Ellie findet das Glück - W. Bruce Cameron - E-Book

Ellie findet das Glück E-Book

W. Bruce Cameron

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Beschreibung

Hunde und Menschen verbindet eine besondere Zuneigung. Und keiner kann das besser erzählen als ... ein kleiner Welpe! Welpe Ellie findet bei Jakob ein Zuhause und darf, wie es sich gehört, jeden Tag im Park rumtoben und spielen. Eigentlich ein tolles Leben, wenn sie jetzt noch bei ihm im Bett schlafen dürfte! Doch das Spiel ist ein wichtiges Training, denn Ellie soll ein Spürhund werden und vermisste Menschen finden. Und sie macht sich gut, egal ob Fährtensuche, über Hindernisse springen oder im Hubschrauber mitfliegen ... solange Ellie bei ihrem Menschen Jakob ist, kann sie alles schaffen. Doch warum ist Jakob immer so traurig? Ellie fängt an zu verstehen, dass man Menschen nicht nur finden, sondern auch retten muss! Wie aus dem tapsigen, schlappohrigen Welpen Ellie ein mutiger und selbstloser Rettungshund wird und wie sie dabei die Menschen um sich herum glücklich macht, beschreibt Bestsellerautor W. Bruce Cameron nicht nur spannend, sondern mit viel Herz und Humor. Liebevoll illustriert von Richard Cowdrey. Weitere Bücher von W. Bruce Cameron: »Bailey findet ein Zuhause« »Molly findet eine Freundin« (erscheint im Frühjahr 2018)

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Seitenzahl: 188

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W. Bruce Cameron

Ellie findet das Glück

Aus dem Amerikanischen von Naemi Schuhmacher

FISCHER E-Books

Inhalt

Widmung123456789101112131415161718Deutscher SchäferhundSpür- und RettungshundeWeitere Bücher von Bruce W. Cameron

Für Eloise und Gordon

1

Der Geruch meiner Mutter und der Geschmack ihrer Milch waren das Erste, das ich kennenlernte.

Ich musste mich zu ihr durchkämpfen, an den weichen, flauschigen Körpern meiner Geschwister vorbei und über sie hinweg, um meinen leeren Magen zu füllen. Ich drehte und wand mich, schob mich mit meinen schwachen Beinchen Stück für Stück voran, bis ich die warme, süße Milch auf der Zunge schmeckte.

Ein paar Tage später konnte ich meine Augen öffnen, und ich konnte das Gesicht meiner Mutter und die weiche Decke, auf der sie lag, erkennen, zu Anfang aber nur verschwommen.

Manchmal, wenn ich mich einsam und verloren fühlte oder wenn ich fror, winselte ich und drängte mich näher an sie heran. Meine Geschwister brachte das ein bisschen durcheinander, und sie verstanden mein Winseln als ein Zeichen von Schwäche. Dann stürzten sie sich auf mich. Sieben Stück waren es, alle braun mit schwarzen Flecken, aber warum sie nicht kapierten, wer hier das Sagen hatte, verstand ich nicht.

Wenn es nicht Mutter war, dann ganz sicher ich. Meiner Ansicht nach war ich der klügste Welpe.

Eine Frau mit weichen Händen und einer noch weicheren Stimme kam oft die Treppe zu uns herunter, um uns zu besuchen. Am ersten Tag knurrte meine Mutter sie an, zwar nur ganz leise, aber die Frau hielt respektvoll Abstand. Später änderte meine Mutter anscheinend ihre Meinung und ließ zu, dass die Frau uns hochnahm, knuddelte und an sich drückte.

Sie roch interessant, diese Frau. Manchmal sauber (nach Seife), manchmal lecker (nach Essen) und manchmal nur nach sich selbst. Es machte mir nichts aus, wenn sie mich hochnahm – oder nicht viel. Trotzdem war ich jedes Mal froh, wenn sie mich wieder neben meine Mutter auf die Decke legte.

