Elf Tage Zeit - Juliane Liska Greil - E-Book

Elf Tage Zeit E-Book

Juliane Liska Greil

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 1023. Das Leben auf Crag Castle nimmt seinen normalen Lauf: Eileen, die vierzehnjährige Tochter des Burgherrn, vertreibt sich ihre Zeit mit Sticken und Musizieren, während die gleichaltrige Maggie in der Küche schuften muss. Eileen würde sich nie mit einer Küchenmagd abgeben, doch durch ein unvorhergesehenes Ereignis ist sie plötzlich auf Maggie angewiesen. Die beiden so unterschiedlichen Mädchen haben 11 Tage Zeit, einen Überfall auf Crag Castle zu verhindern. Es werden Anschläge auf sie ausgeführt, Verräter verschwören sich gegen sie und niemand will ihren Erzählungen Glauben schenken. Werden sie es trotzdem schaffen, den tödlichen Überfall zu verhindern? Die Zeit läuft …

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Seitenzahl: 112

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Juliane Liska Greil ist eine junge Schriftstellerin aus Siegen. Ihr erstes Buch „Das Geheimnis um Jackie Johnson“ veröffentlichte sie 2008. Zwei Jahre später folgte die Fortsetzung „Verschollen in der Vergangenheit“, ein weiterer Zeitreiseroman mit Jackie Johnson und dem Erfinder Max Mankel. 2012 kam „Elf Tage Zeit“ heraus, ein spannendes Abenteuer aus dem Mittelalter. Weitere Bücher sind in Vorbereitung.

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

EILEEN

MAGGIE

EILEEN UND MAGGIE

Zweiter Teil

11 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

10 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

9 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

8 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

7 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

6 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

5 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

4 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

3 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

2 TAGE BIS ZUM ÜBERFALL …

1 TAG BIS ZUM ÜBERFALL …

Dritter Teil

DER ÜBERFALL

VERSÖHNUNG

Elf Jahre später

DER BESUCH

Was aus den Anderen wurde

Erster Teil

Wir schreiben den 24. Juli 1023

EILEEN

Eileen hätte mit niemandem auf der ganzen Welt tauschen wollen. Es war Sommer, und die Wälder und Wiesen leuchteten grün. Die Sonne lachte von einem wolkenlosen blauen Himmel herab.

Eileen war die Jüngste von fünf Kindern des Burgherrn von Crag Castle und seiner Gemahlin. So hatte sie zwar keinen Anspruch auf das Thronerbe, aber stets ein geregeltes und behütetes Leben.

Crag Castle lag inmitten eines Tals im großen Heather-Forest und war ein hübscher Anblick. Die Burg thronte über einem kleinen Dorf mit Bauern und Handwerkern. Um das Dorf herum floss die Thile, ein kleiner Fluss, der für die Bewohner von Crag Castle lebensnotwendig war.

Von der Burg aus sah es aus, als wären Crag Castle und das nah gelegene Heather-Kloster die ganze Welt.

Eileen blickte hinunter zu den Bauern auf den Feldern. Sie wirkten so klein von hier oben. Und hübscher, als von Angesicht zu Angesicht, fand Eileen.

Eileen mochte arme Leute nicht. Sie konnte es nicht ertragen, wenn sie in ihren dünnen und zerrissenen Kleidern herumliefen. Sie fand sie abstoßend, wenn sie von Krankheiten geplagt waren. Überdies stanken sie.

Eileen wusste es. Sie wusste, dass es noch eine andere Welt dort draußen gab, in der nicht alles so friedlich und gut war, wie in ihrer Welt. Eine Welt, in der es viel Schlechtes gab. Aber das galt nicht für sie.

Die Tochter des Burgherrn wandte sich ab und beobachtete das Treiben im äußeren Burghof.

Sogar dort waren ein paar von diesen elenden Bauern. Überall huschten Leute hin und her. Eileen sah ihren Bruder Richard, der mit Sir Henry, einem Ritter, herumstand.

Sir Henry bemerkte Eileen und winkte ihr zu. Eileen lächelte hoheitsvoll zurück.

Immer noch lächelnd schaute sie sich weiter um. In einer Ecke saß ein Mädchen auf einem Sack Stroh und starrte sie an. Irgendetwas erschreckte Eileen an diesem Blick.

Das Mädchen war dünn und hatte ungepflegte hellblonde Haare, die zum Teil unter einer verwaschenen Haube verborgen waren. Sie hatte eine Stupsnase und Sommersprossen, und ihr Gesicht war schmutzig. Ihre meeresblauen Augen starrten Eileen durchdringend an.

