Ember King - Marie Niehoff - E-Book

Ember King E-Book

Marie Niehoff

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein König vergibt nicht – erst recht nicht seinen Feinden. Episch und herzzerreißend. Das großartige Finale der Dragonbound-Trilogie von Spiegel-Bestseller-Autorin Marie Niehoff. Cassim und Yessa haben versagt. Der Versuch, Yessas Eltern zu retten, ist gescheitert und hat zu ihrer Gefangennahme geführt. Nun bestimmt Eldeyas König über ihr Schicksal – und seine Pläne sind an Grausamkeit kaum zu übertreffen. Erst viel zu spät wird ihnen klar, was sie riskiert haben. Nicht nur ihre eigenen Leben stehen auf dem Spiel, sondern Tausende. Denn Cassim ist kein gewöhnlicher Drachenwandler. In den falschen Händen wird aus ihm eine Waffe, die ganze Königreiche zerstören könnte …

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 541

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Marie Niehoff

Ember King

Roman

 

 

 

Über dieses Buch

Ein König vergibt nicht. Erst recht nicht seinen Feinden …

 

Cassim und Yessa haben versagt. Der Versuch, Yessas Eltern zu retten, ist gescheitert und hat zu ihrer Gefangennahme geführt. Nun bestimmt Eldeyas König über ihr Schicksal – und seine Pläne sind an Grausamkeit kaum zu übertreffen. Erst viel zu spät wird ihnen klar, was sie riskiert haben. Nicht nur ihre eigenen Leben stehen auf dem Spiel, sondern Tausende. Denn Cassim ist kein gewöhnlicher Drachenwandler. In den falschen Händen wird aus ihm eine Waffe, die ganze Königreiche zerstören könnte …

 

Ihre Liebe wird die Welt in Brand setzen. Das herzzerreißende Finale der Dragonbound-Trilogie.

Vita

Marie Niehoff, geboren 1996, hegt schon seit ihrer Kindheit eine Faszination für fantastische Geschichten. Diesen darf vor allem eines nicht fehlen: Romantik. Wenn sie nicht gerade schreibt, malt sie, kreiert Moodboards, kümmert sich um ihre unzähligen Zimmerpflanzen oder legt Tarotkarten. Ihr Fantasy-Debüt, «When The King Falls», stieg unmittelbar nach Erscheinen auf die SPIEGEL-Bestsellerliste ein. Band 2, «The Queen Will Rise», erreichte sogar Platz 1. Auch «Burning Crown», der erste Band ihrer neuen Dragonbound-Trilogie, ist ein SPIEGEL-Nr.-1-Bestseller. Ihre Bücher wurden mittlerweile in sieben Sprachen übersetzt. Auf Instagram und TikTok ist sie unter @marienie.schreibt zu finden.

Impressum

Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2025

Copyright © 2025 by Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg

Redaktion und Sensitivity-Beratung Nora Bendzko (norabendzko.com)

Covergestaltung SO YEAH DESIGN, Gabi Braun

Coverabbildung Shutterstock

ISBN 978-3-644-02207-2

 

Schrift Droid Serif Copyright © 2007 by Google Corporation

Schrift Open Sans Copyright © by Steve Matteson, Ascender Corp

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von § 44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Hinweise des Verlags

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

 

Alle angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Printausgabe.

 

Im Text enthaltene externe Links begründen keine inhaltliche Verantwortung des Verlages, sondern sind allein von dem jeweiligen Dienstanbieter zu verantworten. Der Verlag hat die verlinkten externen Seiten zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung sorgfältig überprüft, mögliche Rechtsverstöße waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Auf spätere Veränderungen besteht keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

 

 

www.rowohlt.de

Dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Wenn du dich darüber informieren möchtest, findest du auf der letzten Seite eine Content Note. Bitte beachte, dass diese möglicherweise Spoiler enthält.

Für Nora,

die selbst den steilsten Berg bezwingbar macht.

Yes,

you will rise from the ashes,

but the burning comes first.

 

For this part,

darling,

you must be brave.

 

Kalen Dion

Playlist

Nathan Fields, NYLO – Bad Romance

Claire Wyndham – Don’t Look Down

2WEI, Edda Hayes – Survivor

Ark of Noah, Katie Burke – Dark Side

Tommee Profitt, Nicole Serrano – Cry Me A River

2WEI, Edda Hayes – Burn

Isamar – Sacred Ground

UNSECRET, Erin McCarley – Feels Like Falling

UNSECRET, The Powder Room – Till I See You Again

Ursine Vulpine – Do You Realize

Seibold, Surveyor – Are We Alive

Saint Mesa – Sunlit Grave

Madi Diaz – Ashes

2WEI, Elena Westermann, 网易阴阳师手游 – Broken Hero

Ursine Vulpine, Annaca – Hollowed Kings

Rånya, Hidden Citizens – Day Will Break

VĒ, Hidden Citizens – No Easy Way Out

Tommee Profitt, Nicole Serrano – One Last Breath

ESSA, Hidden Citizens – Heroes Fall

Rånya, Hidden Citizens – Beware of Darkness

Hidden Citizens – It’s a Sin

RAIGN – This Is The End

2WEI, Elena Westermann, Gainsworth, 永劫無間 – Fate Is For Mortals

Hidden Citizens, Keeley Bumford – Immortalized

Kapitel 1Bad Romance

Yessa

Ich höre seine Schritte schon von Weitem.

Obwohl das Camp zu dieser Zeit nur so von Soldaten wimmelt, sticht das harte Geräusch seiner Stiefel aus der Masse hervor. In den vergangenen zwei Wochen hat es sich mir eingebrannt. Es ist, als träte er mit mehr Gewicht auf als die anderen. Mit einer markerschütternden Gewalt, die niemand außer mir hören kann.

Je näher er kommt, desto mehr schnürt sich meine Kehle zu. Furcht frisst sich in mein Herz, macht jeden Atemzug zu einer Herausforderung. Und mit ihr kommt eine Hilflosigkeit, die so erdrückend ist, dass ich aufgehört habe, mich gegen sie zu wehren. Es ist leichter nachzugeben. Meinen Zorn und meinen Hass wegzusperren – hinter dicke Mauern und schwere Eisenketten, wo sie mir keine leeren Versprechungen von Rache mehr machen können.

Ich höre, wie die Zeltplane geöffnet wird. Wie die Gewalt, die er mit sich bringt, das Vorzelt durchquert und immer näher kommt. Dann betritt er den Hauptraum, sein Gesicht gerötet von der Kälte. Ich schaue Arden an und sehe ihn doch nicht richtig. Denn schon seit Wochen sehe ich nur noch, was er getan hat. Und an Tagen wie heute, an denen die Ketten meiner Wut nicht eng genug sitzen, sehe ich ihn sterben.

Er schnaubt belustigt, wobei Atemwölkchen vor seiner Nase sichtbar werden, und zieht sich grinsend die Lederhandschuhe von den Fingern. «Ganz schön kalt hier», bemerkt er scheinheilig und reibt sich wie zur Demonstration die Hände. «Hat es beim Nachdenken geholfen?»

Ich antworte nicht. Wortlos starre ich ihn von meinem spärlichen Lager aus an, die Knie an die Brust gezogen, meinen Schlafsack um die Schultern. Heute Morgen ist Arden – oder Captain Stafford, wie man ihn neuerdings nennt – zu einem Auftrag aufgebrochen. Ich habe mich geweigert, mich von ihm zu verabschieden. Also hat er zur Strafe die Basaltsteine in der Mitte des Zeltes nicht aufgeheizt und mir verboten, nach draußen zu gehen, um mich durch Bewegung warm zu halten.

Mittlerweile hat sich die eisige Kälte des Winters bis in meine Knochen gefressen. Würde ich die Zähne nicht so fest zusammenbeißen, könnte er sie klappern hören. Meine Hände und Zehen sind taub, und mir ist einfach nur nach Heulen zumute. Trotzdem habe ich Ardens Schlaflager mit den dicken Fellen nicht angerührt. Als sein Blick dorthin wandert und ihm das arrogante Grinsen aus dem Gesicht fällt, war es jede Sekunde des Frierens wert.

«Wie stur kann man sein?», fragt er. Gleichzeitig spüre ich, dass er die Basaltsteine erhitzt. Wärme füllt das Zelt, und es kostet mich jeden Funken Selbstbeherrschung, nicht erleichtert aufzuseufzen. Arden funkelt mich verärgert an. «Willst du lieber erfrieren, als meine Hilfe anzunehmen? Bist du so kindisch?»

Da klingt keine Spur von Belustigung mehr in seinen Worten mit. Er wird lauter. Wütender. Unberechenbar.

Bald wird er zu anderen Mitteln greifen, um mich gefügig zu machen. Er wird mich ebenso schlagen und misshandeln, wie er es bei seinem Drachen Darus tut. Aber ich werde ihm trotzdem nicht geben, was er will. Zumindest diese eine Sache hat Arden richtig erkannt: Ich würde lieber sterben, als mich ihm zu ergeben.

Der Blick seiner blauen Augen durchbohrt mich. Er wartet wohl immer noch auf eine Antwort, die nicht kommen wird. Meine Hoffnungslosigkeit mag zwar gewonnen haben, aber er nicht. Wenn ich breche, dann ohne dass er es sieht. Das ist die einzige Rache, die ich kriegen kann.

