England - Reiseberichte mit Skizzen aus den Gesellschaften der Hauptstadt - James Fenimore Cooper - E-Book

England - Reiseberichte mit Skizzen aus den Gesellschaften der Hauptstadt E-Book

James Fenimore Cooper

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Beschreibung

Dieses eBook: "England - Reiseberichte mit Skizzen aus den Gesellschaften der Hauptstadt" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. James Fenimore Cooper (1789-1851) war ein amerikanischer Schriftsteller der Romantik. Cooper ist in vielerlei Hinsicht eine Schlüsselfigur der amerikanischen Literatur. Neben Washington Irving war er der erste amerikanische Schriftsteller, der von seinen Büchern leben konnte. Er blieb bis weit in das 20. Jahrhundert hinein auch in Europa der wohl meistgelesene. Aus dem Buch: "Das Packetboot wurde vortrefflich geführt, wenn gleich wir auch nur mit einer sehr ruhigen See zu thun hatten. Die Ruhe und Ordnung, welche überall herrschte, bewiesen uns hinreichend, daß sich die Schiffsmannschaft auch bei einem schwierigern Fall gut bewährt haben würde. Mich überraschten jedoch die kleinen Gestalten der Mannschaft, die aus lauter untersetzten unansehnlichen Leuten bestand, welche gewiß in Verlegenheit gerathen wären, wenn sie auf den untern Segelstangen eines größern Schiffes hätten Dienste thun sollen. Ich habe diese Eigenthümlichkeit bei mehreren Gelegenheiten bemerkt, und ich bin überzeugt, daß die englischen Seeleute, die wir beide früher in unserer Heimath gesehen haben, alle größer waren als diese. Ein hohes Gehalt verlangt auch in der Regel eine bessere Qualification zum Dienst, und hierin mag, wie ich glaube, die Erklärung des angeführten Umstandes liegen. Auf jeden Fall habe ich bei unserer Marine niemals so kleine Leute gesehen, und aus unserm alten Freund Jack Freeman ließen sich vier von ihnen schnitzen."

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James Fenimore Cooper

England - Reiseberichte mit Skizzen aus den Gesellschaften der Hauptstadt

Lustige Anekdoten und Eindrücken

Übersetzer: A. von Treskow, C. F. Nietsch

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-2582-1

Inhaltsverzeichnis

Erster Band
Zweiter Band

Erster Band

Inhaltsverzeichnis

Vorrede.
Erster Brief.
Zweiter Brief.
Dritter Brief.
Vierter Brief.
Fünfter Brief.
Sechster Brief.
Siebenter Brief.
Achter Brief.
Neunter Brief.
Zehnter Brief.
Elfter Brief.
Zwölfter Brief.
Dreizehnter Brief.

Vorrede.

Inhaltsverzeichnis

Der Amerikaner, welcher einen gedrängten, philosophischen, richtigen, populären und dennoch umfassenden Abriß über die Hauptunterschiede schriebe, die zwischen den politischen und geselligen Relationen von Amerika bestehen, würde seinem Vaterlande den größten Dienst leisten, der ihm seit dem denkwürdigen Ereigniß vom 4. Juli 1776 erwiesen worden. Dies bestand nur in einer Erklärung der politischen Unabhängigkeit, während jenes wie die Grundlage zur geistigen Emancipation betrachtet werden müßte, die allein im Stande ist, die Nation zu einer großen zu machen, indem sie ihre Gesinnung bis zu ihren Leistungen emporhöbe.

Dies Werk macht keinen Anspruch auf ein so ausgezeichnetes Verdienst. Es soll nur einen Theil von dem Zeugniß ausmachen – welches noch unendlich oft abgelegt werden muß – das, unter der langsamen Wirkung der Zeit und in Ermangelung der Bemühungen eines höheren Genies, wie wir es eben erwähnt haben, früher oder später – wir wollen es hoffen – dasselbe Resultat hervorbringen wird.

Man hat sich Mühe gegeben, die Lesewelt zu überreden, der Verfasser dieses Buches sei ganz besonders gegen England eingenommen; und einige Erklärungen möchten daher zu Gunsten der Wahrheit hier nicht am unrechten Orte sein. Um das Gegentheil jener Behauptung zu beweisen, dürfte der Verfasser vielleicht nur auf das Werk selbst hindeuten; doch giebt es immer Viele, die in Wahrheit stets Haß und in Grundsätzen nur Trug sehen. Es ist durchaus kein Grund vorhanden, warum der Verfasser dieses Buches gegen England eingenommen sein sollte. Er selbst wurde von den ausgezeichnetsten Männern gütig behandelt; er ist so vollständig, wie es sein ärgster Feind nur sein könnte, überzeugt, daß er als Schriftsteller über Verdienst gelobt worden; auch hat er für seine literarischen Produkte so viele Remunerationen erhalten, als er nur immer verlangen kann. Er ist in keinem Lande jemals so gut behandelt worden, als in England, sein Vaterland mit eingeschlossen; obgleich er seit der Publication seiner Ansichten dem gewöhnlichen Tadel nicht entgangen ist, der so leicht von den Lippen der Angelsachsen zu fließen scheint.

Der Verfasser wird jetzt seinen eigenen Bericht über die Entstehung dieser irrigen Ansichten abstatten. Ein Theil der amerikanischen Reisenden hat den wohlverdienten Ruf der ärgsten Speichellecker geerntet, die jemals das britische Reich betreten haben. Diese liebenswürdige Eigenschaft hat man dem Verfasser bis jetzt noch nicht beigelegt, und diejenigen, welche sich anklagen müssen, in den englischen Gesellschaften ihre Achtung vor sich selbst vergessen zu haben, sind vielleicht ein wenig zu sehr aufgelegt, diejenigen anzuschwärzen, welche es nicht gethan.

Man hat Anekdoten in Umlauf gesetzt über das, was der Verfasser während seines Aufenthalts in England gesagt, gethan – zum Theil gedruckt, zum Theil mündlich, alle jedoch zu seinem Nachtheil. Viele dieser Erzählungen haben sein Ohr erreicht, doch hat er sich bisher damit begnügt, sie circuliren zu lassen, ohne ihnen zu widersprechen. Hier ist jedoch der richtige Zeitpunkt, zu erklären, daß keine einzige davon wahr ist. Er hat ausdrücklich in der Absicht einen Bericht von einer kleinen Vorkommenheit dieser Art gegeben, um dem Leser zu zeigen, auf welche Weise man aus Maulwurfshügeln Berge macht, und in der Hoffnung, daß der bessere Theil seiner Landsleute einsehen wird, wie gefährlich es ist, Erzählungen Glauben zu schenken, die ihren Grund in dem Haß gegen ihr eigenes Volk haben.

Die Engländer können die Amerikaner nicht leiden. Sie haben die Sucht, alles zu verbreiten und zu übertreiben, was unsern Nationalcharakter verächtlich oder lächerlich zu machen im Stande ist; und diese Sucht, verbunden mit einem Unwillen über unsere Gleichgültigkeit von Dingen, die ihnen die größte Hochachtung einflößen, haben zur Erfindung vieler Abgeschmacktheiten Veranlassung gegeben, die auch noch Andere, und nicht den Verfasser allein, treffen. Auf der andern Seite ist wieder die Verehrung des Amerikaners von England so groß, und er ist in Bezug auf Englands Lob oder Tadel so empfindlich, daß er das Gesetz übersieht, welches vor der Verdammung Beweise verlangt.

Es ist richtig, wenn man sagt, ein Reisender sollte über die Mängel eines fremden Landes schweigen, und sich in Bezug auf die Verdienste seines eigenen Regierungssystems mit Bescheidenheit äußern; diese Regel muß jedoch bei ihrer Anwendung bedeutend bedingt werden. Wenn diejenigen, welche besuchen, die Vergleichung herbeiziehen, so dürfen sie sich nicht beklagen, daß sie mit Intelligenz und Feinheit durchgeführt wird. Hätte man der Sucht der Engländer, ohne Bescheid zu wissen und ohne alle Rücksicht über Amerika zu urtheilen, sogleich Festigkeit entgegengesetzt, so würden die erwähnten Abgeschmacktheiten niemals entstanden sein. Leute, die es sich gefallen ließen, unter jeder Bedingung Aufmerksamkeiten anzunehmen, sind nicht immer die besten Richter über Schicklichkeit.

Seit der Periode dieser Briefe sind mit England große Veränderungen vorgegangen. Es soll jetzt eine größere Kenntniß von Amerika und eine bessere Gesinnung dafür existiren. Bei der Ausführung dieses Werkes hat der Verfasser jedoch die Dinge so schildern müssen, wie er sie während seines Aufenthaltes in England fand. Ein künftiges Werk kann einige der Fehler verbessern, die aus diesem Umstande hervorgingen.

Es ist sehr möglich, daß dies Buch manche unrichtige Begriffe enthält; es sind jedoch die Unrichtigkeiten eines gewissenhaften Beobachters, und sie dürfen nur dem Kopfe zugeschrieben werden. Seine Ansichten werden gegen die Vorurtheile derer laufen, die in Amerika die sogenannte intelligente Classe bilden, und werden natürlich verdammt werden. Jeder Versuch, irgend einer der hergebrachten Meinungen entgegen zu treten, besonders solcher, die sich auf die Aristokratie in England beziehen, hat den Erfolg, den gewöhnlich alle Versuche haben, die Menschen wider ihren Willen zu überzeugen. Ein Jeder will immer besser daran sein als sein Nachbar,– dies ist der Schlüssel zu allen diesen Untüchtigkeiten.

April 1837.

Erster Brief.

