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Die kleinwüchsige elfjährige Elina Nachtblüte, Schülerin am Wolfsfelsens, einer Schule für Magie, wird plötzlich in ein Abenteuer verwickelt, das ihr Leben verändert. Der Kristall der Reinheit, ein mächtiges Artefakt, das das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit bewahrt, wurde zerstört, und seine Fragmente sind über die Welt verstreut. Als Elina entdeckt, dass sie durch das Sonnenamulett, ein Erbe ihres Vaters, mit dem Kristall verbunden ist, begibt sie sich mit ihren Freunden Tobias, Mia, Lila, Lukas und ihren Bruder Jorin auf eine gefährliche Reise, um die Fragmente wieder zu vereinen. Gemeinsam müssen sie Prüfungen bestehen, dunkle Mächte besiegen und ihre eigenen Ängste überwinden. Ihr größter Widersacher, der finstere Magier Malrik, will die Fragmente nutzen, um die Dunkelheit zu entfesseln und die Welt zu beherrschen. Doch mit der Hilfe des weißen Hirsches, einem magischen Verbündeten, gelingt es Elina und ihrer Gruppe, den Kristall zu retten. Als sie erfahren, dass der Kristall nur eines von zwölf Artefakten ist, erkennen sie, dass ihre Mission gerade erst begonnen hat. Elina Nachtblüte und der Fluch des weißen Hirsches ist eine Geschichte über Mut, Freundschaft und die Kraft, Licht und Dunkelheit in Einklang zu bringen.
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Seitenzahl: 327
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Titelei
Titeleinführung
Prolog: Der Ursprung des Fluchs
Abschnitt 1: Die Vorbereitung
Kapitel 1: Ein Hauch von Magie
Kapitel 2: Der stumme Beobachter
Kapitel 3: Die Nachricht vom Wolfsfelsen
Kapitel 4: Abschied und Aufbruch
Kapitel 5: Das geheimnisvolle Amulett
Abschnitt 2: Ankunft und Entdeckung
Kapitel 6: Ankunft am Wolfsfelsen
Kapitel 7: Die Häuser des Wolfsfelsens
Kapitel 8: Neue Freunde und alte Feinde
Kapitel 9: Die erste Unterrichtsstunde
Kapitel 10: Die Geschichte des Wolfsfelsen im Unterricht
Abschnitt 3: Das erste Kartenfragment
Kapitel 11: Der Fluch des weißen Hirsches
Kapitel 12: Das erste Kartenfragment
Kapitel 13: Das Rätsel der Berge
Kapitel 14: Der Wächter des Tunnels
Kapitel 15: Bergwerksschach: Die erste Partie
Abschnitt 4: Auf den Spuren der Magie
Kapitel 16: Die Prüfungen der Dunkelheit
Kapitel 17: Die Lichter im Wald
Kapitel 18: Schatten im Mondschein
Kapitel 19: Das Rätsel der Runen
Kapitel 20: Der geheime Pfad
Abschnitt 5: Konflikte und Begegnungen
Kapitel 21: Malriks Schatten taucht auf
Kapitel 22: Die Warnung des weißen Hirsches
Kapitel 23: Das Feuer des Drachen
Kapitel 24: erstes Fragment „Der Fluss der Zeit“
Kapitel 25: Elinas Entscheidung
Abschnitt 6: Gefahr und Rettung
Kapitel 26: Der Angriff der Schatten
Kapitel 27: Der Kristall der Reinheit
Kapitel 28: Die Kraft des weißen Hirsches
Kapitel 29: Der Verrat in den Reihen
Kapitel 30: Die Verbündeten im Wald
Abschnitt 7: Der Kampf um die Magische Hochschule
Kapitel 31: Der Angriff auf den Wolfsfelsen
Kapitel 32: Malriks Flucht und Ärger
Kapitel 33: Das zweite Fragment – „Licht der Wahrheit“
Kapitel 34: Der Weg in die Dunkelheit
Kapitel 35: Der Sieg der Gemeinschaft
Abschnitt 8: Ein zerbrechlicher Frieden
Kapitel 36: Die Rolle des Amuletts
Kapitel 37: Die Offenbarung des Fluchs
Kapitel 38: Die erste Vision
Kapitel 39: Elinas Zweifel
Kapitel 40: Jorins Geheimnis
Abschnitt 9: Die Spur zum Artefakt
Kapitel 41: Die alten Manuskripte
Kapitel 42: Der Wächter im See
Kapitel 43: Die Prüfung der Herzen
Kapitel 44: Das dritte Fragment „Das Herz des Feuers“
Kapitel 45: Die Rückkehr der Dunkelheit
Abschnitt 10: Die Suche nach Antworten
Kapitel 46: Die Bibliothek der Geheimnisse
Kapitel 47: Bergwerksschach: Die entscheidende Partie
Kapitel 48: Das Buch des Fluchs
Kapitel 49: Der Wächter der Nacht
Kapitel 50: Das schlafende Dorf
Abschnitt 11: Enthüllungen und Entscheidungen
Kapitel 51: Das vierte Fragment „Die Tränen des Himmels“
Kapitel 52: Der Fluch wird entschlüsselt
Kapitel 53: Die Macht des weißen Hirsches
Kapitel 54: Malriks dunkler Schwur
Kapitel 55: Die letzte Schlacht
Abschnitt 12: Ein Blick in die Zukunft
Kapitel 56: Das neue Gleichgewicht
Kapitel 57: Die Bedeutung des Amuletts
Kapitel 58: Die Legende wird weitergetragen
Kapitel 59: Der Schatten bleibt bestehen
Kapitel 60: Der Schwur des weißen Hirsches
Abschnitt 13: Die drohende Gefahr
Kapitel 61: Die unruhige Stille
Kapitel 62: Die Warnung des Flusses
Kapitel 63: Eine unsichere Prophezeiung
Kapitel 64: Malriks Rückkehr
Kapitel 65: Das fünfte Fragment „Der Schatten der Stille“
Abschnitt 14: Der Kampf gegen die Dunkelheit
Kapitel 66: Der Angriff auf den Bergfried
Kapitel 67: Das Rätsel des Sonnenamuletts
Kapitel 68: Die Schattenprüfung
Kapitel 69: Malriks Ultimatum
Kapitel 70: Der Verrat des Amuletts
Abschnitt 15: Das sechste Fragment „Das Licht der Einheit
“
Kapitel 71: Das Ritual der Reinheit
Kapitel 72: Das Erwachen der Sonnenkraft
Kapitel 73: Die Rückkehr der Schatten
Kapitel 74: Ein schwerer Sieg
Kapitel 75: Das sechste Fragment – „Das Licht der Einheit“
Abschnitt 16: Die Lösung des Rätsels
Kapitel 76: Das Artefakt wird aktiviert
Kapitel 77: Der Fluch wird gebannt
Kapitel 78: Der weiße Hirsch spricht
Kapitel 79: Die Magie der Freundschaft
Kapitel 80: Der weiße Hirsch als Verbündeter
Abschnitt 17: Heilung und Wiederaufbau
Kapitel 81: Heilung der Gemeinschaft
Kapitel 82: Eine überraschende Offenbarung
Kapitel 83: Der Ruf des weißen Hirsches
Kapitel 84: Abschied vom Vertrauten
Kapitel 85: Die Heimfahrt in die Ferien
Epilog: Das Geheimnis der Familie Nachtblüte
Elina Nachtblüte und der Fluch des weißen Hirsches
Ein Roman von Sabine Traeder
Untertitel
„Wenn Licht und Dunkelheit aufeinandertreffen, entscheidet das Gleichgewicht über das Schicksal der Welt.“
Widmung
Für all jene, die den Mut finden, sich ihren Ängsten zu stellen, und für alle, die das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit bewahren.
