Elternteile - Monica Isakstuen - E-Book

Elternteile E-Book

Monica Isakstuen

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Beschreibung

Als Karens Ehe zerbricht, muss sie ihre dreijährige Tochter Anna mit ihrem Exmann teilen: Eine Woche ist das Kind bei seinem Vater, eine Woche bei Karen. Karen kämpft nun an allen Fronten: gegen die Erwartungen der Gesellschaft, die gutgemeinten Ratschläge von Freunden, die Vorwürfe ihrer eigenen Mutter - doch vor allem kämpft sich gegen sich selbst. Denn was ist sie für eine Mutter, wenn Anna bei ihrem Vater ist?

Authentisch und einfühlsam gibt Elternteile einem Tabu eine Stimme und seinen ganz eigenen Platz in der Literatur.

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Seitenzahl: 141

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Inhalt

Cover

Über das Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Danksagung

Zitat

1

2

3

Über das Buch

Als Karens Ehe zerbricht, muss sie ihre dreijährige Tochter Anna mit ihrem Exmann teilen: Eine Woche ist das Kind bei seinem Vater, eine Woche bei Karen. Karen kämpft nun an allen Fronten: gegen die Erwartungen der Gesellschaft, die gutgemeinten Ratschläge von Freunden, die Vorwürfe ihrer eigenen Mutter – doch vor allem kämpft sich gegen sich selbst. Denn was ist sie für eine Mutter, wenn Anna bei ihrem Vater ist? Authentisch und einfühlsam gibt Elternteile einem Tabu eine Stimme und seinen ganz eigenen Platz in der Literatur.

Über die Autorin

Monica Isakstuen, geboren 1976 in Oslo, debütierte 2009 mit ihrem Roman »Avstand«. Es folgten der GEdichtband »Alltid nyheter« (2011) sowie der Roman »Om igjen« (2014). »Seid nett zu den Tieren« wurde 2016 mit dem renommierten Brage-Preis ausgezeichnet.

Übersetzung aus dem Norwegischen vonIna Kronenberger

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der norwegischen Originalausgabe:

»Vær snill med dyrene«

This translation has been published with the financial Support of NORLA.

Diese Übersetzung wurde mit der finanziellen Unterstützung von

NORLA, Norwegian Literature Abroad, veröffentlicht.

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2016 by Tiden Norsk Forlag

Published in agreement with Oslo Literary Agency

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Friederike Achilles, Köln

Umschlaggestaltung: Christiane Hahn, www.christianehahn.de

unter Verwendung eines Motivs von © Nocturnus_DigitalVision

Vectors/getty-images

eBook-Erstellung: Olders DTP.company, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5741-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Ein großes Dankeschönan Inger, Mattis, Bernhard

Send somebody to me tonightsend somebody boldersend someone not likely to breaksend someone who’s oldersend a soldier

