Energierevolution jetzt! - Volker Quaschning - E-Book + Hörbuch

Energierevolution jetzt! E-Book und Hörbuch

Volker Quaschning

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Beschreibung

Welche Wege führen uns aus der Klimakrise und welche nicht? Verständlich erklärt vom „Drosten der Klimakatastrophe“ (Manfred Ronzheimer, taz) und Initiator der „Scientists for Future“-Bewegung.

Wie kommen wir aus der Klimakrise? Reicht die Energie von Sonne und Wind? Sind Elektroautos wirklich umweltfreundlich? Ist Wasserstoff der Heilsbringer? Was können wir selber tun, auch wenn es uns schwerfällt, unsere Lebensgewohnheiten zu ändern? Solche Fragen stellt man am besten Volker Quaschning, einem der weltweit führenden Experten für regenerative Energien. Mit seiner Frau Cornelia Quaschning erklärt er an konkreten Beispielen, wie der Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschaft gelingen kann. Aber eines machen die beiden auch klar: Die Zeit wird knapp. Eine Energiewende reicht nicht, es braucht eine Energierevolution.

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Seitenzahl: 363

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Zeit:8 Std. 59 min

Sprecher:Mark Bremer

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Über das Buch

Wie kommen wir aus der Klimakrise? Reicht die Energie von Sonne und Wind? Sind Elektroautos wirklich umweltfreundlich? Ist Wasserstoff der Heilsbringer? Was können wir selber tun, auch wenn es uns schwerfällt, unsere Lebensgewohnheiten zu ändern? Solche Fragen stellt man am besten Volker Quaschning, einem der weltweit führenden Experten für regenerative Energien. Mit seiner Frau Cornelia Quaschning erklärt er an konkreten Beispielen, wie der Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschaft gelingen kann. Aber eines machen die beiden auch klar: Die Zeit wird knapp. Eine Energiewende reicht nicht, es braucht eine Energierevolution.

Volker und Cornelia Quaschning

Energierevolution jetzt!

Mobilität, Wohnen, grünerStrom und Wasserstoff:Was führt uns aus derKlimakrise — und was nicht?

Hanser

Vorwort

Beginnen wir mit einer Alarmmeldung: Auf der Erde herrscht Alarmstufe rot. Bekommen wir die Klimakrise nicht in den Griff, wird sie voraussichtlich unsere komplette Zivilisation zerstören. Diese fatale, von der Menschheit selbst verschuldete Entwicklung ist schwer zu ertragen. Wir, Cornelia und Volker, versuchen schon seit über 30 Jahren im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas gegen die zunehmenden Umwelt- und Klimakatastrophen zu unternehmen. In unserer Jugend prägten Themen wie Smog, Ozonloch, saurer Regen, Müllberge, Schutz der Regenwälder, Überfischung, atomare Risiken und auch schon die Anfänge der Klimakrise das Nachrichtengeschehen. Damals fingen wir an, uns im Umweltbereich zu engagieren, uns anders zu ernähren, unseren Konsum, unsere Mobilität und unseren Energiebedarf zu überdenken und, so gut es geht, zu verändern sowie mit anderen Menschen darüber zu diskutieren. Es waren oft hitzige Diskussionen, und einige Menschen wandten sich von uns ab. So haben wir gelernt, dass es gar nicht so einfach ist, andere zum Mitmachen zu animieren, und mussten erst einmal akzeptieren, dass andere Menschen die Probleme einfach ignorierten. Wir hatten gehofft, dass mit der Zeit durch Wissensvermittlung die Notwendigkeit, unseren Lebensstil zu verändern, besser verstanden wird und dass irgendwann einmal Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen die notwendigen Veränderungen von allen leichter akzeptiert werden können. Einige Umweltprobleme wie das Ozonloch haben wir tatsächlich in den Griff bekommen. Die existenzbedrohende Klimakrise aber verschärfte sich von Jahr zu Jahr, die Treibhausgasemissionen stiegen und stiegen.

Viel Zeit ist seitdem vergangen. Volker ist inzwischen Professor für Regenerative Energiesysteme. Wir haben drei Kinder bekommen. Genauso, wie wir es als Selbstverständlichkeit ansehen, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, ihnen Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken, zu verdammt vielen Elternabenden zu gehen, gefühlte Millionen Vokabeln mit ihnen zu pauken, genauso ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, uns dafür einzusetzen, dass sie eine lebenswerte Zukunft haben. Deshalb sind Klimaschutz und Energierevolution wichtige Leitlinien in unserem Leben und bei unserem täglichen Handeln. Die Toleranz und das Verständnis für die viel zu langsamen Fortschritte im Klimaschutz schwinden bei uns immer mehr, wenn wir auf unsere Kinder schauen und miterleben, wie verzweifelt und manchmal schon resigniert sie sind, wenn sie an ihre Zukunft denken.

Warum gelingt es unserer Gesellschaft seit Jahrzehnten nicht, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Krise in den Griff zu bekommen? Das ist eine gute Frage, die uns beschäftigt, seit wir zum ersten Mal von der Klimakrise gehört haben. »Das ist eine gute Frage«, lautet darum auch der Titel unseres Podcasts, in dem wir seit 2020 regelmäßig Themen zur Energierevolution und Klimakrise aufgreifen. Wir waren selber vom Erfolg des Podcasts überrascht. Einzelne Folgen erreichten mehr als 50.000 Aufrufe. Immer wieder wurden wir angesprochen, ob es Transkripte zum Nachlesen gibt. Transkripte von gesprochenen Texten bieten aber nur selten wirklichen Lesegenuss — zu unterschiedlich sind das gesprochene und das geschriebene Wort. Darum haben wir uns entschieden, die wichtigsten Folgen unseres Podcasts in Buchform zu bringen. Für dieses Buch haben wir die wichtigsten Themen ausgewählt und um zahlreiche Fakten, neue Inhalte sowie informative Grafiken ergänzt. Auch treue Hörer:innen unseres Podcasts werden also sehr viel Neues entdecken können.

Achtung, der letzte Satz enthielt einen Doppelpunkt und dieser auch gleich wieder einen, werden Gegner:innen der gendergerechten Sprache jetzt denken. Wir werden in diesem Buch konsequent geschlechtsneutrale Formulierungen benutzen, beide Geschlechter ansprechen und in einigen wenigen Fällen auch auf den Gender-Doppelpunkt zurückgreifen. Die vielen guten Gründe dafür haben wir in einer Extrafolge unseres Podcasts besprochen und werden sie hier nicht wiederholen. Wir machen das aus Respekt vor allen Menschen. Wir zwingen niemanden, unsere Schreibweise zu übernehmen. Wir möchten aber auch nicht gezwungen werden, auf die von uns gewählte Schreibweise zu verzichten.

Darum zurück zur immer schneller voranschreitenden Erderhitzung: Seit die junge Generation mit der Fridays-for-Future-Bewegung das Thema Klimakrise ins öffentliche Rampenlicht gerückt hat, ist einiges in Bewegung geraten. Keine ernst zu nehmende politische Partei und kein Unternehmen kann sich heute noch eine negative Kommunikation beim Thema Klimaschutz erlauben. Wir werden mit Klimaschutzversprechungen und grünen Werbebotschaften geradezu überhäuft. Doch bei der Umsetzung der nötigen Maßnahmen tun sich alle immer noch extrem schwer. Fast nirgendwo klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie beim Klimaschutz. Leider benutzen Journalist:innen und Politiker:innen bei diesem Thema sehr häufig Wörter wie Verzicht, Verbot, Arbeitsplatzverlust und Wirtschaftskrise. Wir brauchen aber Entscheider:innen mit Visionen, die im Klimaschutz die echte Chance sehen und diese auch mit Überzeugung kommunizieren.