Motto
„Das Licht in uns ist stärker als die Schatten, die uns umgeben.“
– Weisheit des weißen Hirsches
Danksagung
Mein Dank gilt allen, die an der Entstehung dieser Geschichte mitgewirkt haben – für ihre Inspiration, Unterstützung und Geduld.
Über die Autorin
Sabine Traeder ist eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin, die sich auf magische Welten und faszinierende Charaktere spezialisiert hat. Mit „Elina Nachtblüte und der Fluch des weißen Hirsches“ erschafft sie eine Welt voller Abenteuer, Mystik und Freundschaft, die Leserinnen und Leser in ihren Bann zieht.
Elina Nachtblüte und der Fluch des weißen HirschesEine magische Reise beginnt
Die Welt von Elina Nachtblüte ist alles andere als gewöhnlich. Als kleinwüchsiges, elfjähriges Mädchen hat sie ihr Leben lang darum gekämpft, ihren Platz in einer Welt zu finden, die oft zu groß und zu laut für sie wirkt. Doch als ein mysteriöses Amulett in ihr Leben tritt und sie überraschend an der Magischen Hochschule am Wolfsfelsen aufgenommen wird, beginnt eine Reise, die alles verändern könnte.
Verborgen in den Tiefen uralter Wälder, umgeben von schimmernden Bergen und magischen Kreaturen, liegt die Schule – ein Zufluchtsort für jene, die das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit bewahren sollen. Doch die Dunkelheit ruht nicht. Der finstere Magier Malrik Seelenfänger hat einen uralten Fluch entfesselt und den mächtigen Kristall der Reinheit zersplittert. Mit jedem Fragment, das fehlt, gerät das Gleichgewicht der magischen Welt mehr ins Wanken.
Geführt von der Weisheit des weißen Hirsches, dem Wächter des Kristalls, und unterstützt von ihren treuen Freunden, begibt sich Elina auf eine gefährliche Mission. Sie muss die sechs Fragmente des Kristalls finden, bevor Malrik sie an sich reißen kann – eine Aufgabe, die Mut, Entschlossenheit und die Kraft der Freundschaft erfordert.
Doch als Elina die Geheimnisse ihrer eigenen Familie entdeckt, wird klar, dass ihre Verbindung zu diesem Konflikt tiefer reicht, als sie je vermutet hätte. Das Amulett, das sie trägt, das Vermächtnis ihres Vaters und die Prophezeiung des weißen Hirsches machen sie zur Schlüsselfigur im Kampf gegen die Dunkelheit.
Wird es Elina gelingen, die Fragmente rechtzeitig zu vereinen und den Fluch zu brechen? Oder wird Malrik die Welt endgültig in Schatten hüllen?
„Elina Nachtblüte und der Fluch des weißen Hirsches“ ist eine Geschichte über Mut, Magie und die Stärke, die in Freundschaft und dem Glauben an sich selbst liegt. Tauche ein in eine Welt voller Geheimnisse, Abenteuer und Hoffnung.
Im tiefsten Schatten des Waldes, wo selbst der Mond sein Licht nur zögerlich hinwarf, herrschte eine unheimliche Stille. Nur das leise Wispern der Blätter und das ferne Knacken von Zweigen durchdrang die Finsternis. Inmitten einer kleinen Lichtung, die von schimmerndem Nebel umgeben war, stand der weiße Hirsch. Sein prachtvolles Geweih funkelte wie tausend Sterne – ein Leuchtfeuer inmitten der drohenden Dunkelheit. An seiner Seite hielt ein Magier Wache. Sein schwarzer Mantel flatterte im Wind, und die runenbedeckte Oberfläche seines Stabs schimmerte im schwachen Licht.
„Das Gleichgewicht ist gefährdet, Wächter“, sprach der Magier mit rauer Stimme, sein Blick wachsam auf die Dunkelheit gerichtet, die den Wald zu verschlingen schien. „Malrik ist näher, als ich gehofft hatte.“
Der Hirsch wandte seinen Kopf, seine goldenen Augen voller Weisheit und Sorge. „Wir dürfen nicht nachgeben. Der Kristall der Reinheit darf nicht in seine Hände fallen.“
In der Ferne formte sich die Dunkelheit. Sie kroch wie ein lebendiger Schatten durch den Wald, verzerrte die Bäume und verschlang alles Licht. Schließlich trat Malrik, der dunkle Magier, aus dem Schwarz hervor. Seine Gestalt war groß und bedrohlich, die blutroten Augen leuchteten wie brennende Kohlen. Ein diabolisches Lächeln spielte auf seinen Lippen, während er die beiden betrachtete.