Inhaltsverzeichnis

Dem Herrn Hauptmann W. Brandford Shubrick.

Einschiffung zur Reise nach Dover. – Canal. – Stadt. – Felsen und Hafen. – Contrast zwischen England und Frankreich. – Fortificationswerke. – Shakspeare's Felsen. – Aussicht von der Höhe. – Gefühle in Bezug auf England. – Polizei-Amt. – Englische Postkutsche. – Vermoderte Straßen. – Thee in England.

Es war an einem schönen Tage des Monats Februar, als wir das Hôtel Dessin verließen, um uns nach Dover einzuschiffen. Der Quai war mit tobenden Lastträgern angefüllt, während die Gensdarmen ein wachsames Auge auf die Beobachtung der polizeilichen Vorschriften hatten, damit nicht irgend ein Schelm mehr oder weniger unentdeckt von einer der beiden großen Hauptstädte zur andern gelangen möchte. Da ich einen Commissionair, der zu unserem Gasthofe gehörte, angenommen hatte, so durfte ich weiter nichts thun, als eine Treppe von etwa funfzehn Stufen in das Boot hinabgehen. Das Steigen und Fallen des Wassers ist hier so groß, daß die Schiffe zuweilen mit dem Quai gleich hoch stehen, und zuweilen drei bis vier Faden tiefer als derselbe liegen.

Aus Mißtrauen gegen die Geschicklichkeit der französischen Seeleute hatten wir bei unserer Ueberfahrt das englische Dampfboot dem französischen vorgezogen. Die Reise war zwar durchaus nicht lang; so kurz sie aber auch war, so ernteten wir doch alle Vortheile unserer guten Wahl, indem wir über eine Stunde früher ankamen als unser Rival.

Bei hellem Wetter ist es möglich, von der französischen Küste aus Dover zu sehen; diesmal hatten wir jedoch nichts vor uns als einen ausgedehnten Wasserhorizont, während wir durch die lange Einfahrt aus unserm kleinen Hafen in die Nordsee fuhren. Der Tag war ruhig und, wie es häufig bei schnellen Fluthen und engen Passagen stattfindet, der Canal war so glatt und eben wie ein Teich.

Der Charakter-Unterschied zwischen den beiden großen Nationen, die so nahe neben einander wohnen, daß sie fast gegenseitig ihre Hähne krähen hören können, ist selbst an der Meerenge sichtbar, die sie trennt. An der französischen Küste sahen wir einige Fischerböte mit lohfarbenen Segeln, die für einige Restaurateurs in Paris beschäftigt waren, während sich die geschwellten Segel von zahllosen Schiffen aus dem Busen des Meeres erhoben, als wir der englischen Küste entgegenflogen. Ich glaube, wir begegneten mehr als fünfzig großen Schiffen, bevor wir die englische Küste zu Gesicht bekamen. Mehrere davon waren Indienfahrer, und nicht wenige Kohlenschiffe, die ihre Ladung dem räucherigen London zuführten.

In den Jahren 1806 und 1807 passirte ich die Meerenge vier Mal. Um diese Zeit beobachtete England alle Bewegungen Napoleons mit Eifersucht. Ich erinnere mich noch, daß wir uns im Herbste 1806, als eben der Tag grauete, in der Gegend von Dungeneß befanden; und ein sprechenderes Bild der Wachsamkeit kann man sich nicht vorstellen, als der Canal bei jener Gelegenheit bot. Die Nähe der beiden Küsten setzte die Franzosen oft in den Stand, englische Kauffahrer zu kapern; und die erwähnten Vorsichtsmaßregeln waren getroffen, um den Handel von London zu sichern. Kein besserer Beweis von der Unfähigkeit der Franzosen als Seevolk kann geliefert werden, als das einfache Faktum, daß sie Häfen besitzen, die keine Geschicklichkeit im Stande ist, innerhalb dreißig Stunden von der Mündung der Themse zu blockiren, und daß es England möglich machte, den Handel seiner Hauptstadt während eines langen und erbitterten Krieges ununterbrochen aufrecht zu erhalten. Ich bin der Meinung, daß ein tüchtiges Seevolk in den ersten fünf Jahren die Hälfte des Handels nach Liverpool oder Bristol getrieben haben würde.

Das Packetboot wurde vortrefflich geführt, wenn gleich wir auch nur mit einer sehr ruhigen See zu thun hatten. Die Ruhe und Ordnung, welche überall herrschte, bewiesen uns hinreichend, daß sich die Schiffsmannschaft auch bei einem schwierigern Fall gut bewährt haben würde. Mich überraschten jedoch die kleinen Gestalten der Mannschaft, die aus lauter untersetzten unansehnlichen Leuten bestand, welche gewiß in Verlegenheit gerathen wären, wenn sie auf den untern Segelstangen eines größern Schiffes hätten Dienste thun sollen. Ich habe diese Eigenthümlichkeit bei mehreren Gelegenheiten bemerkt, und ich bin überzeugt, daß die englischen Seeleute, die wir beide früher in unserer Heimath gesehen haben, alle größer waren als diese. Ein hohes Gehalt verlangt auch in der Regel eine bessere Qualification zum Dienst, und hierin mag, wie ich glaube, die Erklärung des angeführten Umstandes liegen. Auf jeden Fall habe ich bei unserer Marine niemals so kleine Leute gesehen, und aus unserm alten Freund Jack Freeman ließen sich vier von ihnen schnitzen.

Nach einer Fahrt von zwei Stunden wurden die Felsen von Dover deutlich sichtbar; der Nebel hatte sie uns entzogen, bis wir ziemlich dicht an die Küste gekommen waren. Obgleich diese berühmten Kalkfelsen keine Vergleichung mit den herrlichen Küsten des mittelländischen Meeres vertragen, die Ihnen so wohl bekannt sind, so bilden sie doch schöne Erhebungen, und verdienen die Auszeichnung, von Shakspeare erwähnt worden zu sein.

Die Stadt Dover liegt zum Theil in einem engen Thal zwischen zwei Felsen, und zum Theil am Meeresufer am Fuße derselben. Es scheint, als hätte die Natur an diesem Punkte offenbar einen Weg zwischen den Kalkbergen hindurch nach dem Meere gelassen; denn während die Berge höchstens drei- bis vierhundert Fuß hoch sind, so nimmt man auf der Straße, die ins Land hineinführt, doch kaum eine Erhebung wahr. Der Ort ist natürlich und poetisch schön; denn wenn man bedenkt, daß sich diese zufällige Formation gerade an derjenigen Stelle der Insel befindet, die dem Continent am nächsten liegt, so gewinnt er den Charakter eines prächtigen Einganges zu einer großen Nation. Die Klippen dehnen sich mehrere englische Meilen zu beiden Seiten der Stadt aus, und werden endlich in der Richtung von Hastings und Dungeneß zu einem ansteigenden, urbaren Ackerlande. Dungeneß ist der Ort, wo Wilhelm der Eroberer landete; und ich halte diesen Punkt auch für geeigneter zu einem solchen Zwecke, als irgend einen andern Punkt an der englischen Küste. Am Meeresufer befinden sich noch Ueberreste der Befestigungswerke, die man zur Zeit der drohenden französischen Invasion aufwarf; und ich erinnere mich noch sehr gut der Zeit, wo diese Werke reichlich mit Kanonen gespickt waren.

Der Anblick von Dover und seinen Felsen, als wir uns der Küste naheten, war gefällig und in einiger Beziehung sogar schön. In dem künstlichen Theil des Gemäldes fand man zwar nichts von dem Klassisch-Malerischen, aber mit dem Ort waren so viel Erinnerungen aus der englischen Geschichte verknüpft, daß selbst die alten Schornsteine, mit denen die Felsen den Ort reichlich versorgt hatten, ehrwürdig und anziehend aussahen. Auch das Schloß, welches auf dem östlichen oder vielmehr nördlichen Berge steht, ist ein schickliches Gebäude, das sich sehr leicht durch die Einbildungskraft bevölkern läßt. Ich glaube, ein Theil desselben wird dem großen Baumeister Cäsar zugeschrieben.

Der Hafen ist nur klein, doch liegt er sehr bequem und sicher von der Stadt umschlossen. Die Einfahrt ist durchaus eine künstliche, obgleich ich keine Thore bemerkt habe. Wenn sich auch sein Verkehr hauptsächlich nur auf die Communication mit Frankreich bezieht, so glaube ich doch, daß Schiffe von Bedeutung einfahren können. Der Damm ist an und für sich eine sehr schöne Promenade, und alle öffentlichen Werke, die damit in Verbindung stehen, sind äußerst solide und achtbar. Wir gleiteten um ein Uhr ruhig in diesen kleinen Hafen, und betraten abermals den Boden von Alt-England.

Wenn wir durch den Contrast zwischen England und Frankreich bei unserm ersten Besuch des letzteren Landes überrascht wurden, so wurden wir es, wie ich glaube, noch mehr, als wir zu dem ersteren zurückkehrten. Noch vor vier Stunden befanden wir uns in dem Lande der Höflichkeit, des Geschreis, der Fröhlichkeit und des Betrugs, auf dem Quai von Calais, und jetzt befanden wir uns auf dem von Dover, in dem Lande der affectirten Ruhe, des mürrischen Wesens, der Erpressung, des »Dank Ihnen« und der halben Kronen. Es würde schwierig gewesen sein, anzugeben, welches von beiden schlimmer sei; doch glaube ich, daß man im Ganzen in dem letztern noch immer besser fortkommt; denn wer bezahlt, dem wird seine Arbeit ohne viele Redensarten verrichtet. Die Franzosen nennen einen englischen Lastträger oder Hafenarbeiter zuweilen einen Schreier; doch verdienen dieselben diesen Namen im Vergleich mit einem echten französischen Prolétaire durchaus nicht, zumal wenn dieser noch sein Mittagbrod zu verdienen hat. In England stirbt ein solcher Mensch wenigstens vor Hunger, ohne ein Wort zu sagen.

