Erinner mich zu leben - Julia Beylouny - E-Book

Erinner mich zu leben E-Book

Julia Beylouny

4,8

Beschreibung

Brendas Leben ist so turbulent wie mancher Flug, den sie von Shannon nach Boston begleitet. Aber sie liebt ihren Job und ihre Freunde, die einer nach dem anderen heiraten. Als Brenda auf dem Weg zum Flughafen einen Anhalter aufgabelt und ihn mitnimmt, ahnt sie nicht, dass sich durch Bayless und die nächsten sieben Jahre ihr ganzes Leben für immer verändern wird. Wie sehr lohnt es sich, um seine Liebe zu kämpfen, und was bleibt am Ende übrig, wenn das Schicksal ganz andere Pläne hat? Schließlich muss Brenda eine Entscheidung treffen, bevor alles zu spät ist ... Erinner mich zu leben ist eine unabhängige Fortsetzung von Erinner mich an Liebe.

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Für Bernhard und Gisi.

Für den Kampf, den ihr kämpft und den Mut, den ihr beweist.

Für den Weg, den ihr geht und für das Ziel, das ein Wiedersehen ist.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Frühjahr 2009

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Dezember 2009

Januar 2010

März

Mai

Kapitel 15

Juli

Kapitel 16

August

Kapitel 17

2013

Kapitel 18

September 2015

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Mai 2016

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Bayless

Kapitel 26

Kapitel 27

Brenda

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Bayless

Kapitel 31

Kapitel 32

Brenda

Kapitel 33

Bayless

Kapitel 34

Brenda

Kapitel 35

Bayless

Kapitel 36

Kapitel 37

Brenda

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Heute, 2017

Prolog

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich meine Geschichte aufschreiben soll oder nicht. Aber nach allem, was im Sommer 2016 und in den sieben Jahren davor passiert ist, habe ich mich entschieden, es zu tun.

Mein Name ist Brenda – Nan – und eigentlich bin ich nur die Flugbegleitung.

Viele Menschen fragen mich, ob ich seit 9/11 keine Angst habe zu fliegen. Nein, habe ich nicht. Zu fliegen war immer mein Traum. Dort oben werden alle Probleme ganz plötzlich unwichtig. Große Dinge werden verschwindend klein und man lernt, seinen Blick zu weiten, ihn über den Horizont hinaus zu öffnen und man spürt, dass dort draußen noch so viel mehr, so viel Größeres ist, als wir uns je vorstellen können. Ich glaube, durch das Fliegen habe ich vergessen, was es bedeutet, sich vor etwas zu fürchten. Und spätestens seit Bayless, meinem allerbesten Freund und dem Mann, den ich sehr geliebt habe, weiß ich, dass es für alles im Leben eine Zeit gibt.

Eine Zeit zu lieben, eine Zeit loszulassen, eine Zeit zu finden, eine Zeit Wunden heilen zu lassen, eine Zeit zu leben und irgendwann eine Zeit zu sterben.

Kapitel 1

Frühjahr 2009

„Und du bist sicher, dass ihr nicht noch ein Zimmer frei habt?“, fragte Mary, die mit verschränkten Armen, Kaugummi kauend im Türrahmen lehnte.

„Wir haben kein Zimmer mehr frei. Und wasch dir gefälligst das Gesicht! Du bist dreizehn! Dieses bunte Zeug auf deiner Haut lässt dich wie einen Clown aussehen“, rief Brenda.

Mary rollte die Augen und knabberte an ihren schwarz lackierten Nägeln.

„Ach, komm schon, Nan! Ein Mauseloch wäre groß genug für mich! Bitte nimm mich mit! Das Leben mit diesen Idioten ist einfach nicht zu ertragen!“

„Redest du von mir, Schwesterherz?“, fragte Jimmy, der in dem Moment über die schmale Treppe nach oben kam und Mary an die Schulter stieß.

„Blitzdenker. Schön, dass du dich angesprochen fühlst.“

„Sei doch froh!“, erwiderte Jimmy. „Seit Nan ausgezogen ist, haben du und Kathleen mehr Platz in der Bude. Das ist wahrer Luxus. Können Ian und ich von unserem Zimmer nicht gerade behaupten.“

„Wo hab ich bloß mein grünes Halstuch?“, fragte Brenda mehr sich selbst als ihre Geschwister. „Mom? Hast du mein Halstuch gesehen?“, rief sie so laut, dass es bis nach unten zu hören sein musste.