„Ein Hirsch und ein Magier“, höhnte er, seine Stimme triefend vor Spott. „Glaubt ihr wirklich, mich aufhalten zu können? Eure Hoffnung ist lächerlich.“
Der Hirsch hob sein Haupt, und sein Leuchten wurde intensiver. „Deine Dunkelheit mag mächtig sein, Malrik, doch sie wird niemals das Licht überwinden.“
„Licht?“ Malriks Lachen hallte durch die Lichtung und ließ die Bäume erzittern. „Ihr versteht nicht, was wahre Macht ist. Aber ich werde es euch zeigen.“
Mit einem Schwung seines Stabs beschwor Malrik einen Strudel aus Schatten, der sich wie ein wütender Sturm auf die Lichtung zubewegte. Der Magier trat vor den Hirsch und streckte den Stab aus. Alte Worte, geflüstert in einer vergessenen Sprache, entströmten seinen Lippen. Ein Lichtschild wuchs um die beiden herum, leuchtend und stark.
Doch Malrik ließ sich davon nicht beeindrucken. Mit einer einzigen, brutalen Geste entfaltete er die volle Macht seiner dunklen Magie. Die Lichtbarriere brach wie Glas, und die Wucht warf den Magier zu Boden.
„Geh!“, keuchte der Magier, als er sich mühsam wieder aufrichtete. „Schütze den Kristall. Das ist unsere einzige Hoffnung.“
„Ich werde dich nicht zurücklassen“, entgegnete der Hirsch, dessen goldene Augen voller Entschlossenheit glänzten.
„Du musst“, erwiderte der Magier. Ein letztes Mal erhob er seinen Stab, und eine Welle aus blendendem Licht brach aus ihm hervor, die Malrik kurzzeitig zurückdrängte. Doch die Dunkelheit war unerbittlich. Sie umhüllte den Magier, zog ihn in ihre Tiefe, bis sein Körper und seine Stimme verstummten.
„Ein erbärmliches Opfer“, spottete Malrik, als er sich erneut dem Hirsch zuwandte. „Nun, Wächter, bleibt nur noch du.“
Der weiße Hirsch, allein auf der Lichtung, spürte, wie die Dunkelheit sich um ihn schloss. Er neigte sein Haupt, und sein Leuchten wurde stärker. Doch Malrik war zu mächtig. Mit einer grausamen Bewegung entlud er seine schwarze Magie auf den Hirsch. Ein unheimliches Knistern erfüllte die Luft, während der Fluch seinen Weg fand. Das majestätische Geweih, einst ein Symbol für Reinheit, verdunkelte sich, als ob die Sterne selbst erloschen wären. Die Stimme des Hirsches, die einst mit Weisheit durch die Wälder hallte, verstummte.
„Du bist nun stumm“, sagte Malrik mit einem kalten Lächeln. „Deine Reinheit ist gebrochen, und der Kristall der Reinheit gehört nicht mehr dir.“
Mit einem mächtigen Schlag zerstörte Malrik den Kristall. Die Fragmente schossen in alle Richtungen davon, jedes von ihnen getragen von einer unsichtbaren Magie, die sie tief in die Welt trug. Die Lichtung, einst erfüllt von einem sanften Glanz, lag nun in völliger Dunkelheit.
Der weiße Hirsch sank auf die Knie, sein Körper schwer von der Last des Fluchs. Doch tief in ihm spürte er einen Funken – einen Teil der Magie des Magiers, der ihn gerettet hatte. Dieser Funken, kaum wahrnehmbar, hielt die Hoffnung am Leben. Trotz der Dunkelheit, die ihn umgab, wusste der Hirsch, dass das Gleichgewicht nicht für immer verloren war.
„Deine Dunkelheit mag stark sein, Malrik“, dachte er, seine goldenen Augen noch immer hell. „Doch das Licht wird zurückkehren.“
Während Malrik und seine Schatten verschwanden, blieb der Hirsch allein in der Lichtung zurück. Der Wind trug den Duft von Asche, und die Sterne am Himmel schienen fern und kalt. Doch die Welt hatte eine Zukunft – eine entfernte, unsichere Zukunft. Elf Jahre und sechs Monate später würde ein Kind geboren werden, das diesen Funken von Hoffnung in sich tragen und die Dunkelheit erneut herausfordern würde.
Die letzten Schultage zogen sich endlos hin, als ob die Zeit selbst gegen Elina arbeitete. Das Summen der Insekten, das Lachen der Kinder auf der Straße, selbst die drückende Sommerhitze schienen sich gegen sie verschworen zu haben. Während ihre Klassenkameraden fröhlich über die nahenden Ferien plauderten, fühlte sich Elina seltsam abgeschnitten.
Unter dem alten Kastanienbaum im Garten fand sie einen Moment der Ruhe. Der Baum war ihr Rückzugsort, ein Ort, an dem sie sich sicher fühlte. Ein zerlesenes Buch über magische Kreaturen lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß, die Seiten von Jorins hastigen Notizen durchzogen. Seine krakelige Handschrift brachte ein Lächeln auf ihre Lippen.
„Der Lichthirsch“, las sie halblaut, „ist ein magisches Wesen, das nur in den dunkelsten Stunden erscheint. Sein Geweih leuchtet wie ein Stern und soll die Weisheit vergangener Zeitalter tragen.“ Sie strich mit ihren Fingern über die zarte Zeichnung des Hirsches und versank in Gedanken.
Jorin hatte das Buch während der letzten Ferien mitgebracht, als er von der Magischen Hochschule am Wolfsfelsen zurückgekehrt war. Seine Geschichten über fliegende Besen, sprechende Bilderrahmen und leuchtende Runen hatten sie in eine Welt entführt, die sie sich vorher kaum vorstellen konnte.
„Vielleicht könnte ich eines Tages auch so ein Abenteuer erleben“, murmelte sie.
Seit Jorin vor zwei Jahren zur Schule aufgebrochen war, hatte sich vieles verändert. Seine Besuche waren selten geworden, und wenn er nach Hause kam, war er immer voller Energie, voller Geschichten und Geheimnisse. Doch in diesen Momenten, in denen er nicht da war, fühlte sich Elina seltsam verloren.
„Elina, komm rein! Das Abendessen ist fertig!“, rief Aruna, ihre Mutter, aus der Küche.