Deshalb wollen wir mit diesem Buch einen wichtigen Baustein für die Klimadebatte liefern und vor allem Fakten präsentieren. Wir wollen zeigen, wie ernst es um die Lebensgrundlagen der künftigen Generationen bestellt ist. Das Verfallen in eine Despression, Angst, Verdrängung oder Verleugnen der Probleme sind aber die falschen Reaktionen auf die Bedrohung. Noch haben wir es selbst in der Hand, die schlimmsten Folgen der Klimakrise zu verhindern. Ein bisschen Pillepalle-Klimaschutz mit einer lauwarmen Energiewende reicht dazu aber nicht mehr aus. Die Zeit dafür haben wir verspielt. Jetzt brauchen wir mutige und visionäre Politikerinnen und Politiker, die die nötigen Rahmenbedingungen für eine echte Energierevolution setzen, sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger, die Lust auf positive Veränderungen haben.

Dieses Buch ist während des letzten Bundestagswahlkampfes entstanden. Die letzten Monate haben gezeigt, dass bei der aktuellen Klimaschutzdiskussion viel in Bewegung geraten ist. Trotzdem hat keine der großen Parteien im Wahlkampf alle nötigen Maßnahmen zum Stoppen der Klimakrise gefordert. Die jetzige Bundesregierung ist die letzte, die noch das Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens erreichen kann. Aber auch bei ihr klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Wenn jedoch der Druck der Bevölkerung, wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, weiter steigt, können wir gemeinsam doch noch den Weg zum Erfolg einschlagen. Dazu müssen wir uns alle im Rahmen unserer Möglichkeiten für den Klimaschutz engagieren. Wir werden in diesem Buch für die wichtigsten Bereiche der Energierevolution erläutern, was getan werden muss. Damit möchten wir auch wichtige Argumente für die private und öffentliche Klimaschutzdiskussion liefern.

Echter, ambitionierter Klimaschutz bedeutet für uns Veränderung — Veränderungen, die uns in eine bessere Welt führen. Wir reden von einer Welt, die schöner, leiser, grüner, gesünder, stressfreier, nachhaltiger und gerechter sein wird. Durch eine kluge Energierevolution können wir schon sehr bald eine sichere, klimaneutrale Energieversorgung allein auf Basis preiswerter, erneuerbarer Energien aufbauen. Wir beenden damit auch die Abhängigkeit von fragwürdigen Ölförderländern, denen Menschenrechte oft wenig bedeuten. Wir brauchen so gut wie keine lärmenden und durch giftige Abgase krank machenden antiken Verbrennungsmaschinen oder -kraftwerke mehr. Wir werden in Städten eine viel höhere Lebensqualität genießen als heute. Mit dem Umbau unserer Energieversorgung schaffen wir unzählige neue, zukunftsfähige, sichere Arbeitsplätze — Arbeitsplätze, an denen man seine Tätigkeit mit der Gewissheit verrichten kann, damit auch einen wichtigen Beitrag für eine gute Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder zu leisten. Es lohnt sich, aufzubrechen und den Weg in die neue bessere Zukunft zu gehen — einen Weg, den wir in diesem Buch mit allen wichtigen Schritten beschreiben. Lassen Sie uns den Weg gemeinsam gehen und dafür sorgen, dass die kommenden Generationen noch eine Zukunft haben.

Berlin, im September 2021

Cornelia und Volker Quaschning

Ist die Welt überhaupt noch zu retten?

Mit den immer schneller sichtbar werdenden Klimaveränderungen, spätestens aber seit die junge Generation mit der Fridays-for-Future-Bewegung ihre Rechte einfordert, kann die breite Öffentlichkeit nicht mehr die Augen vor der immer bedrohlicheren Klimakrise verschließen. Doch auf Bedrohungen reagieren Menschen ganz unterschiedlich. Einige versuchen sie zu ignorieren und wegzuleugnen, andere verfallen in Panik oder gar Lethargie, und nur wenige schaffen es, ganz nüchtern das Nötige zu tun. Für viele Menschen drängen sich Fragen auf wie »Gibt es überhaupt eine Klimakrise?«, und wenn ja, »Ist die Welt überhaupt noch zu retten?«, »Wie kommen wir aus der Klimakrise?«, »Welchen Beitrag kann ich leisten?«, »Reicht die Zeit dafür überhaupt noch aus?« oder »Ist das alles am Ende nicht einfach nur Panikmache und reine Klimahysterie?«. Wir werden in diesem Buch diese Fragezeichen aus der Welt schaffen, Lösungen aufzeigen und Argumente für die leider immer noch nötige Überzeugungsarbeit liefern. Beginnen wir hier mit der ersten Frage.

Gleich einmal vorab: Wären wir der Meinung, dass die Welt nicht mehr zu retten ist, hätten wir dieses Buch nicht geschrieben. Stattdessen hätten wir vermutlich einen Ratgeber über »Zehn Dinge, die Sie vor dem Weltuntergang noch unbedingt erledigen müssen« verfasst. Aber wir müssen nun endlich mal die Ärmel hochkrempeln. Einfach nur die Augen zuhalten oder auf rettende Erfindungen hoffen hilft gegen die Klimakrise gar nichts. Querschüsse von Menschen, die die Klimakrise nicht ernst nehmen, verharmlosen oder sogar völlig ignorieren, sind ebenfalls kontraproduktiv.

Das Wort »Klimahysterie« wurde 2019 völlig berechtigt zum Unwort des Jahres gewählt. In ihrer Pressemitteilung schreibt die Jury vom Unwort des Jahres (2020): »Das Wort Klimahysterie pathologisiert pauschal das zunehmende Engagement für den Klimaschutz als eine Art kollektiver Psychose. Vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel ist das Wort zudem irreführend und stützt in unverantwortlicher Weise wissenschaftsfeindliche Tendenzen.« Über die Diffamierung der Klimaschutzbewegung gibt es schon viele Bücher. Ein weiteres braucht es nicht. Wir schauen lieber nach vorne auf das, was getan werden muss, und wir werfen einen intensiven Blick auf Fakten. Denn die Fakten zur Klimakrise sprechen für sich.

Die Zeichen der Klimakrise

Der weltweite Temperaturanstieg seit Beginn der Messungen im Jahr 1880 liegt bei etwas über einem Grad Celsius, verteilt sich nicht gleichmäßig über den Globus. Das Meer absorbiert Wärme deutlich besser als das Land. In der Folge steigen die Temperaturen über den Ozeanen langsamer und über Land dadurch deutlich schneller. In Deutschland sind die Temperaturen schon um 1,6 Grad Celsius angestiegen, und es gibt sogar Gebiete in der Arktis, in denen der Temperaturanstieg schon mehr als zwei Grad Celsius ausmacht. Dass sich das Klima in Deutschland verändert hat, kann die mittlere und ältere Generation aus eigener Erfahrung bestätigen. Vor einigen Jahrzehnten waren die Winter in der Regel strenger, es gab mehr Schnee, es regnete häufiger, und es gab im Sommer viel seltener Hitzewellen. Die Vegetationsperioden haben sich verschoben, und Gartenbesitzer müssen immer häufiger gießen, um das Grün vor der Haustür vor dem Vertrocknen zu bewahren.