Auch ein Mann kam hin und wieder die Treppe herunter, um uns anzuschauen und einen Futternapf und Wasser für meine Mutter zu bringen. Dieses Wasser! Als ich zum ersten Mal zum Wassernapf lief, um daran zu schnuppern, schubste mich einer meiner Brüder von hinten kopfüber in die Schüssel.

Kalt! Das Wasser drang mir in die Nase und stach in meinen Augen, und als ich versuchte zu winseln, damit meine Mutter bemerkte, dass ich Hilfe brauchte, hatte ich es auch im Maul. Ich musste alle Kraft aufbringen, um mich aus dem rutschigen Napf zu befreien und mir das Wasser aus dem Fell zu schütteln. Nach diesem Vorfall hielt ich respektvollen Abstand von der Wasserschüssel. Mein Bruder tat, als wäre nichts gewesen, obwohl das alles allein seine Schuld war.

Ein paar Wochen später, als meine Beine schon kräftiger waren, kam der Mann mit einem großen Gegenstand in den Händen die Treppe herunter. Er stellte das seltsame Ding auf den Boden, dann nahm er einen meiner Brüder und setzte ihn hinein.

»Rein in die Kiste, Kumpel«, sagte der Mann. »Keine Sorge. Es dauert nicht lange.«

Mein Bruder jaulte. Ich hörte ihn nur, sehen konnte ich ihn nicht! Wir alle bellten und winselten, als der Mann uns einen nach dem anderen aufhob und zu meinem Bruder in die Kiste steckte.

Drinnen war es wie in einem winzigen Zimmer, mit Boden und Wänden aus einem glatten, rutschigen Material. Mit meinen kleinen Krallen fand ich kaum Halt. Noch schlimmer wurde es, als der Mann die Kiste hochhob.

Meine Geschwister kletterten und wuselten aufeinander herum, um herauszubekommen, was da vor sich ging. Ich stand auf zwei meiner Schwestern, stützte mich mit den Vorderpfoten am Rand der Kiste ab und spähte hinaus. Der Mann stieg die Treppe hinauf, meine Mutter trabte hinter ihm her. Das beruhigte mich. Solange Mutter mitkam, drohte bestimmt keine Gefahr.

»Hoppla, zurück in die Kiste, Mädchen«, sagte der Mann. »Fall nicht raus.«

Sanft schob er meine Pfoten vom Rand der Kiste, und ich landete auf demselben blöden Bruder, der mich in den Wassernapf geschubst hatte. Er kaute auf meinem Bein herum, bevor ich es mit einem Ruck wegzog.

Der Mann trug uns noch eine Weile, dann stellte er die Kiste ab. Einen Welpen nach dem anderen hoben der Mann und die Frau aus der Box.

Wir waren an einem unglaublichen Ort. Er nannte sich »Draußen«. Zuerst fiel mir das Licht auf. Mehrere Minuten lang konnte ich kaum etwas erkennen, so hell war es. Unter mir spürte ich etwas Seltsames – federnd und weich, wie die Decke meiner Mutter, aber auch stachelig. Gras! Ich biss hinein, um klarzustellen, wer hier der Chef war. Es biss nicht zurück, damit war die Sache entschieden. Das Gras hatte sich mir untergeordnet.

Und all die Gerüche! Bisher kannte ich nur den Geruch meiner Mutter und meiner Wurfgeschwister, den der Decke und der Frau und des Mannes, die uns besuchten. Jetzt aber bewegte sich die Luft, wehte mir ins Gesicht und kitzelte meine Nase mit einer Million verschiedener Düfte, die ich nicht einordnen konnte. Meine Geschwister rasten an mir vorbei, stolperten, fielen hin und kullerten übereinander. Ich stand ganz still, die Nase in die Luft gereckt, und versuchte zu verstehen, wo ich hier gelandet war.

Das Gras unter meinen Pfoten roch stark und frisch. Darunter war noch ein anderer Duft, dunkel, fest und schwer. Es roch, als würde es Spaß machen, darin zu buddeln. Der Wind brachte auch Gerüche aus weiter Ferne mit sich – ein rauchiger, leckerer Duft wehte aus dem Haus, süß rochen die Hecken daneben, und auf der anderen Seite eines hohen Holzzauns brauste ein säuerlicher Gestank sehr schnell vorbei.