Wir begaben uns nach Wright's Hôtel, bestimmt der beste Gasthof in Dover, und er bewies sich einem französischen Gasthof oder einem amerikanischen unter diesen Umständen so wenig ähnlich wie möglich. Das Haus war klein, durchaus nicht so groß wie die meisten unserer Dorfschenken, und in Bezug auf Ausdehnung durchaus nicht mit dem Hôtel zu vergleichen, welches wir so eben auf der andern Seite des Canals verlassen hatten; aber es war geräuschlos und geräumig. Es war eben nicht sauberer als Dessin's, oder ein guter amerikanischer Gasthof; aber die ruhige Weise, mit welcher die Aufwärter Ihre Dienste verrichteten, war etwas ganz Unbezahlbares. An einer so großen Heerstraße wie diese, würden wir Amerikaner ein ungeheures Gebäude mit ganz kleinen Schlafzimmern, einem großen Eßsaal und einer Küche errichten, wie sie sich für eine Kaserne eignen möchte; und in dieser respublica von einem Gebäude würden die Reisenden ohne Unterschied zu derselben Lebensweise emporgehoben oder hinabgedrückt werden; denn es gilt in Amerika fast für einen Verstoß gegen die Moral, wenn ein Mann noch keinen Appetit hat, während die andern schon hungrig sind, oder wenn er noch etwas essen will, nachdem die Masse bereits dinirte. In der Mitte des Geräusches und Getümmels einer solchen Karavanserei würde ein Amerikaner, wie er es nennt, im »glänzenden Styl« leben. Ein »glänzendes Elend« würde man es nennen müssen, wäre nicht die Anwendung des ersten Wortes hier abgeschmackt.

Ich habe oft daran gedacht, daß die Regelmäßigkeit, Ruhe, Ordnung, Reinlichkeit und Schicklichkeit eines englischen Gasthofes, vereinigt mit den Betten, der Eleganz, dem Tische und den Getränken eines französischen Gasthofes, das non plus ultra eines Hôtels geben würde; und das Gasthaus zu Calais, welches in einiger Beziehung durch seine Lage sehr viel Englisches angenommen hat, führt den Beweis dazu. Es drängt seinen englischen Nebenbuhler zu Dover gänzlich in den Schatten. Wir vermißten die Spiegel, das Tischgeschirr und die guten Manieren; doch gewannen wir dafür einen guten Theil wirklichen Comforts.

Während sich W. nach dem Zollhause begab, nahm ich mit Madame – einen Führer, und wir gingen aus, um die Felsen zu besuchen. An der einen Seite erhebt sich der Kalkstein so steil wie eine Mauer, und an seinem Fuß hängen die Häuser. An diesem Punkte ist ein Schacht mit einer Wendeltreppe hineingehauen, auf welcher wir auf die Höhe gelangten. Diese Passage war angebracht worden, um die Verbindung zwischen den verschiedenen Festungswerken zu erleichtern. Als wir die Stufen verließen, befanden wir uns auf einem unregelmäßigen Abfall, der den Gipfel der Felsen bildete und mit Gras bewachsen war. Von der senkrechten Erhebung kamen vielleicht zwei Drittel auf die steilen Kalkfelsen, die nach dem Canal hingewendet sind, und das andere Drittel auf den grünen Abhang, auf welchem wir standen.

Hier trafen wir Werke der neueren Befestigungskunst, bestehend aus den gewöhnlichen Brustwehren, Gräben und Glacis. Der Führer, bemüht, uns seine Waare zu zeigen, führte uns nach dem Fort durch eine enge Passage hinauf, die sich, wie er versicherte, luftleer machen ließ, – ein ganz neues Kriegsmittel, welches ich hier jedoch nicht für nöthig halten würde, da ein Feind, der im Sturmschritt bis zu dieser Pforte gelangte, schon ohnedies außer Athem sein muß. Als wir hinaufstiegen, fragte ich mehr als einmal mit dem alten Gloster:

»Wann kommen wir zum Gipfel dieses Bergs?«

Die Ehre der Erfindung wurde durch unsern Führer, der ein alter Soldat war, dem Herzoge von Wellington beigelegt. Aber das Militairische an diesem Orte zog uns gerade am wenigsten an; wir befanden uns eben auf dem Felsen des Fenchelsammlers:

»– halbwegs hinab hängt Einer, Fenchel sammelnd, – schrecklich Handwerk! – Mir dünkt, er scheint nicht größer als sein Kopf. Die Fischer, die am Strande gehn entlang, Sind Mäusen gleich: das hohe Schiff am Anker Verjüngt zu seinem Boot, das Boot zum Tönnchen, Beinah zu klein dem Blick: die dumpfe Brandung, Die murmelnd auf zahllosen Kieseln tobt, Schallt nicht so hoch. –«

Es ist ganz erwiesen, daß Edgar nicht recht aufrichtig gegen den alten Mann verfuhr; denn die ganze Beschreibung ist eigentlich nicht Wahrheit, sondern nur Poesie. Nachdem man den Gipfel der Höhe erstiegen, welches ohne die erwähnte Treppe nur von hinten her geschehen konnte, würde man noch eine große Strecke durch den erwähnten grünen Abhang hinabzusteigen haben, um den äußersten Rand der Klippen zu erreichen.

Dennoch war die Aussicht imposant und schön. Wir übersahen natürlich den Canal, und erblickten eine kurze Zeit die französische Küste. Große Schiffe schwammen auf dem Wasser umher, obgleich weder ihre Böte noch die Tonnen sichtbar waren. Dr. Johnson hat dem großen Shakspeare über seine Kenntniß von nautischen Ausdrücken viele Complimente gemacht; doch würden wir beide dies gewiß nicht gethan haben. In der eben angeführten Stelle geht der Dichter in seinem Antiklimax vom großen Schiff zu seinem Boot, und von dem Boot zur Signaltonne über! Dies ist Poesie, und daher mag es passiren; ein Seemann würde sich jedoch genauer ausgedrückt haben.

Vor etwa zwölf Jahren machte ich einen Versuch mit einer nautischen Beschreibung – ein Genre, das damals noch ganz neu war. Bemüht, die Wirkung zu erfahren, welche diese auf das Publicum hervorbringen würde, las ich unserm alten Schiffscameraden, dem jetzigen Capitain, ein Capitel daraus vor, welches einen Bericht von dem Manöver eines Schiffes gab, das während eines Sturmes auf die Küste läuft. Ich hatte mich bemüht, alle technische Ausdrücke zu vermeiden, um poetisch zu sein, obgleich der Gegenstand durchaus der Verständlichkeit halber ein genaues Detail verlangte. Mein Zuhörer verrieth Interesse, während ich mit der Beschreibung vorrückte; endlich konnte er nicht mehr still sitzen. Er ging im Zimmer auf und nieder, bis die Vorlesung beendet war; und als ich eben das Papier niederlegte, sagte er: »Es ist Alles recht gut, aber Sie haben ihr Bugspriettau zu lange ganz gelassen, mein schöner Herr!« Ich riß es sogleich noch schnell entzwei.

Der Theil der Aussicht von den Höhen von Dover, welcher uns als der ungewöhnlichste überraschte, war das Inland. Frankreich zeigte sich uns von Paris bis Calais braun und fast ganz ohne Vegetation, während wir jetzt England mit einem dunkeln Grün überzogen fanden, welches ich früher nie im Februar gesehen hatte; kurz dieses Land war jetzt weit grüner als zu der Zeit, wo wir es verließen, nämlich im Juli 1826. Es ist wahr, die Felder waren nicht mit dem lebhaften Grün des jungen Grases bedeckt, sondern sie hatten einen dunkeln und reichen Anblick, der die Idee eines guten Bodens und einer trefflichen Wirthschaft erweckte. Etwas davon mochte wohl auf Rechnung lokaler Ursachen zu setzen sein; denn ich glaube, mehr nach London hin war das Land nicht mehr so grün wie an den Küsten.

Der Mangel an Laubholz würde, wenn dieses tiefe Grün nicht dagewesen wäre, die Landschaft nackt und unfruchtbar für das Auge gemacht haben. Jetzt aber hatte der ganze Distrikt, den wir von den Höhen aus übersahen, einen sonntäglichen Anstrich, und glich sehr einem für den Feiertag rasirten und angezogenen Handwerker. Wir gemerkten nur wenige Gebäude auf den Feldern, und die wir sahen, erinnerten uns, mit Ausnahme des Schlosses und einiger öffentlichen Häuser, auf eine sonderbare Weise an unsere kleinen, soliden, anspruchslosen aber bequemen Backsteinwohnungen, die man in Neu-Jersey, Maryland und Delaware mehr als irgend einem andern Theil von Amerika findet. Dies ist gerade dasjenige Stück der Vereinigten Staaten, welches England am meisten ähnlich sieht, und wo, wie ich glaube, auch das reinste Englisch gesprochen wird. Er kommt, was Architektur, häusliche Gewohnheiten und Sprache anbetrifft, von Allem, was wir haben, England am nächsten; und ich schreibe diese Thatsache dem Umstande zu, daß dieser Theil der Vereinigten Staaten besonders durch Emigranten aus den flachen Gegenden des Mutterlandes angebaut wurde.