Auf den ersten Blick mag ein Anstieg von etwa einem Grad Celsius gar nicht so dramatisch erscheinen. Für unseren Alltag ist es ziemlich egal, ob wir draußen acht oder neun Grad Celsius haben. Wir werden immer die gleiche Jacke mitnehmen. Doch bei der aktuellen Temperatur draußen geht es um das Wetter, nicht um das Klima. Diesen Unterschied haben einige Menschen noch nicht verstanden. So twitterte der ehemalige US-Präsent Donald Trump im Jahr 2014: »Es ist Ende Juli und echt kalt draußen in New York. Wo zum Teufel ist die Erderwärmung? Wir brauchen dringend was davon.« Aber Trump war schon immer ein Freund alternativer Fakten und wollte auch die Coronapandemie durch Injektion von Desinfektionsmitteln bekämpfen.

Bleiben wir bei den echten Fakten. Unter dem Weltklima verstehen wir den weltweiten Durchschnitt des Wetters und damit auch der Temperatur über längere Zeiträume hinweg. Zwischen den Mittelwerten der Temperatur einzelner Jahre beträgt der Unterschied immer nur einige Zehntelgrad Celsius. Über längere Zeiträume kommt es zu kleinen Abweichungen, nach oben wie nach unten. Doch in den vergangenen vier Jahrzehnten kannte der gleitende Durchschnitt der Temperatur nur eine Richtung: steil nach oben. Laut NASA (2021) lagen die 19 wärmsten Jahre dieser Zeitspanne alle nach dem Jahr 2000.

»Die 19 wärmsten Jahre lagen alle nach dem Jahr 2000.«

Die ganze Dramatik zeigt sich beim Vergleich des aktuellen Temperaturanstiegs mit dem seit der letzten Eiszeit. Die systematische Erfassung von Wetterdaten begann in Deutschland vor etwa 300 Jahren. Weltweite Messungen liegen für die letzten 170 Jahre vor. Mit Hilfe der Wissenschaft haben wir aber die Möglichkeit, die Klimageschichte noch viel weiter zurückzuverfolgen. In der Arktis und Antarktis sind im ewigen Eis die Niederschläge der letzten Jahrhunderttausende gespeichert. Eisbohrkerne erlauben einen Blick in die Vergangenheit. Je tiefer wir bohren, desto älter ist das Eis. Lufteinschlüsse zeigen, wie sich damals die Atmosphäre zusammengesetzt hat, und über eine Analyse von Sauerstoffisotopen lässt sich sogar die Temperatur rekonstruieren.

In unserer Vorstellung lag die Temperatur während der letzten Eiszeit um zehn oder 20 Grad Celsius niedriger als heute. An einigen Extremorten mag das sogar der Fall gewesen sein. Doch die Rekonstruktion des weltweiten Mittels zeigt, dass vor 20.000 Jahren die Temperaturen gerade einmal um drei bis vier Grad Celsius unter dem Mittelwert von 1951 bis 1980 lagen (Bild 1).

Bild 1    Temperaturänderung seit 20.000 v. Chr. bis 2020, Zeitraum von 1951 bis 1980 entspricht null (Daten: Marcott et al. [2013], Shakun et al. [2012], NASA [2021])

Vor 20.000 Jahren hatte die Eiszeit die Erde noch fest im Griff. Ganz Nordeuropa war von einem Eispanzer bedeckt. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, dort, wo heute Berlin steht, eine Stadt zu gründen. Die Eismassen waren hier weit über 100 Meter dick. Mammuts und Säbelzahntiger streiften über das Land, und die Meeresspiegel waren mehr als 100 Meter niedriger als heute. Die Erde war eine komplett andere. Eine Temperaturänderung um nur wenige Grad Celsius katapultiert unseren Planeten in einen komplett anderen klimatischen Zustand. Für alle Lebewesen sind solche Veränderungen immer dramatisch. Sie müssen sich neue Lebensräume suchen. Viele Arten schaffen die Anpassung an die neuen Temperaturen nicht und sterben aus.

Bild 2    Europa um 20.000 v. Chr. bei einem Klima mit weltweiten Durchschnittstemperaturen von etwa vier Grad Celsius unter dem Zeitraum von 1951 bis 1980

Das unterstreicht die Dramatik des jüngsten Temperaturanstiegs. Ein Grad plus entspricht fast einem Drittel des Temperaturanstiegs seit dem Übergang der letzten Eiszeit zur heutigen Warmzeit — nur dass dieser Übergang rund 10 000 Jahre dauerte. Die heutige Erderhitzung erfolgt rund hundertmal schneller. Durch die Erwärmung um ein Grad Celsius nehmen Wetterextreme dramatisch zu, die Folgen der Klimakrise treten in einem Expresstempo zutage.

Im Jahr 2018 ist die Getreideernte in Deutschland infolge der Rekorddürre um 26 Prozent zurückgegangen. Die Schäden für die Landwirtschaft betrugen rund zwei Milliarden Euro. Im Mittelalter wäre eine katastrophale Hungersnot die Folge gewesen. Der Globalisierung sei Dank, haben wir davon praktisch nichts gemerkt. Weltweite Getreidevorräte konnten die Einbrüche ausgleichen. Doch ob das in Zukunft immer noch gelingen wird, ist ungewiss. Treffen Dürreperioden gleichzeitig mehrere Kornkammern der Erde, käme es zu weltweiten Nahrungsmittelengpässen und Verteilungskämpfen.

Im Jahr 2019 wurde mit 42,6 Grad Celsius der bisherige Temperaturrekord in Deutschland geradezu pulverisiert. 1952 lag der Rekord gerade einmal bei 39,6 Grad, 1983 bei 40 Grad Celsius. Vor allem für alte und kranke Menschen sind solche Extremtemperaturen lebensbedrohlich. Die Zahl der Todesopfer in Europa infolge der Hitzewelle des Jahres 2003 wird auf bis zu 70.000 geschätzt. Die Übersterblichkeit durch die Hitzewelle im August 2020 war nach Zahlen des Statistischen Bundesamts (2020) in Deutschland vergleichbar mit der der ersten Coronawelle im Frühjahr 2020. Wir registrieren solche Zusammenhänge aber häufig gar nicht. Denn während 2020 die Coronakrise die Nachrichten beherrschte, wurde über die Klimakrise und den Zusammenhang mit Hitzetoten recht wenig berichtet. Erst die Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 mit fast 200 Toten und über 30 Milliarden Euro an Schäden allein in Deutschland sowie die apokalyptischen Waldbrände in Südeuropa katapultierten die Klimakrise wieder in die Medien.

Im Jahr 2020 ist in der Gemeinde Lauenau im Landkreis Schaumburg während einer Hitzewelle sogar die Trinkwasserversorgung zusammengebrochen. Tankfahrzeuge der Feuerwehr mussten aushelfen. Wenn es nicht regnet, stirbt auch der Wald. 277.000 Hektar Wald wurden durch die Dürren der Jahre 2018 bis 2020 in Deutschland zerstört. Das entspricht der Fläche des Saarlandes. Selbst die deutsche Industrie bleibt von der Klimakrise nicht verschont. 2018 war die BASF eines der ersten DAX-Unternehmen, das wegen Dürre eine Gewinnwarnung herausgeben musste. Weil das Wasser im Rhein so niedrig war, konnten keine Rohstoffe mehr per Schiff transportiert werden. Produktions- und Lieferausfälle in Höhe von 250 Millionen Euro waren die Folge. Der Klimawandel trifft also am Ende auch diejenigen, die sich lange Zeit gegen wirksamen Klimaschutz gesperrt haben.