Und dann war da noch ein geheimnisvoller, lebendiger Duft nach Fell wie meinem.

Der Geruch stammte von einem ausgewachsenen Hund in einem Gehege. Meine Mutter trabte hinüber zu ihm und steckte ihre Schnauze durch den Drahtzaun, um seine Nase anzustupsen. Ich bemerkte, dass der andere Hund, der ein Männchen wie meine Brüder war, meiner Mutter viel bedeutete. Ohne zu wissen, warum, erkannte ich, dass dieser Hund mein Vater war.

»Scheint, als würde er mit den Welpen klarkommen«, sagte der Mann zu der Frau.

»Bist du brav, Bernie? Willst du raus?« Unser Vater hieß wohl Bernie. Die Frau öffnete das Gehege. Er sprang raus, schnüffelte uns an und lief los, um an den Zaun zu pinkeln.

Wir rannten hinter ihm her, purzelten alle zwei Meter hin, rappelten uns aber immer wieder auf. Bernie senkte den Kopf, und einer meiner Brüder hüpfte hoch und schnappte nach seinen Ohren. Wie respektlos! Aber ihn schien es nicht zu stören. Er schüttelte meinen Bruder nur ab und ließ ihn in die Wiese plumpsen.

Ein paar Welpen nahmen das als Einladung und stürzten sich auf Bernie. Einige schob er sanft beiseite, an anderen schnupperte er nur, dann kam er zu mir.

Ich biss ihn nicht und sprang nicht an ihm hoch, also blieb ich auf den Beinen. Aber er schnüffelte mich von Kopf bis Fuß ab und legte mir dann eine Pfote auf den Rücken. Einfach so.

Ich wusste, dass ich mich nicht wehren durfte. Ich mochte der Chef meiner Geschwister sein, auch wenn ein paar von ihnen das noch nicht begriffen hatten. Aber dieser Vater-Hund war, genau wie Mutter, mein Chef. Ich ließ zu, dass er mich einige Sekunden lang ins weiche und stachlige Gras drückte, dann ließ er mich los, um sich von dem Mann die Ohren kraulen zu lassen.

Von da an durften wir jeden Tag nach draußen. Ich lernte, dass dieses dunkle, spannende Zeug unter dem Gras Erde war. Außerdem begriff ich, wie ich meinen Geschwistern beibringen konnte, nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Sie schlichen sich immer von hinten an, um sich dann mit einem Satz auf mich zu stürzen, oder sie rasten über den ganzen Hof und rannten mich um. Ich musste dann knurren und die Zähne zeigen oder mich so oft drehen und wenden, bis ich oben lag. Dann stolzierte ich davon und ergriff die nächste Gelegenheit, um mich selbst anzupirschen.

Komisch, dass sie sich nicht einfach damit abfanden, dass ich hier das Sagen hatte. Sie kämpften und wanden sich und versuchten mich mit ihren winzigen Pfoten runterzudrücken, so wie Bernie es mit seiner großen gemacht hatte. Aber sie waren eben nicht Mutter oder Vater, also kamen sie damit nicht durch. Trotzdem gaben sie nicht auf.

Manchmal spielte auch Bernie mit uns, oder die Frau kam nach draußen und brachte seltsam riechende Sachen mit, auf denen wir herumkauen durften. »Spielzeug für euch«, sagte sie dann.

 

Eines Tages kam ein neuer Mann in den Garten. Er hatte andere Vorstellungen davon, wie man spielte. Zuerst klatschte er laut in die Hände. Einer meiner Brüder jaulte auf und rannte zu unserer Mutter. Ein paar andere Welpen machten einen Satz zurück, einer winselte. Auch ich erschrak, aber irgendwie wusste ich, dass keine Gefahr drohte.

Mich und die anderen Welpen, die keine Angst gezeigt hatten, packte der Mann in eine Kiste und trug uns in einen anderen Teil des Gartens.