Wir blickten auf dieses Bild von England mit sehr bewegten Gefühlen. Es war das Land unserer Väter, und es enthielt außer tausend Dingen, die uns zur Liebe aufforderten, auch fast eben so viele Dinge, die unser Herz bedrängten. Indem ich mich so am eigentlichen Portal des Landes befand, dachte ich mit Besorgniß daran, was sich in den nächsten drei Monaten ereignen möchte. Vor zwei und zwanzig Jahren war ich als ein muthiger Knabe mit Gefühlen von Achtung und Bewunderung an das Ufer gehüpft. Diese Gefühle waren die Früchte der Tradition meines Volkes; und ich liebte England fast eben so wie mein Vaterland. Ich war unter Leuten geboren und erzogen worden, die auf England wie auf das Ideal der Politik, der Moral und Literatur blickten. Diese Gefühle hatte ich eingesogen, wie es in Amerika Alle bis zum Anfange des letzten Krieges gethan hatten. Ich war gewohnt gewesen, zu sehen, wie man einem Engländer alle Thüren öffnete, und zu hören und zu denken, daß sein Anspruch auf unsere Gastfreundlichkeit der eines Bruders wäre, der nur durch Zufall von uns getrennt wurde.

Ach! wie bald wurden diese jungen und edelmüthigen Gefühle zu Schanden. Ich bin während meines ganzen Lebens viel unter Engländern umhergeworfen worden, – ich achte viele sehr, – einer von ihnen gehört sogar zu meinen besten Freunden, – und ich habe in diesem Königreiche persönlich mehr erfahren als kalte Aufmerksamkeiten; dennoch kann ich mich nicht eines einzigen Mannes erinnern, der mir darum herzlicher und offener die Hand gereicht hätte, weil ich ein Amerikaner bin. Das Band einer gemeinschaftlichen Abstammung scheint zwischen ihnen und uns gänzlich zerrissen; und wenn ich mir Freunde unter ihnen erwarb, so habe ich allen Grund zu glauben, es geschah eher, trotz dem ich ein Amerikaner, als weil ich einer bin. Andere meiner Landsleute sagen mir dasselbe, und ich bin fest überzeugt, Niemand betritt das Land von unserer Seite her, der nicht erst die mit seiner Geburt in Verbindung stehenden Vorurtheile zu überwinden hat, bevor ihm mit andern Fremden gleiche Rechte gestattet werden. Noch ehe drei Monat vergehen, werden wir abermals Gelegenheit haben, dies zu bemerken.

Als wir nach unserm Gasthof zurückkamen, fanden wir, daß uns das Einführen unserer Sachen einige Kosten machen würde, und daß wir uns persönlich auf der Polizei zu präsentiren hatten. Diese Ceremonie, die weit unangenehmer war als Alles, was wir bisher in Europa erfahren, eignete sich eben nicht dazu, uns das Gefühl der Heimath einzuflößen. Wir begaben uns selbst mit allen Kindern hin, und wurden gehörig einregistrirt. Ich will gerade nicht sagen, daß eine solche Maßregel unnöthig wäre; denn die Polizei zweier Residenzstädte wie London und Paris muß mit der größten Wachsamkeit verfahren; doch ist es mindestens immer höchst unmanierlich, eine solche Maßregel auch bis auf die Damen auszudehnen. In jeder andern Beziehung wurden wir mit Höflichkeit behandelt; und da das Gesetz damals noch neu war, so ist es leicht möglich, daß die Polizei-Agenten es zu wörtlich auslegten.

Madame – hatte für einige Kleider einen bedeutenden Eingangszoll zu zahlen, obgleich sie zu ihrer gewöhnlichen Garderobe gehörten. Solche Maßregeln mögen jedoch bei der Stellung dieser beiden Länder zu einander wohl nöthig sein; und es wird sich nicht gut thun lassen, einen Unterschied in dieser Beziehung zwischen Eingebornen aus jenem Lande und Reisenden zu machen. Ich habe allen Grund, günstig von den englischen Zollhäusern zu sprechen, die bei jeder Gelegenheit einen Geist der Liberalität, und bei zwei Fällen, wo ich Partei war, sogar eine großmüthige und anständige Gesinnung zeigten, welches mir bewies, wie richtig die Beamten den Geist ihrer Pflicht aufgefaßt hatten. In meinem Fall sind die Einkünfte dadurch nicht um einen Pfennig verringert worden, und man hat beiden Theilen viele unnöthige Umstände erspart.

Nachdem wir zu Mittag gegessen, welches ohne Servietten geschehen war – ein Umstand, den wir sogleich bemerkten – traf ich Vorbereitungen zur Weiterreise. Die französische Caleche war natürlich in Calais gelassen worden; Herr Wright gab uns jedoch eine ordentliche Postkutsche, die unser Gepäck und uns Alle bequem aufnahm. Dies Fahrzeug wich nur sehr wenig von den eigentlichen Schnellpostwagen ab.

Als diese Equipage bei uns vorfuhr, bekamen wir sogleich eine Idee von den Vorzügen, die das Reisen in England vor dem in Frankreich hat. Die Größe und das Gewicht der Postkutsche nöthigten mich, vier Pferde zu bestellen, welche auch alsbald in der Form von eben so vielen Vollblutsthieren erschienen, die nur – es ist wahr, – etwas am Widerrist gedrückt, sonst jedoch sehr muthig waren, und von zwei schlanken Postillons mit weißen Hüten, rothen Jacken und hohen Stiefeln geführt wurden.

Ich fragte nach dem Zustand der Straßen.

»Sehr schlecht, Sir,« rief Herr Wright, der eine wohlgenährte und sehr zufriedene Miene ohne den geringsten mürrischen Anflug hatte – »ganz vermodert, Sir.«

Ich war neugierig, eine vermoderte Straße zu sehen. Ich gab den Befehl zum Abfahren, und wir flogen in einem Trabe dahin, der den Ställen von Dover alle Ehre machte. Der Tag war rauh und windig, und die Burschen, von denen der älteste fünfzehn Jahr alt war, hingen bei einem Chausséehause große Mäntel über ihren Putz. Ich nahm die Gelegenheit wahr, um zu fragen, wann wir die vermoderten Straßen erreichen würden; man gab mir zur Antwort, daß wir uns bereits darauf befänden. Die Straße war gelegentlich mit Wasser bedeckt, und es befanden sich Löcher von höchstens zwei Zoll Tiefe darin; dies nannte man hier vermoderte Straßen. W– lachte darüber, und war neugierig zu hören, was diese Leute zu einer Straße sagen würden, die den Boden verloren hat, und deren es in Amerika so viele giebt.

Die Schnelligkeit, mit der wir uns bewegten, schien eben nicht groß zu sein, denn die Pferde liefen dem Anscheine nach mit der größten Bequemlichkeit; und dennoch legten wir den Weg zwischen Dover und Canterbury – etwa sechzehn englische Meilen – in anderthalb Stunden zurück. Hätte man dies mit französischen Pferden machen wollen, so würden sie während der ganzen Zeit nicht aus dem Stöhnen und Schnauben herausgekommen sein.

Die Straße war sehr schmal; sie folgte den natürlichen Windungen des Bodens, und glich in jeder Beziehung – die Vortrefflichkeit ausgenommen – unsern eigenen Landwegen. Es ist sonst nicht gewöhnlich, so wenig Raum zwischen den Einhegungen auf beiden Seiten des Weges zu finden, wie es hier fast überall auf dieser großen Heerstraße der Fall war. Die Gegend war petite, wenn Sie die Bedeutung eines solchen Wortes verstehen, womit ich enge Thäler, niedrige Hügel und begrenzte Aussichten bezeichnen will. Dies halte ich überhaupt für den vorherrschenden Charakter der englischen Gegenden, die ihre Schönheiten hauptsächlich ihrer Vollendung und einem gewissen Ansehen ländlicher Sauberkeit und Bequemlichkeit verdanken. Wir vermißten die Wälder Frankreichs, denn die Hecken boten um diese Jahreszeit keinen besondern Ersatz.

Canterbury liegt auf einer Ebene, und wir fuhren nach dem Gasthofe eines andern Herrn Wright. Wir hatten mit Einschluß von Dover und London vier Wirthe dieses Namens auf unserer Straße. Wir bestellten Thee, und er duftete uns recht heimathlich entgegen. Der summende Kessel, das vortrefflich geröstete Brod, das wohlriechende Getränk, das behagliche Kohlenfeuer und die vollkommene Sauberkeit jeglicher Sache waren nach so vielen vergeblichen Versuchen, diese Dinge in Frankreich aufzutreiben, höchst willkommen. Ich lobe mir ein französisches Frühstück, und einen englischen oder amerikanischen Thee.

Zweiter Brief.

Inhaltsverzeichnis

Dem Herrn Hauptmann W. B. Shubrick.

Canterbury. – Die Kathedrale. – Straße nach London. – Ankunft in London. – Englische Ordnung. – Yankee Doodle. – Logirhäuser.

Früh am nächsten Morgen, als ich aus dem Fenster sah, erblickte ich einen Herrn mit einer Jagdmütze und einem rothen Rock, der so eben im Hofe sein Pferd bestieg. Er hatte am Tage vorher in der Umgegend gejagt, und war dem Anscheine nach die Nacht über im Gasthofe geblieben. Bald darauf gingen wir, um die Metropolitankirche von England zu besehen.

Canterbury ist nicht eben ein Ort von Bedeutung, doch ist die Stadt sehr nett. Von Frankreich kommend fielen uns die Häuser als äußerst niedrig auf, obgleich es eigentlich ganz die nämlichen Gebäude sind, wie man sie überhaupt in den Landstädten trifft.