Das Mädchen musste ungefähr in ihrem Alter sein, schätzte Eileen.

Irgendwie war sie anders. Sie saß nur da und blickte Eileen an. Ganz ruhig. Doch ihre Blicke waren vorwurfsvoll, voller Verachtung.

Eileen schauderte und wich ihrem Blick aus. Sie überlegte, ob sie das Mädchen zurechtweisen sollte. Es gehörte sich nicht, eine edle Dame frech anzustarren.

„Lady Eileen!“, hörte sie plötzlich. „Auf einen Moment, Lady Eileen!“ Eileen drehte sich um.

Sir Henry winkte. „Würdet Ihr bitte zu mir herunterkommen, Lady Eileen?“

Eileen stand auf und war erleichtert, von dem unheimlichen Mädchen abgelenkt zu werden.

Sir Henry war ein rundlicher Mann in den Zwanzigern mit spärlichen Haaren. Trotz seines Alters war er noch nicht verheiratet. Und er war ein guter Freund von Eileens Bruder Richard.

„Was wünscht Ihr von mir?“

Sir Henry schaute einen Moment lang verlegen auf den Boden. Dann sagte er mit rauer Stimme, die Eileen gar nicht gewohnt war: „Könnte ich Euch alleine sprechen?“

„Gewiss!“, sagte Eileen überrascht.

Sie schlenderten über den inneren Burghof in einen abgelegenen Teil der Burg. Endlich begann Sir Henry zu sprechen an. „Was habt Ihr für Pläne für die Zukunft?“

„Ich … ich weiß nicht“, antwortete Eileen zögernd. „Ich denke, … heiraten, Kinder kriegen, auf einer Burg leben …“

„Wen gedenkt Ihr zu heiraten?“, hakte Sir Henry nach.

„Wieso?“, fragte Eileen verunsichert. Sollte das ein Verhör werden?

Sir Henry zog scharf die Luft ein. „Lady Eileen, Ihr seid jetzt vierzehn Jahre alt! Langsam müsst Ihr Euch Gedanken um Eure Zukunft machen!“

Eileen schaute Sir Henry verstört an. Dieser fasste sich wieder und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: „Verzeiht, ich wollte nicht unhöflich sein. Ich meine nur, dass Ihr im heiratsfähigen Alter seid. Und – ich habe ein Lehen bekommen. Ländereien mit einer Burg, Soldaten und Bauern. Es ist nicht weit von hier und würde Euch bestimmt gefallen. Lady Eileen, ich wollte Euch fragen …“ Er holte tief Luft.

Plötzlich bekam Eileen Angst.

„Ich muss gehen … Richard wartet … Wir sehen uns beim Abendmahl“, murmelte sie und wandte sich hastig ab.

„Lady Eileen! Wartet bitte!“, rief ihr Sir Henry hinterher.

Eileen beachtete ihn nicht und ging schneller.

Das Essen war aufgetafelt. Eileen wunderte sich, warum es heute ein Festmahl gab. Prächtige Leuchter standen auf weißen Tischdecken. Es gab gut gewürztes Fleisch, Honig als Nachspeise und zum Trinken reichlich Wein.

Fast die ganze Familie war zu Besuch. Eileen musterte die Anwesenden. Ihr Vater Wulfric hatte festliche Kleider an. Er war ein stattlicher Mann Anfang fünfzig. Seine Haare waren grau und fielen ihm bis auf die Schultern. Das Gesicht wurde durch eine markante Hakennase und einen Kinnbart beherrscht. Sir Wulfric war eine beeindruckende Persönlichkeit: groß, etwas beleibt und mit einer Ausstrahlung von Härte und Strenge.

Neben ihm saß Elizabeth, ihre Mutter. Sie war zehn Jahre jünger als Sir Wulfric, hatte hellblonde Haare und wirkte klein und zierlich. Elizabeths Vater war ein Earl und Elizabeth seine zweitgeborene Tochter. Sie war eine ruhige Person und guckte oft verträumt mit einem leisen Anklang von Wehmut in ihren Augen herum. Elizabeth war früher eine hübsche Frau gewesen, doch jetzt sah sie oft alt und erschöpft aus. Aber sie war eine gute Ehefrau, die ihrem Gatten gehorchte.

