Eiscreme & der Weg der Träume - Lisa Hölzle - E-Book

Eiscreme & der Weg der Träume E-Book

Lisa Hölzle

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Beschreibung

Emma wird gerade vom Pech verfolgt: Ihr kleiner Laden für Kunsthandwerk läuft schlecht und dann verlässt ihr Freund Kevin sie schlagartig. Durch Zufall trifft sie Antonio, einen alten Bekannten, dessen Eiscafé auch nicht mehr so gut läuft. Als sie sich zusammenschließen und ihre beiden Leidenschaften - Eis und Einhörner – verbinden, scheinen Emmas finanzielle Sorgen gelöst zu sein, aber nicht ihre Gefühle. Denn Emma verliebt sich in ihren Geschäftspartner. Doch dann kommt Kevin wieder zurück und als Antonios ehemalige Freundin auftaucht, steht Emmas Gefühlswelt auf dem Kopf.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Lisa Hölzle

Eiscreme & der Weg der Träume

Inhaltsverzeichnis

Das letzte Einhorn

Überraschende Erkenntnisse

Neubeginn

Cold and Creamy

Verwirrende Entwicklungen

Aufklärungen mit Folgen

Mandy

Einhornträume

Impressum

Das letzte Einhorn

Es gibt Tage, die vergisst man nicht. Sie brennen sich in deine Gedanken und lassen dich nie mehr alleine. Wenn du die Augen schließt, kannst du die Ereignisse dieser Tage sehen, du träumst von ihnen und sie verfolgen dich überall hin. Dies war so ein Tag. Emma starrte auf die Tür, die Kevin gerade verlassen hatte. Was gerade geschehen war, hätte sie nicht erwartet. Die letzten Tage waren doch so harmonisch verlaufen. Je länger sie allerdings darüber nachdachte, umso mehr erinnerte sie sich daran, dass Kevin schon vor einiger Zeit viel häufiger am Abend alleine weggegangen war. Er hatte aber stets einen plausiblen Grund dafür gehabt und viel zu oft, hatte sie es auch nicht für nötig gefunden, zu fragen wohin er wollte. Sie hatte auch nicht viel Zeit gehabt während der letzten Wochen. Wäre sie aufmerksamer gewesen, hätte sie vielleicht bemerkt, wie sehr sich Kevin in der letzten Zeit verändert hatte. Er war mürrischer, verschlossener und unzufriedener geworden. Sie hatte einfach gedacht, dass seine schlechte Laune mit seiner Unzufriedenheit im Beruf zusammenhing und dem keine allzu große Bedeutung beigemessen.

Heute hatte sie auch an nichts Böses gedacht. Sie hatte wie immer im hinteren Lagerraum gesessen und an ihrer Keramik-Drehscheibe gearbeitet. Emma stellte nämlich Kunsthandwerk aus Keramik her. Alles war solide und wunderschöne Handarbeit. Es gab zwar ab und zu auch preiswertere Objekte, die einfach aus Gießkeramik hergestellt wurden, aber meist waren es handgeformte Figuren und Geschirrteile. Handgeformt, in einem kleinen Brennofen gebrannt, dann handbemalt. Und immer waren es Einhörner. Auf Tellern, Tassen und Vasen tummelten sich Einhörner und wenn es dann doch einmal ein schlichtes Teil war, dann zierte es wenigstens ein winziges Einhorn irgendwo am Rand. Der Laden wurde seinem Namen Das Einhorn voll und ganz gerecht. Besonders schön waren die Einhornfiguren, die Emma herstellte. Einhörner hatte sie schon geliebt bevor die Mode diese Fabelwesen entdeckt hatte und sie liebte sie immer noch, obwohl die Einhornbegeisterung schon etwas verebbt war.

Der kleine Laden bestand aus zwei Ebenen. Unten war der eigentliche Verkaufsraum. Hier hatte Emma einfache Regale und kleine Tische aus einem Möbelgroßhandel aufgestellt und ihre Ware präsentiert. Hinter dem Verkaufsraum befand sich das Lager, welches groß genug für den Brennofen und die Drehscheibe war. Hier stellte Emma die schönen Kunsthandwerke her. Ihre kleine Wohnung in der Sandemannstraße bot dazu nicht genug Platz. Es war auch ideal, dass sie während der Ladenzeiten hier arbeiten konnte.