Burlington, Trenton, Willmington, Bristol, Chester u. s. w. werden Ihnen eine sehr richtige Idee von diesen kleinen Provinzialstädten geben, wie Baltimore – seine Nachtmützen abgerechnet – es von einer größern thun wird. Man sagt gewöhnlich, Boston gleiche mehr einer englischen Stadt, als irgend eine in Amerika; nach meiner Meinung ist jedoch die Aehnlichkeit bei Baltimore im Ganzen und bei Philadelphia in einzelnen Theilen größer. In diesem letzteren Orte finden sich ganze Stadtviertel, die man, wenn sie nicht so regelmäßig wären, für Theile von London nehmen könnte; obschon es wieder einige giebt, die nur ganz allein Philadelphia eigen sind. Was New-York anbelangt, so ist es ein vollständiger Trödelmarkt, auf welchem der schmutzige Putz der Damen von leichtfertiger Tugend neben den elenden Kleidern der Armuth ausgekramt liegen.

Als wir durch die Straßen von Canterbury gingen, leitete ich die Aufmerksamkeit meiner Begleiter auf die kleine Gestalt der Bewohner. Ich bin überzeugt, die Durchschnittsgröße der Menschen, die wir seit unserer Landung gesehen, betrug einen Zoll weniger als die Bewohner unserer Städte. Und dennoch befanden wir uns im Herzen von Kent, einer Grafschaft, die, wie die Engländer sagen, den schönsten Menschenschlag der ganzen Insel enthalten soll. Obgleich klein hatten die Leute doch einen gewissen bescheidenen Anstrich, der bei allen Manieren den Franzosen dieser Classe gänzlich abgeht. Madame – war über diese Eigenthümlichkeit bei ihrem eignen Geschlecht äußerst entzückt, und fühlte sich dadurch sehr an ihre Heimath erinnert. Selbst die Aermsten trugen auf den Straßen eine Art Hut, und die meisten jene rothen Mäntel, die unter den Frauen der Landleute in Amerika so gewöhnlich sind. Die Leute schienen in dieser Beziehung eine Mode aufgenommen zu haben, die bei uns seit vierzig Jahren schon nicht mehr gefunden wird.

Die Kathedrale von Canterbury ist eine schöne Kirche, ohne zu den besten ihrer Art zu gehören. Sie ist weder so reich, noch so groß wie einige, die man in England findet; und sie steht in dieser Beziehung den meisten Kirchen des Continents nach; dennoch ist es ein großes und edles Gebäude, dessen Länge über 500 Fuß beträgt. Gleich allen großen Kirchen in England ist diese Kathedrale frei von jenen elenden Anbauten, womit die Habgierigkeit der Geistlichen in Frankreich gewöhnlich diese Gebäude verunstaltet. Sie steht gesondert von allen übrigen Häusern auf einem grünen Platze. Schon dies war an und für sich ein großer Reiz im Vergleich mit dem schlechten Pflaster und Schmutz, den man auf der andern Seite des Canals gewöhnlich bei den Kirchen trifft.

Wir fanden den Official das Morgengebet im Chor abhalten. Es kam uns sonderbar vor, nach dem lateinischen Geplärre der wohlgenährten Priester in Frankreich unsern eigenen, schönen Gottesdienst einmal wieder in unserer Sprache zu hören, und wir wohnten ihm mit Ehrfurcht bei. Die englischen Kathedralen haben noch so viel von den alten Einrichtungen beibehalten, daß sie sogar noch ihre Capitel besitzen; anstatt der alten Säulengänge befindet sich jedoch, da die protestantischen Geistlichen verheirathet sind, rund um die Kirchen eine Reihe sauberer Häuser, worin sie mit ihren Familien wohnen. Ich glaube, man nennt diese Gebäude eine Close, ein Wort, welches wir in Amerika nicht gebrauchen, und das so viel wie Sackgasse bedeutet, da es keine Straße ist, die eine Passage gestattet.

Es ist mir stets seltsam vorgekommen, daß ein Mann von Bildung im Stande ist, eine dieser Sinecuren anzunehmen, darin zu essen, zu trinken, fröhlich zu sein, und fett und rund zu werden, und sich einzubilden, er diene Gott. Aber der Mensch gewöhnt sich an jegliche Abgeschmacktheit. Wenn Christus wieder auf Erden erschiene und seine Lehre von der Selbstverläugnung und Demuth predigte, so würden Diejenigen, welche diese Lehren nach den neueren Begriffen durchführen wollten, nicht allein für Narren gehalten werden, sondern man würde auch glauben, daß sie andere Leute für eben so schwachköpfig wie sich selbst hielten; aber die Zeit hat die Mißbräuche geheiligt, welche durch Habsucht und Unwissenheit eingeführt wurden.

In der Kathedrale von Canterbury ist Becket ermordet worden: hier stand sein Altar, und er war Jahrhunderte lang das Ziel frommer Pilgerfahrten; er verdiente die Heiligsprechung, auf den Stufen des Altars erschlagen worden zu sein. Thomas Becket, bekannt unter dem Namen Thomas von Canterbury, und berühmt durch die Rolle, die er unter Heinrich II. Regierung spielte, ist 1119 geboren, und wurde 1170 zu London durch vier englische Edelleute am Altar seiner Kirche ermordet, weil er sich als Bischof den Unwillen des Königs zugezogen hatte. Anm. d. Uebers. Die Kirche enthält außerdem noch viele andere Merkwürdigkeiten dieser Art; doch Beschreibungen solcher Sachen sind gewöhnlich sehr überflüssig.

Nachdem wir den größten Theil des Vormittags mit dem Besehen von Merkwürdigkeiten hingebracht, tranken wir Thee à l'Anglaise und reisten weiter. Der Weg führte uns durch Rochester, Sittingbourne, Chatham, Gravesend und Woolwich. Die Entfernung betrug nur fünf und funfzig englische Meilen, und wir kamen mindestens durch fünf Städte, welche durchschnittlich 10,000 Einwohner hatten. Obgleich das Wetter sehr windig und rauh war, so sah ich doch fortwährend aus dem Kutschenfenster, und setzte mich lieber dem markerstarrenden Februarwinde aus, als daß ich einen merkwürdigen Gegenstand versäumt hatte, an dem unser Weg vorüberführte. Im Laufe des Morgens sahen wir eine Gesellschaft berittener Herren mit einer Kuppel Hunde durch ein Runkelrüben-Feld jagen; was sie jedoch eigentlich verfolgten, konnten wir nicht entdecken.

Sie wissen wahrscheinlich, daß Sheerneß am Medway eine der größten Seestationen Englands bildet. Wir kamen nicht unmittelbar durch diese Stadt, doch bildet Chatham fast einen Theil derselben. Der Fluß lag voller Schiffe, so wie die Themse bei Gravesend. Die meisten Fahrzeuge an diesem letzteren Orte waren Fregatten, die alle in Reihen lagen, und gut im Stande zu sein schienen.

Es ist bei den Postillons in England eine Ehrensache, auf den Straßen alle Schnellposten hinter sich zu lassen. Zu diesem Zweck haben sie auch schon ganz andere Pferde, – Thiere, die besser auf den Füßen als bei Leibe sind. Gewöhnlich haben diese auch eine geringere Last zu ziehen, und daher wird es den Postillons leicht, ihrer Ehre zu genügen. Die ruhige, ernste Weise gefiel mir, mit welcher man nach der Erreichung dieses Hauptzweckes strebte. Doch wurde dabei Alles sorgfältig vermieden, was die Absicht eines Wettrennens hätte verrathen können.

Der furchtbare Shootersberg hatte keine Schrecken mehr, und was Blackheath anbetrifft, so sah es mehr einem grünen Dorfplatz als einer Wüste ähnlich. Die guten Chausseen, die Schnelligkeit der Pferde und mehr als Alles dies, die Creditbriefe haben Wegelagerer und Straßenräuber zu einer sehr seltenen Erscheinung in England gemacht; Anfälle dieser Art findet man jetzt häufiger in Frankreich, wo sich vor kurzer Zeit mehrere Beispiele ereignet haben. Ein einziger Straßenräuber soll beim Mondenschein eine Diligence geplündert haben! Diese Geschichte ist so abgeschmackt, daß man wünscht, sie möchte wahr sein.

Indem man auf diesen herrlichen Straßen in vollständiger Sicherheit alle Stunde zehn bis elf englische Meilen zurücklegt, wird man unwillkürlich an Fieldings Gemälde mit den Fuhrleuten, den buntscheckigen Passagieren und den Wegelagerern erinnert.

Bald erreichten wir die zerstreut liegenden Vorstädte von London. Ich kann Ihnen keine richtige Idee von dem Wege geben, den wir durch die Stadt nahmen; er führte uns jedoch durch eine Reihe von Straßen, die mit Häusern aus schmutziggelben Backsteinen besetzt waren, bis wir plötzlich die Waterloo-Brücke erreichten. Nachdem wir diese passirt hatten, bogen wir nach dem Strand ein, und wurden beim Hotel von Madame Wright in der Adamsstraße, Adelphi abgesetzt. Vierzig Jahre früher würden wir uns hier in Bezug auf Hotels in der Mitte der »fashionablen Welt« befunden haben, wohingegen wir jetzt schon im äußersten Thule wohnten.