«Ist dir eigentlich klar, was für ein Geschenk es ist, dass du überhaupt noch lebst?» Er kommt näher. Ich muss das Kinn recken, um ihm weiterhin ins Gesicht schauen zu können, während er sich vor mir aufbaut. «König Ylving hat dir ein neues Leben gewährt, und du undankbares Stück wirfst es weg!»

Mir entkommt ein erschöpftes Schnauben. Und mit ihm unbedachterweise eine Wahrheit. «Er ist nicht der König.»

Meine Stimme klingt brüchig. Die Worte schmerzen in meiner Kehle. Einen Moment lang bin ich deswegen irritiert, aber wenn ich so darüber nachdenke, weiß ich nicht, wann ich das letzte Mal gesprochen habe. Es muss Tage her sein.

Dass ich mein Schweigen ausgerechnet jetzt breche, versetzt Arden noch mehr in Rage. Er lacht auf, aber es klingt schrill. Seine Hände ballen sich zu Fäusten, und meine Furcht bäumt sich auf wie eine unkontrollierbare Bestie. Renn, schreit sie mich an. Weg von ihm. Nur würde er mich niemals entkommen lassen.

Allein der Gedanke daran, aufzustehen und zum Zelteingang zu fliehen, kostet mich alles an Kraft. Meine Lider sind schwer. Mein Magen knurrt. Ich will nach Hause und erinnere mich gleichzeitig, dass dieses Zuhause nicht mehr existiert. Nur mit Mühe unterdrücke ich die Tränen. Konzentriere mich auf das panische Hämmern meines Herzens und den Mann vor mir, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, mich zu zerstören.

«Ach ja, fast vergessen», sagt er sarkastisch. «Cassim ist der rechtmäßige König! Nur ohne Krone, Thron oder Armee. Verstehst du es wirklich nicht? Oder willst du es nur nicht wahrhaben? Offensichtlich war hinter der Grenze kein einziger Soldat bereit, deinen ach so tollen König zu beschützen. Sie wussten alle, was für einen Mann sie vor sich haben. Die Einzige, die so blöd war, auf ihn reinzufallen, warst du.»

Ich schlucke meine Widerworte herunter, obwohl sich mein Schweigen anfühlt, als würde ich Cassim verraten. Die Wahrheit, die mir auf der Zunge liegt, ist nicht für Ardens Ohren bestimmt. Niemand darf wissen, wie viel Unterstützung Cassim in Zandyr erfahren hat oder wie wichtig ich als seine Vorbestimmte für ihn bin. Erst recht nicht jemand wie Arden, der König Ylving bereitwillig den Dreck von den Schuhsohlen lecken würde.

Aber mein Schweigen genügt ihm nicht. Voller Abscheu schaut er auf mich herab.

«Hast du ihn deswegen gevögelt?», spuckt er mir entgegen. «Wolltest du Macht? Die kann ich dir geben, Yessa. Ich stehe in Ylvings Gunst. Wenn Harlow irgendetwas zustoßen sollte, werde ich zum General befördert. Und sobald dieser Krieg gewonnen ist, ernennt Ylving mich zu einem seiner Berater. Wir beide werden im Schloss leben. An meiner Seite wirst du in Reichtum baden, und wann immer du dir in Erinnerung rufen musst, vor welchem Schicksal ich dich gerettet habe, kannst du dem Kerker einen Besuch abstatten. Wer weiß, vielleicht ist Cassim ja auch noch da. Dann kannst du deinem ach so glorreichen Prinzen dabei zuschauen, wie er langsam krepiert.»

Seine Worte sind wie ein Schlag ins Gesicht, so heftig, dass die Mauern um meinen Hass von der Wucht vibrieren.

«Du bist widerlich!», zische ich.

Arden beugt sich plötzlich zu mir herunter. Bevor ich meine steifen Glieder bewegen kann, packt er mich am Hals und zieht meinen Kopf zu sich heran. Sein Gesicht ist nur Zentimeter von meinem entfernt. Seine Finger bohren sich schmerzhaft in meine Haut und drücken mir die Luft ab.

Alles in mir gefriert zu Eis. Obwohl ich damit gerechnet habe, dass er früher oder später zu dieser Form der Gewalt greifen würde, trifft es mich unvorbereitet. Einen Moment lang fegt die Erschütterung meinen Kopf leer, und ich kann mich nicht rühren. Wie gebannt halte ich still – als würde es die Situation weniger real machen.

Arden starrt mich geradezu manisch an. «Angst?», haucht er auf meine Lippen, und ich muss nun doch gegen Tränen anblinzeln. Er schmunzelt selbstzufrieden. Sein Griff lockert sich. Sein Daumen streicht über mein Kinn und lässt mich unangenehm schaudern. «Keine Sorge, Funkenkönigin. Ich bin nachsichtig mit dir. Wir wissen beide, dass du das alles nur sagst, weil dein Stolz verletzt ist.»

Funkenkönigin.

Wie kann er es wagen …

Dieser Spitzname war Cassim vorbehalten. Ich sehe ihn unweigerlich vor mir. Den Mann, der nicht nur sein Leben, sondern die Zukunft des gesamten Landes für mich geopfert hat.

An seiner Stelle steht jetzt jemand, der das genaue Gegenteil tut. Um mich haben zu können, ist Arden bereit, mich zu zerstören. Und ich werde dafür sorgen, dass er jede Sekunde davon bereut.

Ich widersetze mich dem eisernen Griff seiner Finger und hebe das Kinn. Eine Träne rinnt über meine Wange, doch meine Stimme ist gefährlich ruhig. Jedes Wort ist messerscharf. «Ich denke, das Einzige, was wir beide wissen, ist, dass du niemals kriegen wirst, was du willst. Am Ende wirst du einsam sterben. Ungeliebt. Genau so, wie du es verdienst.»

Ardens Grinsen wird zu einer Grimasse. Er drückt so fest zu, dass es wehtut. Ich will keuchen, kriege jedoch keine Luft. Stattdessen entkommt mir ein ersticktes Gurgeln. Panisch umklammere ich seine Hand, versuche, sie von meinem Hals zu lösen. Seine Finger graben sich umso fester in meine Haut. Schwarze Flecken tanzen vor meinen Augen. Ein Rauschen füllt meine Ohren und übertönt beinahe seine nächsten Worte.

«Spuck ruhig weiter große Töne.» Ich kann förmlich spüren, wie er sich davon abhalten muss, fester zuzudrücken. Als wollte er nicht wahrhaben, was für ein Monster er ist. «Du wirst früh genug einsehen, dass ich recht habe.» Seine Finger lockern sich ein wenig. «Und dann wirst du heulend zu mir gekrochen kommen, wie eine Hure meinen Schwanz lutschen und mich anflehen, dir zu verzeihen.» Arden lässt mich ruckartig los, und ich schnappe verzweifelt nach Luft. Er tätschelt meine Wange. Das zufriedene Lächeln liegt wieder auf seinen Lippen. «Ich kann’s kaum erwarten.»

Ich schlage seine Hand weg, will zurückweichen, sacke jedoch nur kraftlos in mich zusammen. Noch immer habe ich das Gefühl, keine Luft zu kriegen. Mein Herz hört nicht auf zu rasen.

Arden richtet sich auf und schaut mit einem überheblichen Blick auf mich herab. «Du darfst wieder rausgehen. Vielleicht hilft dir die frische Luft beim Nachdenken. Am Abend kannst du mir dann berichten, was du heute gelernt hast.»

Damit wendet er sich ab und verlässt das Zelt. Ich höre seine Stimme durch die Plane. Die Worte sind unverständlich, aber sie haben seinen mittlerweile üblichen Befehlston. Vermutlich spricht er mit Darus.

Zittrig atme ich aus und vergrabe das Gesicht in meinen Händen, um die Erinnerung an Ardens Berührung loszuwerden. Ich stehe das durch. Irgendwie. Ich muss, weil sich Aufgeben wie Sterben anfühlt. Wer macht dann meine Fehler wieder gut? Wer sucht meine Eltern? Wer rettet Cassim? Wer hindert Arden und alle, die so sind wie er, daran, noch mehr Leid zu verursachen?

Ich muss kämpfen. Weiter nach einem Ausweg suchen. Und wenn ich irgendwann eine Chance kriege, Arden zu töten, wird er auf Knien um Vergebung winseln.

Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie er stirbt. Wie sein Blut über meine Finger rinnt, sich endlich wieder ein Schwertknauf in meine Handfläche schmiegt und ich meine Freiheit zurückerlange.

Ich werde es schaffen. Ich werde fliehen. Und dann rette ich Cassim und den Rest von Eldeya – falls er noch lebt.

Verzweifelt versuche ich, Cassims Gesicht vor mir zu sehen, seine Stimme zu hören, aus irgendetwas Hoffnung zu schöpfen.

«Komm schon», flüstere ich verzweifelt.

Doch nichts geschieht. Draußen entfernen sich Ardens Schritte, und ich bleibe mit dem Wissen zurück, dass es nächstes Mal umso schlimmer wird. Wie lange kann ich das noch durchhalten?

Seit zwei Wochen versuche ich schon, eine Vision hervorzurufen. Es ist meine verdammte Aufgabe, Cassim zu beschützen, und die der Götter, mir dabei zu helfen. Wenn sie mir endlich ein Zeichen schicken würden, wüsste ich vielleicht, wie ich das schaffen soll! Entweder haben sie das Vertrauen in mich verloren oder …

Meine Brust wird eng.