International sind die Entwicklungen noch besorgniserregender. Buschbrände vernichteten 2019/20 in Australien 126.000 Quadratkilometer Buschland. Das ist mehr als ein Drittel der Fläche Deutschlands. Über eine Milliarde Tiere kamen in den Flammen um, und über 400 Menschen starben. Im Jahr 2020 wurde mit 20,75 Grad Celsius auch eine neue Rekordtemperatur in der Antarktis gemessen. Im gleichen Jahr kletterte das Thermometer in Werchojansk in Sibirien auf 38 Grad Celsius. Noch nie war es so weit im Norden so heiß. Ein Jahr später gab es im sonst eher kühlen Kanada mit 49,5 Grad Celsius den nächsten extremen Temperaturrekord. Auch in der Arktis sorgten Rekordfeuer für die Zerstörung großer Waldflächen und die Freisetzung enormer Mengen an Kohlendioxid. Das arktische Meereis hat im Sommer bereits um 50 Prozent abgenommen. Der Nordpol wird irgendwann in naher Zukunft eisfrei sein. Vor 50 Jahren konnte man sich eine solche Entwicklung noch gar nicht vorstellen.

Die Ursachen der Klimakrise sind bekannt

Für den Übergang von der letzten Eiszeit zur heutigen Warmzeit machen Klimaskeptiker:innen Änderungen der Parameter der Erdbahn, der Meeresströmungen und der Sonnenaktivität verantwortlich. Nichts davon hat unser Klima in den letzten Jahrhunderten signifikant beeinflusst. Für die jüngste Erderhitzung ist ein einziges Lebewesen verantwortlich: der Mensch. Im alten Griechenland wurde der Mensch als anthropos bezeichnet. Darum heißt der vom Menschen verursachte Klimawandel auch anthropogener Treibhauseffekt.

Die Atmosphäre unserer Erde besteht zu über 78 Prozent aus Stickstoff, zu knapp 21 Prozent aus Sauerstoff, zu rund einem Prozent aus Argon und nur zu 0,05 Prozent aus andern Spurengasen. Zu den Spurengasen zählen Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Weil die Konzentration der Spurengase so gering ist, wird diese meist nicht in Prozent, sondern in Parts per Million (ppm) angegeben. 1 ppm ist also ein Teil pro eine Million. Seit Beginn der Industrialisierung erhöht der Mensch mit seinen Aktivitäten den Anteil der Spurengase signifikant. Zwischen dem Jahr 1750, in dem die Industrialisierung noch in den Kinderschuhen steckte, und dem Jahr 2020 ist die Konzentration von Kohlendioxid um 50 Prozent von 280 ppm auf 412 ppm angestiegen. Die Methankonzentration ist sogar um rund 150 Prozent auf 1,8 ppm nach oben geschnellt, und die Lachgaskonzentration legte um 17 Prozent zu und liegt heute bei 0,3 ppm.

»Seit Beginn der Industrialisierung ist die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre um 50 Prozent angestiegen, die von Methan sogar um 150 Prozent.«

All diese Spurengase haben eines gemeinsam. Bei einer höheren Konzentration lassen sie die Strahlung der Sonne weitgehend unvermindert durch die Atmosphäre passieren. Diese Strahlung trifft dann auf die Erdoberfläche, die sie zum Großteil absorbiert. Damit sie sich nicht unendlich aufheizt, strahlt sie genauso viel Infrarotstrahlung, also Wärmestrahlung, ins Weltall ab, wie sie zuvor absorbiert hat. Die Spurengase absorbieren nun wiederum einen Teil der Wärmestrahlung und strahlen ihn wie in einem Treibhaus zur Erdoberfläche zurück. Dort wird es wärmer, und deshalb sprechen wir dann auch vom Treibhauseffekt. Dabei haben die verschiedenen Spurengase einen unterschiedlichen Einfluss auf diese Rückstrahlung. Als Vergleich wird immer Kohlendioxid über einen Zeitraum von 100 Jahren betrachtet. Ein Kilogramm Methan verursacht eine 28-mal höhere zusätzliche Erwärmung als ein Kilogramm Kohlendioxid. Bei einem Kilogramm Lachgas ist diese sogar 265-mal so groß. Diese zusätzliche Erwärmung heißt auch relatives Treibhauspotenzial, in der englischen Fachsprache spricht man von Global Warming Potential (GWP). Neben den genannten Spurengasen gibt es weitere künstliche Spurengase wie halogenierte Kohlenwasserstoffe, kurz FKW, die ein Global Warming Potential von über 10.000 erreichen können. FKW werden zum Beispiel als Kältemittel in Klimaanlagen eingesetzt. Dann trägt ein Kilogramm FKW so stark zum Treibhauseffekt bei wie 10.000 Kilogramm oder 10 Tonnen Kohlendioxid.

Auch unabhängig vom Menschen finden sich Spurengase in der Atmosphäre. Diese Gase erzeugen einen natürlichen Treibhauseffekt. Für uns Menschen ist das erst einmal gut. Ohne unsere Atmosphäre wäre die Temperatur auf der Erde um rund 33 Grad Celsius niedriger — also ziemlich ungemütlich. Erst die natürliche Atmosphäre hat das Leben auf der Erde, wie wir es kennen, ermöglicht. Durch die zusätzlichen, von Menschen verursachten Spurengase kommt nun zum natürlichen Treibhauseffekt ein anthropogener Treibhauseffekt hinzu. Zum Glück sind die Zusammenhänge nicht linear. Eine Verdopplung der Spurengase führt nicht zu einer Verdopplung des Temperaturanstiegs. Die strahlungsphysikalischen Zusammenhänge sind aber gut erforscht. Die Wissenschaft kann damit sehr gut ausrechnen, wie stark die Temperatur bei einer bestimmten Konzentration der Spurengase ansteigt.

Trotzdem wird immer wieder der Zusammenhang zwischen den vom Menschen ausgestoßenen Spurengasen und der Erderwärmung in Zweifel gezogen. Die extrem geringe Konzentration von 0,04 Prozent Kohlendioxid könne gar keinen Einfluss haben — ein sehr zweifelhaftes Argument. Der Schweizer Arzt Paracelsus stellte bereits 1538 fest: Die Dosis macht das Gift. Wer 0,5 Gramm Kochsalz pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nimmt, kann eine lebensbedrohliche Elektrolytstörung verursachen. 0,5 Gramm pro Kilogramm sind auch nur 0,05 Prozent. Wer über längere Zeit gar kein Salz zu sich nimmt, bekommt auch gesundheitliche Probleme. Es gibt also nur einen schmalen Bereich, der für uns gesund ist.

