allgäu bei einer Exkursion die Schippchen und Pinsel schwingen und sie selbst ihn begleiten würde. Ich dagegen sollte mit dem herrischen Kater zu Hause bleiben, der von Gott weiß wo angelaufen gekommen war, die vakante Stelle als Oberhaupt der Familie gesehen und auf ganzer Linie gesiegt hatte. Er hieß Schrödinger, und meine Mutter, die außer Armani nichts faszinierender fand als die Quantenphysik, hatte es unglaublich witzig gefunden, dem Kater in Anlehnung an seinen Namensvetter kein normales Körbchen, sondern eine Kiste als Schlafplatz auszupolstern.
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