Der Strand läuft, wie sein Name schon andeutet, mit dem Fluß parallel, und zwar nicht in allzu großer Entfernung von seinem Ufer, so daß zwischen ihm und dem Fluß ein Raum zu einer großen Anzahl von kurzen Straßen bleibt. Die meisten derselben sind eigentlich nur Plätze, da sie an der einen Seite keinen Ausgang haben; und sie enthalten die meublirten Wohnungen, in denen es einem feinen Manne allenfalls noch gestattet ist, sich einzumiethen. Als ich jedoch einem meiner Freunde erzählte, daß wir in Adams-Street abgestiegen wären, sagte er mir, wir hätten auf keinen Fall östlich von Charing Croß gehen sollen. Hierauf gaben wir jedoch nicht eben viel, und wir erquickten uns sehr bald an dem vortrefflichen Thee der Madame Wright.

Ein großer Vorzug Englands ist die unvergleichliche Ordnung, worin Alles gehalten, und die vortreffliche Weise, womit Alles verrichtet wird. Man sieht keine gesprungene Tasse, keinen Milchtopf mit einer abgebrochenen Tülle, kein dünnes, abgeschliffenes Messer, keine Gabel, an der ein Zinken länger wäre als der andere, keine Kutsche mit einer zerbrochenen Scheibe, keine verbogene Feuerzange oder Schaufel, kein Messer, das nicht schneidet, keinen Zucker in Stücken zu groß für den Gebrauch, keinen ungebürsteten Hut, keine Diele mit einem Astloch, keine lärmende Diener, keinen zerrissenen Klingeldraht, kein Fenster, das nicht zu öffnen oder zu schließen geht, keine zerbrochene Fensterscheibe, noch irgend ein Ding, welches der Reparatur bedürfte. Natürlich sieht diese Dinge nur der nicht, welcher Geld hat. In Frankreich trifft man die Hälfte dieser Unordnungen bei seidenen Vorhängen und großen Spiegeln, wenn gleich er sich in dieser Beziehung auch mit jedem Tage bessert. Wir in Amerika hingegen bauen in einem ungeschickten Maßstabe, meubliren mit vielen Kosten, und nehmen zu Auskunftsmitteln unsere Zuflucht, wenn die Sachen anfangen, schlecht zu werden. Wir sind in dieser Beziehung nicht so übel, wie die Irländer es sein sollen; wer jedoch darauf besteht, die Sachen genau so zu erhalten, wie sie eigentlich sein müssen, wird gewöhnlich für höchst unvernünftig gehalten, ganz besonders etwas tiefer im Lande hinein. Wir begnügen uns damit, die Verdienste eines gewissen Comforts anzuerkennen, ohne jedoch etwas zu thun, uns diese zu erwerben. Es fehlt uns an Dienern, und die mechanischen Arbeiten sind zu theuer. Der niedrige Preis hat mich überrascht, zu welchem man sich in diesem Lande häusliche Bequemlichkeiten aller Art verschaffen kann; und ich bin überzeugt, die gewöhnlichsten Erzeugnisse der englischen Manufacturen kosten den Konsumenten in Amerika das Dreifache des eigentlichen Preises.

Am zweiten Abend unseres Aufenthaltes in London traten einige Straßenmusikanten unter unser Fenster, und brachten uns eine Musik. Sie hatten mehrere Sachen vergebens gespielt, denn ich lag auf dem Sopha und las; endlich gelang es ihnen aber dennoch, mir eine halbe Krone aus der Tasche zu locken, indem sie plötzlich unser Volkslied » Yankee Doodle!« anstimmten. Auf jeden Fall hat John Bull erfahren, daß wir uns auf dieses Lied etwas einbilden. Sie können sich unmöglich die Wirkung vorstellen, die es hier in den Straßen von London auf mich machte, obgleich wir beide es früher unzählige Male mit der größten Gleichgültigkeit hörten. Mir ist später von einem Musiklehrer erzählt worden, es sei eine deutsche Melodie. Er spielte sie mir vor, jedoch mit einem Takt und Ausdruck, der ihren Charakter vollständig veränderte. Die Engländer haben wenig eigene Nationalmelodien; ihre meisten Lieder sind alten deutschen Volksliedern nachgebildet; sie lieben keine andere Musik als den Klang des Goldes.

Ich kann Ihnen nicht sagen, wie viel meublirte Zimmer und Häuser London enthält; doch ist ihre Anzahl ganz unendlich groß. Man kann sie zu allen Preisen und mit jeglichem Grade von Comfort und Eleganz haben. Der Andrang der Menschen nach der Stadt ist während der Saison so groß, daß es Zeiten giebt, wo man durchaus keine Wahl hat; wir waren jedoch noch früh genug gekommen, um uns eine Wohnung nach unserm Sinn aussuchen zu können. In einer Sache wurde ich sehr getäuscht. Die Engländer sind unbestritten in allen Dingen, die sich auf ihre Häuser beziehen, ein äußerst reinliches Volk; und dennoch sind die meublirten Wohnungen von London im Allgemeinen nicht immer so nett, wie die von Paris. Hieran mag wohl der Gebrauch der Steinkohlen Schuld sein. Nachdem wir einen ganzen Tag damit zugebracht, Zimmer zu besehen, hatten wir kaum einige gefunden, die uns reinlich genug vorkamen. Am nächsten Morgen sah ich mich in einem neuen Stadtviertel um, wo es uns etwas besser erging; doch trafen wir die Spuren der Heizung mit Steinkohlen überall.

Wir mietheten endlich ein kleines Haus am St. James-Platz, einer schmalen, kleinen Sackgasse, die mit der Straße gleiches Namens in Verbindung steht, und dem Schloß und den Parks ganz nahe liegt. Wir haben ein kleines, ganz einfach meublirtes Wohnzimmer, ein Eßzimmer und drei Schlafzimmer mit dem Gebrauch der Küche, wofür wir täglich eine Guinee bezahlen. Die Leute im Hause kochen für uns, gehen für uns auf den Markt, und reinigen unsere Zimmer, während unsere eigenen Leute uns bedienen. Außerdem bezahle ich für jede Heizung noch einen Schilling, und da wir an jedem Tage drei Heizungen nöthig haben, so macht dies wöchentlich auch noch eine Guinee. Dies war, wie Sie sich erinnern müssen, während der sogenannten Saison; zu einer andern Zeit würde man vielleicht dasselbe Haus für das halbe Geld zu miethen bekommen.

Viele Leute miethen diese meublirten Hauser jahrweis, und noch mehr vierteljahrweis. Ich bemerkte mit Erstaunen, daß sich die Häuser in unserer Nähe allmählig mit Leuten von Stand füllten, welches ich an den Equipagen erkannte, die täglich vor den Häusern hielten, und Kronen an den Kutschenschlägen hatten. Vielleicht mehr als die Hälfte der Pairs der drei Königreiche wohnen, wenn sie in der Stadt sind, auf diese Weise, und ich glaube, nur sehr Wenigen gehören die Häuser, in denen sie wohnen. Selbst in den Fällen, wo das Haupt einer großen Familie ein Haus in der Stadt besitzt, wohnen der Erbe und die jüngern Kinder, wenn sie verheirathet sind, selten in demselben; denn die englischen Gewohnheiten sind in dieser Beziehung den französischen gerade entgegengesetzt.

Es ist eine große Annehmlichkeit, ein Haus ganz allein zu besitzen, das vollständig meublirt ist, und welches man zu allen Zeiten nach Belieben bewohnen oder verlassen kann. Fänden sich in unsern Städten dergleichen meublirte Wohnungen und Häuser, so würden sich hunderte von Familien veranlaßt fühlen, den Winter in ihnen zu verleben, die jetzt nur darum auf dem Lande bleiben, weil sie eine Abneigung haben, sich dem Gewirr eines theuren Gasthofes auszusetzen. Wir sollten aus einem doppelten Grunde solche Häuser einrichten – wenigstens in New-York, – und zwar um jährlich zwei Saisons, nämlich eine Winter- und eine Sommersaison zu haben. Unsere eigenen Leute würden sie während des ersten Theils des Jahres bewohnen, und die südlichen Reisenden während der warmen Jahreszeit. Die Einführung solcher Häuser würde auch einen vortheilhaften Einfluß auf unser Benehmen haben, welches jetzt durchaus nur mittelmäßig zu nennen ist, da sich unsere Leute eigentlich nur heerdenmäßig zusammenhalten. Die großen Gasthöfe, welche sich überall in Amerika erheben, sind nicht allein in Bezug auf Bequemlichkeit und Anstand sehr zu verwerfen, sondern sie tragen auch offenbar dazu bei, den geselligen Ton zu verderben. Es sind nichts als gesellige Leviathane.

Dritter Brief.

Inhaltsverzeichnis

Dem Herrn Richard Cooper Esq. in Cooperstown.

Eine Londoner Saison. – Liebe zum Reisen. – Empfehlungsbriefe. – Doppelgängigkeit. – Besuchsliste. – Unterredung mit Herrn Godwin. – Seine Meinungen. – Eine literarische Dame. – Herr Rogers. – Amerikanische Aussprache. – Haus des Herrn Rogers. – Wohnungen an den Parks. – Bibliothek des Herrn Rogers. – Der Bildhauer Chantrey.

Eine Londoner Saison dauert so lange wie die Sitzung des Parlaments, wenn nicht die Politik länger währt, als die Sucht nach Zerstreuung. Dies ist absolut richtig, da beide Häuser zuweilen ganz unerwartet zusammenberufen werden; die gewöhnlichen Verwaltungsgeschäfte des Landes beginnen jedoch bald nach Weihnachten, und ziehen sich mit einer Erholungszeit um Ostern bis zum Juni oder Juli hin. Diese Eintheilung scheint uns unnatürlich; von den wenigsten Nationalgebräuchen ist man jedoch im Stande, die Ursachen anzugeben. Die Jagd nimmt den Herbst und die ersten Wintermonate ein, und ihr folgen die Weihnachtsfeierlichkeiten; denn das Land ist während des Winters, abgesehen von seinen Vergnügungen, in England weniger wüst, als in irgend einem anderen Lande der Erde, – das Grün ist vielleicht selbst schöner als in den warmen Monaten; und London, ein höchst unangenehmer Aufenthalt vom November bis zum März, ist äußerst reizend vom April bis zum Juni.