Rechts von Sir Wulfric saß William, Eileens ältester Bruder. Er war Anfang zwanzig und gut aussehend. Seine Haare waren schulterlang und blond, seine blauen Augen strahlten, und er war sportlich und charmant. Später würde er der Burgherr von Crag Castle sein.

Williams Zwillingsschwester Alison war vor einigen Tagen mit ihrem Ehemann und dem dreijährigen Sohn Robert zu Besuch gekommen. Alison hatte auch lange, blonde Haare, blaue Augen und war eine Schönheit. Seit sieben Jahren war sie mit Sir Charles verheiratet.

Schließlich war da noch Richard, der vier Jahre älter als Eileen war. Er war immer fröhlich und zu Streichen aufgelegt. Richard hatte ebenfalls hellblonde Haare und war eher mager.

Die Älteste der fünf Geschwister fehlte. Das fand Eileen sehr schade. Astoria war ihre Lieblingsschwester. Sie war Mitte zwanzig und mit Sir Edward, einem Duke, verheiratet. Ihr Vater war sehr stolz auf diese Heirat. Astoria lebte jetzt weit weg und kam nur sehr selten zu Besuch. Eileen hatte sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.

Eileen hatte keine besonders innige Beziehung zu ihren Eltern. Sie hatten sich nie viel mit ihr beschäftigt. Seit ihrer Geburt hatte sich überwiegend ihre Amme Agnes um sie gekümmert.

Agnes war vor einem Monat unter merkwürdigen Umständen gestorben. Ganz unerwartet. Man erzählte Eileen, sie hätte ein schwaches Herz gehabt, welches plötzlich versagt habe.

Eileen war darüber sehr bestürzt gewesen. Agnes war für sie wie eine Mutter gewesen.

Sir Wulfric riss Eileen aus ihren Gedanken. Er räusperte sich laut und stand auf.

„Ich freue mich sehr, euch alle hier zu sehen. Natürlich haben wir uns aus einem besonderen Anlass zusammengefunden: Sir Henry hat um die Hand meiner Tochter Eileen angehalten.“

Sir Henry strahlte. Eileen wurde knallrot.

„Wir werden heute ihre Verlobung feiern. Lasst uns auf Eileen und Sir Henry anstoßen.

Eileen war fassungslos. Warum hatten ihre Eltern sie nicht eingeweiht? Warum durfte sie nicht selbst bestimmen, wen sie heiraten wollte? Und warum jetzt schon? Sie war doch erst vierzehn und fühlte sich noch nicht bereit, die Gattin eines Ritters zu werden. Keine ihrer Schwestern hatte so früh geheiratet.

Sie hob mechanisch ihr Glas, wie die anderen Familienmitglieder. Was sollte sie dagegen machen? Ihren Eltern zu widersprechen war sinnlos, und eine Weigerung von ihr würde großes Aufsehen erregen. Sir Henry war keine schlechte Wahl. Er war höflich und hatte eine Burg mit Ländereien als Lehen bekommen. Zwar war er viel älter als sie, aber ihre Mutter und ihre Schwestern hatten auch ältere Männer geheiratet.

Sie würde ihn heiraten und ihm eine gute Ehefrau werden. Sie würde Kinder kriegen, sich um ihre Erziehung kümmern … alt werden … sterben.

Eileen spürte, wie sich alles in ihr sträubte. Aber sie unterdrückte es.

* * *

Wir schreiben immer noch den 24. Juli 1023

MAGGIE

Pause machen. Verschnaufen. Sich erholen von der schweren Arbeit. Maggie strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht und schaute sich um. Alle waren beschäftigt. Es würde nicht auffallen, wenn sie sich einen Moment ausruhen würde …

Sie ging zu den Strohsäcken und setzte sich vorsichtig hin. Es tat gut, die Beine hochzulegen.

Für Maggie war jeder Tag schlecht in Crag Castle. Wenn sie endlos in der Burgküche arbeiten musste. Wenn sie abends müde und hungrig zu Bett ging und bei Sonnenaufgang wieder aufstehen musste. Wenn sie abends vor Hunger in dem kleinen Schlafsaal, durch dessen dünne Holzwände der Wind pfiff, nicht einschlafen konnte. Wenn sie Eileen beobachtete und sich fragte, warum die Adeligen es so gut hatten und das Gesinde schuften musste.

Schon seit es hell wurde, war sie wieder auf den Beinen. Hühner rupfen, Töpfe spülen, Kräuter schneiden, Wasser holen, Boden schrubben, dem Hofküchenmeister aus dem Weg gehen … Das Leben als Küchenmagd war hart. Aber Maggie beklagte sich nicht. Jedenfalls nicht oft.