… oder es gibt wirklich keine Hoffnung mehr.

Die Klappe zum Vorzelt wird aufgeschlagen, und ich zucke zusammen. Erschrocken hebe ich den Kopf, aber es ist nur Darus, der hereinkommt, eine dampfende Schüssel Eintopf in der Hand. Der Blick seiner beinahe schwarzen Augen schweift über mich und bleibt an meinem Hals hängen. Vermutlich bilden sich erste Würgemale auf meiner Haut. So war es zumindest mit Cassim. Dabei hätte die Erfahrung nicht unterschiedlicher sein können, denn bei ihm habe ich mich trotz seiner Hände um meinen Hals sicher gefühlt. Bei Arden könnte das niemals so sein.

Darus verzieht kaum merklich das Gesicht. Anders als sonst stellt er mein Essen nicht auf den Basaltsteinen in der Mitte des Zeltes ab, sondern bringt es zu mir. Er hält mir die Schüssel entgegen und mustert mich, die dunklen Brauen zusammengezogen. Vielleicht fehlen ihm die Worte – genau wie es bei mir immer der Fall ist, wenn Arden seine Wut an ihm auslässt.

«Danke», krächze ich und nehme ihm die Schale ab.

Meine Finger zittern. Wir wissen wohl beide, dass es nicht mehr an der Kälte liegt. Eilig schließe ich meine Hände um das warme Holz, aber natürlich hat Darus es bemerkt. Ich glaube, es gibt generell wenig, was seiner Beobachtung entgeht. Er spricht zwar nicht viel, aber er hört und sieht umso mehr.

Mein Herz beginnt zu rasen, als sich mir wieder diese völlig irrsinnige Idee aufdrängt. In den letzten beiden Wochen habe ich sie so oft verworfen, und doch … Sie ist und bleibt die einzige Möglichkeit, die ich habe. Ich kann nicht ewig darauf warten, dass sich mir eine bessere Lösung präsentiert. Das hier könnte meine letzte Chance sein. Und ich habe ohnehin nichts mehr zu verlieren, also warum zögere ich überhaupt noch?

Darus wendet sich zum Gehen, und ich kratze meinen Mut zusammen. Ich kann ihm zwar nicht vertrauen, aber letztendlich sind wir dennoch Verbündete. Wir haben denselben Feind und dementsprechend dasselbe Ziel.

«Darus?»

Er hält inne und dreht sich zu mir um. Seine Miene verfinstert sich. Vielleicht ahnt er, was ich als Nächstes sagen werde.

«Flieh mit mir aus dem Camp.»

Er starrt mich an. Einen langen Moment hüllt uns Schweigen ein. Die fernen Schritte der anderen Soldaten klingen mit einem Mal viel zu laut und gehen zugleich im Donnern meines Herzschlags unter.

Fast glaube ich, Darus würde gar nicht antworten. Dann schüttelt er den Kopf. «Nein.»

Das Wort trifft mich wie ein Schlag in die Magengrube. Schwerfällig stehe ich auf und ignoriere, dass mein gesamter Körper dabei protestiert. «Bitte. Ich brauche deine Hilfe! Ich weiß, du kennst mich nicht, aber …»

Sein Kopfschütteln wird energischer. Er bringt zwei Schritte Abstand zwischen uns, bevor er mich über seine Schulter hinweg ansieht. «Ich kann dir nicht helfen.»

«Aber wenn wir zusammen fliehen …»

«Werden wir sterben!» Seine Stimme ist so laut, dass wir beide zusammenzucken. Darus atmet tief durch und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. «Ich kann dir nicht helfen», wiederholt er, diesmal flüsternd. «Du bist eine Gefangene. Ich bin ein Drache. Wir haben keinen Zugang zu Ausrüstung, Waffen oder Proviant und keine Möglichkeit, an den Wachpatrouillen vorbeizukommen. Nachts lässt Arden dich nicht mal aus dem Zelt. Man wird uns erwischen und töten. Mein Leben ist mir wichtiger als meine Freiheit. Ohne das eine werde ich das andere nie wieder haben. Also tu, was du für nötig hältst, aber halt mich da raus. Vielleicht findest du jemanden, der weniger zu verlieren hat als ich.»

Ich öffne den Mund, um zu widersprechen, aber Darus stürmt förmlich aus dem Zelt und lässt mich mit wild klopfendem Herzen zurück.

Er muss bereits über eine Flucht nachgedacht haben, sonst hätte er niemals auf Anhieb so viele Argumente dagegen gehabt. Ein eher ernüchternder als aufmunternder Gedanke. Seine Entscheidung scheint festzustehen.

Vielleicht habe ich zu lange gewartet. Meine Chance verschenkt, ohne es zu merken. Noch dazu hat Darus mich harsch auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, was meinen Plan angeht. Selbst wenn ich einen Drachen finde, der bereit wäre, mit mir eine Flucht zu riskieren … Es wäre ein Todesurteil. Aber hierzubleiben ist es auch.

Was, verdammt noch mal, soll ich tun?

Ardens Zelt zu verlassen, ist fast genauso schlimm, wie darin eingesperrt zu sein. Ich bin es gewohnt, dass mir Blicke folgen und hinter meinem Rücken getuschelt wird. Sowohl zu Hause in Varoya als auch in der Armee war es schon immer so. Die Tatsache, dass Livia meine Schwester war, hat viele der Soldaten misstrauisch gemacht. Und obwohl wir es nie nach außen hin gezeigt haben, haben sie sicherlich geahnt, dass ich keine gesetzestreue Soldatin bin.

Doch wie die anderen damals mit mir umgegangen sind, ist kein Vergleich zu heute. Mein Verrat ist offiziell. Von meinen Rechten ist nichts mehr übrig. Der Hass auf mich ist ungezügelt. Und der Einzige, der diese Leute davon abhält, mich zu zerfleischen, ist ausgerechnet Arden.

Solange er es erlaubt, darf ich mich im Camp frei bewegen. Theoretisch stehe ich unter seinem Schutz. Ebenso wie Darus gelte ich als sein Besitz, was bedeutet, dass mich niemand mit einem geringeren Rang als Ardens anfassen darf. In der Realität jedoch sieht es anders aus. Ich bin mir nicht sicher, ob Arden nicht merkt, was die Soldaten hinter seinem Rücken tun, oder ob es ihn schlicht nicht interessiert.

Kaum bin ich drei Minuten unterwegs, werde ich so heftig von der Seite angerempelt, dass ich fast im Schnee lande. Ich kann mich gerade noch rechtzeitig fangen und funkle den Mann an, der stehen geblieben ist und mich spöttisch angrinst.

«Ups», sagt er.

Die drei Soldaten hinter ihm lachen hämisch. Mir wird heiß und kalt zugleich.

Kurzerhand wende ich mich zum Gehen, aber er stellt sich mir in den Weg. «Was ist denn mit deinem Hals?», zieht er mich auf.

Ich dachte, ich könnte das, was vorhin im Zelt passiert ist, wenigstens ein paar Stunden lang vergessen. Aber der große, dünne Umhang, den Arden mir besorgt hat, reicht offensichtlich nicht, um die Würgemale zu verbergen.

«Hast du Staffords Schwanz nicht schnell genug geblasen?», fragt der Soldat und packt mich genauso an der Kehle, wie Arden es vorhin getan hat.

Sofort durchfährt mich ein dumpfer Schmerz. Aber er ist nichts im Vergleich zu der Panik, die meine Venen flutet. Instinktiv umklammere ich das Handgelenk des Fremden, zerre an seinen stählernen Fingern. Noch vor zwei Wochen hätte er keine Chance gegen mich gehabt. Jetzt hingegen bin ich zu erschöpft, um mich zu wehren. Zu schwach, um diesen Männern irgendetwas entgegenzusetzen. Und diese Erkenntnis ist so viel angsteinflößender als seine Hand an meinem Hals.

«Komisch», verhöhnt er mich weiter. Er drückt zu, und ich keuche vor Schmerz auf. Die Genugtuung in seinen Augen spricht Bände. «Dabei hast du doch so viel Übung. Oder bläst sich ein Drachenschwanz leichter?»

Ich beiße die Zähne zusammen. Schließe die Augen. Schlucke meine Wut herunter. Ardens Besitz zu sein, verbietet diesen Männern zwar, mich anzufassen, aber es erlaubt mir nicht, mich zu wehren. Vielleicht ist das der Grund, dass sich niemand an die Regel hält. Oder auch die Tatsache, dass General Harlow deutlich gemacht hat, was er davon hält, dass Ylving mich wie ein Haustier an Arden verschenkt hat. Harlow will mich nicht in seinem Camp. Vermutlich würde er mich lieber tot sehen. Ich wette, er sucht nur nach einem Grund, um mich loszuwerden. Genauso wie die Männer vor mir nach einer Rechtfertigung suchen, um sich nicht mehr zurückhalten zu müssen. Ein falsches Wort von mir könnte schon genügen.

«Ich hab gehört, sie spricht nicht, weil König Ylving ihr die Zunge rausgeschnitten hat», mischt sich ein anderer Soldat ein. «Wahrscheinlich taugt sie ihm deswegen nicht mehr.»