„Mom ist mit Kat beim Arzt“, erklärte Jimmy.

„Beim Tierarzt.“ Mary kicherte.

„Wo ist daran der Witz?“, wollte Brenda wissen und kramte in einer Schublade.

„Kat. Ihr Name ist Kat. Verstehst du das nicht? Klingt wie Cat. Katze. Mom ist mit der Katze beim Tierarzt.“ Wieder ließ Mary ihr Kichern hören.

Jimmy schlug ihr auf die Schulter.

„Du bist witzig!“, sagte er. „Du bist ein witziges, kleines Mädchen mit witzigen bunten Flecken im Gesicht.“

„Verzieh dich, du Idiot! Das meine ich, Nan! Mit denen ist es einfach unerträglich!“

„Hast du immer noch nicht dein Gesicht gewaschen? Mom sollte dich so nicht aus dem Haus lassen. Seit ich ausgezogen bin, geht es hier noch mehr drunter und drüber. Kommt mir echt so vor!“ Brenda zog ein kleines grünes Tuch aus der Schublade. „Na endlich! Ich wusste doch, dass es noch hier ist ...“

„Guten Flug!“, rief Jimmy im Weggehen über den Flur.

„Du hast es gut“, wimmerte Mary. „Du kannst hinfliegen, wohin du willst. Du bist frei. Und ich muss mein Dasein in diesem Elend fristen.“

„Ich kann hinfliegen, wohin ich will? Ha! Schön wär’s. Das sieht mein Chef echt anders.“

„Und wohin geht es heute?“, fragte Mary.

„München. Es ist mein letzter Flug bei Aer Lingus. Ich wechsle zu British Airways.“ Brenda band sich das Halstuch um und verlieh ihrer Uniform damit den letzten Schliff. „Sag Mom, dass ich hier war und dass sie mir die Schuhe zurückgeben soll! Ständig klaut sie meine Schuhe! Nur weil wir die gleiche Größe haben.“

„Ja, ja, ja ... Hau schon ab. Und lass mich in diesem Elend zurück.“

Brenda lachte, küsste ihrer Schwester im Vorbeigehen auf die Haare und lief die Treppe hinunter.

„Mach’s gut! Hab dich lieb, Mary!“

Draußen war es mild. Die Sonne schien an einem herrlichen Tag Ende April, und Brendas Vorfreude auf den Sommer ließ ihren Bauch kribbeln.

Sie ging die Straße hinunter, die parallel zum Fluss Shannon verlief. Zu ihrer Rechten lagen die kleinen Reihenhäuser in Rosa, Hellblau und Gelb gestrichen.

Limerick im Frühling war eine Idylle! Brenda schätzte sich glücklich, dort zu leben.

Man sagte den Limerickern nach, über ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein zu verfügen, weil ihre Stadt als einzige ganz Irlands nie erobert worden war.

Selbstbewusst; oh ja! Brenda lächelte in sich hinein, stieg in ihren Van und fuhr Richtung Flughafen. An einer roten Ampel riss das Klingeln ihres Handys sie aus den Gedanken.

„Hallo?“, fragte sie in die Muschel.

„Hey, ich bin’s, Jen!“, antwortete ihre Freundin. „Wo steckst du denn? Noch bei deinen Eltern?“

„Bemerkst du die Stille im Hintergrund?“, fragte Brenda und schwieg demonstrativ. „Wäre ich noch zu Hause, würdest du es hören, glaub mir!“

„Haha! Jetzt, wo du es sagst! Und? Dein letzter Flug heute, was?“

„Yep.“ Bloß nicht wehmütig werden, schoss es ihr durch den Kopf.

„Dann steigt heute Abend sicher noch eine Ausstandsparty?“

„Eher nicht, Jen. Aber du und ich könnten um die Häuser ziehen, was meinst du?“

Die Ampel hatte längst auf Grün umgeschaltet. Brenda befuhr die Dock Road und gab acht, ihre Ausfahrt nicht zu verpassen.

„Eine sehr gute Idee!“, rief Jen. „Ich weiß auch schon, um welche Häuser wir ziehen!“

„Um welche?“

„Das ist eine Überraschung. Nur so viel: jemand hat angerufen ...“

„Ach, Jen, ich hasse Überraschungen! Jetzt sag schon! Wer hat angerufen?“

„Du bist echt langweilig, weißt du das?“

„Ich bin vor allem jetzt gleich im Tunnel“, erwiderte Brenda.