Die Regierung befindet sich ausschließlich in den Händen der höheren Classen, und diese bewohnen einen Theil der Stadt, in welchem man die Schönheiten des Landes weit weniger vermißt, als in den meisten anderen Residenzen. Das Westende hat so viele Parkanlagen und Gärten und so viel Plätze, daß in Folge seiner geschützten Lage und der hohen Cultur die Vegetation in Westminster nicht nur früher hervorkeimt, als in den vorliegenden Feldern, sondern auch dem Auge und dem Gefühl reizender erscheint. Die Herren reiten sehr fleißig des Morgens aus, und die Damen fahren in den Parks umher, die eben so angenehm sind, wie ihre Landsitze.

Die Saison hat nach und nach immer länger gedauert, obschon Bath, Brighton, Cheltenham und andere Badeörter immer noch zu Anfange des Winters die Müßigen anziehen. Seit dem Frieden haben die Engländer nach dem Monat Juni den Continent immer sehr besucht; denn Paris, die deutschen Bäder und die Schweiz sind fast eben so leicht zu erreichen, wie ihre Güter. Man macht es für die höheren Classen in England zu einem Gegenstand des Vorwurfs, daß sie so viel im Auslande wohnen; ohne jedoch von dem theuren Leben in ihrem Vaterlande und dem gezwungenen geselligen Zustande zu reden, – zwei starke Gründe, welche eine Menge Leute zu reisen veranlassen, – so bilde ich mir ein, daß wir es eben so machen würden, wenn wir in einem so kleinen Lande zusammengedrängt wären, welches so gute Straßen hat, daß man es in achtundvierzig Stunden von einem Ende zum andern durchfliegen kann, und dem alles auswärtige Schöne so nahe liegt. Reisen schadet Niemand, und es hat den englischen Charakter auffallend verbessert.

Einige Tage nach unserer Ankunft in London fragte mich ein englischer Freund, ob mir die Belebtheit der Straßen, und besonders das Gewirr der Equipagen nicht auffielen. Da ich von Paris kam, so war dies durchaus nicht der Fall; denn während des ganzen März ist es in der französischen Hauptstadt lebhafter als in London.

Wie gewöhnlich, so kam ich auch diesmal ohne einen Empfehlungsbrief nach London. Es mag unrecht sein; doch habe ich in dieser Beziehung niemals den Widerwillen dagegen überwinden können, einen direkten Anspruch auf persönliche Höflichkeiten zu machen. Ich glaube während meines ganzen Lebens, so viel ich auch gereist bin, kaum ein halbes Dutzend Empfehlungsbriefe abgegeben zu haben. Ich bin von ihrer Nothwendigkeit vollkommen durchdrungen, wenn man nämlich bemerkt werden will; doch recht oder unrecht, ich habe es lieber vorgezogen, unbemerkt zu bleiben, als andere Leute in Anspruch zu nehmen, die man vielleicht dadurch belästigt.

Die gedankenlose und unzarte Weise, auf welche man in Amerika Empfehlungsbriefe verlangt und ertheilt, haben vielleicht meine Abneigung gegen dieselben erweckt oder befördert. Kurz vor meiner Abreise von Amerika trug sich ein kleines, mit diesen Dingen in Verbindung stehendes Ereigniß zu, das auf keine Weise meine Abneigung schwächte, mir von Fremden Höflichkeiten zu erbitten. Ich war zufällig gegenwärtig, als man sich auf eine ganz unschickliche Weise an den Sohn eines unserer Gesandten in Europa wendete, und ihn um Empfehlungsbriefe an seinen Vater bat. Ueberrascht zu sehen, daß man eine solche Bitte erfüllte, wurde mir nie gesagt, dies werde abgeschlagen; jedoch seien zwischen Vater und Sohn gewisse Zeichen verabredet, die nur auf die Empfehlungsbriefe derer gesetzt würden, welche man in der That zu recommandiren wünschte.

Diese hassenswürdige Doppelzüngigkeit war allein durch die Gewohnheiten eines Landes entstanden, dessen Bewohner so sehr geneigt sind, ihre Privilegien zu verkennen. Die Gewohnheit der Willfährigkeit führt in der Politik zur List, und in der Moral zur Verstellung. Mancher wird sagen, dieser Fall sei eine Folge der Demokratie; er schmeckt jedoch mehr nach einem aristokratischen Kunstgriff; und für einen solchen waren Vater und Sohn gemacht. Der Demokratie ist bei diesem Ereigniß kein anderer Vorwurf zu machen, als daß sie sich auf eine so plumpe Weise täuschen läßt.

Ich hatte in Paris die Bekanntschaft des Hrn. William Spencer gemacht, eines Mannes, der in England als der Verfasser von » A Year of Sorrow« »Ein Jahr des Kummers.« und von mehreren kleinern Gedichten bekannt ist. Als er meine Absicht, London zu besuchen, erfuhr, erbot er sich freiwillig, mir Empfehlungsbriefe an einen großen Kreis literarischer und fashionabler Freunde mitzugeben. Indem ich meine zurückgezogene Lebensweise vorschützte, versuchte ich, ihn dahin zu vermögen, sich die Mühe des Schreibens zu ersparen; mich nicht verstehend, beharrte er jedoch darauf, sich auf diese Weise freundlich gegen mich zu beweisen. Seiner bekannten Faulheit eingedenk, dachte ich weiter nicht mehr an diese Sache, als sich am Tage meiner Abreise dieser Herr bei mir einfand. Statt der Briefe übergab er mir eine Liste mit den Namen derjenigen seiner Bekannten, deren Umgang er mir verschaffen wollte, und ersuchte mich, nur nach meinem Eintreffen in London Karten bei ihnen abzugeben, da er seine mir versprochenen Empfehlungsbriefe selbst an diese Leute schicken wollte. Ich steckte die Liste in meine Tasche, und hielt, wie Sie sich denken können, diese Einrichtung für äußerst sonderbar. Es fanden sich auf derselben die Namen von einigen Leuten, deren Bekanntschaft ich gern gesucht, wenn die Schicklichkeit es nur gestattet hätte, unter andern die von Rogers, Campbell, Sotheby, Lord Dudley u. s. w.

Unter diesen Umständen bezog ich ruhig das Haus auf dem St. James-Platz, durchaus nichts von der sogenannten Gesellschaft erwartend, und zufrieden, von der englischen Hauptstadt so viel zu sehen, wie sich der Außenseite abgewinnen läßt, so wie meinen gewöhnlichen Beschäftigungen nachgehen zu können. Diese Einrichtung war um so weniger zu beklagen, da wir in London die unwillkommene Nachricht von dem Tode des Herrn von – vorgefunden hatten. Es war daher der Wunsch Ihrer Tante, so zurückgezogen wie möglich zu leben.

Während die Sachen auf diese Weise standen, begab ich mich eines Morgens zu einem Buchhändler, bei welchem sich die Amerikaner gewöhnlich einfinden; und man sagte mir zu meinem Erstaunen, mehrere von den Herren, deren Namen auf Spencers Liste standen, seien hier gewesen, um sich nach mir zu erkundigen. Dies sah so aus, als hätte er wirklich geschrieben; und dieser Güte von seiner Seite und einem ungeschickten Mißverständniß, nach welchem man glaubte, ich sei der Sohn eines Engländers desselben Namens und des Titels Ihres Großvaters, verdanke ich fast alle Bekanntschaften, die ich in England machte, von denen mehrere der Art waren, daß es mir unbeschreiblich leid gethan haben würde, wenn ich sie versäumt hätte.

Der erste Besuch, den ich bekam, – die des kleinen Zirkels unserer Landsleute ausgenommen, – stellte sich vierzehn Tage nach unserer Niederlassung am St. James-Platze ein. Ich war eben mit Schreiben beschäftigt und achtete nicht besonders auf den Namen, als man ihn meldete; da ich den Mann jedoch für einen Geschäftsmann hielt, befahl ich, ihn hereinzulassen. Ein kleiner alter Mann erschien im Zimmer; wir standen uns fast eine Minute gegenüber, uns nur ansehend, ohne ein Wort zu sagen, – er, wie er mir später erzählte, um irgend eine Aehnlichkeit mit meinem vermeinten Vater zu entdecken, – und ich, darüber nachdenkend, wer diese kleine Person wohl sein möchte. Sein Kopf war ziemlich kahl, und das ihm noch gebliebene Haar schneeweiß. Er hatte ein wohlwollendes Gesicht und eine frische Farbe, überhaupt war sein Kopf schön. Nachdem er mich einen Augenblick angesehen und meine Ungewißheit bemerkt hatte, sagte er ganz einfach:

»Ich bin Herr Godwin. Ich kannte Ihren Vater, als er in England lebte; und da ich hörte, daß Sie sich in London befanden, bin ich ohne Umstände gekommen, Sie zu besuchen.« Nachdem ich meine Freude ausgedrückt, seine Bekanntschaft auf irgend eine Weise gemacht zu haben, gab ich ihm zu verstehen, daß hier ein Irrthum obwalten müsse, da mein Vater niemals in England gewesen. Dies führte zu einer Erklärung; dann nahmen wir Platz, um mit einander zu plaudern. Er war sehr neugierig, etwas über amerikanische Literatur zu hören, mit der man, wie ich bald entdeckte, in England äußerst unbekannt ist. Er wünschte ganz besonders zu wissen, ob wir einen Dichter hätten.