Wieder Gelächter. Mir wird schlecht.

Der Mann vor mir packt mein Kinn und versucht, meinen Mund aufzuzwingen. «Lass mal sehen, ob das stimmt.»

Ich mache einen hastigen Schritt rückwärts, doch seine Finger bohren sich in meine Wange und lassen nicht locker. Anstelle seines Griffs um meinen Hals schnürt mir nun Verzweiflung die Kehle zu. Egal, wie fest ich die Zähne zusammenbeiße und die Fäuste balle, sie nimmt mich immer mehr ein.

Ich hätte das Zelt nicht verlassen sollen. Nicht nachdem Arden mir bereits so viel abverlangt hat. Ich hätte auf einen besseren Tag warten sollen. Einen, an dem ich das hier ertrage. Aber …

Was, wenn es keine besseren Tage mehr geben wird? Wenn es morgen nur noch schlimmer wird? Wenn er mich langsam, aber sicher ausbrennen lässt …

Wenn ich breche, haben sie gewonnen.

Ich sage mir diesen Satz immer und immer wieder innerlich vor. Ich muss stark bleiben. Härter werden. An jeder ihrer Grausamkeiten wachsen, statt an ihnen zugrunde zu gehen. Bis nicht mehr sie die Monster in dieser Geschichte sind, sondern ich. Bis sie die Bestie nicht mehr bezwingen können, zu der sie mich gemacht haben.

Die Soldaten um mich lachen lauter. Teile ihrer Kommentare werden von dem Rauschen übertönt, das meine Ohren füllt, und mein Atem geht immer flacher. Das fahle Winterlicht blendet mich.

«Oje, du hast Staffords Hure zum Weinen gebracht.»

Eine heiße Träne läuft meine Wange hinab und benetzt die Finger des Soldaten an meinem Kinn. Ich schaue wieder in sein Gesicht, das von einem unverhohlenen Ausdruck des Triumphs gekrönt ist, und zwinge mich zu einem langen, tiefen Atemzug.

Wenn ich breche, haben sie gewonnen.

Ich spüre Funken an meinen Fingerspitzen aufblitzen und verberge meine Fäuste hinter meinen Oberschenkeln. Ohne einen gebundenen Drachen ist meine Magie nicht viel wert, aber ich will trotzdem nicht, dass sie jemand sieht. Ich will nicht, dass sie irgendetwas an mir sehen außer einer undurchdringbaren Fassade.

Entschlossen recke ich das Kinn und halte dem Blick des Soldaten stand. Ich starre ihn direkt an. Lasse jeden Spruch einfach über mich ergehen, als hätte ich nichts gehört. Früher oder später werden die Soldaten schon die Lust verlieren. Und bisher hat sich noch niemand getraut, auszuprobieren, was passiert, wenn man mir schwerere körperliche Verletzungen zufügt. Vermutlich gar nichts. Ich bezweifle, dass Harlow durchgreifen würde, und ohne seine Zustimmung kann Arden niemanden bestrafen. Aber darauf wetten möchte offenbar keiner.

«Was ist hier los?», donnert eine tiefe Stimme, und der Mann vor mir zuckt zusammen. Sofort lässt er mein Kinn los, wirbelt auf dem Absatz herum und salutiert. Die anderen reagieren ähnlich.

Ich bleibe benommen stehen, bemüht, mich zu sammeln.

«G-General!», stammelt der Soldat. «Wir … ähm … wollten die Gefangene zurück zu ihrem Zelt eskortieren.»

Er tritt ein Stück zur Seite, als wolle er mich präsentieren, und gibt mir so den Blick auf Harlow frei. Die goldenen Stickereien auf dem Umhang des Generals schimmern im fahlen Licht wie eine Warnung. Er mustert mich mit seinem gewohnt finsteren Gesichtsausdruck. Sein Blick wandert über meinen Hals, und er schürzt unzufrieden die vollen Lippen. Hinter ihm, die Kapuze ihres schwarzen Umhangs tief ins Gesicht gezogen, steht sein Drache Mera wie ein Schatten.

Harlow fragt nicht, wer mir die Verletzungen zugefügt hat. Er konzentriert sich auf seine Soldaten. Einige von ihnen machen den Fehler, unruhig das Gewicht zu verlagern. Obwohl ich für den General nicht von Interesse zu sein scheine, kriecht mir beim Klang seiner ruhigen Stimme eine Gänsehaut über die Arme.

«Lügt mich noch mal an», droht er, «und ich eskortiere euch einen nach dem anderen zu meiner Peitsche. Abtreten!» Das letzte Wort brüllt er plötzlich.

Ich zucke zusammen, und die Soldaten stieben auseinander wie aufgescheuchte Hühner. Wäre meine Brust nicht so verdammt eng, hätte ich vermutlich aufgelacht. Stattdessen entkommt mir ein ersticktes Keuchen.

Harlow beobachtet den Abgang, als wolle er sich versichern, dass keiner zurückkommt. Erst als die Soldaten alle verschwunden sind, setzt er seinen Weg fort und geht an mir vorbei, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Er behandelt mich, als wäre ich Luft. Obwohl er es sicherlich als Beleidigung meint, spiele ich dankbar mit und rühre mich nicht von der Stelle. Unsichtbar zu sein, ist besser, als misshandelt zu werden.

Mera folgt dem General mit einem Meter Abstand. Im Gegensatz zu seinen Schritten sind ihre so gut wie nicht zu hören, und ich frage mich, ob sie die gleiche Devise hat wie ich. Ob sie lieber Harlows Schatten ist als sein Spielzeug.

Sie dreht im Vorbeigehen kaum merklich den Kopf zu mir. Unsere Blicke treffen sich. Dann schaut sie wieder nach vorn, und ich sehe nur noch ihren Rücken. Der Moment ist flüchtig, doch er bleibt hängen. Als hätte er mir einen Splitter unter die Haut getrieben.

Ich starre Mera hinterher und versuche, das Gefühl zu greifen. Doch mein Kopf ist noch zu voll, die Erinnerung an die Finger des Soldaten um meinen Hals zu frisch. Ich kann nicht klar denken. Vermutlich ist es nichts. Aber kurz bevor Harlow und Mera hinter einem der Zelte verschwinden, dreht sie sich noch einmal zu mir um.

Und da fällt es mir wieder ein.

Kurz bevor Cassim und ich von Arden beim Sex erwischt wurden und aus dem Camp fliehen mussten, hatte ich eine Theorie. Ich habe Mera verdächtigt, etwas mit dem sabotierten Auftrag zu tun zu haben, bei dem Livia ums Leben kam. Cassim sollte sie für mich befragen und hat sich vehement dagegen gewehrt. Er sagte, es sei Schwachsinn, und wollte mich unbedingt von dem Plan abbringen.

Nur warum?

Cassim war der tatsächliche Saboteur. Das wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, um den Verdacht von sich auf Mera zu lenken und mich auf eine falsche Fährte zu führen. Ich hätte meine Zeit damit verschwendet, eine Unschuldige zu befragen, und er hätte mir weiter Lügen auftischen können. Dass er trotz seiner berechnenden Art anders reagiert und sie in Schutz genommen hat, kann nur eines bedeuten: Ich hatte recht.

Cassim musste mich von Mera abbringen, weil ich sie sonst womöglich als Verräterin entlarvt hätte. Sie war diejenige, die ihn mit Informationen versorgt und es ihm ermöglicht hat, die Botschaft an den General zu fälschen. Die ganze Zeit über hat sie ihm geholfen.

Die Frage ist nun: Hilft sie vielleicht auch mir?

Als ich bei den Krankenzelten ankomme, scheint Aleen mich bereits zu erwarten. Sie öffnet die Zeltklappe, bevor ich sie überhaupt erreicht habe, und winkt mich zu sich herein.

«Alles in Ordnung?», fragt sie.

Ich nehme einen zittrigen Atemzug und beschließe, nicht zu antworten. Die Wahrheit würde auch den Rest meiner bröckeligen Fassade einstürzen lassen. Mit einem unterdrückten Ächzen setze ich mich auf die nächstbeste Pritsche und reibe mir die frierenden Hände.

«Wieso fragst du?», weiche ich aus.

Verdammt, meine Stimme … Ich hasse es, wie schwach sie mittlerweile klingt. Kann nicht wenigstens sie sich Ardens Folter widersetzen?

Aleen wirft mir einen tadelnden Blick zu und holt einen Salbentiegel aus ihrem Arbeitsbereich. Sie hat ihre dichten schwarzen Locken heute zu einem Zopf geflochten und trägt selbst hier drinnen ihren Umhang, um der Kälte zu trotzen. Ihr Kragen sitzt ein wenig locker, sodass ich die geflochtene Kette sehen kann, die in ihm verschwindet. An seinem Ende hängt – das weiß ich mittlerweile allzu gut – ein tiefschwarzer polierter Anhänger aus Obsidian. Der Katalysator für Aleens Heilungsmagie.

«Erstens warst du drei Tage nicht hier», erklärt sie sachlich, als würde sie eine Krankheit analysieren und nicht mein Verhalten. «Zweitens hat sich schon rumgesprochen, dass dich auf dem Weg ein paar Soldaten belästigt haben. Und drittens ist dein Hals voller Würgemale.» Sie kommt zu mir und schraubt den Tiegel auf. «Was hat er dir angetan?»