Eine kurze Treppe führte nach oben auf die zweite Ebene. Von dort konnte man über das Geländer der Treppe in den unteren Bereich schauen. Hier befand sich ein Tisch, auf welchem Emma ihren Kunden die Ware als Geschenk verpackte. In Papier mit Einhornmuster. Hier waren auch die Kasse und eine Ecke mit Kaffeemaschine und Wasserkocher. Manchmal bekamen die Kunden Kaffee oder Tee angeboten und auch Emma machte hier gerne eine Pause.

Die gezielte Mischung aus Kunst, Mystik und Verspieltheit bot für jeden etwas. Tatsächlich lief Emmas Geschäft nicht schlecht. Es lief aber auch nicht gut genug. Die Unkosten für den Ladenraum waren nicht gerade gering und damit sie gut über die Runden kam, hatte sie mehrfach Wochenendkurse bei der örtlichen Volkshochschule angeboten. Ihre Schüler lernten einfache Keramiken herzustellen. Das hatte Kevin auch schon geärgert. Als sie ihm angeboten hatte, sie zu den Kursen zu begleiten, hatte er aber abgelehnt. Ohne die Kurse hätte Emma den Laden schon längst schließen und sich eine geregelte Arbeit suchen müssen.

An Kunsthandwerk war er nicht sehr interessiert. „Das ist Kitsch“, hatte er immer gesagt. „Vor allem Einhörner. Die sind der ultimative Kitsch.“

„Das ist nicht wahr. Ich habe doch verschiedene Sachen, von verspielt bis rustikal. Man kann das doch nicht einfach so pauschal als Kitsch abtun“, hatte Emma ihre Erzeugnisse verteidigt. „Es ist doch für jeden Geschmack etwas dabei. Vom eleganten Einhorn über das verspielte, bis hin zum mystischen Einhorn. Diese Figuren beispielsweise, Frau Erlenbach hat zwei Stück für ihre Seminarräume gekauft.“

„Gut, dann sind auch Stücke für New Age Yogalehrerinnen dabei, aber davon kann man nicht leben“, meinte Kevin.

Emma fragte sich im Stillen öfters, ob er Recht hatte. Sie hatte aber nicht mehr die Möglichkeit gehabt, noch einmal mit ihm darüber zu reden, denn heute hatte ihre Beziehung zu Kevin ihr jähes Ende gefunden.

Er war in den Laden gekommen, um ihr zu sagen, dass er eine Auszeit bräuchte.

„Wie meinst du das?“, fragte Emma etwas verstört.

„So wie ich es gesagt habe. Du weißt doch was eine Auszeit ist?“

„Ja, aber mir ist nicht klar, was das jetzt im Klartext heißen soll. Hast du deinen Job gekündigt?“

Kevin verdrehte theatralisch die Augen.

„Mensch, Emma. Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff. Ich habe einfach genug von Einhörnern und dass du jeden Tag so lange hier in diesem Laden hängst. Und nicht nur das. Auch am Wochenende dreht sich alles um Keramik, Einhörner oder was auch immer. Nur nicht um mich.“

Emma starrte ihn fassungslos an. Wollte Kevin ihr damit vielleicht sagen, dass er Schluss mit ihr machte.

„Ich gehe mal für ein paar Monate zurück in meine Wohnung. Das meine ich mit Auszeit. Luftholen, wieder zu mir selbst finden. Kapiert?“

Emma nickte verstört. Sie war zu geschockt, um etwas zu sagen. Mit allem hätte sie gerechnet, aber nicht damit.

Kevin wohnte seit zwei Jahren bei ihr, hatte aber seine kleine Wohnung am Stadtrand behalten. Er besaß nicht viel Mobiliar, allerdings hatte er eine riesige Fan-Merchandise Sammlung von bekannten Filmen, die er dort aufbewahrte.

„Wenn das so ist…“, brachte sie hervor.

„Tut mir Leid“, sagte Kevin und war auch schon wieder draußen.