Einen nach dem anderen hob er uns raus. Als ich an der Reihe war, setzte er mich in der Wiese ab, drehte sich um und ging davon, ganz als hätte er vergessen, dass ich überhaupt da war. Neugierig, was er als Nächstes vorhatte, lief ich ihm hinterher.

»Braver Hund!«, lobte er mich. Nur weil ich ihm folgte, war ich ein braver Hund? Der Kerl war ja leicht zu beeindrucken.

Dann zog der Mann etwas aus seiner Tasche. Er faltete es auseinander und legte den Stoff auf mich drauf. »Na, Mädchen, findest du aus dem T-Shirt raus?«, fragte er.

Keine Ahnung, was da vor sich ging, aber es gefiel mir nicht. Der weiße Stoff war überall, als wäre ich in eine Decke gewickelt. Ich versuchte, gegen ihn zu kämpfen, ihm zu zeigen, wer hier der Boss war, wie bei meinen Geschwistern. Aber das klappte nicht. Ich konnte kratzen und beißen, soviel ich wollte, aber der Stoff blieb, wo er war. Er klebte mir regelrecht an Kopf und Körper.

Ich versuchte zu gehen, vielleicht konnte ich ihm ja einfach davonlaufen. Das T-Shirt lief mit mir mit. Ich knurrte und schüttelte wie wild den Kopf. Das half ein bisschen. Der Stoff rutschte mir vom Gesicht, und ich erhaschte einen Blick auf ein Stück Wiese neben meinem Schwanz.

Mein Schwanz! Das war die Lösung! Wenn ich hier rauswollte, musste ich rückwärtsgehen. Ich setzte meine Idee in die Tat um und schüttelte dabei den Kopf, um den Stoff abzustreifen. Ein paar Sekunden später saß ich im Gras. Der Mann war auch noch da, und ich lief zu ihm, um mir mein Lob abzuholen.

Die Frau war in den Garten gekommen und beobachtete uns.

»Die meisten brauchen ein, zwei Minuten, bis sie dahinterkommen, aber die hier ist ganz schön aufgeweckt«, bemerkte der Mann. Er kniete sich hin und griff nach mir, dann drehte er mich um und drückte meinen Rücken in die Wiese. Ich wand mich. Das war unfair. Er war doch viel größer als ich!

»Das mag sie nicht, Jakob«, sagte die Frau.

»Keinem gefällt das. Die Frage ist nur, hört sie auf zu kämpfen und akzeptiert, dass ich der Chef bin, oder nicht? Ich brauche einen Hund, der weiß, wer das Sagen hat«, antwortete der Mann.

Ich hörte das Wort »Hund«, aber wütend klang er nicht. Das war keine Bestrafung. Aber heruntergedrückt wurde ich. Ich erinnerte mich daran, wie Bernie mich in die Wiese gepresst hatte, als ich ihn das erste Mal traf. Der Mann war größer als ich, genau wie Bernie. Vielleicht hieß dass, das der Mann der Chef sein sollte, so wie mein Vater.

Jedenfalls wusste ich nicht, was das für ein Spiel sein sollte, also entspannte ich mich. Kein Kämpfen mehr.

»Braver Hund!«, sagte der Mann wieder. Er hieß vermutlich Jakob. Und ganz eindeutig hatte er komische Ansichten darüber, wie man mit Welpen spielte.

Als Nächstes holte er etwas flaches Weißes aus seiner Tasche und zerknüllte es. Das machte aber ein spannendes Geräusch! Wenn ich es mir nur genauer anschauen – oder sogar hineinbeißen – könnte. Was war das für eine neue Sache?

»Gefällt dir das, Kleine? Gefällt dir das Papier?«, fragte Jakob.