Missmutig schüttle ich den Kopf. «Ich will nicht darüber reden.»

Aleen setzt sich neben mich. Ihre Miene ist ernst, aber wenigstens von Mitleid ist da keine Spur. «Wenn du nicht darüber redest, bleibst du allein damit. Das macht es nicht einfacher, sondern schlimmer. Je mehr du bei mir ablädst, desto weniger musst du selbst tragen. Bitte lass mich dieses Arschloch wenigstens für dich hassen, wenn ich dir schon nicht anders helfen kann.»

Ich schaue auf meine klammen Hände und nutze das bisschen Magie, das mir zur Verfügung steht, um sie zu wärmen. «Noch ist es nicht so schlimm», sage ich leise. «Den Vormittag über hat er mich im kalten Zelt eingesperrt, und als er wiederkam und ich Cassim verteidigt habe, statt Einsicht zu zeigen, ist er ausgerastet.»

Aleen schürzt wütend die Lippen. «Das nennst du ‹nicht so schlimm›?»

Ich schlucke. «Es könnte schlimmer sein.» Das muss ich mir immer wieder sagen, wenn ich es irgendwie überstehen will. «Ich komme schon klar.»

Aleen seufzt, als hätte sie eingesehen, dass es nichts bringt, darüber zu reden. «Cassim ist wohl sein wunder Punkt», wechselt sie das Thema.

Ich nicke. Im Camp gehen viele Geschichten um, was Cassims und meine Beziehung betrifft. Die meisten von ihnen stellen mich als Verräterin dar, der Sex wichtiger sei als die Loyalität ihrem König gegenüber. Ein paar andere denken, Cassim hätte mich erpresst. Und der Rest glaubt, ich sei einfach nur ein naives Mädchen. Aleen weiß als Einzige, was ich wirklich für ihn empfinde. Aber das bedeutet nicht, dass sie die Wahrheit kennt.

Als sie mich einmal gefragt hat, ob er tatsächlich der Thronerbe sei, habe ich beschlossen, nicht zu antworten. Es würde nur zu mehr Fragen führen. Und alles andere – meine Rolle als Cassims Vorbestimmte, seine Unterstützer hinter der Grenze, seine Magie – muss ein Geheimnis bleiben. Trotzdem stellt sie sich immer wieder klar auf Cassims Seite. Vermutlich aus dem simplen Grund, dass ich es tue. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar.

«Ich hätte einfach weiter schweigen sollen», murmle ich. «Ich wusste, dass es ihn provoziert.»

«Nein», sagt Aleen bestimmt. «Das ist nicht deine Schuld, hörst du? Wenn du dich anpasst, damit er sein Verhalten ändert, hat er dich genau da, wo er dich haben will.»

Ich weiß, dass sie recht hat. Leider macht es das nicht einfacher.

Aleen überlegt. «Hast du die Möglichkeit, ihm etwas ins Essen zu mischen?»

Mir entkommt ein ungläubiges Keuchen. «Ich kann ihn nicht vergiften! Wenn er stirbt, wird Harlow mich loswerden wollen.»

So grausam Arden auch ist – er ist momentan der einzige Grund, dass ich noch lebe. Das ist das Schlimmste an der ganzen Situation.

«Ich weiß. Ich rede ja auch nicht von Gift. Es gibt genügend Mittel, die beruhigend wirken und müde machen. Harmlos, unterschwellig. Vielleicht hält ihn das zumindest davon ab, noch aggressiver zu werden.»

Der Vorschlag ist gar nicht so übel. Vor allem würde das nicht nur mich, sondern auch Darus schützen. Aber … dann wäre Arden sicher unaufmerksamer im Kampf. Das wiederum würde sowohl Darus als auch mich gefährden. Momentan fliegen sie ständig für Aufträge. Der Krieg spitzt sich zu, aber Arden weigert sich, mir Genaueres zu verraten, und Aleen konnte ebenfalls nicht mehr herausfinden. Noch ein Grund mehr, weshalb ich nachts nicht schlafen kann. Als wären die Albträume nicht genug …

«Das ist zu riskant», beschließe ich.

Ehrlich gesagt bezweifle ich, dass ich überhaupt damit durchkommen würde. Ich bin mir sicher, dass Arden meine Sachen durchsucht, wenn ich nicht da bin. Sein Essen lässt er nie unbeaufsichtigt. Er beäugt meine Besuche bei Aleen sowieso schon mit Misstrauen.

«Dann brauchen wir eine andere Strategie», beharrt sie und dreht nachdenklich den Salbentiegel zwischen ihren Fingern. «Er darf nicht das Gefühl haben, dass er mit Gewalt Erfolg hat. Das bestärkt ihn vermutlich.» Sie mustert meinen Hals. «Wie sehr tut es weh?»

Ich muss einen Moment überlegen. «Nicht mehr als der Rest.»

Tatsächlich realisiere ich die Schmerzen erst jetzt, wo ich mich auf sie konzentriere. Zuvor gingen sie einfach in den anderen unter, die schon seit Wochen jeden Tag schlimmer werden.

«Hm. Auch keine Probleme beim Schlucken oder Sprechen?»

Skeptisch hebe ich die Brauen. «Was hast du vor?»

Sie zuckt mit den Schultern. «Arden behauptet doch immer, er würde dich lieben, oder? Wahrscheinlich stimmt das sogar – aber eben auf seine eigene verdrehte Weise. Hat er die Blutergüsse gesehen?»

«Ich weiß nicht, wie gut sie schon sichtbar waren. Er ist direkt danach gegangen.»

«Dann sollten wir vielleicht austesten, wie er auf den Anblick reagiert, indem wir nur etwas gegen die Schmerzen unternehmen und die Blutergüsse in Ruhe lassen. Womöglich kommt er nicht damit klar, dass er diese Verletzungen verursacht hat. Das könnte ihn in Zukunft hemmen. Aber bei seinem bisherigen Verhalten kann es auch gut sein, dass es ihn noch mehr anspornt. Die Entscheidung liegt bei dir.»

Ich versuche, mich daran zu erinnern, wie Arden früher reagiert hat, wenn es mir schlecht ging. Als ich nach Livias Tod mit einem gebrochenen Bein im Krankenzelt lag, war er wenig einfühlsam. Aber bei unserem letzten gemeinsamen Auftrag war er schuld daran, dass ich verletzt wurde, und er hat mich fast schon angefleht, mich verarzten zu dürfen. Das spricht eher für Zurückhaltung, oder? Einen Versuch ist es wert.

«Probieren wir es aus.»

Aleen atmet tief durch und legt ihre Hand auf meine. Sie drückt sanft meine Finger und lächelt mich an. «Du schaffst das», flüstert sie.

Ich bin wie erstarrt. Mein gesamter Körper sehnt sich danach, in Aleens Arme zu fallen und bitterlich zu weinen. Doch allein diese winzige tröstliche Berührung löst weitere Brocken aus meiner harten Fassade, und das kann ich mir gerade nicht leisten. Also erwidere ich nur kaum merklich den Druck ihrer Finger und ringe mir ein schwaches Lächeln ab.

«Danke», flüstere ich ebenso.

«Nicht dafür.» Aleen steht auf, schraubt den Salbentiegel zu und geht hinüber zu ihrem Medizinschrank. «Ich bereite dir ein Schmerzmittel vor. Trink es nach dem Essen – falls Arden dich heute Abend essen lässt. Bevor du fragst, ja, es schmeckt furchtbar. Es hat schon seine Gründe, dass ich Heilerin geworden bin und keine Köchin.»

Sie zwinkert mir zu, und ich muss ein winziges bisschen lachen.

«Ich bin nicht wählerisch.»

«Na klar.» Sie schüttelt schmunzelnd den Kopf und sucht sich aus den Schränken ein paar Fläschchen zusammen.

Ihre plötzliche Gelöstheit ist eine willkommene Abwechslung zu meiner Anspannung. Wie gerne würde ich noch Stunden bei ihr sitzen und Scherze machen. Aber das geht nicht. Jetzt, wo ich allmählich wieder etwas Energie schöpfe, drängt sich mir mein neuer Plan nur umso härter auf.

Ich atme durch. «Kann ich dich mal was Vertrauliches fragen?»

Aleen lässt sich nicht anmerken, was sie von diesem Einstieg hält. Sie konzentriert sich weiter auf ihre Arbeit und zerkleinert etwas in ihrem Mörser, das aussieht wie vertrocknete Blüten.

«Klar», erwidert sie.

Ich knete nervös meine Finger. «Hast du den Drachen des Generals mal behandelt?»

Sie zögert einen Moment. «Mera? Nicht wirklich. Harlow fliegt so gut wie keine Aufträge mit ihr, und wenn sie mal Medizin braucht, holt er sie persönlich ab. Warum willst du das wissen?»

«Hattest du sonst Kontakt zu Mera? Weißt du, wie sie … eingestellt ist?»

Nun schaut Aleen doch zu mir herüber. «Da möchte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Sie ist sehr reserviert. Spricht kaum, fällt nicht auf. Und tut augenscheinlich alles, was Harlow von ihr verlangt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.»

«Augenscheinlich», wiederhole ich vielsagend.

Ihr Mundwinkel zuckt. «Stille Wasser …»

«Verstehe.»

«An deiner Stelle wäre ich trotzdem vorsichtig mit ihr. Wer weiß, wem sie wirklich treu ist. Dir ziemlich sicher nicht.»