Emma starrte immer noch auf die Tür. Sie konnte noch nicht einmal weinen, so geschockt war sie. Dann ging sie langsam die Treppe nach oben, um sich einen Tee zu machen. Da stand auch Kevins Tasse. Emmas Tasse zierte ein Einhorn, Kevins Tasse hatte einen Werbeaufdruck für eine bekannte Weltraumserie. Sie nahm die Tasse zögernd in die Hand. Einen kleinen Augenblick lang hätte sie diese gerne in den Papierkorb geworfen, stellte sie dann aber wieder zurück. Sie dachte an den Weihnachtsmarkt vor zwei Jahren, als Tina sie überredet hatte, am Stand der Künstler mitzuwirken. Tina hatte für ein gemeinnütziges Projekt des Reisebüros in Guatemala handgefertigte Sorgenpüppchen verkauft. Lilly Antony war mit ihren handgehäkelten Spitzen dort, der Silberschmied Bernd hatte keltisch-inspirierten Schmuck anzubieten und Emma stellte handgehäkelte Einhörner zum Verkauf. Sie hatte diese extra für den Markt gemacht. Damals war ihr Kevin zum ersten Mal begegnet. Er hatte ein Einhorn für seine kleine Cousine gekauft. Kurz darauf war er noch einmal gekommen und hatte ein zweites Einhorn gekauft. Damals empfand er Einhörner anscheinend noch nicht als kitschig. Schließlich war er ein drittes Mal gekommen. Nicht um etwas zu kaufen, aber mit zwei Bechern Glühwein. Einer davon war für Emma. Er hatte den Rest des Tages an Emmas Stand verbracht. Am nächsten Tag kam er dann in den Laden und bereits zwei Tage später ging er mit Emma aus. Drei Wochen später zog er bei Emma ein. Es war ziemlich schnell gegangen, fand Emma. Sie hatte es jedoch nicht bereut. Vielleicht waren ihr Kevins Fehler aber auch nicht aufgefallen.

Jetzt hatte Kevin ihre Beziehung offiziell beendet. Oder auch nicht. Er hatte von einer Auszeit gesprochen. Emma holte tief Luft. Dann schaltete sie endlich den Wasserkocher an.

Das kleine Windspiel, welches statt einer Türglocke Kunden ankündigte, begann fröhlich zu klingeln. Emma seufzte leise. Die Glöckchen sangen jedes Mal ihr fröhliches Lied, vollkommen unberührt von den Sorgen der Menschen.

„Guten Morgen! Ich war gerade beim Bäcker und habe uns Himbeertörtchen besorgt“, rief jemand von unten herauf. Emma kannte diese Stimme. Es war Tina, die beste und vielleicht auch einzige richtige Freundin, die Emma hatte. Sie waren schon zu Schulzeiten ein eingeschworenes Team gewesen. Auch jetzt hatte sich nichts daran geändert.

„Du hast den sechsten Sinn“, sagte Tina, als sie den dampfenden Wasserkocher sah. „Allerdings würde auch ein Kaffee gut zu den Törtchen passen. Es sind die leckersten Himbeertörtchen, die Bäcker Wendel jemals …“

Tina unterbrach ihren Redefluss. Sie hatte bemerkt, dass etwas nicht stimmte.

„Was ist denn passiert, Emma? Du siehst aus, als würdest du zu deiner eigenen Beerdigung gehen wollen.“

„Da liegst du nicht falsch“, seufzte Emma. „Soeben hat Kevin unsere Beziehung begraben.“

Dann erzählte sie Tina was geschehen war.

Tina war außer sich.

„Also das hat der Kerl sich so gedacht. Auszeit! Wo gibt es so etwas. Gegangen ist gegangen. Lasse ihn bloß nicht mehr in deine Wohnung. Es gibt genug schöne Männer auf der Welt. Ich meine, so schön war er schließlich auch nicht.“

Tina wühlte in ihrer Einkaufstasche und brachte eine kleine Pappschachtel zum Vorschein.