Als Neugeborenes war sie ausgesetzt worden. Wahrscheinlich hatten ihre Eltern ein weiteres Kind nicht ernähren können. Das kam oft vor, und wenn das Kind Glück hatte, wurde es gefunden und von jemandem aufgenommen. Maggie hatte Glück. Bevor wilde Tiere sie auffressen konnten, fand ein Köhler das schreiende winzige Bündel Mensch und nahm es mit zu seiner Familie in den Wald. Dort wuchs Maggie auf und wurde von den warmherzigen Köhlern behandelt wie ein eigenes Kind.

Leider wurde der Köhler eines Tages von einem Baum erschlagen, und seine Witwe und Kinder standen plötzlich ohne Ernährer da. Der Witwe blieb nicht anderes übrig, als Maggie nach Crag Castle zu bringen, damit sie dort für ihr Essen und Unterbringung arbeiten konnte. Da war Maggie erst neun, und die Trennung von ihrer Ziehmutter und den Ziehgeschwistern fiel ihr sehr schwer.

Nächtelang hatte sie geweint, aber dann ließ die tägliche Mühsal ihr keine Zeit mehr zum Trauern.

Nachts schlief sie mit den anderen Mägden in einem kleinen Raum, mittags und abends bekam sie von den Essensresten, die der Burgherr übrig gelassen hatte.

Heute gab es besonders viel zu tun. Es mussten komplizierte Gerichte gekocht werden. Für so überhebliche Menschen wie Eileen, die jüngste Tochter des Burgherrn, dachte Maggie böse.

Dort saß diese Eileen ihr untätig gegenüber und beobachtete das Gesinde bei der Arbeit. Wie so oft. Eileen hatte ja Zeit.

Jetzt glotzte sie zu Maggie herüber. Bestimmt bemerkte sie das schmutzige, geflickte Kleid, welches Maggie trug. Maggie starrte zurück. Na warte, dachte sie. Wer als Erstes wegguckt, hat verloren.

Eileen war ungefähr so alt wie sie, das wusste Maggie. Sie hatte lange braune Locken. Ihre Augen waren bernsteinfarben und blickten überheblich umher. Gleichzeitig verzog sie angeberisch ihren Mund. Eileens Haut war hell und wies keinen Makel auf. Langweilig, fand Maggie. Langweilig und hässlich. Was Eileen wohl über sie dachte?

In diesem Augenblick wandte Eileen sich ab. Maggie lehnte sich zurück. Sie hatte gewonnen. Sie war die Stärkere.

Aber es war nur ein Spiel. In Wirklichkeit würde sie, Maggie, immer die Schwächere sein. Maggie verschränkte die Arme über der Brust. Da schallte ein Ruf über den Burghof.

„MAGGIE!“

Maggie schreckte hoch.

„Komm sofort her!“, schrie der Hofküchenmeister. Er war krebsrot im Gesicht.

Schnell ging Maggie zu ihm hin. Sie bekam eine harte Ohrfeige.

„Was fällt dir ein? Mitten in der Arbeit faulenzen!“

„Ich war so müde“, murmelte Maggie und versuchte, an ihm vorbei zu huschen.

Der Hofküchenmeister hielt sie hart am Arm fest.

„Du scheuerst heute Abend alleine die Küche und bekommst kein Essen!“, sagte er hämisch und stieß sie vor sich her.

Maggie stolperte und schlug auf dem Boden auf. Der Hofküchenmeister zerrte sie hoch. „Mach schon!“

Maggie humpelte in die Küche.

Endlich fertig. Maggie gähnte. Die Sonne war schon lange untergegangen. Maggie huschte über den inneren Burghof, zum Schlafraum der Küchenmägde. Leise öffnete sie die Tür. Drinnen schliefen alle.

Maggie schlich zu ihrem Schlafplatz und legte sich vorsichtig hin. Ihre Hände waren vom Spülen und Scheuern wund. Schon bald würde sie wieder aufstehen müssen, dachte sie müde. Kurz darauf war sie eingeschlafen.

Sie träumte, dass sie reich war. Dass sie genug zu essen hatte. Dass sie viele bunte Kleider ihr Eigen nannte.

Leider wachte sie auf. Maggie blinzelte. Es war immer noch dunkel. Trotzdem konnte sie nicht mehr einschlafen. Ihr Magen zog sich vor Hunger zusammen, und sie musste dringend.