War ja klar, dass sie ahnt, was ich vorhabe. Am liebsten würde ich ihr alles erzählen. So, wie ich es immer bei Livia getan habe. Ich sehne mich mehr denn je nach jemandem, der in jedes Detail meines Lebens eingeweiht ist und die dunkelsten Momente mit mir durchsteht. Und bei Aleen bin ich mir sicher, dass sie gern dieser Jemand für mich wäre. Sie hat mir all meine Fehler verziehen, meine Lügen, meine Geheimnisse. Obwohl ich als Verräterin gebrandmarkt bin, hat sie mich mit offenen Armen wieder in ihrem Zelt empfangen.

Sie akzeptiert mich so, wie ich bin. Teilt meine Werte. Meine Hoffnungen. Meinen Schmerz. Aber egal, wie sehr ich Aleen vertraue – ich kann es nicht riskieren.

Bisher scheint Ylving nicht realisiert zu haben, dass ich Cassims Vorbestimmte bin. Doch wer weiß, zu was für Mitteln er gerade greift, um Informationen aus ihm herauszubekommen. Cassim könnte jederzeit brechen, und dann bin nicht nur ich in Gefahr, sondern auch alle, die mir nahestehen.

Es ist besser, wenn Aleen nichts weiß. So einsam ich mich auch fühle, es gibt keinen sicheren Ort für meine Wahrheit.

«Ich passe auf», verspreche ich.

«Brauchst du Hilfe mit Mera?»

«Nein, danke», sage ich sanft und versuche mich an einem weiteren Lächeln. Es fühlt sich bleischwer an, und ich weiß genau, dass es meine Augen nicht erreicht. «Das muss ich persönlich klären.»

Kapitel 2Don’t Look Down

Yessa

Dank des Zwischenfalls mit General Harlow scheinen die Soldaten Abstand von mir zu halten. Ich werde ungewöhnlich selten angerempelt, bespuckt und beschimpft. Stattdessen ignorieren sie mich. Schauen weg, wenn sie mich sehen. Tun so, als würde ich nicht existieren. Geben mir genau das, was ich will.

Vielleicht ist es ein Zeichen der Götter, die mir sagen wollen, dass sie trotz allem noch hinter mir stehen. Zumindest will ich das glauben. Ich will wieder hoffen.

Doch meine Angst vor Meras Reaktion wächst mit jeder Minute. Wenn auch sie Nein sagt, bleiben mir keine Optionen mehr. Dann muss ich mein Schicksal akzeptieren. Und ich weiß, dass mich das zerstören wird.

Fast zwei Stunden lang streune ich durch das dunkler werdende Camp und versuche, Mera ausfindig zu machen. Sie verbringt die meiste Zeit im Zelt des Generals, wo ich unmöglich mit ihr sprechen kann. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, sie irgendwann während meiner wenigen Arden-freien Stunden an einem der Lagerfeuer zu sehen.

Und tatsächlich – kurz vor dem üblichen Ansturm aufs Abendessen entdecke ich sie unweit von Harlows Zelt mit einer Schale Eintopf. Vom General ist keine Spur zu sehen, dafür sind drei seiner Lieutenants bei ihr, die sich lachend unterhalten. Mera sitzt völlig unbeachtet zwischen ihnen und isst. Sie ist wirklich wie ein Schatten, dessen Anwesenheit von den anderen nicht einmal wahrgenommen zu werden scheint. Keiner von ihnen ahnt, dass sie jedes ihrer Wörter aufsaugen und gegen sie verwenden könnte.

Als hätte Mera meinen Blick auf sich gespürt, schaut sie plötzlich von ihrem Eintopf auf. Ich stehe abseits des Laternenscheins, halb verborgen von einem Zelt. Trotzdem bin ich mir sicher, dass sie mich sieht. Ich bedeute ihr mit einem kaum merklichen Ruck meines Kinns, mir zu folgen, und mache einen Schritt rückwärts.

Mera verzieht keine Miene. Völlig ungerührt widmet sie sich wieder ihrem Eintopf und isst weiter. Es wirkt, als hätte sie mich gar nicht bemerkt. Aber das ruhelose Gefühl in meiner Brust sagt mir etwas anderes. Ich verstecke mich hinter dem Zelt, wo man mich vom Lagerfeuer aus nicht mehr sieht, und warte.

Fünf Minuten. Zehn …

Nach einer Viertelstunde nähern sich beinahe lautlose Schritte. Eine schmale Gestalt mit Kapuze biegt in die Gasse zwischen den Zelten ein. Ich erkenne Mera sofort, aber sie hält nicht an, sondern geht geradewegs an mir vorbei, ohne mich anzusehen.

«Unauffällig», zischt sie, so leise, dass ich fast glaube, ich hätte es mir eingebildet.

Ich schaue mich noch einmal um, dann ziehe ich mir ebenfalls die Kapuze meines Umhangs über den Kopf und folge Mera mit einigen Metern Abstand. Sie führt mich an den Rand des Camps, wobei sie ein Talent dafür hat, Begegnungen mit anderen Soldaten zu vermeiden. Irgendwie schafft sie es, immer mindestens eine Zeltreihe von diesen entfernt zu sein. Sie macht das hier nicht zum ersten Mal, und das bestärkt meine Theorie umso mehr. Ob sie und Cassim sich auch auf diese Weise getroffen haben, um Informationen auszutauschen? Womöglich jahrelang?

Wie gut kannte sie ihn? Vielleicht ja besser als ich …

Mera führt uns bis zu den Trainingsplätzen, die um diese Zeit völlig verlassen sind. Zwischen zwei Ausrüstungszelten mit Übungswaffen bleibt sie schließlich stehen und wendet sich mir zu. In der Dunkelheit kann ich kaum mehr als ihren Umriss erkennen, und ich unterdrücke das Bedürfnis, mit meiner Magie Licht zu machen. So kann ich sie noch schlechter einschätzen als ohnehin schon. Aber das Risiko, dass uns jemand entdeckt – und sei es nur eine der Wachen, die irgendwo über dem Camp in der Luft kreisen –, ist zu hoch.

«Was willst du?», fragt sie kühl.

Ihre Stimme kommt mir vertraut vor. Dabei ist es das erste Mal, dass ich sie höre. Oder? Verdammt, ich muss aufhören, mich an solchen Kleinigkeiten aufzuhängen. Viel wichtiger ist es, dieses Gespräch in die richtige Richtung zu lenken. Mera muss mir zuhören. In den letzten Stunden ist mir nur eine Möglichkeit eingefallen, um zu garantieren, dass sie das tut: Konfrontation.

«Ich weiß, dass du Cassim damals geholfen hast, den Auftrag zu sabotieren.»

Die Worte scheinen die Zeit anzuhalten. Einen Moment lang zeigt Mera keine Regung. In der Stille höre ich meinen Herzschlag in meinen Ohren pochen.

«Wie bitte?» Meras Stimme ist gefährlich tonlos.

Sofort kommen mir Zweifel. Was, wenn ich mich doch geirrt habe? Was, wenn Cassim nicht sie vor mir beschützen wollte, sondern andersherum? Wenn Mera Harlow oder einem Soldaten treu ist?

Aber jetzt ist es zu spät für einen Rückzieher. Mir bleibt nur noch dieser Plan.

«Cassim hat es mir erzählt», schwindle ich. Wenn ich genug darauf beharre, wird sie es vielleicht zugeben. «Wusstest du damals schon, wer er ist? Hast du ihm deshalb geholfen?»

Mera starrt mich an. Ich starre zurück. So lange, bis sie den Kopf dreht und sich umschaut, als müsse sie sich versichern, dass wir allein sind.

«Was willst du von mir?», fragt sie eisig.

Das war kein richtiges Schuldeingeständnis. Aber irgendwie doch?

Ich beschließe, mich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. «Cassim braucht unsere Hilfe.»

Mera schnaubt ungläubig. «Ihm ist nicht mehr zu helfen.»

Sie wendet sich zum Gehen, doch ich halte sie am Arm zurück. Mein Griff ist ein wenig zu fest, aber ich wage es nicht, ihn zu lockern. Ihre Worte hallen schmerzhaft in mir nach. Das Atmen fällt mir wieder schwer.

«Was soll das heißen?», stoße ich aus.

Sie hört alles, was der General mit seinen Soldaten bespricht. Was, wenn sie mehr weiß als ich? Das darf nicht sein. Das kann nicht …

«Ist er tot?» Meine Stimme bricht.

Deshalb habe ich keine Visionen. Es ist zu spät. Vorbei. Ich habe versagt.

Mera stockt. «Nicht, dass ich wüsste.»

Ich will aufatmen, aber meine Kehle wird nur noch enger. Wenn er nicht tot ist, warum kann ich seine Zukunft dann nicht sehen? Weil ich hier niemals rauskommen werde? Weil wir uns nie wiedersehen? Ist die Tatsache, dass ich keine Visionen kriege, vielleicht Zukunft genug?