Highasakite, Someone Who’ll Get It

1

Anna kam zur Welt, während im Christiania GlasMagasin gerade die übliche Rabattaktion der Nachweihnachtswoche stattfand. Als meine Mutter uns im Krankenhaus besuchte, war sie sichtlich stolz auf ihr Geschenk, es tanzte vor ihr durch die offene Tür: ein Dutzend Christbaumkugeln, die durch die Luft schwebten. Ich stillte gerade, und sie blieb mitten im Zimmer stehen. Sieh mal, mein Goldschatz, was ich dir mitgebracht habe, sagte sie, und für einen kurzen Moment fühlte ich mich angesprochen – zu unrecht. Das ist ja schön, sagte ich und nickte zu dem Geschenk, wie nennt man so was? Ein Weihnachtsmobile, sagte sie, ich habe es selbst gebastelt. Jetzt sah ich, dass die zerbrechlichen glänzenden Kugeln mit dünnen Nylonfäden an zwei Holzstäbchen befestigt waren, die wiederum von einer Stecknadel zusammengehalten wurden. Es ist ein Geschenk mit Seltenheitswert, fügte sie hinzu, die diesjährige Kollektion gibt es nur in begrenzter Anzahl, normalerweise kosten die Kugeln ein Vermögen, du siehst ja: glasiertes Porzellan und Kristall. Vielen Dank, sagte ich. Ja, ich weiß ja noch, wie gern du als Kind den Weihnachtsschmuck aufgehängt hast, darum dachte ich, wir könnten auch für dein Töchterchen ein paar schöne Traditionen ins Leben rufen, sagte sie. Sie hatte ihren Mantel noch nicht abgelegt, schnippte vorsichtig gegen eine der roten Kugeln und wollte uns zeigen, wie diese das Licht einfing. Annas Vater lächelte. Großartig, sagte er. Seit Anna auf der Welt ist, bringt er Adjektive in Umlauf, von denen ich nicht einmal geahnt habe, dass er sie kennt: bezaubernd, reizend, entzückend, wunderbar, himmlisch, überwältigend, wunderschön. Meine Mutter nickte. Das Beste ist, dass man die Kugeln jetzt über ihre Wiege hängen und sie später, wenn die Kleine groß genug ist, um allein damit umzugehen, von den Stäbchen lösen kann. Dann können wir beide zusammen den Weihnachtsbaum schmücken. Falls ihr Platz für einen Baum habt, wohlgemerkt. Ihr werdet euch ja sicher bald nach einem Haus umsehen, jetzt, wo ihr Zuwachs bekommen habt. Die Konsequenzen aus dem Erwachsenenleben ziehen. Annas Vater und ich tauschten Blicke, er zwinkerte mir zu. Wir hörten uns an, was sie sagte, dachten dasselbe, wir waren zu zweit. Ihre Worte trafen mich nicht mehr so wie früher, denn jetzt hatte ich das hier, meine eigene kleine Familie, Anna, ihn und mich. Zusammen konnten wir über die kleinen Giftpfeile lachen, die in die Luft geschossen wurden. Solange das Ziel gut beschützt war, schwirrten sie orientierungslos herum, büßten zunehmend an Gefährlichkeit ein, lösten sich irgendwo zwischen unseren lächelnden Mündern auf und verschwanden.

Mitten im vierten Monat verunsicherte uns eine Flüssigkeitsansammlung. Auf dem Ultraschallmonitor meiner Hausärztin war sie nicht klar und detailliert genug zu erkennen, außerdem fehlte es der Ärztin an der notwendigen Expertise, die Bilder zu deuten, und ich schaffte es, mir das Schlimmste auszumalen. Das Internet erzählte mir, dass Wasseransammlungen im Körper ein Hinweis auf beschädigte oder unterentwickelte Organe sein könnten, Symptome eines größeren Defekts, Syndrome, zu viele Chromosomen. Ich bekam fürchterliche Angst. Ich schämte mich für meine Angst. Ein Kind ist ein Kind ist ein Kind, egal, ob es gesund ist oder schief in einem Rollstuhl hängt, zitternd und taub. Nein. Ein solches Kind wollte ich nicht haben. War keine von denen, die die Kraft

Das Schönste, was ein Mensch zu mir gesagt hat?

Wir verkauften meine Wohnung, verkauften seine Wohnung, kauften uns ein Haus. Ein altes Haus, ein paar der Zimmer waren renovierungsbedürftig, wir renovierten sie: Das Dach musste abgedichtet werden, wir dichteten es ab. Wir entwässerten den Garten, richteten den Keller her, setzten neue Fenster ein. Verlegten einen neuen Wohnzimmerboden, legten die traditionellen Weihnachtsrippchen ein, trugen einen Christbaum ins Haus. Wir möblierten die Küche neu, stellten einen Kachelofen auf, pflanzten Obstbäume, legten im Garten einen Komposthaufen an. All die Energie, die wir einander gaben und voneinander bekamen, jeder war des anderen Tank. Mit der überschüssigen Energie backten wir Brot und pflanzten Kräuter an, kochten Essen, das den Alltag aufwertete, wir machten Wochenendbesuche und Urlaubsreisen, die auf den ersten Blick noch Furcht erregend wirkten, aber dann dachten wir: Die Zweisamkeit um ein kleines Kind herum soll für uns beide nicht das Ende sein. Den Alltag aufwerten aufwerten aufwerten. Anna feierte ihren ersten Geburtstag. Gelegentlich verspürte ich eine unbestimmte Verärgerung, eine Unzufriedenheit hier und da, die in manchen Gesprächen über Arbeitsteilung lauerte, die aus mir herausschwappte, wenn wir über die Pflege der Paarbeziehung sprachen. Dinge laufen nicht von allein, sagte ich. Dinge liefen übrigens auch für andere Menschen mit kleinen Kindern nicht von allein. Aber auch nach diesen Diskussionen gab es immer noch uns beide, ihn und mich, diese kleine Familie in diesem Zuhause, wir fühlten uns sicher. Ich sortierte Winterklamotten und Frühlingsklamotten, Sommerklamotten und Herbstklamotten und die Deko für verschiedene Feiertage in ausgeklügelte Regalsysteme, ich lernte stricken, auf der Arbeit übernahm ich die Verantwortung für Abendveranstaltungen, und ich traf mich regelmäßig mit Freunden. Das weiß ich noch. Es war einfach in mir drin. Ein Salatblatt unter dem Brotaufschnitt, Brotteig mit Hefe, Freunde zum Essen, Wochenendaktivitäten an frischer Luft, Sommerklamotten nach oben, Winterklamotten nach unten.