„Sieh mal, was ich hier habe. Außer diesen extrem leckeren Törtchen habe ich auch meine neueste-Errungenschaft an Tee mitgebracht und diesen werden wir jetzt gleich zubereiten. Er nennt sich Innere Sonne.“

Bei diesen Worten schaute sie Emma aufmunternd an.

„Riech mal! Allein dieser Duft lässt doch schon die Sonne aufgehen, nicht wahr? Dann kannst du diesen Idioten von Kevin sofort vergessen. Mir wird schon etwas einfallen, wie wir einen neuen und besseren Freund für dich auftreiben.“

Es war klar, dass Tina keine Antwort erwartete. Sie schob sich an Emma vorbei zu dem kleinen Tisch an der Wand und füllte von dem Tee in die kleine Teekanne. Der Wasserkocher gab ein Piepsgeräusch von sich.

„Das Wasser ist schon heiß“, stellte Tina fest und übergoss den Tee. Dann schob sie ein paar Entwurfzeichnungen von Emma zur Seite.

„Die lassen wir lieber mal aus dem Gefahrenbereich“, meinte sie. „Damit sich nicht versehentlich die innere Sonne darüber ergießt.“

„Hm, riecht nach… Zimt… und Orange?“, stellte Emma fest.

„Zwei von sieben Punkten! Ingwer, Nelken, Kardamom, Vanille und Süßholz sind auch noch dabei!“

Tina nahm einen Schluck, dann stellte sie die Tasse wieder ab und bückte sich nach ihrer Tasche.

„Ach ja, das hier wollte ich dir noch zeigen.“

Sie reichte Emma einen Zettel, den sie aus der Tasche gezogen hatte.

„Die Stadt veranstaltet einen Frühlings-Markt.“

„Anja hat mir schon davon erzählt. Ich wollte dich auch fragen, ob wir zusammen hingehen wollen, wenn du Zeit hast.“

„Sie haben noch Plätze für Stände frei“, bemerkte Tina und tippte auf die Telefonnummer, die unten auf dem Blatt angegeben war.

„Nette Idee, aber ich weiß nicht, ob ein Stand so eine gute Idee ist.“

„Oh nein, kein ich weiß nicht, bitte. Das ist eine gute Idee! Die Standgebühr ist geringer als eine Kinokarte. Wenn man einen Kuchen beisteuert, zahlt man nur die Hälfte. Günstiger kann man keine Werbung machen und außerdem …“

„Muss ich auf andere Gedanken kommen, ich weiß“, lächelte Emma, aber Tina hatte Recht, das war wirklich eine günstige Gelegenheit.

Emma hatte sich einen Stand reserviert und beschlossen einen Kirschkuchen zu backen. Tina hatte zwar angeboten einen ihrer „Versuchskuchen“ beizutragen, aber Emma hatte dies schnell abgelehnt. Tina war schließlich bekannt dafür, dass sie die ungewöhnlichsten Kreationen ausprobierte. Den meisten Gästen ihrer letzten Geburtstagsfeier war der Zucchini-Kürbis-Kuchen mit Erdbeeren immer noch im Gedächtnis.

Die Zeit bis zum Markt hatte Emma genutzt und viele neue Stücke hergestellt. Die Drehscheibe in der Werkstatt lief buchstäblich heiß. Jetzt hatte sie schließlich Zeit und da niemand am Abend auf sie wartete, hängte Emma oft ein oder zwei zusätzliche Stunden an und arbeitete noch ein wenig. Zuhause häkelte sie wieder kleine Einhörner. Die waren schon vor zwei Jahren auf dem Weihnachtsmarkt ein Erfolg gewesen. An diesem Tag hatte Emma wieder ein paar neue Entwürfe in die Tat umgesetzt. Gerade hatte sie die fertigen Teile aus dem Brennofen genommen und sie nochmals begutachtet. Das Windspiel an der Eingangstür spielte die harmonische, pentatonisch gestimmte Tonfolge ab. Emma schaute aus ihrer Werkstatt. Meistens ließ sie den Kunden noch ein wenig Zeit, sich ungestört umsehen zu können. Oft wurde dann viel mehr gekauft, weil die Leute sich alles unbefangener ansahen. Der Blick durch die Tür enthüllte eine nicht sehr angenehme Überraschung, denn im Laden stand Kevin. Ob er wieder zurück zu ihr wollte?