Tränen brennen mir in den Augen. Meine Stimme gleicht einem verzweifelten Schluchzen. «Dann müssen wir es versuchen! Er ist der Thronfolger, Mera. Hast du irgendeine Ahnung, wie wichtig er ist? Ohne ihn sind wir verloren. Er braucht uns. Bitte …»

Sie versucht erfolglos, mir ihren Arm zu entreißen. «Denkst du, das weiß ich nicht?», fährt sie mich an. «Was erwartest du von mir? Soll ich ihn mit dir suchen gehen? Du wirst ihn niemals finden, geschweige denn befreien. Ylving hat ihn. Er ist so gut wie tot. Und für einen Toten riskiere ich nicht mein Leben.»

Sie versteht es nicht. Sie weiß nicht, was sein Tod bedeutet. Die Schuld, die ihre Worte mir auf die Schultern legen, ist erdrückend. Ich bin für Cassims Gefangenschaft verantwortlich. Für das Leid, das er zweifelsohne jeden Tag durchstehen muss. Wenn er stirbt, habe ich nicht nur seinen Tod zu verantworten, sondern jeden einzelnen, den Ylving verursacht, wenn er diesen Krieg gewinnt.

Es ist alles meine Schuld. Weil ich ihm nicht vertrauen wollte. Weil ich meine Wut auf ihn und das Leben meiner Eltern über das Wohl Eldeyas gestellt habe. Weil ich ihn lieber gehasst habe, als mir einzugestehen, dass ich ihn trotzdem liebe. Ich habe alles ruiniert, und es gibt keine Möglichkeit, es wiedergutzumachen.

«Du musst mir nur aus dem Camp helfen», flehe ich Mera an. Ich schmecke das Salz meiner Tränen auf den Lippen und sehe, wie sie den Kopf schüttelt.

«Ich riskiere mein Leben auch nicht für die Freiheit einer Fremden.» Mit einem heftigen Ruck reißt sie sich von mir los und bringt einen Schritt Abstand zwischen uns. «Tut mir leid.»

Nein …

«Es ist nicht für mich, sondern für Cassim!», rufe ich.

Mera wendet sich zum Gehen. «Ich kann dir nicht helfen.»

Meine Verzweiflung ist so heftig, dass sie schmerzt. Ich ertrage das Gefühl nicht, das meine Brust zu sprengen droht.

Meinetwegen. Alles nur meinetwegen …

«Aber Cassim ist nicht tot», beharre ich. «Ich kann ihm helfen! Ich bin die Einzige, die ihn retten kann, Mera. Bitte! Ich …»

Ich unterbreche mich selbst. Auch sie darf nicht wissen, wer ich bin. Sie ist immer noch der Drache des Generals. Und Aleen hatte recht – ihre Treue gilt definitiv nicht mir.

Mera hat innegehalten. Langsam dreht sie sich zu mir um, und obwohl ich ihre Augen in der Dunkelheit nicht erkennen kann, spüre ich, wie sie mich anstarrt. «Warum?»

Plötzlich gleicht ihre Stimme einer Herausforderung. Als wüsste sie bereits, was die richtige Antwort auf ihre Frage ist. Kann es sein …? Weiß sie von den Vorbestimmten?

Ich dachte, in dieses Wissen wären nur diejenigen eingeweiht, die der Königsfamilie nahestanden. Wie also sollte Mera davon erfahren haben? Durch Harlow? Aber der hat eigentlich keinen Grund, darüber zu sprechen, solange Ylving nicht ahnt, dass ich Cassims Vorbestimmte bin. Tut er es womöglich doch? Warum lässt er mich dann unbeaufsichtigt in den Händen eines missbräuchlichen Soldaten?

Ich zögere. Das hier könnte mein nächster großer Fehler sein. Scheiße, ich weiß längst nicht mehr, was richtig ist.

«Frag die Götter», flüstere ich.

Plötzlich blendet mich Fackelschein. Eine schier erdrückende Hitze fängt mich ein, der Geruch von Schwefel und Asche brennt mir in der Nase. Eine bärtige Wange schmiegt sich in meine Handfläche. Ich höre einen rasselnden Atemzug. Dann trifft mein Blick den vertrauter Glutaugen.

Das Bild verschwindet ebenso plötzlich, wie es kam, und mein Aufschrei bleibt mir in der Kehle stecken. Dunkelheit und Kälte hüllen mich wieder ein. Cassims Berührung brennt schmerzhaft auf meiner Haut nach. Was …?

«Tut mir leid», dringt Meras Stimme zu mir durch. «Wie gesagt, ich kann dir nicht helfen.»

Nur am Rande kriege ich mit, wie sie geht. Diesmal halte ich sie nicht auf. Ich stehe wie versteinert da und versuche zu begreifen, was passiert ist.

War das eine Vision? Oder sorgt mein geschwächter Zustand langsam, aber sicher dafür, dass mein Kopf verrücktspielt? Es war nur ein Moment, den ich gesehen habe, kaum länger als ein Wimpernschlag. Trotzdem hat er sich real angefühlt. Wollen mir die Götter etwas sagen? Lebt Cassim noch? Werde ich ihn wiedersehen?

Ich blinzle gegen die Tränen an, die mir wieder in die Augen steigen, und starre in die Dunkelheit vor mir. Meras Schritte sind bereits verhallt. Sie ist fort und mit ihr meine letzte Hoffnung auf Freiheit. Wie also soll ich es zu Cassim schaffen?

Kurz spiele ich mit dem Gedanken, ihr zu folgen. Aber gerade kann ich kaum klar denken. So kann ich Mera unmöglich davon überzeugen, mir zu helfen.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als den Weg zurück zu Ardens Zelt einzuschlagen und zu beten, dass er nicht dort ist. Ich muss meinen Kopf sortieren. Das Gesehene verarbeiten. Die Hoffnung in meiner Brust unter Kontrolle bringen, bevor sie sich zu tief in mein Herz frisst. Denn wenn sie stirbt, wird sie auch den Rest von mir mit ins Grab nehmen.

Als ich beim Zelt ankomme, brennt drinnen Licht. Ich bleibe vor dem Eingang stehen, halte einen Moment inne, um mich zu wappnen, und streiche über meinen schmerzenden Hals. In den letzten Stunden konnte ich mich damit ablenken, Mera zu finden. Ich hatte eine Aufgabe. Einen anderen Lebensinhalt, als an Angst und Trauer zu ersticken.

Jetzt gibt es nur noch Arden und mich. Wie schon in den letzten Tagen steht nichts mehr zwischen seiner wachsenden Gewalt und mir. Der Moment mit Cassim, der mir vor wenigen Minuten noch so viel Hoffnung geschenkt hat, fühlt sich bereits an wie ein längst vergangener Traum.

Arden wird mich niemals gehen lassen. Und Mera hatte recht – Cassim überhaupt zu finden, ist aussichtslos. Ihn zu retten, ist undenkbar. Und Arden zu überleben … unmöglich. Wenn ich so darüber nachdenke, weiß ich gar nicht, was es bringen soll, wenn er sich zurückhält. Vielleicht wäre es besser, wenn es schneller ginge. Vielleicht quäle ich mich nur unnötig selbst, indem ich mich weigere, die Realität zu akzeptieren.

Mit zitternden Händen öffne ich die Zeltklappe und trete ein. Doch zu meiner Überraschung ist das Zelt leer. Weder Darus noch Arden sind da. Dafür ist das Hauptzelt geheizt, und eine brennende Öllampe steht auf den warmen Basaltsteinen in der Mitte des Raums.

Merkwürdig. Arden lässt mich nur zu gern im Dunkeln und in der Kälte sitzen. Ist das hier eine Art Friedensangebot? Hatte Aleen recht, und er kommt nicht damit klar, mich zu verletzen? Ich bin mir nicht sicher, ob das die Situation besser machen würde, aber mein Körper entspannt sich dennoch ein wenig. Die Wärme tut gut, genauso wie die Ruhe. Um diese Zeit sitzen die meisten Reiter noch am Lagerfeuer, trinken oder essen zusammen.

Ich streife mir Umhang und Stiefel ab, um meine gefrorenen Zehen zu wärmen, und betaste noch einmal prüfend meinen Hals. Ich kann genau spüren, wo sich mittlerweile Blutergüsse gebildet haben. Die betroffenen Stellen sind empfindlich und tun schon bei der kleinsten Berührung weh. Das Schmerzmittel von Aleen bleibt trotzdem in meiner Jackentasche verstaut. Sofern Arden es nicht findet, hebe ich es lieber für Notfälle auf.

Ich rutsche ein Stück näher zu den heißen Basaltsteinen. Solange Arden unterwegs ist, habe ich Zeit, mich mit der Vision zu beschäftigen – sofern es denn eine war. Ich muss sie noch mal sehen. Sie war viel zu kurz, um irgendwelche brauchbaren Informationen aus ihr zu ziehen. Zu kurz, um sie überhaupt glauben zu können.

Wenn das wirklich die Zukunft war, werde ich Cassim finden. Aber wie? Was soll dieser nutzlose Köder, verdammt? Ich dachte, die Götter wollen mir helfen und mich nicht an der Nase herumführen.

Ich schließe die Augen, öffne meine Hand und konzentriere mich auf die Wärme im Raum. Versuche, mich an die Hitze zu erinnern, die mich in der Vision eingehüllt hat. An das Gefühl von Cassims bärtiger Wange unter meinen Fingern. An das Geräusch seines Atems. Sein Blick hat sich mir eingebrannt. Die Funken in seinen braunen Augen wirkten dumpf. Und da war diese überwältigende Erschöpfung, die meine eigenen Glieder schwer werden lässt.