Der Duft von frischem Brot lockte sie ins Haus. Sie klappte das Buch zu, stand auf und lief über den Gartenweg, während die Sonne langsam hinter den Dächern verschwand.
Am Esstisch erwartete sie ihre Mutter, die mit ruhigen Bewegungen die Teller füllte. Aruna, selbst kleinwüchsig, hatte immer eine warme, tröstende Ausstrahlung. Ihre Hände, die vom täglichen Leben geprägt waren, bewegten sich sicher und geübt.
„Was hast du heute gemacht?“, fragte sie, während sie eine dampfende Schüssel mit Gemüsesuppe vor Elina stellte.
„Gelesen“, antwortete Elina leise. „Das Buch, das Jorin mir gegeben hat. Es ist wirklich faszinierend.“
Aruna lächelte, und ihre Augen funkelten sanft. „Es freut mich, dass du es magst. Vielleicht liegt Magie auch in deiner Zukunft.“
Elina spürte, wie ihr Herz einen Moment lang schneller schlug. Der Gedanke, dass sie eines Tages selbst Magie wirken könnte, war so verlockend, dass er ihr fast Angst machte. Doch genauso schnell mischte sich ein leiser Zweifel ein. Sie hatte nie das Gefühl gehabt, dass sie etwas Besonderes war.
Nach dem Essen zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Die Abendluft wehte kühl durch das offene Fenster, und der Himmel war in sanftes Orange getaucht. Vom Bahnhof in der Ferne hörte sie das Rattern von Zügen, ein vertrautes Geräusch, das sie immer beruhigte.
Morgen würde Jorin nach Hause kommen, und der Gedanke an seine Rückkehr ließ sie lächeln. Er würde Geschichten mitbringen, neue Bücher vielleicht, und diese merkwürdige, magische Energie, die immer um ihn zu schweben schien.
Mit dem Buch in der Hand setzte sie sich ans Fenster und blickte hinaus. Die Seiten flüsterten von Wundern, die irgendwo in der Welt darauf warteten, entdeckt zu werden. Sie strich mit der Hand über die Zeichnung eines Phönix und stellte sich vor, wie es wäre, einen solchen Vogel in der Realität zu sehen.
Die Sterne begannen aufzutauchen, einer nach dem anderen. Elina fühlte eine seltsame Spannung in der Luft, eine Art Vorfreude, die sie nicht ganz greifen konnte. „Vielleicht hält dieser Sommer etwas Besonderes für mich bereit“, murmelte sie leise.
Die Nacht brachte jedoch keine Klarheit, sondern nur Träume voller seltsamer Bilder – ein Hirsch mit leuchtendem Geweih, ein Kristall, der in alle Richtungen zersplitterte, und Schatten, die sich um alles legten. Elina wachte mehrmals auf, die Bilder noch vor ihren Augen, doch sie konnte keinen Sinn darin erkennen.
Als die Morgendämmerung hereinbrach, stand sie früh auf und trat in den Garten hinaus. Der Tau glitzerte auf den Grashalmen, und die Welt schien für einen Moment stillzustehen. Sie atmete tief ein und spürte eine leise Entschlossenheit in sich wachsen.
Vielleicht würde dieser Sommer wirklich anders werden. Etwas tief in ihr flüsterte, dass die Welt bereit war, ihr Geheimnisse zu offenbaren – wenn sie den Mut hatte, sie zu entdecken.
Der letzte Schultag vor den Sommerferien begann wie jeder andere, doch für Elina fühlte er sich schwerer an. Die Sonne brannte unerbittlich auf den Asphalt, und das Lachen ihrer Mitschüler hallte durch den Schulhof. Es schien, als ob alle außer ihr in ausgelassener Vorfreude auf die bevorstehende Freiheit waren. Der Schwimmunterricht, der den Tag abschloss, schien für sie ein Hindernis zu sein, das sie noch überwinden musste.
Elina betrat das Schwimmbad mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Das Echo der Stimmen und das Plätschern des Wassers hallten von den Wänden wider. Das Becken, das so viele ihrer Klassenkameraden mit Freude verband, war für sie ein Ort, der sie jedes Mal aufs Neue herausforderte. Nicht das Wasser war das Problem – sie liebte es. Es waren die unermüdlichen Blicke und die leisen, manchmal auch lauteren Bemerkungen, die sie belasteten.
„Schau mal, wie sie paddelt!“, kicherte ein Mädchen, während Elina sich bemühte, die nächste Bahn zu schwimmen. Ihre verkürzten Beine bewegten sich rhythmisch, doch es fühlte sich an, als würde sie gegen einen unsichtbaren Widerstand kämpfen – nicht nur gegen das Wasser, sondern auch gegen die Blicke, die sie verfolgten.
Die Schwimmlehrerin, die am Beckenrand stand, schüttelte den Kopf. „Du musst dich mehr anstrengen, Elina“, rief sie, der Ton nicht ermutigend, sondern vorwurfsvoll.
Elina schwieg und schwamm weiter, obwohl ihre Arme und Beine schmerzten. Sie wusste, dass jede weitere Bemerkung nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sie lenken würde. Die anderen Kinder tuschelten, ihre Worte unverständlich, doch ihre Bedeutung war klar. Als sie schließlich das Ende der Bahn erreichte, zog sie sich erschöpft an den Beckenrand und ließ sich auf den Rand sinken.
Mit den Füßen im Wasser sitzend, versuchte sie, die Worte der Lehrerin und das Kichern der anderen auszublenden. Das Wasser um ihre Beine war kühl und beruhigend, eine sanfte Erinnerung an etwas, das sie liebte. Sie schloss die Augen und atmete tief durch, doch eine seltsame Empfindung riss sie aus ihren Gedanken.
Ein leichtes Kribbeln breitete sich in ihren Händen aus, als sie die Fingerspitzen ins Wasser tauchte. Es fühlte sich an, als ob das Wasser auf ihre Berührung reagierte – als ob es lebendig wurde. Sie öffnete die Augen und beobachtete, wie sich kleine Wellen um ihre Finger bildeten, fast wie eine Begrüßung.
Für einen Moment war alles andere vergessen. Das Kichern, die strengen Worte der Lehrerin, die Blicke – all das verschwand, während sie sich auf das Kribbeln konzentrierte. Sie hob die Hand und beobachtete, wie das Wasser sich an ihre Finger schmiegte, als ob es sie nicht loslassen wollte.
