Emilie - Gérard de Nerval - E-Book

Emilie E-Book

Gérard de Nerval

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Es ist die Zeit der Französischen Revolution. Und es ist auch die Geschichte des Leutnants Desroches, der sich beim Kampf um Hambergen töten ließ – zwei Monate nach seiner Hochzeit. Zum unbestrittenen Kanon der Weltliteratur gehört dieses Meisterwerk eines Ausnahmekünstlers mit anhaltendem und vielfältigem Einfluss auf den lesenden Menschen und die Literaturgeschichte – bis heute. Spannend und unterhaltend, vielschichtig und tiefgründig, informativ und faszinierend sind die E-Books großer Schriftsteller, Philosophen und Autoren der einzigartigen Reihe "Weltliteratur erleben!".

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 44

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Gérard de Nerval

Emilie

Erinnerungen aus der Französischen Revolution

Abschnitt 1

»Niemand kennt so recht die Geschichte des Leutnants Desroches, der sich im vergangenen Jahr beim Kampf um Hambergen töten ließ – zwei Monate nach seiner Hochzeit. Wenn das ein wahrhafter Selbstmord gewesen ist, dann möge ihm das Gott verzeihen! Aber wie dem auch sei: Einer, der sein Vaterland verteidigt und dabei sein Leben läßt, verdient nicht, daß seine Tat so bezeichnet wird, was immer dabei in seinem Innern sich sonst noch abgespielt haben mag.«

»Da sind wir wieder einmal«, sagte der Doktor, »beim Kapitel der Gewissensfälle! Desroches war ein nachdenklicher Mann, der sich entschloß, sein Leben in die Schanze zu schlagen: Er wollte nicht, daß sein Leben nutzlos wäre; er hat sich tapfer in das Handgemenge gestürzt; er hat erst noch an Deutschen niedergemacht, soviel er vermochte, wie er selbst bekannte: ›Ich habe getan, was ich tun konnte, jetzt sterbe ich zufrieden‹; und er schrie: ›Es lebe der Kaiser!‹, als er den Säbelhieb empfing, der ihn niederstreckte. Zehn Leute seiner Kompanie werden es Ihnen bestätigen.«

»Und doch war es wohl nichts anderes als ein Selbstmord«, entgegnete Arthur. »Immerhin, ich meine, man hätte unrecht gehandelt, ihm den Gnadenschoß der Kirche zu verschließen....«

»Mit solch einer Einschätzung tun Sie doch wohl der opfermutigen Tat eines Mannes vom Schlage eines Curtius etwas Gewalt an! Der junge römische Ritter war vielleicht durch das Spiel zugrunde gerichtet, in seinen Liebesabenteuern unglücklich, seines Lebens überdrüssig, wer weiß? Aber eines ist sicher: Er ist schön, der Gedanke, von der Welt zu gehen und sich noch im Tode den andern von Nutzen zu erweisen, und darum kann man solch eine Tat nicht einen Selbstmord nennen, denn der Selbstmord ist nichts anderes als der höchste Akt von Egoismus, und nur deshalb wird er unter Menschen verworfen.... Woran denken Sie, Arthur?«

»Ich denke an das, was Sie eben von Desroches erzählten: daß er, ehe er selbst den Tod fand, so viele Deutsche tötete, wie er konnte....«

»Na und?«

»Nun ja eben, diese wackeren Leute haben dahin gemußt, um ein sehr trauriges Zeugnis abzugeben für den schönen Tod des Leutnants. Sie erlauben mir wohl zu sagen: Dieser Selbstmord da ist – im wahrsten Sinne des Worts – eine männermordende Tat.«

»Ach was! Wer wird denn gleich an so etwas denken? Deutsche – das sind doch Feinde!«

»Aber gibt es denn so etwas noch für einen Mann, der entschlossen ist, aus dem Leben zu gehen? In diesem Augenblick löscht jeder irdische Sinn für die Nationalität aus, und ich möchte bezweifeln, daß man da noch an ein anderes Land als die jenseitige Welt denkt und an einen anderen Herrscher als Gott. Allein der Abbé hört uns zu, ohne ein Wort zu sagen, und doch hoffe ich, ich spreche hier auch im Sinne dessen, was er für richtig hält. Los, Abbé, sagen Sie uns Ihre Ansicht und versuchen Sie unsere Ideen miteinander in Einklang zu bringen. Da gibt's mehr als genug Zündstoff zum Meinungsstreit, und die Geschichte von Desroches, oder vielmehr das, was wir darüber zu wissen glauben, der Doktor und ich, das scheint nicht weniger dunkel als die tiefen Meinungsverschiedenheiten, die sie zwischen uns aufgerissen hat.«

»Nun«, sagte der Doktor, »Desroches war, wie man behauptet, sehr niedergedrückt seit seiner letzten Verwundung, die ihn so stark entstellte; und es mag sein, er war niedergeschmettert von den stummen oder lauten Spötteleien, die seine junge Lebensgefährtin darüber zeigte – Grüblernaturen sind eben empfindlich für so etwas. Erwiesen ist jedenfalls das eine: Er ist gestorben, und zwar freiwillig!«

»›Freiwillig‹, da Sie nun einmal darauf bestehen; aber nennen Sie nicht den Tod, den man in der Schlacht findet, Selbstmord; Sie bringen damit einen Widersinn in das, was Sie vielleicht in Gedanken haben; man kann in einem Handgemenge sein Ende finden, eben weil man auf etwas Gegnerisches stößt, das einem ans Leben geht; man stirbt nicht immer, wie man will!«

»Na und – wollen Sie damit sagen, daß es so etwas wie unheilvolles Geschehen gibt?«

»Wenn ich einmal hier etwas dazu sagen soll«, unterbrach der Abbé, der während diesem Meinungsaustausch bisher gesammelt zugehört hatte, »es wird Sie vielleicht seltsam anmuten, daß ich meinerseits etwas Ihren Paradoxen oder sagen wir Annahmen entgegenzusetzen habe....«

»Nun ja doch, ja! So legen Sie doch schon los: Sie wissen sicher noch mehr als wir. Sie sind ja seit langem in Bitsch zu Hause; man erzählt, Desroches sei Ihnen bekannt gewesen, und vielleicht hat er sich Ihnen in der Beichte erschlossen....«

»In diesem Fall müßte ich Stillschweigen bewahren – aber dem war leider nicht so, und doch war der Tod von Desroches ein christlicher, seien Sie dessen versichert. Und ich will Ihnen auch die Ursachen und Umstände erzählen, damit Sie den Gedanken mitnehmen können, daß er ein ebenso ehrlicher Mann war wie ein guter Soldat, der gestorben ist zu seiner Zeit für die Menschlichkeit, seinen eigenen Tod, nach den ewigen Ratschlüssen des Höchsten!