Wer nicht glauben will, dass Kohlendioxid die Oberflächentemperatur eines Planeten beeinflussen kann, muss nur auf unseren Nachbarplaneten Venus schauen. Eigentlich müssten wir dort genauso wie auf unserem Nachbarplaneten Mars für den Menschen akzeptable Temperaturen vorfinden. Doch auf der Venus besteht die sehr dichte Atmosphäre zu etwa 96 Prozent aus Kohlendioxid, das die dortige Atmosphäre auf über 460 Grad Celsius erhitzt. Ein Pizzaofen ist im Vergleich dazu eine gemütliche Umgebung. An dieser Stelle können wir erst einmal etwas beruhigen. Die Menschheit wird es selbst bei größter Anstrengung nicht schaffen, die Kohlendioxidkonzentration auf der Erde auch nur annähernd in diese Größenordnung zu bringen. Die Erdoberfläche wird nicht wie die Oberfläche der Venus verglühen. Aber wir haben bereits festgestellt, dass für uns bereits wenige Grad Celsius eine enorme Bedrohung darstellen. Und damit sind auch Änderungen der Kohlendioxidkonzentration um wenige ppm und nicht erst um einige Prozent ein ernstes Problem.

Kohlendioxid, kurz CO2, hat auf der Erde den größten Anteil am anthropogenen Treibhauseffekt. Das meiste Kohlendioxid entsteht bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Erdöl zum Heizen oder Autofahren, Erdgas für die Stromerzeugung, die Industrie oder Haushalte oder Stein- und Braunkohle für die Stromerzeugung und Industrie tragen mehr als zwei Drittel zum von Menschen verursachten Treibhauseffekt bei. Nach Angaben des Umweltbundesamts (2021) haben fossile Energieträger sogar einen Anteil von deutlich über 80 Prozent am Ausstoß der deutschen Treibhausgase. Unsere heutige Energieversorgung ist die Achillesferse Deutschlands. Wollen wir die Klimakrise in den Griff bekommen, müssen wir unsere Energieversorgung vollständig dekarbonisieren, also vom Kohlenstoff befreien. Erdöl, Erdgas und Kohle müssen im Boden bleiben und durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Da wir dafür nur noch wenig Zeit haben, kann das nur durch eine Energiewende im Expresstempo gelingen. Wir brauchen also keine laue Energiewende. Wir brauchen eine Energierevolution, und zwar jetzt! Gut, dass wir die Lösungen dafür kennen und viele davon in diesem Buch vorstellen.

Auch bei der Vernichtung oder Bränden von Wäldern entstehen gigantische Mengen an Kohlendioxid. Weltweit tragen sie derzeit zu mehr als zehn Prozent zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Wenn es zu gigantischen Busch- und Waldbränden in Australien, Kalifornien, Südeuropa oder andernorts kommt oder Regenwälder vernichtet werden, ist das nicht nur ein Drama für die Menschen vor Ort, sondern auch für das Weltklima. Auf einige Gründe der Waldvernichtung werden wir später noch einmal näher eingehen, wenn es um die Landwirtschaft geht.

Besonders schlaue Klimawandelskeptiker:innen empfehlen übrigens, wir müssten, um die Klimakrise zu stoppen, auch aufhören zu atmen. Schließlich gelange so ebenfalls zusätzliches Kohlendioxid in die Atmosphäre. Dieses Argument ist aber völliger Nonsens. Tatsächlich atmet ein Mensch bis zu beachtliche zwei Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus. Wie viel wir ausatmen, hängt sehr stark von der körperlichen Aktivität ab. Die meisten Menschen dürften deutlich unter dem Spitzenwert liegen. Der Mensch ist allerdings in einen biologischen Kreislauf eingebunden. Wir essen Pflanzen, verarbeiten diese zu Kohlendioxid und pusten es in die Atmosphäre. Die Pflanzen entziehen wiederum beim Wachsen genau die gleiche Menge an Kohlendioxid, die wir später wieder ausatmen. Wenn wir leckere Spaghetti essen, hat das Getreide darin beim Wachsen möglicherweise sogar das Kohlendioxid eingebaut, das wir bei unserem Spaziergang entlang des Getreidefeldes im letzten Jahr ausgeatmet haben.

Auf Platz zwei der anthropogenen Treibhausgase steht Methan mit der chemischen Bezeichnung CH4. Methan hat ein sechstel Anteil am vom Menschen gemachten Treibhauseffekt. Methan entsteht bei der Viehzucht, beim Reisanbau, in Kläranlagen und Mülldeponien, im Steinkohlebergbau und bei der Erdgas- und Erdölproduktion. Fossile Energieträger sind auch an den Methanemissionen beteiligt. Besonders schlecht schneidet hier das Erdgas ab, das darum völlig zu Unrecht den Ruf eines klimafreundlichen Energieträgers hat. Auf die problematischen Methanemissionen durch die Viehzucht gehen wir später noch einmal bei der Ernährung intensiver ein.

Gigantische Mengen an Methan sind auch am Meeresboden oder in Permafrostgebieten in der Arktis in Form von Methanhydraten gebunden. Methanhydrate sind eine eisartige Verbindung von Wasser und Methan. Tauen diese auf, wird das gebundene Methan freigesetzt.

Beim Auftauen des Permafrostes wird außerdem dort eingefrorenes organisches Material in Kohlendioxid und Methan umgewandelt und gelangt damit in die Atmosphäre. Überschreitet die globale Erwärmung bestimmte Schwellen, werden selbstverstärkende Effekte ausgelöst: Die globale Erwärmung setzt große Mengen an Methan in der Arktis frei, das, wie bereits erwähnt, ein viel größeres spezifisches Treibhauspotenzial als Kohlendioxid hat. Dadurch wird die Erderhitzung weiter verstärkt, wodurch noch mehr Methan im Permafrost auftaut. Auch deshalb ist es so wichtig, den weiteren Temperaturanstieg so schnell wie möglich zu stoppen.

Distickstoffoxid, auch Lachgas genannt, hat die chemische Bezeichnung N2O und stammt im Wesentlichen aus Stickstoffdünger in der Landwirtschaft, aber auch Tierhaltung, Prozessen in der chemischen Industrie sowie Verbrennungsprozessen. Auf die Lachgasemissionen in der Landwirtschaft gehen wir später noch einmal genauer ein. Lachgas hat gut sechs Prozent Anteil am anthropogenen Treibhauseffekt.

Weitere Spurengase, die zum Treibhauseffekt beitragen, sind die oben schon erwähnten Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). Daneben gibt es noch Stickstofftrifluorid (NF3), das bei der Herstellung von Halbleitern verwendet wird, sowie Schwefelhexafluorid (SF6), das in der Industrie und in elektronischen Schaltanlagen zum Einsatz kommt. In der Summe werden diese Gase erheblich weniger ausgestoßen als Kohlendioxid, Methan oder Lachgas. Da die Gase aber ein sehr großes spezifisches Treibhauspotenzial haben, tragen sie mit rund zwei Prozent zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Für die meisten dieser Gase gibt es klimaverträgliche Alternativen, die aber wegen fehlender gesetzlicher Vorschriften nicht im möglichen Umfang verwendet werden.

Das Klimasystem vor dem Kippen

Die Verursacher des vom Menschen gemachten Treibhauseffekts sind also ziemlich genau bekannt, genau wie die bislang aufgetretenen Klimaveränderungen. Die Höhe der schon verursachten Klimaschäden ist hingegen noch umstritten. Hitzewellen, Starkregen, Überschwemmungen und Stürme hat es bereits auch vor der jüngsten Erderhitzung gegeben. Durch den Einfluss des Menschen treten sie aber sehr viel häufiger auf. Inzwischen lässt sich das auch durch die sogenannte Attributionsforschung oder auch Zuordnungsforschung nachweisen. Klimatolog:innen wie Friederike Otto (2016) berechnen dazu die Wahrscheinlichkeit auftretender Extremwetterereignisse mit und ohne Einfluss des anthropogenen Treibhauseffekts. Bei vielen Extremwetterereignissen der jüngsten Vergangenheit ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie auch ohne die Klimakrise stattgefunden hätten.