„Was…?“ flüsterte sie, doch bevor sie den Gedanken zu Ende bringen konnte, riss die Stimme der Lehrerin sie zurück in die Realität.
„Elina! Wir sind noch nicht fertig. Zurück ins Wasser!“
Der Moment zerbrach wie Glas. Das Wasser wurde wieder ruhig, das Kribbeln verschwand, und Elina spürte, wie die Magie des Augenblicks von der harten Wirklichkeit überdeckt wurde. Sie nickte stumm und stieg zurück ins Becken, doch der Gedanke an das, was gerade passiert war, ließ sie nicht los.
Nach dem Unterricht verließ sie das Schwimmbad mit einem schweren Herzen. Auf dem Weg nach Hause spürte sie jedoch ein warmes Gefühl der Erleichterung, als sie daran dachte, dass Jorin bald zurück sein würde. Seine Ankunft war wie ein Lichtblick, ein Versprechen, dass die Welt nicht immer so kalt und unverständlich war.
Zu Hause begrüßte sie der vertraute Duft von frisch gebackenem Brot. Ihre Mutter Aruna, die in der Küche stand, drehte sich zu ihr um. „Wie war dein Tag?“, fragte sie mit ihrer gewohnt sanften Stimme.
„Ganz okay“, antwortete Elina ausweichend und stellte ihre Tasche ab. Sie wusste, dass ihre Mutter ihren Tonfall bemerkte, doch Aruna drängte nicht weiter.
„Jorin hat geschrieben, dass er bald hier ist“, sagte Aruna und lächelte. „Er freut sich darauf, dich zu sehen.“
Elina nickte, und ein kleines Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Der Gedanke an Jorin und seine Geschichten, die Welt, die er mitbrachte, fühlte sich wie ein Fluchtweg an.
Am Nachmittag saß sie auf der Veranda und wartete. Der Zug, der Jorin bringen würde, war noch nicht angekommen, doch sie spürte die Aufregung in sich wachsen. Als das vertraute Geräusch der Lokomotive in der Ferne erklang, sprang sie auf und lief zum Gartenzaun.
Jorin kam den Weg entlang, seine Tasche über der Schulter und ein breites Grinsen im Gesicht. „Da bist du ja!“, rief er, als er sie sah.
Elina rannte ihm entgegen, ihre Schritte leicht und voller Vorfreude. „Endlich bist du da!“
„Ich habe so viel zu erzählen“, sagte er, während er sie umarmte. „Aber zuerst will ich hören, was bei dir los war.“
Elina zögerte, doch sie spürte, dass sie ihm von dem erzählen musste, was im Schwimmbad passiert war. Sie wusste nicht, warum, aber vielleicht würde Jorin eine Antwort haben – oder zumindest eine Geschichte, die alles ein bisschen weniger beängstigend machte.
Als sie zusammen ins Haus gingen, wusste Elina eines mit Sicherheit: Dieser Sommer würde anders werden. Etwas in der Welt hatte sich verändert, und sie konnte es spüren.
Ein sanfter Duft von frisch gebackenem Brot durchzog den Raum, als Elina die Küche betrat. Das Licht der Morgensonne fiel durch das Fenster und legte sich warm auf die Holzmöbel. Auf ihrem Platz lag ein Umschlag, der mit seiner schlichten Eleganz aus dem Alltäglichen hervorstach. Das dicke, cremefarbene Papier und die kunstvolle goldene Schrift ließen ihn wie etwas Besonderes erscheinen.
„Was ist das?“, fragte sie und blieb unsicher an der Tür stehen.
Aruna, die gerade Tee in zwei kleine Porzellantassen einschenkte, hob den Blick und lächelte. „Das wirst du nur erfahren, wenn du ihn öffnest.“
Jorin, der am Tisch saß und genüsslich in ein Stück Brot biss, grinste breit. „Na los, Elina! Du wirst doch nicht kneifen.“
Mit einer Mischung aus Neugier und Unruhe trat sie näher. Die geschwungene Schrift, die ihren Namen formte, hatte etwas Magisches an sich. Ihre Hände zitterten leicht, als sie nach dem Umschlag griff. Das Material fühlte sich unerwartet weich an, fast wie Samt, und ein leichter Duft von Lavendel stieg ihr in die Nase.
Langsam zog sie die Kante des Umschlags auf und nahm das Schreiben heraus. Das Papier war schwer und glatt, die Tinte funkelte im Licht. Ihre Augen huschten über die ersten Zeilen, und für einen Moment hielt sie den Atem an.
„Elina Nachtblüte,wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie einen Platz an der Magischen Hochschule am Wolfsfelsen erhalten haben. Ihre Aufnahme erfolgt zu Beginn des neuen Schuljahres. Wir heißen Sie in unserer Gemeinschaft herzlich willkommen.“
Die Worte schienen sich in ihr Gehirn zu brennen, und doch las sie sie noch einmal, um sicherzugehen, dass sie keinen Fehler machte. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie die Frage stellte: „Ich … ich bin eingeladen?“
Jorin, der immer noch kaute, nickte begeistert. „Na klar! Was hast du denn gedacht? Dass sie dich übersehen würden?“
Aruna trat hinter sie und legte sanft die Hände auf ihre Schultern. „Elina, du gehörst an diesen Ort. Es gibt keinen Zweifel daran.“
Ein überwältigendes Gefühl breitete sich in Elina aus. Freude und Stolz kämpften gegen Angst und Zweifel. „Aber … was, wenn ich es nicht schaffe?“ Ihre Stimme war leise, fast wie ein Eingeständnis.