Und wie mir das gefiel! Er bewegte es vor meiner Nase hin und her, und ich jagte hinterher, schnappte danach, versuchte, es zu packen. Aber ich schaffte es nicht! Mein Maul war zu klein, und ich zu langsam. Da warf der Mann das Ding in die Luft, und ich raste hinterher. Ich machte einen Satz und landete mit beiden Vorderpfoten auf dem Ding. Dann machte ich es mir bequem, um es zu zerreißen. Ha! Jetzt versuch mal, es mir abzunehmen!

Es schmeckte interessant, aber nicht so gut, wie ich gedacht hatte. Als es sich noch bewegt hatte, war es lustiger gewesen. Ich hob es auf, lief zurück zu dem Mann und warf es ihm vor die Füße. Dann ließ ich mein Hinterteil in die Wiese plumpsen und wedelte mit dem Schwanz. Hoffentlich verstand er den Wink und warf das Ding noch mal.

»Diese hier«, sagte Jakob. »Die nehme ich.«

2

Jakob hob mich hoch und trug mich hinaus aus dem Garten. Ich war verblüfft. Draußen war ja viel größer, als ich gedacht hatte. Es ging endlos weiter!

Vor dem Haus schossen große, laute Dinger vorbei, sie rochen nach Metall und Rauch und anderen unangenehmen, stechenden Sachen. Was das für Dinger waren, wusste ich nicht, aber sie wirkten gefährlich. Jakob öffnete eines davon an der Rückseite, und ich wand mich an seiner Brust und winselte.

»Ist schon gut, Mädchen«, sagte Jakob. »Wir machen nur eine kleine Autofahrt. Keine Sorge. Ja? Das ist nur ein Auto.«

Auto. Sein Tonfall klang besänftigend, trotzdem war ich wirklich beunruhigt. In ein Ding, das so roch, wollte ich wirklich nicht rein.

Hinten im Auto stand etwas wie eine Kiste, nur aus Metall. Jakob öffnete sie mit einer Hand, mit der anderen setzte er mich vorsichtig hinein.

Dann ging er. Er ließ mich allein!

Da lief aber etwas falsch. Ohne jeden Zweifel. Der Gedanke, von meiner Mutter und meinen Geschwistern getrennt zu werden, gefiel mir natürlich gar nicht, aber irgendwie ahnte ich, dass es auf der Welt nun mal so zuging. Hunde sollten bei Menschen sein. Jakob war jetzt meine Familie.

Aber dafür sollte Jakob bei mir sein! Er konnte doch nicht einfach weggehen und mich in einer kalten Metallkiste hinten in einem lauten, stinkenden Auto zurücklassen!

Ich bellte. Ich winselte. Ich tat alles, was ich konnte, um Jakob mitzuteilen, dass er einen Fehler gemacht hatte und zurückkommen musste. Anscheinend war ich zu leise, sonst wäre er ja wohl aufgetaucht und hätte mich aus dieser Kiste geholt. Ich hörte einen dumpfen Schlag, dann bebte die Metallkiste, und wir bewegten uns.

Es erinnerte mich daran, wie ich in der Kiste in den Garten getragen wurde, ich schwankte hin und her. Das gefiel mir ganz und gar nicht! Das Auto knurrte und brüllte. Ich war ziemlich sicher, dass es mich auffressen wollte. Wo war Jakob?

Mein verzweifeltes Bellen musste ihn schließlich doch erreicht haben, denn als das Auto endlich stillstand, tauchte er wieder auf und holte mich aus der Box. »War gar nicht so schlimm, oder, Kleine?«, sagte er.

Nach allem, was ich gerade durchgemacht hatte, kam mir seine Reaktion seltsam fröhlich vor. Trotzdem war ich so dankbar, dass er mich gerettet hatte, dass ich es ihm nicht nachtragen konnte. Ich bettete meinen Kopf auf seine Schulter, während er mich ein paar Stufen nach oben und in mein neues Zuhause trug.

Hier gab es viel zu erkunden. Eine Küche, voll mit spannenden Gerüchen und kleinen Türen, die ich nicht aufbekam, nicht einmal, als ich daran kratzte. Ein Wohnzimmer mit einem Sofa, das nach Jakob roch, und einer Kiste, die manchmal Geräusche machte. Ein Balkon, wo ich mit Jakob sitzen und die Aussicht über Häuser, Gärten, Bäume und noch mehr solcher vorbeirasenden Dinger, die Auto hießen, genießen konnte.