Sie feierte ihren zweiten, ihren dritten Geburtstag. Darüber hinaus weiß ich nicht genau, was passierte. Ich backte, spachtelte, pflanzte, reiste, schmorte, sortierte weiter. Wir hatten gerade Weihnachten gefeiert, ich packte Weihnachten in zwei Kisten, die in den Keller sollten. Annas Vater lag auf dem Sofa, ich muss irgendetwas in Richtung Mithelfen gesagt haben, irgendeine Kleinigkeit, aber in den letzten Monaten hatte der Wind gedreht, und folgendes Szenario wiederholte sich in immer kürzeren Abständen: Einer stand vom Sofa auf und schrie, schlug gegen die Wand, riss die Tür auf und knallte sie wieder zu, forderte eine Reaktion, verdammt verdammt verdammt!, und dieses Mal war ich diejenige, die nicht zuließ, dass der andere sich abreagierte, die unbedingt widersprechen musste, ein lautes Mal, ein langes Mal, ein entschiedenes Mal, so verflucht typisch für mich, dass man mein Verhalten gegen mich verwenden könnte, ich dachte, wir wären allein, ich hatte sie gleich nach dem Essen aufs Sofa gelegt und mit eigenen Augen gesehen, wie sie eingeschlafen war, aber jetzt war sie wach, und ich sah sie nicht, sah sie nicht dort stehen, neben den Bücherregalen, hinter dem Sessel, ich war völlig darauf fixiert, etwas zu Boden zu werfen, zu zertrümmern, ich musste etwas zu Boden werfen und zertrümmern, und dort lagen ihre Autos, ich dachte nicht darüber nach, hob nur eins davon auf, das blaue, und schmetterte es zu Boden, und es zerbrach natürlich, und jetzt sah ich sie plötzlich, denn jetzt gab sie einen Laut von sich, sie hatte die ganze Zeit dagestanden und nichts gesagt, oh Gott, ich hätte sie treffen können, ich wusste nicht einmal, dass sie hinter dem Sessel stand. Man hört jene, die nichts sagen, nun mal nicht, aber jetzt sagte sie etwas. Weg, sagte sie. Auto weg. Meine Mama, sagte sie noch. Und in mir ratterte etwas los, eine Aufrechnung meiner guten gegen meine schlechten Eigenschaften, was man mir im Falle eines Bruchs vorwerfen könnte, in einem Sorgerechtsstreit, die vielen großen und kleinen Vergehen, derer ich mich schuldig gemacht hatte, allen voran bedrohliches Verhalten vor ihren Augen, ich hatte etwas kaputt gemacht, das ihr gehörte, ich hatte geschrien, um mich geworfen und ihr Angst eingejagt, und irgendetwas ging zu Bruch, etwas ging kaputt, es löste sich einfach und verschwand, die letzten Teile eines Gerüsts vielleicht, der letzte Rest an Geborgenheit für uns beide, für ihn und mich, dann gab es nur noch mich, und wenn ich imstande war, mich in seiner Anwesenheit so zu verhalten, wie würde ich mich dann erst aufführen, wenn ich mit ihr allein war? Meine Mama?, wiederholte Anna. Ja, sagte ich, ja, Anna, ich bin deine Mama.