Jorin stellte seine Tasse ab und sah sie ernst an. „Genau das habe ich auch gedacht, bevor ich dort angefangen habe. Aber glaub mir, Elina, die Magie des Wolfsfelsens wird dir zeigen, was du kannst – und das ist mehr, als du dir jetzt vorstellen kannst.“
Seine Worte gaben ihr einen Funken Zuversicht, doch die Unsicherheit blieb. Ihre Mutter nahm einen Stuhl und setzte sich neben sie. „Es ist normal, sich unsicher zu fühlen, wenn etwas Neues beginnt. Aber du bist stärker, als du denkst, mein Kind. Und du wirst nicht allein sein.“
Der Brief lag noch immer in ihren Händen, und sie betrachtete die goldenen Buchstaben, die so kunstvoll ihren Namen formten. Das Gefühl, dass sich ihr Leben verändern würde, war überwältigend. Sie spürte, dass die nächsten Monate alles auf den Kopf stellen könnten – und doch wusste sie, dass sie diese Gelegenheit nicht verpassen durfte.
„Wann geht es los?“, fragte sie schließlich.
„In sechs Wochen“, antwortete Jorin. „Das ist genug Zeit, um dich vorzubereiten. Und keine Sorge, ich begleite dich. Es ist viel weniger einschüchternd, wenn du weißt, dass jemand da ist, der sich auskennt.“
Ein schwaches Lächeln legte sich auf Elinas Gesicht, und ein Funken Entschlossenheit keimte in ihrem Inneren. Sie wollte sich der Herausforderung stellen, auch wenn sie noch nicht wusste, was sie am Wolfsfelsen erwartete.
Aruna stand auf und legte eine Hand auf Elinas Kopf. „Ich bin so stolz auf dich“, sagte sie sanft. „Und ich weiß, dass dein Vater es auch wäre.“
Die Worte trafen Elina wie ein warmer Strom. Der Gedanke an ihren Vater, über den ihre Mutter selten sprach, gab ihr zusätzlichen Mut. Irgendwie fühlte es sich an, als wäre dies der Weg, den sie gehen sollte – nicht nur für sich, sondern auch für ihre Familie.
„Dann sollte ich wohl anfangen, meine Sachen zu packen“, sagte sie schließlich und versuchte, ein selbstbewusstes Lächeln zu zeigen.
Jorin sprang auf und strahlte über das ganze Gesicht. „Das klingt nach der Elina, die ich kenne!“
Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Elina holte eine alte Reisetasche hervor und begann, ihre Lieblingsbücher, Kleidung und kleine Erinnerungsstücke einzupacken. Jorin erzählte ihr währenddessen von seinen ersten Tagen am Wolfsfelsen, von den schwebenden Treppen und den magischen Bibliotheken, die er besucht hatte.
Als der Abend hereinbrach und die Sterne am Himmel erschienen, saß Elina mit ihrem gepackten Koffer am Fenster und schaute hinaus. Der Gedanke, dass sie bald Teil dieser magischen Welt sein würde, war aufregend und beängstigend zugleich. Doch tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie bereit war.
„Wolfsfelsen, ich komme“, flüsterte sie, bevor sie ihre Augen schloss.
Die letzten Tage vor der Abreise waren eine Mischung aus Aufregung, Nervosität und stillen Momenten. Während Elina ihre Tasche packte, gingen ihr die Geschichten durch den Kopf, die Jorin über den Wolfsfelsen erzählt hatte. Sie legte jedes Buch sorgfältig an seinen Platz, faltete ihre Kleidung ordentlich und hielt inne, als sie das kleine Tagebuch in der Hand hielt, das sie mitnehmen wollte. Die leeren Seiten wirkten wie ein Versprechen – ein Versprechen auf Abenteuer, die auf sie warteten.
Aruna war immer in der Nähe. Mal half sie Elina beim Packen, mal brachte sie Dinge, die ihre Tochter vergessen haben könnte. Doch hin und wieder schien ihre Mutter in Gedanken versunken, ihre Blicke voller Stolz, aber auch voller Sorge.
„Du wirst sie verzaubern“, sagte Aruna eines Abends, während sie Elina eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht strich. Ihre Stimme war ruhig, aber voller Überzeugung. „Sie werden sehen, wie besonders du bist.“
Elina lächelte schwach, doch die Worte hinterließen in ihr ein schweres Gefühl. Die Verantwortung, die in ihnen lag, machte ihr Angst. Was, wenn sie die Erwartungen ihrer Mutter nicht erfüllen konnte? Was, wenn sie scheiterte?
Am letzten Abend saß sie mit Jorin auf der Veranda. Der Himmel war klar, die Sterne funkelten wie winzige Leuchtfeuer. „Weißt du“, begann Jorin, während er sich im Stuhl zurücklehnte, „ich war genauso nervös, als ich das erste Mal losgefahren bin. Aber sobald du dort bist, wirst du merken, dass es sich richtig anfühlt. Du wirst sehen, dass du mehr kannst, als du denkst.“
Elina sah zu ihm hinüber und wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Stattdessen nickte sie nur und hoffte, dass er recht hatte.
Am Morgen der Abreise war die Luft kühl und klar. Der Regenbogenfarben-Zug wartete am Bahnsteig, seine schimmernden Wagen reflektierten das Licht der aufgehenden Sonne. Elina zog ihren Schal enger um sich, während sie mit ihrer Familie dort stand. Alles fühlte sich so endgültig an.
Aruna hielt Elinas Hand fest, als wolle sie den Moment hinauszögern. „Denk daran, wer du bist“, sagte sie leise. „Und vergiss nie: Egal, was passiert, du kannst immer nach Hause kommen.“
Jorin, der etwas abseits stand, grinste breit. „Keine Sorge, Mama. Ich pass auf sie auf.“
Aruna zog beide in eine Umarmung, die Wärme und Zuversicht ausstrahlte. „Ihr passt aufeinander auf, verstanden?“ Ihre Stimme zitterte leicht, doch ihre Augen blieben klar und voller Stolz.
Der Abschied fiel Elina schwerer, als sie erwartet hatte. Als sie schließlich mit Jorin in den Zug stieg, blickte sie aus dem Fenster zurück. Aruna stand noch immer da, winkte und lächelte, bis ihre Gestalt im Morgennebel verschwand.
Im Inneren des Zuges war alles anders – wie eine andere Welt. Die Sitze schimmerten wie Seide, und das leise Summen des Wagens hatte etwas Beruhigendes. Elina ließ sich neben Jorin nieder und atmete tief durch. „Es fühlt sich komisch an, wirklich loszufahren“, sagte sie schließlich.