„Könnte sein, dass der Empfang dann weg ist. Sag doch einfach, wer es war. Und um welche Häuser ziehen wir?“

„Es war Moira.“ Jen gab sich geschlagen. „Wir gehen heute Abend mit ein paar Leuten aus der Schule raus.“

Dann war der Empfang weg. Ein paar Leute aus der Schule. Brendas Magen zog sich zusammen. Sie warf ihr Handy auf den Beifahrersitz und dachte an Gesichter zurück, die sie seit mindestens einem Jahr nicht mehr gesehen hatte. An die Schulzeit, an die Clique von damals. Und an etwas, das sie nur noch vergessen wollte.

Der Hinflug nach München verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Brenda liebte ihren Job als Flugbegleiterin, und zu British Airways zu wechseln, würde sie vor neue Herausforderungen stellen, auf die sie sich freute. Ihre Freundin Jen und sie hatten nach der Schule die Ausbildung zur Stewardess bei Aer Lingus gemacht, und für Brenda war der Zeitpunkt gekommen, etwas Neues zu beginnen. Aber gerade jetzt fiel es ihr unglaublich schwer. Weil sie die letzte Schicht hatte. Die letzte Schicht bei Aer Lingus.

Die meisten der Passagiere waren Geschäftsleute, die den Linienflug nach München nutzten, um zu ihrem Arbeitsplatz oder nach Hause zu gelangen.

Auf dem Rückflug befüllte Brenda gerade den Trolley mit Snacks, als ihre Kollegin Anna in die Bordküche kam und sie ansprach.

„Oh, Nan, ich werde dich vermissen!“, gestand Anna. „Schade, dass du die Crew verlässt! Es hat so viel Spaß gemacht, mit dir zu arbeiten!“

„Danke, das ist lieb von dir“, antwortete sie. „Aber weißt du was? Wir laufen uns bestimmt mal auf irgendeinem Flughafen über den Weg, und dann trinken wir was! Oder wir treffen uns im Pub“, sagte Brenda und kontrollierte die Getränke im Trolley. Eine Routine, die ihr ganz automatisch von der Hand ging.

„Das machen wir auf jeden Fall!“, rief Anna.

„Ich freu mich auf meinen Einstand bei British Airways! Jedenfalls sage ich mir das die ganze Zeit wie ein Mantra vor, um nicht loszuheulen ... Hoffentlich haben die sich nichts Fieses für mich ausgedacht ... Das ist das einzige, worauf ich so gar nicht scharf bin.“

„Glaub ich dir aufs Wort! Darum beneide ich dich echt nicht“, sagte Anna. „Du musst mir unbedingt erzählen, wie es gelaufen ist, okay? Oder noch besser: Wie wär’s, wenn du dir was für die ausdenkst? Dreh den Spieß doch einfach um.“

„Hey, das ist keine schlechte Idee! Danke für den Tipp! Ich denk mal drüber nach.“

In Wahrheit dachte sie über den bevorstehenden Abend nach, um ihre Wehmut wegen des Jobwechsels zu verbannen. Sie dachte an die Schulfreunde, die sich blicken lassen würden.

Und daran, rechtzeitig zu verschwinden, bevor irgendjemand zu tief ins Glas schaute. Gott, wie lange hatte sie ihn nicht mehr gesehen ...

Oh, Iggy, du fehlst mir! Der Gedanke erschrak sie! So durfte sie nicht denken. Nie wieder!

„Wie geht es Jen?“, fragte Anna. Aus der ersten Klasse tönte Gelächter herüber.

„Was? Jen?“ Brenda ordnete ihre Gedanken.

„Ja, Jen. Hast du noch Kontakt zu ihr? Bestimmt, oder? Ihr wart doch immer so gut befreundet.“

„Ähm ..., ja klar und ob! Wir ... Wir haben eine WG gegründet. In Limerick.“

„Eine WG? Wow! Das ist toll! Bestell ihr liebe Grüße von mir. Was treibt sie denn jetzt so?“

„Das errätst du nie! Jen macht ein Redaktionsvolontariat bei Radio live 95! Als Quereinsteigerin, sozusagen.“

Anna fiel die Kinnlade herunter. Davon hatte sie nichts gewusst. Brenda schob den Wagen mit dem Catering in den Gang hinaus.