Eigentlich hätte sie sich freuen sollen, dass er da war. Aber ihr emotionaler Zustand, was Kevin betraf, war nicht sehr stabil. Sie war hin-und hergerissen zwischen der Sehnsucht nach dem alten Zustand und dem Ärger, den sie über sein egoistisches Verhalten empfand. Hätte er sie wirklich geliebt, hätte er gemeinsam mit ihr nach einer vernünftigen Lösung gesucht. Vielleicht war das alles nur ein Vorwand gewesen, weil er weg wollte.

„Jemand da?“, rief Kevin in den Raum hinein, obwohl er wusste, dass Emma oft im Lagerraum arbeitete.

Einen kurzen Moment überlegte sie einfach, nicht zu reagieren, entschied dann aber, dass dies albern war. Sie holte tief Luft und kam in den Laden.

„Hallo“, sagte sie kurz.

„Hi“, grinste Kevin.

Emma konnte ihn eigentlich nur bewundern. Er war immer so selbstsicher. Und ein schlechtes Gewissen hatte er bestimmt auch nie.

Sie schwieg und wartete darauf, dass er weitersprach.

„Wie geht´s?“, kam es von Kevin. Das klang jetzt auch nicht mehr ganz so selbstsicher. Vielleicht regte sich doch langsam so etwas wie ein schlechtes Gewissen bei ihm. Er hatte sie schließlich mitten in einer Finanzkrise einfach so sitzen lassen.

Emma holte innerlich Luft.

„Gut… Und dir?“

„Gut.“

„Gut“, wiederholte Emma und kam sich total dämlich vor.

Es ist wirklich eigenartig, wie schnell man sich entfremden kann. Bei ihrem ersten Treffen hatten sie mehr Gesprächsthemen gehabt als jetzt.

„Emma, sei nicht so dumm!“, schimpfte sie sich selbst. „Es gibt keinen Grund so zu reagieren… Wenn man davon absieht, dass wir vor drei Wochen Schluss gemacht haben, oder seitdem nichts mehr vom anderen gesehen haben, oder dass…“

„Wie läuft das Geschäft?“, riss Kevin sie aus ihrem Gedankenfluss.

„Oh… gut. Ja. Gut.“

Emma gab sich eine imaginäre Ohrfeige.

„Ich habe einen Stand auf dem Frühlingsmarkt“, fügte sie hinzu. „Das macht bestimmt gute Werbung.“

„Probieren geht über Studieren. Es ist ja kein großes Risiko.“

Kevin zögerte kurz.

„Vielleicht komm ich mal an deinen Stand… Aber rosa Einhornfiguren passen nicht in meine Wohnung, wie du weißt…“

„Klar… ist trotzdem nett, wenn du vorbeischaust.“

„Mal sehen.“ Kevin warf einen Blick auf seine Uhr. „Oh, ich muss weiter. Man sieht sich.“

„Bis bald.“

Er war schon an der Tür, als Emma ihm noch nachrief.

„Nett, dass du vorbeigeschaut hast.“

Kevin grinste, winkte kurz und verließ dann den Laden.

Emma starrte wieder auf die Tür. Wie damals, vor ungefähr drei Wochen. Damals hatte sie genauso gestarrt. Sie hatte einfach nicht kapiert, was ihr geschehen war. Das gleiche Gefühl überkam sie jetzt wieder. Wieso war Kevin gekommen? Wollte er seine Auszeit bald beenden und zeigte wieder Interesse? Da hätte er sich doch anders verhalten können. Sie fand, dass er sich nicht gerade toll benommen hatte. Kein persönliches Gespräch, keine beschwichtigenden Worte, nur einfach Hi, wie geht´s, man sieht sich… Emma atmete leise aus.

Die Tür öffnete sich erneut. Es war Tina. Sie hatte Kevin aus dem Laden kommen sehen. „Das ist wohl eine Frechheit. Erst braucht er Distanz und jetzt kommt er einfach so zu dir“, schimpfte sie.