„Das ist normal, wenn etwas Neues beginnt“, antwortete Jorin und grinste. „Aber das ist doch das Spannende. Du wirst sehen, dass es sich lohnt.“
Während der Zug durch die Landschaft fuhr, beobachtete Elina die vorbeiziehenden Felder und Wälder. Mit jeder Meile schien die Welt sich zu verändern. Es war, als würde jede Brücke und jede Kurve sie tiefer in eine andere Realität führen.
Jorin erzählte ihr Geschichten von den magischen Fluren der Schule, den lebenden Treppen und den faszinierenden Lehrern. Doch Elina hörte nur halb zu. Ihre Gedanken waren bei dem, was vor ihr lag – und bei dem, was sie hinter sich ließ.
Das Tagebuch lag auf ihrem Schoß, und ihre Finger strichen über das lederne Cover. Es fühlte sich an wie ein Versprechen, eine Möglichkeit, die darauf wartete, gefüllt zu werden. Doch sie fragte sich immer wieder: War sie wirklich bereit für all das?
Als der Zug eine Brücke überquerte, die hoch über einem tiefen Tal lag, spürte sie plötzlich einen Funken Entschlossenheit. Vielleicht hatte sie Angst. Vielleicht war sie unsicher. Doch sie wusste, dass sie es versuchen musste – nicht nur für Jorin oder für ihre Mutter, sondern für sich selbst.
„Jorin?“ Ihre Stimme war leise, aber bestimmt.
„Ja?“ Er drehte sich zu ihr um.
„Ich bin froh, dass du dabei bist“, sagte sie und lächelte leicht. „Das macht es einfacher.“
Jorin legte eine Hand auf ihre Schulter. „Wir sind ein Team. Das war schon immer so.“
Die Worte gaben ihr Halt. Die Anspannung, die sie seit Tagen begleitet hatte, ließ langsam nach. Der Zug fuhr weiter, und mit jeder Minute wuchs in ihr die Vorfreude. Der Wolfsfelsen war nicht nur ein Ort voller Magie. Für Elina war er der Beginn eines neuen Kapitels – eines Kapitels, das sie selbst schreiben würde.
Die Landschaft zog an Elina vorbei – ein unendlicher Strom aus grünen Wäldern und blühenden Feldern, die im Licht der Morgensonne leuchteten. Der Regenbogenfarben-Zug glitt lautlos über die Schienen, als wolle er die Welt nicht stören. Elina saß still auf ihrem Platz, den Blick auf die vorbeiziehende Natur gerichtet, während ihre Gedanken um all das kreisten, was vor ihr lag.
Jorin lehnte sich entspannt in seinem Sitz zurück, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Nach einer Weile griff er in seine Tasche und zog ein kleines, hölzernes Kästchen hervor. Ohne ein Wort öffnete er es und schob es langsam über den Tisch zu Elina.
Neugierig blickte sie ihn an, bevor ihre Augen auf den Inhalt fielen. In dem Kästchen lag eine filigrane Silberkette mit einem Anhänger, der je nach Lichteinfall seine Farbe zu wechseln schien. Mal funkelte er wie ein Stern, dann wieder schimmerte er in tiefem, geheimnisvollem Dunkel.
„Was ist das?“ fragte sie schließlich und hob vorsichtig die Kette heraus.
„Ein Amulett“, erklärte Jorin, und seine Stimme klang ungewohnt ernst. „Ich habe es auf dem Dachboden gefunden, in einer Kiste mit ein paar alten Sachen von Vater.“
Elina hielt inne. Der Name ihres Vaters ließ sie jedes Mal innehalten. Sie hatte ihn nie kennengelernt, doch allein seine Erwähnung brachte ein Gefühl von Sehnsucht in ihr Herz. „Und du bist sicher, dass es mir gehört?“ Ihre Stimme war leise, beinahe zögerlich.
„Es fühlt sich richtig an“, antwortete Jorin. „Als ich es gesehen habe, hatte ich das Gefühl, dass es zu dir gehört. Vielleicht ist es mehr als nur ein Schmuckstück.“
Vorsichtig legte Elina das Amulett in ihre Handfläche. Kaum berührte sie den kühlen Anhänger, durchlief sie ein sanftes Kribbeln. Es war, als würde das Schmuckstück sie begrüßen, als würde es ihr sagen, dass es lange auf sie gewartet hatte.
„Das fühlt sich … seltsam an“, sagte sie schließlich, während ihre Finger vorsichtig über die glatte Oberfläche strichen. „Fast so, als ob es lebt.“
„Genau das dachte ich auch“, stimmte Jorin ihr zu. „Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist – besonders jetzt.“
Elina legte die Kette um ihren Hals, und der Anhänger ruhte leicht über ihrem Herzen. Eine warme Energie breitete sich in ihr aus, beruhigend und gleichzeitig belebend. Sie konnte nicht erklären, was genau geschah, doch sie spürte, dass das Amulett mehr war als ein einfaches Schmuckstück.
„Danke“, sagte sie leise und sah ihren Bruder an. Seine Unterstützung bedeutete ihr mehr, als sie in Worte fassen konnte.
Jorin lächelte, seine Augen funkelten vor Stolz. „Ich wusste, dass es dir gehören sollte. Und ich bin mir sicher, dass es dir helfen wird.“
Eine Weile schwiegen sie. Der Zug fuhr durch eine enge Schlucht, und das Licht fiel in langen Strahlen durch die hohen Felsen. Elina hielt das Amulett fest in der Hand, während Gedanken in ihrem Kopf aufkamen. Was bedeutete dieses Schmuckstück wirklich? Warum fühlte es sich an, als ob es eine Verbindung zu ihr hatte?
Die Stille wurde schließlich von Jorin durchbrochen. „Weißt du, es gibt Geschichten über solche Amulette. Manche sagen, sie tragen Magie in sich. Andere glauben, dass sie Erinnerungen bewahren oder sogar Schutz bieten können.“
„Glaubst du, dass es … magisch ist?“ fragte Elina, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
„Vielleicht“, antwortete er ohne zu zögern. „Aber ich denke, das wirst du selbst herausfinden müssen.“
Elina nickte und ließ den Anhänger los, der sanft auf ihrer Brust ruhte. Das Kribbeln war geblieben, ein leiser, konstanter Puls, der sie daran erinnerte, dass sie etwas Besonderes trug. Sie wusste nicht, was das Amulett für sie bereithielt, doch sie spürte, dass es eine wichtige Rolle in ihrer Zukunft spielen würde.