Ein Teil von mir fürchtet sich vor dem, was sich mir offenbart, wenn ich mehr von diesem Moment sehe. Mehr von ihm. War das seine Rettung oder doch sein Tod? Ist überhaupt noch genug von ihm übrig, das gerettet werden kann?

Trotz meiner Angst muss ich wissen, was Ylving Cassim angetan hat. Was ich ihm angetan getan habe, als ich entschieden habe, meinen Zorn über meine Moral zu stellen und dieses Risiko in Kauf zu nehmen.

Ich atme durch. Fokussiere mich auf die Erinnerung von vorhin. Aber nichts passiert.

Egal, wie fest ich die Augen zupresse, die verdammten Götter lassen mich im Stich. Panik schnürt mir wieder die Kehle zu, und ich muss mich bemühen, ruhig zu bleiben. Ich denke daran, was Ilia mir über die Visionen erzählt hat. Sie sind kein Zufall, sondern sollen mich leiten. Und sie werden von meinen Entscheidungen beeinflusst. Was war vorhin anders als in den letzten zwei Wochen? Vielleicht auch anders als jetzt?

Ich habe mich entschieden, Mera um Hilfe zu bitten. Das könnte der Auslöser gewesen sein. Aber die Vision kam erst, als Mera bereits Nein gesagt hatte. Das ergibt also keinen Sinn, oder?

Frustriert versuche ich, mich an jedes Wort unseres Gesprächs zu erinnern. Die Vision kam, kurz bevor sie gegangen ist. Nachdem ich ihr indirekt erzählt hatte, dass ich Cassims Vorbestimmte bin. War das vielleicht der Schlüssel?

«Ich bin die Einzige, die ihm helfen kann.»

«Warum?»

Mera wusste, was ich meine. Aber Vega sagte, das Wissen über die Vorbestimmten wurde außerhalb der Königsfamilie geheim gehalten. Wie kommt Mera an diese Informationen? Wieso hilft sie Cassim bei einem Fluchtversuch, von dem sie nicht einmal Teil ist? Wieso hat sie selbst keinerlei Interesse daran zu entkommen?

Es ist anders als bei Darus, wird mir klar. Er versucht, am Leben zu bleiben. Deshalb spielt er nach den Regeln. Mera tut das Gegenteil. Sie ist eine Verräterin durch und durch, also warum bleibt sie?

Irgendetwas stimmt nicht. Und ich muss herausfinden, was es ist, wenn Cassim noch irgendeine Chance haben soll.

Die Zeltklappe wird aufgeschlagen, und ich fahre zusammen. Ich war so in Gedanken, dass ich Ardens Schritte nicht gehört habe. Jetzt steht er vor mir, und ich habe keine Zeit mehr, mich zu wappnen. Sein unheilvolles Grinsen lässt mich keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Er bringt frische Nachtluft mit ins Zelt. Und einen Hauch von Alkohol.

Unwillkürlich ziehe ich die Beine an die Brust, mache mich so klein wie möglich. Ardens Blick wird von der Bewegung eingenommen. Dann wandert er langsam über meinen Körper bis zu meinem Hals. Geradezu fasziniert betrachtet er meine Blutergüsse und kommt näher. Die Zeltklappe fällt hinter ihm zu, und der Raum scheint auf Reiskorngröße zu schrumpfen.

«Wo warst du?», fragt er. Seine Stimme ist gefährlich ruhig, und ich werde das Gefühl nicht los, dass er die Wahrheit bereits kennt. Hat Mera mich vielleicht doch verraten?

Entgegen meinen Vorsätzen antworte ich ihm. Seine Stimmung macht mir Angst, und zu schweigen würde ihn nur noch mehr provozieren.

«Spazieren», bringe ich hervor.

Ich versuche unauffällig, meine Beine so zu positionieren, dass ich schnell aufstehen kann. Sämtliche meiner Instinkte schlagen Alarm.

«Nur spazieren, ja?»

Arden kommt immer näher. Er nuschelt leicht, aber seine Bewegungen wirken noch sicher. Er ist zu nüchtern, als dass ich mich verteidigen könnte, und gleichzeitig betrunken genug, um unberechenbar zu sein. Die gefährlichste Mischung.

«Ich habe Aleen besucht», gebe ich zu.

Ich wage es nicht, Arden aus den Augen zu lassen. Jeder Muskel meines Körpers ist bis aufs Äußerste angespannt.

Er grunzt. Das Grinsen auf seinem Gesicht wird zu einer wütenden Grimasse. «Und sie hatte schon Feierabend?»

Verwirrt runzle ich die Stirn. «Was meinst du?»

«Was ich meine?», brüllt er plötzlich so laut, dass ich zusammenzucke.

Er stürzt auf mich zu. Ich versuche, mich aufzurappeln, aber Arden ist schneller. Auf halber Höhe packt er mich grob an den Haaren und zwingt mich zurück auf die Knie. Mir entkommt ein schmerzerfüllter Aufschrei, der in seinem Gebrüll untergeht.

«Warum sieht dein Hals immer noch so aus, Yessa?», donnert er. «Findest du das lustig?»

Scheiße.

Scheiße, Scheiße, Scheiße.

Ich wimmere vor Schmerzen, kralle mich in Ardens Hand und versuche, seinen Griff in meinem Haar zu lockern. Erfolglos. Er scheint nicht mal zu spüren, dass ich meine Fingernägel in seine Haut grabe. Sosehr ich mich auch winde, er lässt nicht los.

«Halt gefälligst still und antworte mir!», schreit er mich an.

Ich erstarre. Mein Atem stockt. Mein Kopf ist auf einmal wie leergefegt, da ist nur noch Schock. Ich verstehe nicht, was passiert.

«N-nein», stammle ich atemlos.

Ich spüre Tränen in meinen Augen brennen. Dann noch mehr Schmerz, als Arden meinen Kopf zurückreißt und wutentbrannt auf mich herabschaut.

«Was nein?»

Seine Stimme ist so laut, dass sie sogar meinen wummernden Puls übertönt. Kurz bin ich mir nicht sicher, ob mein Herz noch schlägt. Ob es noch schlagen sollte. Ob es nicht einfacher wäre, wenn … Ardens Gesicht verschwimmt vor meinen Augen.

«Was?» Meine Stimme ist ein überfordertes Flüstern. Ich ersticke beinahe an dem Wort.

«Ob du das lustig findest, habe ich gefragt!»

Ich weiß wirklich nicht, wovon er redet. Ich verstehe gar nichts mehr.

«N-nein», bringe ich wieder hervor.

Er gräbt die Finger fester in meine Haare, und ich schreie auf. «Warum machst du mich dann zum Gespött des ganzen Camps?»

Ich öffne nur hilflos den Mund und bringe kein Wort heraus.

Arden schnaubt und stößt mich so heftig von sich, dass ich fast mit dem Gesicht voran auf den Basaltsteinen lande. Ich kann mich gerade noch abfangen. Ein stechender Schmerz fährt durch mein Handgelenk und mischt sich mit dem dumpfen Pochen meiner Kopfhaut. Ich ignoriere beides, rapple mich hektisch auf und krabble rückwärts vor Arden weg. Hasserfüllt schaut er auf mich herab.

«Jetzt hör mir mal gut zu. Wenn dich das nächste Mal einer von den Wichsern verletzt, lässt du es gefälligst verarzten. Ich kann es nicht brauchen, dass du dem halben Camp die Erlaubnis erteilst, dich anzufassen. Geht das in deinen hübschen kleinen Schädel?»

Ich nicke instinktiv. Gleichzeitig sickern seine Worte ein. Was … redet er da? Wenn sie mich verletzen? Das ist ein Witz, oder? Er muss doch wissen, dass er diese Blutergüsse zu verantworten hat. Er hat gerade mit aller Gewalt an meinen Haaren gezogen und tut, als wäre er unschuldig?

«Hier.» Er wirft mir etwas ins Gesicht.

Ich bin zu langsam, und es trifft mich hart an der Stirn. Als es vor mir auf dem Zeltboden zum Liegen kommt, erkenne ich, dass es sich um ein Salbengläschen handelt.

Arden lässt noch etwas danebenfallen. Einen Taschenspiegel. «Bring deinen Hals in Ordnung. Ab jetzt keine Besuche mehr bei Aleen. Wenn du etwas brauchst, kommst du zu mir. Klar?»

Ich starre auf mein Spiegelbild, und mir wird schlecht. Zum ersten Mal sehe ich, was er mir angetan hat. Ardens Fingerabdrücke zeichnen sich dunkelblau auf meiner weißen Haut ab. Ein roter Fleck ziert meine Stirn, wo er mich eben mit dem Glas getroffen hat. Die dunklen Ringe unter meinen Augen sind feucht von meinen Tränen. Und mit jeder Sekunde, die ich mich selbst anschaue, wächst meine Verzweiflung.

Ich wollte stark bleiben. Wollte Rache schwören, meine Kräfte sammeln, ihm irgendwann alles heimzahlen. Aber allmählich kann ich die Wahrheit nicht mehr leugnen. Ganz egal, zu was für einem Ungetüm mein Hass auf ihn heranwächst … Arden wird immer das größere Monster von uns beiden bleiben. Er würde mich lieber töten, als mich entkommen zu lassen.

«Schweigen nehme ich als Zustimmung», sagt er, nun wieder völlig gelassen.