Deutlich interessanter als ein Blick in die Vergangenheit ist aber ein Blick in die Zukunft. Der Klimawandel verläuft nicht linear. Es lauern Kipppunkte, die ganz plötzlich dramatische Veränderungen anstoßen. Was Kipppunkte bedeuten, haben wir schmerzlich bei der Coronakrise gelernt. Steigt in der Pandemie die Zahl der Infizierten zu schnell, bricht das Gesundheitssystem und im schlimmsten Fall auch die öffentliche Ordnung völlig zusammen. Das System kippt von einer noch völlig beherrschbaren Situation unvermittelt in einen katastrophalen Zustand. Einige Länder wie Indien mussten das während der Coronakrise in den Jahren 2020 und 2021 erfahren. Diese hochgefährlichen Kipppunkte im Klimasystem sind die Hauptgründe für die immer lauter werdenden Warnungen aus der Klimaforschung.

Die Berechnung, wie stark sich die Erde bei einem bestimmten Anstieg der Treibhausgase erwärmt, ist dabei noch einigermaßen simpel. Wäre die Erde eine gigantische homogene Bowlingkugel ohne Löcher, aber mit glatter Oberfläche und einer Atmosphäre, ließe sich mit den bekannten physikalischen Zusammenhängen der Temperaturanstieg bei einem bestimmten Treibhausgasausstoß ganz exakt berechnen. Die Zusammenhänge auf der Erde sind allerdings deutlich komplexer. Ein Teil der ausgestoßenen Treibhausgase wird von den Ozeanen und den Wäldern wieder aufgenommen. In einigen Gebieten wirkt die starke Luftverschmutzung dem zusätzlichen Treibhauseffekt entgegen. Durch die zunehmende Eisschmelze verändert sich die Erdoberfläche. Taut weißes, gut reflektierendes Eis ab und bleibt dunkler Untergrund zurück, der die Sonnenstrahlung viel stärker absorbiert, beschleunigt sich dadurch die Erderhitzung zusätzlich. Alle diese Effekte müssen bei der Berechnung der künftigen Temperaturentwicklung mit einbezogen werden. In der Klimaforschung wird die Erdoberfläche dazu in kleine Segmente unterteilt, in denen überall physikalische Veränderungen durch die zusätzlichen Treibhausgase und verschiedene Wechselwirkungen berechnet werden. Damit lassen sich auch Prognosen über lokale Klimaveränderungen und auch die befürchteten Kipppunkte erstellen. Hochaufgelöste Berechnungen über längere Zeiträume sind extrem komplex und können nur mit speziellen Hochleistungscomputern durchgeführt werden. Trotzdem werden diese Ergebnisse immer wieder von Klimaskeptiker:innen angezweifelt, ganz nach dem Motto: »Ich habe das mal zu Hause nachgerechnet und komme auf ganz andere Ergebnisse.«

Die Modelle verschiedener internationaler Forschungsgruppen unterscheiden sich, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Einen verlässlichen Stand der Wissenschaft veröffentlicht regelmäßig der IPCC. IPCC steht für »Intergovernmental Panel on Climate Change«. Wenn man das wörtlich übersetzt, heißt das: »Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaveränderungen«. Das ist ein bisschen sperrig und wenig aussagekräftig. Deswegen wird der IPCC umgangssprachlich auch Weltklimarat genannt. Der Weltklimarat wurde 1988 von der UN und der WMO, also der »World Meteorological Organization«, gegründet, und seine Sachstandsberichte gehören zum Besten, was die Klimaforschung zu bieten hat. Die Zusammenfassungen müssen auch von allen Regierungen, die in der UN in dem Klimaprozess mit beteiligt sind, abgesegnet werden. Deswegen gelten die Berichte durchaus als ausgewogen, sind aber eben auch so konservativ, dass wirklich alle Regierungen mitgehen können. Deswegen findet man darin auch einige Passagen, die zum Beispiel die Kernenergie oder das Abtrennen und Endlagern von Kohlendioxid als Optionen für den Klimaschutz aufführen. Damit werden die Ansichten von Ländern wie Frankreich, mit einer starken Kernenergienutzung, oder von Ölförderländern berücksichtigt. Warum beides bei nüchterner Betrachtung wenig Aussicht auf Erfolg hat, erläutern wir später.

Einige stellen aus diesen oder anderen Gründen die Arbeit des IPCC insgesamt infrage. Bei solchen Aussagen geht es aber nur um die Darstellung von Möglichkeiten zur Bekämpfung der Klimakrise. Hier sind unterschiedliche Meinungen und unterschiedlich favorisierte Wege durchaus legitim. Bei der Prognose der künftigen Klimaentwicklung sprechen die IPCC-Berichte aber eine klare und unmissverständliche Sprache, und mögliche Unsicherheiten werden stets klar benannt.

Die exakte mittlere Temperatur auf der Erde im Jahr 2100 lässt sich nicht voraussagen. Sie wird entscheidend davon abhängen, wie viel Treibhausgase wir bis dahin noch ausstoßen. Darum erstellt der IPCC verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Entwicklungen der Treibhausgasemissionen. Die Worst-Case-Szenarien, die den stetigen Anstieg der Nutzung fossiler Energieträger der letzten Jahrzehnte einfach fortschreiben, liefern Ergebnisse, die sich ein Drehbuchautor für einen Horrorfilm in Hollywood nicht besser hätte ausdenken können.

Ein Worst-Case-Szenario des IPCC (2013) hat die wenig verständliche und stark wissenschaftlich klingende Bezeichnung RCP8.5. Hier steigen die weltweiten Temperaturen im Mittel bis zum Jahr 2100 um mehr als vier Grad Celsius an. Ein Grad Celsius ist, wie bereits erläutert, der bisherige Temperaturanstieg. Wir könnten also den Temperaturanstieg von der letzten Eiszeit bis vor Beginn der Industrialisierung in weniger als 100 Jahren noch einmal verdoppeln. Man muss nicht in der Klimaforschung arbeiten, um zu verstehen, dass das nicht gut für uns Menschen ausgehen wird. Dieser schnelle Anstieg würde die meisten Ökosysteme völlig überfordern. Da bleibt keine Zeit, um sich auf natürliche Weise irgendwie anzupassen. Die Folge wird ein dramatisches Artensterben sein, das heute bereits begonnen hat. Der Mensch befindet sich am Ende der Nahrungskette.

Der Temperaturanstieg findet auch nicht überall auf der Erde gleichmäßig statt. Über Land kann stellenweise durchaus eine Erwärmung von acht Grad Celsius erreicht werden — im Jahresmittel wohlgemerkt. Acht Grad Celsius beträgt der Unterschied zwischen der Mitte Deutschlands und Malta. Bereits heute fordern Hitzewellen zahlreiche Todesopfer. Mora et al. (2017) haben ausgerechnet, was eine derartige Erhitzung für die Menschen bedeuten würde. Riesige Gebiete vor allem in Tropenregionen würden sich so stark erhitzen, dass Menschen dort kaum mehr leben könnten. Dort drohen dann das ganze Jahr über tödliche Hitzetage, an denen Menschen sich besser nicht mehr im Freien aufhalten. Große Teile Brasiliens, Indonesiens, Indiens und auch von Afrika würden sich dann nicht mehr als Lebensraum eignen. Weit über eine Milliarde Menschen leben bereits heute dort. Im Jahr 2100 könnten es zwei bis drei Milliarden Menschen sein. Kaum vorstellbar, dass die Menschen einfach dort bleiben und das Jahr über in Kellern oder klimatisierten Räumen ausharren. Eine Klimaanlage müssten sich die Menschen auch erst einmal leisten können. Außerdem wären sie ständig dem Risiko ausgesetzt, beim Ausfall der Technik den Hitzetod zu erleiden.