Der Zug fuhr weiter, und die Landschaft veränderte sich. Die Wälder wurden dichter, die Berge höher. Elina blickte aus dem Fenster und fragte sich, welche Geheimnisse am Wolfsfelsen auf sie warteten – und welche Rolle das Amulett dabei spielen würde.
Was auch immer geschah, sie war bereit, es herauszufinden.
Der Regenbogenfarben-Zug kam langsam zum Stehen, begleitet von einem leisen Zischen, als die Türen sich öffneten. Elina spürte ein Kribbeln in ihrem Magen, eine Mischung aus Vorfreude und Nervosität. Der Bahnsteig war erfüllt von einer lebhaften Energie. Schüler in allen Altersgruppen stiegen aus, lachten, plauderten oder riefen sich quer durch die Menge zu. Die Luft schien vor Aufregung zu vibrieren.
Elina trat zögerlich aus dem Zug und spürte den festen Stein unter ihren Füßen. Umgeben von hohen Bäumen, deren Blätter im Licht funkelten, wirkte der Bahnhof wie eine verborgene Oase. Die Steine des Bahnsteigs waren mit feinen, glühenden Runen durchzogen, die eine sanfte Wärme ausstrahlten.
„Das ist der Wolfsfelsen“, sagte Jorin, der direkt hinter ihr stand. Seine Stimme war warm und voller Stolz. „Siehst du, was ich meinte? Es ist, als ob die Magie hier in der Luft liegt.“
Die Vielfalt der Menschen und magischen Wesen, die sich auf dem Bahnsteig tummelten, war überwältigend. Ein Mädchen mit schimmernden Schmetterlingsflügeln half einem Jungen, dessen Koffer sich plötzlich selbstständig gemacht hatte und in die falsche Richtung rollte. Eine Gruppe von Schülern ließ kleine Lichtkugeln über ihren Köpfen tanzen, während sie lachend ihre Kunststücke vorführten. Und da war ein Lehrer, dessen langer Umhang im Wind flatterte, obwohl keine Brise zu spüren war.
Elina blieb stehen, die Hand an ihrem Koffer, und ließ die Eindrücke auf sich wirken. Sie fragte sich, ob sie wirklich an diesen Ort passte.
Jorin bemerkte ihre Unsicherheit und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Keine Sorge“, sagte er leise. „Am Wolfsfelsen zählt nicht, wer du warst, sondern wer du sein kannst. Du wirst deinen Platz finden.“
Ein Junge im schwebenden Rollstuhl glitt an ihnen vorbei. Die Verzierungen an seinem Rollstuhl leuchteten sanft, und er wirkte völlig in seinem Element. Elina beobachtete ihn, wie er mit einer Handbewegung einem anderen Schüler half, dessen Koffer zu schwer für ihn war.
„Hier bist du nie allein“, fügte Jorin hinzu. „Das ist das Besondere an diesem Ort.“
Das massive Tor, das zur Schule führte, war eine beeindruckende Konstruktion aus schwarzem Stein, durchzogen von goldenen und silbernen Runen, die in einem sanften Rhythmus pulsierten. Vor dem Tor stand eine Frau mit leuchtend silbernem Haar, das wie ein Wasserfall über ihre Schultern floss. Ihre Haltung strahlte zugleich Autorität und Wärme aus.
„Das ist Lenara, die Schuldirektorin“, flüsterte Jorin. „Du wirst sie mögen.“
Lenara hob die Hände, und die Menge verstummte. Ihre Stimme war klar und kraftvoll, dennoch durchzogen von einer einladenden Wärme. „Willkommen an der Magischen Hochschule am Wolfsfelsen! Jeder von euch trägt etwas Einzigartiges in sich. Hier zählt nicht, woher ihr kommt oder welche Herausforderungen ihr mitbringt. Was zählt, ist, wer ihr seid und wer ihr werden könnt.“
Die Worte trafen Elina tief. Zum ersten Mal fühlte sie sich, als könnte sie wirklich dazugehören, als ob dieser Ort sie so akzeptierte, wie sie war.
Langsam strömten die Schüler durch das geöffnete Tor. Jorin griff nach Elinas Hand, drückte sie kurz und zog sie mit sich. „Das ist es, Elina. Dein Abenteuer beginnt jetzt.“
Hinter dem Tor lag ein großer Platz, umgeben von hohen, alten Gebäuden, die nahtlos in die Landschaft eingebettet waren. Die Mauern schienen aus dem gleichen Stein wie die umliegenden Felsen gefertigt zu sein, und magische Lichter schwebten über den Wegen. Es war, als ob die Schule mit der Natur verschmolzen war – ein Ort, der aus einer anderen Zeit stammte.
Elina konnte ihren Blick nicht abwenden. Jeder Winkel des Wolfsfelsens schien etwas zu erzählen, eine Geschichte, die darauf wartete, entdeckt zu werden. Die Magie war hier nicht verborgen – sie war lebendig, Teil von allem, was sie sah.
„Das ist der zentrale Platz“, erklärte Jorin, während er sie weiterführte. „Von hier aus erreichst du die Wohnhäuser, die Klassenräume und den großen Speisesaal.“
Elina nickte stumm, ihre Gedanken noch immer von den Eindrücken überwältigt. Sie spürte das Gewicht des Amuletts, das sie um den Hals trug, und fragte sich, ob dieser Ort vielleicht die Antworten auf die Fragen bereithielt, die sie seit ihrer Kindheit begleiteten.
„Ich muss los, um ein paar Dinge zu klären“, sagte Jorin schließlich. „Aber du kommst zurecht, oder? Deine Einführungsveranstaltung beginnt in einer Stunde.“
Elina sah ihm nach, wie er in der Menge verschwand. Für einen Moment fühlte sie sich allein, doch dann atmete sie tief durch und blickte sich um. Der Wolfsfelsen war überwältigend, aber auch wunderschön. Und vielleicht, nur vielleicht, war dies der Ort, an dem sie herausfinden würde, wer sie wirklich war.
Mit einem leichten Lächeln trat sie vorwärts. Das Abenteuer hatte begonnen.