„Ich weiß nicht, Tina, eigentlich finde ich es sehr nett von ihm, dass er nach mir schaut. Nur, weil wir jetzt nicht mehr zusammen sind, müssen wir uns doch nicht aus dem Weg gehen“, entgegnete Emma.

„Sehr aufmerksam von ihm“, meinte Tina sarkastisch. „Ich hoffe nur, du hast ihm deutlich gemacht, dass du auf jemanden wie ihn nicht angewiesen bist, dass dein Geschäft super läuft und dass du überhaupt kein Interesse an ihm hast.“

„Ähm … so ungefähr.“

Tina zog eine Augenbraue hoch.

„Glaub ich nicht. Du bist zu nett.“

„Ich habe nur erzählt, dass ich auf den Markt gehe und dass es nett war, dass er mich besucht hat… Ich glaube außerdem, dass er vielleicht die ganze Sache überdenkt“, fügte Emma schnell hinzu.

„Du denkst, er hat genug Distanz gehabt? Na, dass würde ihm ähnlich sehen! Was hat er denn gesagt? Dass es ihm Leid tut, dass er dich so sitzen lassen hat?“

Emma antwortete nicht und Tina schüttelte so energisch den Kopf, dass ihre braunen Locken hin und hergeworfen wurden.

„Was du je an Kevin gefunden hast, verstehe ich bis heute nicht, aber wie sagt man, wo die Liebe hin fällt… Ich kann nur hoffen, dass du bald einen netten und vernünftigen Typen kennenlernst und diesen… diesen Hund endlich vergisst. Der ist es nicht wert!“

„Wir waren immerhin fast zwei Jahre zusammen“, verteidigte sich Emma. „Außerdem finde ich es nicht schön, wenn man im Streit auseinander geht. Ist doch nett, dass er sich sehen lässt.“

Tina murmelte etwas Unverständliches, ließ es aber dann dabei bewenden. Sie hatte Kevin noch nie gemocht. Tina rühmte sich selbst immer wegen ihrer Menschenkenntnis. Vielleicht hatte sie in Bezug auf Kevin sogar Recht. Wenn man verliebt ist, sieht man den anderen immer im besten Licht und Fehler fallen einem nicht auf. Auf der anderen Seite war niemand ohne Fehler. Auch Tina nicht. Und Emma selbst auch nicht. Je länger Emma darüber nachdachte, desto mehr freute sie sich ein wenig über Kevins Besuch. Vor Tina sagte sie aber nichts mehr dazu.

„Ich hab am Wochenende frei. Wenn du willst, kann ich dich auf dem Markt unterstützen.“, bot Tina an.

„Danke, das ist nett, aber ich denke nicht, dass mein Stand so bedrängt wird, dass ich es nicht alleine schaffe.“

„Moralische Unterstützung kann man immer gebrauchen. Außerdem muss ich ein Auge auf dich werfen, damit du dich nicht zum Affen machst, sollte Kevin auftauchen“, meinte Tim ernst. „Und du musst auch keinen Kirschkuchen backen. Ich habe von meiner Nachbarin Auberginen geschenkt bekommen, und die müssen weg.“

Das Wetter meinte es gut mit den Standbesitzern. Die Sonne schien warm und lockte viele Besucher an. Unzählige kleine Hütten zierten die Hauptgeschäftsstraßen und den Marktplatz. Das Angenehme an den Märkten in dieser Stadt war, dass man sich nicht unbedingt um einen Stand oder einen Wagen kümmern musste. Die meisten Imbiss-Anbieter hatten natürlich ihre eigenen Trailer, aber sonst stellte die Stadt kleine Häuschen zur Verfügung. Dadurch bekam der Markt ein gleichmäßigeres Aussehen und alles passte wunderschön zu den traditionellen Häusern in der Fußgängerzone.

Emma hatte einen Kirschkuchen gebacken, obwohl Tina die Auberginentorte mitgebracht hatte. Die Marktveranstalter freuten sich, zwei Kuchen zu bekommen. Tinas Auberginentorte sah toll aus.

„Was ist denn das für ein schöner Kuchen?“, fragte die Dame an der Kuchentheke, als sie die Torte in Empfang nahm.