Dann gab es noch ein Schlafzimmer mit einem Bett, das auch nach Jakob roch. Am ersten Tag versuchte ich hinaufzuklettern, aber Jakob schob mich mit Nachdruck wieder auf den Boden. »Nein, Kleine. Das hier ist dein Bett«, sagte er und zeigte mir einen weichen, pelzigen Kreis auf dem Boden. Er fühlte sich an wie die Decke, auf der ich mit meiner Mutter geschlafen hatte, aber er roch nicht so. Er roch leer und kalt.

Am besten gefiel mir aber der Park. Schon am ersten Tag nahm Jakob mich mehrmals dorthin mit. Da gab es noch mehr von dem stacheligen Gras, auf dem man so toll herumtollen konnte, und Jakob warf mir Stöckchen, hinter denen ich herjagen konnte, um sie ihm dann wiederzubringen. Dann zog er ein kleines rundes Ding aus der Tasche und warf das. Ich spürte es in der Wiese auf und versuchte es mit meinem kleinen Maul aufzuheben.

Da schoss ein Tier mit einem seltsam buschigen Schwanz an mir vorbei. Ich ließ den Ball sofort liegen und jagte hinterher. Das machte noch viel mehr Spaß!

Ganz eindeutig war dieses Tier zum Jagen da. Im Zickzackkurs raste es über die Wiese, dann steuerte es auf einen Baum zu. Zu meiner Verwunderung lief es geradewegs den Stamm hinauf! Ich versuchte, es ihm nachzutun, landete aber nur auf dem Hintern. Das Tier saß weit oben in einem Ast und lachte darüber, wie ich um den Baum lief und missmutig bellte. Warum fanden meine Pfoten keinen Halt am Stamm? Bei dem kleinen Tier hatte das Klettern so leicht ausgesehen!

Jakob setzte sich neben mich und kraulte mir die Ohren. »Gib nicht auf, Kleine«, erklärte er mir. »Du darfst niemals aufgeben. Aber ich kann dich nicht immer Kleine nennen … Elleya.« Worüber er wohl sprach? »Das ist Schwedisch für ›Elch‹. Dann bist du ein schwedischer Schäferhund.« Ich bemerkte, dass er mit mir sprach, also wedelte ich mit dem Schwanz, auch wenn die Worte für mich keinen Sinn ergaben. »Elleya, Elleya«, sagte er und entfernte sich langsam von mir. »Komm, Ellie, komm.«

Das Wort »Komm« konnte ich mir recht schnell merken. Es war eines von Jakobs Lieblingsworten. Wenn er es sagte, lief ich manchmal zu ihm, um nachzusehen, was los war. Dann streichelte er mich und steckte mir eine Leckerei zu. Komm bedeutete Lob und Streicheleinheiten und Fressen, also dauerte es nicht lange, bis ich immer zur Stelle war, wenn er es sagte. Aber meine Lieblingsworte waren »Guter Hund« und »Braver Hund«. Diese Worte bedeuteten immer, dass er mich streichelte und mir das Fell rieb, bis mein ganzer Körper von den Zehen bis zur Schwanzspitze vor Freude ganz kribbelig wurde. Seine Hände rochen nach Öl, nach seinem Auto, Papier und anderen Menschen.

Jakob schien niemals wütend zu werden, nicht einmal, wenn meine Blase einfach zu voll war und ich das Wasser nicht mehr halten konnte. Wenn ich es schaffte, nach draußen zu kommen, bevor etwas passierte, lobte er mich so sehr, dass ich versuchte, immer nur im Freien zu pinkeln, nur weil es ihn freute.

Und ich wollte Jakob glücklich machen. Nur wusste ich nicht genau, wie.