»Ich habe etwas von Dwight, Humphrey und von Barlow gehört,« sagte er, »doch kann ich eben nicht sagen, daß nur irgend einer von ihnen mir sehr gefallen hätte.«

Ich lachte und erzählte ihm, wir hätten jetzt bessere Dichter aufzuweisen. Er bat mich, irgend etwas herzusagen, und wenn es auch nur ein einziger Vers wäre. Er hätte sich nicht leicht an einen schlechteren Declamator wenden können; denn mein Gedächtniß reicht eben hin, Thatsachen zu behalten, für welche es ziemlich treu ist; doch habe ich nie vermocht, jemals ein Citat anzuführen. Da er eine kindische Begierde zeigte, nur mindestens ein Dutzend Verse zu hören, so versuchte ich, etwas aus »Bryant,« und etwas aus »Alnwick Castle« herzusagen, welches ziemlich meinen ganzen Vorrath an Poesie erschöpfte. Die geringe Achtung, welche er vor unserer Dichtkunst bewies, ergötzte mich nicht wenig; ich las deutlich auf seinem Gesicht – »aus Amerika kann nichts Gutes kommen.«

Herr Godwin saß über eine Stunde mit mir, und während der ganzen Zeit unterhielten wir uns über Amerika, seine Aussichten, Literatur und Politik. Es war nicht möglich, trotz der liberalen Tendenz seiner Schriften zu glauben, daß er günstig für das Land gestimmt sei; denn aus allen seinen Begriffen blickte Vorurtheil, verbunden mit einigen schlauen und halb richtigen Bemerkungen hervor. Er hatte in seinem Betragen fast eine ländliche Einfachheit, die man, wie ich glaube, eben so sehr der niedrigen Sphäre, in der er gelebt hatte, als seinem Charakter zuschreiben muß; denn der Theil seines Betragens, der nicht ungeschickt war, schien nur das Ergebniß seines Verstandes zu sein, während noch genug übrig blieb, was Mangel an Lebensart verrieth. Diesen Eindruck hat er wenigstens auf mich gemacht, und nichts als meine Eindrücke theile ich Ihnen mit.

Da Herr Godwin eine lange Zeit hindurch sich eines großen Rufes erfreut hat, und die Engländer von Rang die Gewohnheit haben, literarischen Männern Aufmerksamkeit zu erweisen – (wenn gleich auf eine eigenthümliche Weise) –, so kann ich nur vermuthen, daß die Tendenz seiner Schriften, welche der Aristokratie durchaus entgegen ist, ihn um den Genuß der Vortheile brachte, die gewöhnlich mit literarischem Ruf verbunden sind.

Es würde sehr anmaßend sein, zu behaupten, bei einer Unterredung von einer halben Stunde die Tiefen eines Charakters ergründet zu haben; doch lag in dem Benehmen von Herrn Godwin etwas, das mich vollkommen von der Aufrichtigkeit seiner Philosophie und von dem redlichen Bestreben überzeugte, seinen Mitmenschen zu nützen. Mir war mehrmals während seines Besuchs zu Muthe, als müßte ich ihm seinen kahlen Kopf streicheln und zu ihm sagen – »Du bist ein guter Mann.« Ich kann mich in der That keines Menschen erinnern, der mir in einer so kurzen Zeit so vollständig den Eindruck eines Philanthropen gemacht hätte; und dies rein nach seinem Aeußern, denn er war gänzlich frei von Verstellung und Charlatanerie. Diese Meinung drang sich mir fast gegen meinen Willen auf, da sich Herr Godwin so entschieden gegen uns aussprach, daß ich ihn durchaus nicht für einen Freund halten konnte. Er hielt uns mehr für ein speculirendes als ein speculatives Volk, und dies ist kein Charakter, den ein Philosoph besonders achtet.

Obgleich ich den Besuch des Herrn Godwin nur einem Mißverständniß verdankte, so machte ich ihm doch nach einigen Tagen einen Gegenbesuch, und fand ihn unter seinen Büchern, wo er mit großer Einfachheit lebte. Bei dieser Gelegenheit zeigte er dieselben bereits erwähnten Eigenthümlichkeiten und dasselbe Mißtrauen gegen die »Zwölf Millionen.« Vielleicht hat ihm mein Vater eben keine günstige Schilderung von uns gemacht.

Wenige Tage später erhielt ich eine Einladung zu einer Abendgesellschaft, die ein literarischer Mann gab, mit welchem ich schon oberflächlich bekannt war. Bei dieser Gelegenheit sagte man mir, eine in der literarischen Welt etwas bekannte Dame wünsche mich kennen zu lernen; natürlich hatte ich nur vorzutreten und mich ihr vorstellen zu lassen.

»Ich hatte das Vergnügen, Ihren Vater zu kennen,« sagte sie, sobald ich meine Verbeugung gemacht hatte. Herrn Godwin und seinen Besuch vergessend, entgegnete ich, sie sei demnach wahrscheinlich in Amerika gewesen. Dies war nicht der Fall; sie wollte meinen Vater in England gesehen haben.

Ich sagte ihr hierauf, sie verwechsele mich mit einem Andern, da mein Vater ein Amerikaner sei, und sein Vaterland niemals verlassen habe. Dies brachte eine außerordentliche Veränderung in dem Gesicht und Betragen der Dame hervor, die von diesem Augenblick an kein Wort mehr mit mir sprach, ja mich kaum eines Blickes mehr würdigte. Da ihr erster Empfang ganz offen und verbindlich gewesen, und sie selbst die Bekanntschaft gesucht hatte, so hielt ich dies Betragen für etwas sehr entschieden. Ich kann mir die Sache nur dadurch erklären, daß ich annehme, ihre angeborne Abneigung gegen die Amerikaner habe plötzlich ihre gute Lebensart besiegt; denn die Dame konnte unmöglich glauben, daß ich mich nur vorstellte, um sie besonders zu unterhalten. Dies mag Ihnen sonderbar vorkommen; doch habe ich seit meinem Aufenthalte in Europa viele Beispiele erlebt, wo sich der Nationalhaß dieses Volkes auf eine eben so starke Weise aussprach. Ich führe diese Dinge nur an, weil sie zu sonderbaren Betrachtungen Anlaß geben.

Im Laufe derselben Woche erhielt ich durch die Aufmerksamkeit des Herrn Spencer einen abermaligen Besuch, der jedoch angenehmere Folgen hatte. Der Verfasser der » Pleasures of Memory« »Die Freuden der Erinnerung.« war auf dem St. James-Platz mein naher Nachbar, und, veranlaßt durch Herrn Spencer, suchte er mich sehr freundlich auf. Er war der erste von den Männern meiner Liste, der mir eine Visite machte, und Alles, was ich von dem innern Verkehr Londons gesehen habe, verdanke ich ihm. Er lud mich für den folgenden Morgen zu einem Frühstück ein.

Ich habe auf keinen Fall die Absicht, die vielfache Güte des Herrn Rogers dadurch zu vergelten, daß ich ihn und seine Freunde zum Gegenstand meiner Bemerkungen mache; in einem gewissen Grade muß er jedoch die Unbequemlichkeiten der Berühmtheit büßen; denn weder er, noch irgend Jemand hat das Recht, in einem so ausgesucht schönen Hause zu leben, und von Jedermann zu verlangen, den Mund darüber zu halten.

Die Entfernung von meiner Thür bis zu der des Herrn Rogers betrug nur einen Schritt, und Sie können denken, daß ich mich zur verabredeten Stunde pünktlich einstellte. Ich fand bei ihm Herrn Carey, den Uebersetzer des Dante, und seinen Sohn. Die Unterhaltung während des Frühstücks war allgemein. Als sich das Gespräch zufällig auf Amerika gelenkt hatte, erzählte unser Wirth in seiner ruhigen und besonderen Weise einige literarische Anekdoten, denen er eine gute Wendung zu geben wußte. Man fragte mich, ob der Accent der Amerikaner sehr von dem der Engländer abweiche. Ich sagte, dies sei nicht so sehr der Fall in den Worten und in der Aussprache, als in der Betonung und Bedeutung gewisser Ausdrücke; trotz dem aber erklärte ich, nach einer Unterhaltung von fünf Minuten sogleich einen Engländer von einem Amerikaner unterscheiden zu können. Die beiden ältesten der anwesenden Herren bekannten sich außer Stand, in meiner Art und Weise zu sprechen, irgend etwas herauszufinden, wonach man mich für einen Fremden halten könnte; der junge Herr dachte jedoch anders. Er glaubte etwas Besonderes, etwas Provinzielles – er wußte selbst eigentlich nicht zu sagen was, in meiner Sprache zu finden. Ich hätte es ihm leicht sagen können – er vermißte etwas Londonsches.

Der junge Mann hatte jedoch in der Hauptsache Recht; denn ich hörte sehr wohl, daß meine drei Gefährten keine Amerikaner waren; und eben so konnten sie heraushören, daß ich nicht zu ihrem Stamme gehörte. Der Unterschied in der Aussprache zwischen Herrn Rogers und Carey und unsern Leuten von Erziehung aus den Mittelstaaten ließ sich – es ist wahr – kaum bemerken, oder erforderte, um bemerkt zu werden, ein feines Ohr und eine genaue Bekanntschaft mit neuen Ländern; der junge Mann konnte jedoch keinen Satz aussprechen, ohne seine Abkunft zu verrathen.