„Neues Rezept“, sagte Tina, „Auberginentorte. Hat bestimmt noch niemand hier gegessen.“

Die Dame schaute etwas ungläubig auf die Torte.

„Wir haben auch noch einen normalen Kuchen. Mit Kirschen“, fügte Emma rasch hinzu. „Für Leute mit konventionellem Geschmack.“

Interessanterweise fanden sehr viele Leute Gefallen an Tinas Torte und eine Dame fragte sogar nach dem Rezept. Das hätte Emma nie für möglich gehalten, es war aber so.

Emma hatte einen richtig guten Standplatz bekommen und verkaufte tatsächlich einige ihrer Produkte.

„Siehst du, Einhörner verkaufen sich doch“, meinte Tina, nachdem Emma ein Espressotassen-Set verkauft hatte.

„Das liegt am Markt“, sagte jemand. Es war Kevin.

„Hallo Kevin“, gegrüßte Emma ihn.

Tina, die Kevin mit gerunzelter Stirn ansah, gab Emma einen leichten Tritt unter dem Tisch.

„Was soll der Markt damit zu tun haben? Einhörner sind momentan sehr gefragt.“

„Eben.“

Kevin zeigte auf eine Gruppe von Mitgliedern des Gesangsvereins der Nachbarstadt.

„Gerade sind sie in. Außerdem hast du heute auch Kunden von außerhalb. Daher ist der Verkauf besser.“

„Vielleicht kommen die Leute aber auch mal in meinen Laden“, meinte Emma optimistisch.

„Wo es nur Einhörner gibt? Kein normaler Mensch hat mehr als zwei Einhornfiguren in seiner Wohnung“, entgegnete Kevin. „Wenn überhaupt“, setzte er noch nach.

Eine ältere Dame kam jetzt an den Stand und Kevin machte ihr etwas Platz.

„Oh, was für wunderschöne Figuren sie da haben! Bei Einhörnern kann ich einfach nicht widerstehen.“

Sie ließ ihren Blick über die Ware gleiten und zeigte dann auf zwei nebeneinanderstehende Einhornfiguren.

„Ich hätte gerne diese beiden dort“, lächelte sie Emma an, während sie ihre Geldbörse aus der Tasche holte.

„Ich sammle nämlich Einhörner.“

„Tatsächlich? So eine richtige Sammlung? Wie viele haben Sie denn schon?“, fragte Tina mit einer gewissen Schadenfreude in der Stimme.

„Ah, genau weiß ich das nicht… so dreiundzwanzig werden es wohl sein…und ich hoffe, dass meine Sammlung noch wächst.“

Tina murmelte etwas was sich wie „also mehr als zwei“ anhörte und warf Kevin einen vielsagenden Blick zu. Dieser schüttelte aber nur den Kopf.

Nachdem die Einhorn - Sammlerin sich verabschiedet hatte, Emma hatte ihr auch gleich einen Werbezettel in die Tüte gesteckt, schlug Tina Emma vor, sich selber mal umzuschauen.

„Ich komm schon mit dem Stand klar.“

„Da hinten sind andere Kunsthandwerker, da kannst du dir vielleicht Inspirationen holen“, pflichtete Kevin bei, der immer noch, sehr zu Tinas Missfallen, an Emmas Stand war. „Wir könnten zusammen hingehen.“

Das war natürlich nicht Tinas Plan gewesen, aber Emma sagte zu. Einige Minuten schlenderten sie schweigend an den Ständen entlang. Emma suchte verkrampft nach einem Gesprächsthema, aber wie schon vorher bei Kevins Besuch im Laden, hatte sie keinen blassen Schimmer was sie sagen könnte. Aber auch Kevin schien nichts einzufallen. Vor einem Stand mit schönem handgearbeitetem Muschelschmuck blieben sie einen Moment stehen.

„Hübsch, nicht?“, meinte Kevin.

„Hm…“ Die Schmuckstücke waren recht schön, und Emma fragte sich, ob sich diese Stücke besser verkauften als ihre Sachen.

„Willst du eins?“, fragte Kevin und zog seine Geldbörse.

---ENDE DER LESEPROBE---