Stets war er geduldig mit mir. Er streichelte mich und nannte mich einen braven Hund, und es schien ihm auch zu gefallen, wenn ich bei ihm war. Aber ich merkte, dass er nicht froh war. Wenn er nicht mit mir spazieren ging, saß er die meiste Zeit auf der Couch. Manchmal schaltete er die sprechende Kiste an, manchmal saß er nur da. Oder er legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Wenn ich dann zu ihm ging und seine Hand anstupste, kraulte er mir ein wenig die Ohren, aber nie besonders lange.

Dann legte ich mich seufzend neben ihn. Ich kam auf die Idee, dass es ihm vielleicht bessergehen würde, wenn ich zu ihm aufs Sofa kam, und probierte es aus – aber schnell lernte ich, dass daraus nichts wurde.

Am Abend des ersten Tages schaute Jakob eine Weile in die laute Kiste, dann gähnte er und schlurfte ins Schlafzimmer. Ich folgte ihm. Nachdem er sich ausgezogen hatte, schlüpfte er unter seine Bettdecke. Das sah so gemütlich aus, dass ich sofort hinterherhüpfte. Dass ich so hoch springen konnte, war meiner Meinung nach einiges an Lob und vielleicht auch ein Leckerli wert.

Aber stattdessen stand er auf und setzte mich zurück in den pelzigen Kreis. »Das ist dein Bett«, erklärte er mir. »Deins, Ellie.«

Er stieg zurück in das große Bett. Ich erkannte, dass er mich nicht bei sich im Bett haben wollte, warum, war mir allerdings schleierhaft. Da war doch so viel Platz! Mein Bett war bequem, aber einsam. Ich war es gewohnt, bei meiner Mutter und meinen Geschwistern zu schlafen. Das hier war ganz anders. Ich winselte, damit Jakob verstand, dass etwas nicht stimmte.

»Daran gewöhnst du dich schon noch, Ellie«, hörte ich ihn im Bett murmeln. »Wir alle müssen uns daran gewöhnen, allein zu sein.«

Nach einer Weile gewöhnte ich mich tatsächlich daran, aber das hieß noch lange nicht, dass es mir auch gefiel. Dann und wann versuchte ich immer noch, mich unter Jakobs Bettdecke zu stehlen. Er wurde nie laut oder schubste mich runter, aber bleiben durfte ich auch nicht. Er setzte mich einfach wieder in mein Bett. Irgendwann beschloss ich, dass es die Mühe nicht wert war.

 

Ein paar Tage lang war Jakob die ganze Zeit bei mir. Dann, eines Morgens, zog er sich andere Kleider an. Sie hatten alle dieselbe dunkle Farbe, dazu band er sich einen Gürtel um, an dem verschiedene Dinge baumelten. »Ich muss zur Arbeit, Ellie«, meinte er. »Keine Sorge, ich bin bald wieder da.«

Dann ging er.

Das kam mir nicht richtig vor. Aber es hatte mir auch nicht gefallen, als Jakob mich im Auto allein gelassen hatte, doch er war zurückgekommen. Auch dieses Mal würde er wiederkehren. Also wartete ich.

Warten war sehr schwierig.

Eine Zeitlang legte ich mich in mein Bett, dann aber folgte ich meiner Nase und schlüpfte unter Jakobs Decke. Sie roch nach ihm, und das tröstete mich. Bald wurde ich aber unruhig und lief ins Wohnzimmer, wo ich durch die Balkontür schauen konnte. Vielleicht würde ich Jakob von hier aus sehen.

Dem war aber nicht so.

Ich schnupperte an den Sofakissen. Sie rochen nach Jakob. Ich kaute ein bisschen auf dem Gummiknochen herum, den er mir mitgebracht hatte. Zwar kam es mir komisch vor, auf etwas herumzukauen, das nach fast nichts schmeckte, aber meine Zähne brauchten etwas zum Beißen, und Jakob hatte mich gelobt, als ich den Knochen angeknabbert hatte. Also kaute ich und wartete.

Jakob kam immer noch nicht zurück.

Vielleicht hatte er mich dieses Mal wirklich vergessen.