Mit den steigenden Temperaturen taut auch das Eis. Etwa ein bis zwei Meter Meeresspiegelanstieg gelten im Worst-Case-Fall bis zum Jahr 2100 durchaus als möglich. Setzt eine Sturmflut ein, potenziert sich der Anstieg noch einmal. In vielen Regionen der Erde werden die Meere nicht mehr durch Deichbau vom Land abgehalten werden können. Wir werden dann Küstenregionen in großem Umfang verlieren, sodass extrem viele Menschen auch von dort umgesiedelt werden müssen. Vor dem Hintergrund hat der Schlachtruf von Fußballfans »Ohne Holland fahren wir zur WM« geradezu etwas Prophetisches. Einmal angestoßen, wird der Meeresspiegelanstieg über viele Jahrhunderte weitergehen. Taut ganz Grönland ab, würden die Meeresspiegel um acht Meter steigen. Bei einer eisfreien Erde lägen die Meeresspiegel sogar 66 Meter höher als heute. Berlin liegt gerade mal gut 30 Meter über null. Doch so lange brauchen wir gar nicht erst zu warten. Metropolen an den Küsten wie New York, Miami, Shanghai oder Rio de Janeiro könnten bereits in diesem Jahrhundert massive Probleme bekommen.

Mit dem Klimawandel verändern sich auch die Niederschläge. Es kommt zu häufigeren extremen Hochwasserereignissen, aber auch zu mehr Ernteausfällen und Problemen mit der Trinkwasserversorgung durch die Zunahme von Dürren. Die Rekorddürre in den Jahren 2018 bis 2020 und die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2021 geben uns in Deutschland darauf einen ersten Vorgeschmack. Gerade Gebiete, die heute schon von Trockenheit gezeichnet sind, werden noch viel schlimmer betroffen sein. Auch hier werden viele Menschen letztendlich vor den Klimaveränderungen fliehen müssen.

In der Summe müssen wir im Worst-Case-Fall Ende des Jahrhunderts mit mehreren Milliarden Klimaflüchtlingen rechnen. Sie werden versuchen, sich in vergleichsweise sichere Gebiete in Europa und anderswo zu retten. Aber wir sind bereits heute mit einer vergleichsweise lächerlich kleinen Zahl an Flüchtlingen politisch total überfordert. Man braucht wenig Fantasie, um sich auszumalen, dass diese gigantischen Flüchtlingsströme vielerorts nicht mehr kontrollierbare Konflikte auslösen werden. Der Planet an sich wird nicht in Flammen aufgehen. Klimabedingungen wie auf der Venus werden wir nie erreichen. Aber die Auswirkungen der Klimakrise werden die Zivilisation an den äußersten Rand der Belastungsgrenze bringen. Am Ende ist es bei einer ungebremsten Erderhitzung sogar sehr wahrscheinlich, dass unsere Zivilisation in der Form, wie wir sie kennen, die Klimakrise nicht überlebt.

Menschen, die sich mit den möglichen Folgen der Klimakrise intensiver auseinandersetzen, müssen sich früher oder später mit der Frage auseinandersetzen, wie man mit solch einer Bedrohung umgeht. Dem Unvermeidbaren einfach ins Auge schauen, es ignorieren, in Panik und Depression verfallen?

Das sind alles nicht die richtigen Antworten auf die Klimakrise. Die Klimakrise ist nicht mit einem gigantischen Meteorit vergleichbar, der auf die Erde zurast und mit unseren heutigen Mitteln nicht aufzuhalten ist. Im Gegenteil. Die Berichte des IPCC zeigen auch Szenarien auf, mit denen es gelingen kann, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Damit ließen sich die skizzierten Horrorszenarien noch weitgehend verhindern und unsere Zivilisation retten. Doch die Berichte sprechen eine klare Sprache: Wir müssen schnell handeln, und die nötigen Veränderungen sind weitreichend. Mit weiterhin ein paar netten Worten zum Klimaschutz und einigen Alibimaßnahmen werden wir das Ruder nicht herumreißen können. Aber wir sind fest davon überzeugt, dass wir die Klimakrise noch verhindern können.

Seit wir von der Schule gegangen sind, haben Umwelt- und Klimaschutz einen sehr hohen Stellenwert gewonnen. Das ist jetzt bereits über 30 Jahre her. In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Phasen, in denen selbst Optimistinnen und Optimisten fast den Mut verloren hätten. Es waren Phasen, in denen die Energierevolution durch Maßnahmen der Politik immer mehr verschleppt und ausgebremst wurde und in denen der Rat der Wissenschaft ungehört verhallte. Eine Zeit lang nahm die Entwicklung regelrecht surreale Züge an. Während die Klimakrise immer schneller voranschritt und die Klimaforschung immer dringlicher zum Handeln aufforderte, verabschiedete die Politik das Pariser Klimaschutzabkommen. Aber anstatt die Energierevolution wie benötigt zu beschleunigen, trat die deutsche Politik weiter kräftig auf die Bremse.

In den letzten Jahrzehnten gab es aber auch immer Ereignisse, die die Menschen aufgerüttelt haben und schnelle Veränderungen einleiteten. Das Reaktorunglück von Tschernobyl in den 1980er-Jahren führte uns die enormen Risiken der konventionellen Energieversorgung vor Augen. Nachdem immer und immer wieder versichert wurde, dass solche Ereignisse mit westlichen Kernkraftwerken nicht passieren können, kam Fukushima. Über Nacht hatte ein katastrophales Ereignis in Japan geschafft, was eine jahrzehntelange Anti-Atom-Bewegung nicht erreichte: einen parteiübergreifenden Konsens für einen Kernenergieausstieg. Kein anderes Land hat nach Fukushima in der Frage so konsequent gehandelt wie Deutschland. Das zeigt wiederum, dass das zivilgesellschaftliche Engagement wie die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland dann doch von zentraler Bedeutung ist, um schnell weitreichende Veränderungen im großen Konsens zu erzielen.

Was Fukushima für den Kernenergieausstieg bedeutete, erreichte Greta Thunberg für den Klimaschutz. Genau wie bei der Kernkraft haben wir während der Klimakrise über Jahrzehnte mögliche fatale Konsequenzen hoch und runter diskutiert, ohne wirklich zum Handeln zu kommen. Der Fridays-for-Future-Bewegung ist etwas geglückt, was Klimaschutzdiskussionen jahrzehntelang in Deutschland nicht gelungen ist. Sie hat Druck zur Veränderung aufgebaut. Viele Bürger:innen und Politiker:innen sind immer noch in einer Art Schockstarre gefangen. Wie ein dreijähriges Kind glauben sie, sie müssten nur die Augen verschließen, um der Gefahr zu entgehen. Aber die junge Generation hat dafür gesorgt, dass sie nicht länger wegschauen können. Jetzt ist es für uns alle an der Zeit, erwachsen zu werden. Jetzt ist es an der Zeit, die bekannten Lösungen umzusetzen. Jetzt ist die Zeit des Handelns gekommen. Es ist fantastisch, dass Sie, liebe Leserin und lieber Leser, gemeinsam mit uns Teil der Lösung und nicht mehr Teil des Problems sein wollen. Lassen Sie uns gemeinsam mit dem Schwung der immer größer werdenden Klimaschutzbewegung das erreichen, was viele immer noch für nicht möglich halten: die Welt in einem lebenswerten Zustand für uns und unsere Kinder zu erhalten.

Hält Deutschland das Pariser Klimaabkommen ein?

Am 12. Dezember 2015 wurde Klimaschutzgeschichte geschrieben. Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen unterzeichneten 195 Staaten und die Europäische Union das Pariser Klimaschutzabkommen. Die Vereinbarung wurde zugleich gefeiert und verteufelt. Die einen sahen in ihr den lang ersehnten Durchbruch nach endlosen Klimaverhandlungen, die anderen einen zahnlosen Tiger. Echte Konsequenzen für Klimasünderländer sieht das Abkommen nicht vor. Aber dennoch hat es in den letzten Jahren mehr Druck entwickelt, als selbst einige Optimistinnen und Optimisten gehofft haben. Alle Parteien im Deutschen Bundestag außer der AfD bekennen sich dazu. Bei der Durchsetzung von Klimaschutzmaßnahmen dagegen konnte Deutschland in den letzten Jahren wenig überzeugen. Bleibt die Frage: Hält Deutschland das Pariser Klimaschutzabkommen ein, oder gehören wir nicht auch zu den Klimasündern, auf die wir gerne mit den Fingern zeigen?

Werfen wir zuerst einen Blick auf den Prozess des Pariser Klimaschutzabkommens: Seit 1992 verhandelten die Vereinten Nationen über Klimaschutz. Bis 2015 war es nicht gelungen, eine Einigung über einen rechtzeitigen Stopp der Klimakrise zu finden. Erst nach über 20 Jahren wurde 2015 in Paris das erste Abkommen unterzeichnet, mit dem die Welt es schaffen könnte, die Klimakrise noch im dunkelgelben Bereich zu halten. 195 Staaten haben das Dokument ratifiziert, praktisch alle Länder der Welt, darunter auch Ölförderländer wie Saudi-Arabien oder ansonsten abgeschottete Länder wie Nordkorea. Nur die USA sind für einige Wochen unter Präsident Trump ausgetreten, aber mit dem Regierungsantritt von Präsident Biden gleich wieder beigetreten — eine der zahlreichen Kuriositäten der amerikanischen Politik der letzten Jahre.

30 Jahre Klimaverhandlungen

Herzstück der weltweiten Verhandlungen zum Klimaschutz ist die »Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen« mit der englischen Bezeichnung »United Nations Framework Convention on Climate Change«. Diese Vereinbarung wurde 1992 in Rio de Janeiro ausgehandelt. 154 Staaten waren damals dabei. Das Ergebnis klang erst einmal vielversprechend: »Ziel ist es, eine gefährliche anthropogene, also vom Menschen verursachte Störung des Klimasystems zu verhindern und die globale Erwärmung zu verlangsamen sowie ihre Folgen zu mindern.« Umgangssprachlich übersetzt heißt das: »Okay. Wir haben ein ernstes Klimaproblem, und wir bemühen uns, etwas dagegen zu tun.« Solche Aussagen klingen nett, aber das Ziel war wenig konkret und der Weg dorthin entsprechend unklar. Was offengeblieben war, sollte in den nächsten Jahren nachverhandelt werden. Alle Vertragsstaaten wurden verpflichtet, regelmäßig Berichte und Daten zu aktuellen Treibhausgasemissionen zu veröffentlichen, um wenigstens verlässliche Fakten zu gewinnen. Mehr hat die Konferenz von Rio nicht erreicht.

In den nächsten Jahren fanden unzählige Folgekonferenzen statt, »Conference of the Parties«, kurz COP. Mit Party hat das aber wenig zu tun, dort wird hart verhandelt. Auf Deutsch werden die Treffen dann UN-Klimakonferenz, Weltklimagipfel oder Weltklimakonferenz genannt. Auf der Kyoto-Konferenz im Jahr 1997 wurden für die Industrieländer unverbindliche Reduktionen bis zum Jahr 2012 vereinbart. Die deutsche Ex-Kanzlerin Angela Merkel war damals noch als Umweltministerin und deutsche Verhandlungsführerin dabei, so lange ist das schon her. Die Ziele für die einzelnen Länder wurden damals ziemlich willkürlich festgelegt und wie auf einem Trödelmarkt ausgedealt. Am Ende hat sich dann jedes Land irgendein Ziel ausgesucht. Die USA versprachen sieben Prozent Rückgang. Bis zum Stichjahr 2012 sind aber die Emissionen dort leicht angestiegen — ohne irgendeine Konsequenz. In den Ländern des ehemaligen Warschauer Vertrags sind die Emissionen wegen der wirtschaftlichen Umbrüche in den 1990er-Jahren hingegen drastisch zurückgegangen. Darum musste man dort trotz ambitionierter Versprechungen nichts Ernsthaftes unternehmen. So hat auch das wiedervereinigte Deutschland sein Klimaziel von minus 21 Prozent bis 2012 gerade so erreicht, dem Niedergang der Industrie in der DDR sei Dank. Weltweit sind die Treibhausgasemissionen dann trotz des Kyoto-Abkommens weiter gestiegen, weil die Schwellen- und Entwicklungsländer in den Prozess nicht eingebunden waren. Für den Klimaschutz hat das Kyoto-Abkommen am Ende also nichts gebracht.

Es folgten zahllose weitere erfolglose Konferenzen. Die 15. Konferenz COP15 fand dann 2009 in Kopenhagen statt, um ein Nachfolgeabkommen für Kyoto zu beschließen. Das ist dann aber krachend gescheitert. Erst bei der 21. Konferenz COP21 in Paris kam es dann zum Durchbruch. Es gab ein weltweites Abkommen, das erstmals ernsthaft die globale Reduktion der Treibhausgasemissionen zum Ziel hatte.

Die wichtigste Passage des Pariser Abkommens definiert das verhandelte Ziel (UNFCCC2015): »Holding the increase in the global average temperature to well below 2°C above pre-industrial levels and pursuing efforts to limit the temperature increase to 1.5°C«. Ziel ist es also, den Temperaturanstieg deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Werten zu begrenzen und Bemühungen zu verfolgen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Auch das klingt erst einmal ziemlich schwammig. Das ist dem Kompromiss geschuldet, den man eingehen muss, wenn sich alle Länder der Welt an einem Tisch versammeln. Auf der einen Seite sitzen die Ölförderländer, die gar kein großes Interesse an einem schnellen Klimaschutz haben. Schließlich wollen sie noch längere Zeit ihr Erdöl verkaufen. Auf der anderen Seite nehmen die Inselstaaten Platz. Sie werden nach aktuellem Stand der Wissenschaft regelrecht absaufen, wenn der Temperaturanstieg zwei Grad oder mehr erreicht. Für diese Länder wäre ein Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius das Todesurteil und damit völlig inakzeptabel. Der Kompromiss lautete: Wir geben uns Mühe, 1,5 Grad Celsius einzuhalten, um den Inselstaaten entgegenzukommen. Die Definition »deutlich unter zwei Grad Celsius« lässt den Ölförderländern genügend Interpretationsspielraum.