„Irre, was?“, rief sie Anna im Weggehen zu und zwang sich, weder an Iggy noch an den Abschied ihrer liebgewonnenen Kollegen zu denken.

Es war ein seltsames Gefühl, zum letzten Mal der Aer Lingus Flotte zu dienen. Zum letzten Mal im grünen Kostüm durch den Gang zu laufen, Stammgäste zu bedienen. Einige kannte Brenda seit ihrem ersten Flug. Seit ihrer Ausbildung. Ihr wurde schwer ums Herz, und als die Maschine in den Landeanflug ging und der Kapitän die üblichen Worte an die Fluggäste richtete, verdrückte sie eine heimliche Träne. Wieso hatte sie noch gleich wechseln wollen?

Man weiß den Wert einer Sache wohl immer erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat.

Genau wie Iggy.

„Leb wohl, und allzeit gute Reise“, sagte Anna, als sie sich voneinander verabschiedeten. „Und lass mal was von dir hören.“

„Versprochen!“ Brenda schniefte und spürte einen Kloß in ihrer Kehle.

Auch der Rest der Crew umarmte Brenda und wünschte ihr Glück, bevor sie ihren letzten Weg antrat und die Uniform abgab. Das war’s dann wohl. Sie schaute nicht zurück. Und sie redete sich ein, dass man an einem kleinen Flughafen wie Shannon immer irgendwelche bekannten Gesichter sah. Und so war es auch.

Gegen neun Uhr abends, parkte Brenda den Van vor dem blaugestrichenen Altbau und stieg aus. Farbe blätterte von der Hausfassade, die Fenster waren teilweise undicht, und im vergangenen Winter hatte es im Dachgeschoss reingeregnet.

Glücklicherweise waren Jen und Brenda nicht davon betroffen gewesen, sondern nur der arme Cole, der ganz oben wohnte. Und der hatte geschimpft wie ein Rohrspatz.

Die WG der Freundinnen lag im Erdgeschoss, und die Wohnung war erst vor einigen Jahren renoviert worden. Ein zusätzlicher Pluspunkt war der großzügige Balkon, der raus ins Grüne und auf den Shannon River zeigte.

Brenda ging auf den Hauseingang zu, während der Rollkoffer ihr polternd über das Straßenpflaster folgte. Der Trolley enthielt ihre Habseligkeiten aus dem Spind. Sie hatte alles herausgenommen, um die Sachen durchzuschauen und auszutauschen, bevor sie am Montag bei BA anfing.

Als sie die Wohnungstür öffnete, schlug ihr eine Duschgel-Parfüm-Wolke entgegen. Jen sang, und aus dem Wohnzimmer tönte Radiomusik herüber.

„Hallo, ich bin zurück“, rief Brenda, legte ihre Garderobe ab und schlüpfte aus den Schuhen.

Jen tapste aus dem Bad, damit beschäftigt, sich Ohrringe anzulegen.

„Hey! Wie war dein letzter Flug? Und das Wetter in München?“, fragte sie.

„Traurig und Schneeregen.“

„Klingt ja sehr trist.“

„Das war es auch.“ Brenda hievte den Rollkoffer über die Türschwelle und lehnte ihn an die Wand. „Schöne Grüße von Anna. Sie konnte nicht glauben, dass du jetzt beim Radio bist.“

„Oh, danke! Da kommen Erinnerungen hoch ...“ Jen seufzte, und ihr Blick schweifte in die Ferne. Brenda warf sich in einen Sessel im Wohnzimmer und streckte ihre müden Glieder von sich.

„Bereust du deine Entscheidung manchmal?“, wollte sie von ihrer Freundin wissen.

„Dass ich in den Sack gehauen hab?“ Jen zuckte die Schultern. „Manchmal. So wie jetzt.“

„Bewirb dich wieder. Komm doch auch zu BA. Das wäre echt klasse! Du und ich – wie in alten Zeiten.“

„Vergiss es! Und jetzt auf mit dir“, rief Jen, und tippte auf die unsichtbare Armbanduhr an ihrem Handgelenk. „In einer halben Stunde kommen Moira und die Jungs und holen uns ab!“

„Na, herzlichen Dank, dass du mir dreißig Minuten zum Aufhübschen eingeräumt hast. Was, wenn der Flieger Verspätung gehabt hätte?“

„Keine Ahnung. Dann hätten wir dich wohl aus dem Flughafenklo gezerrt.“

Brenda ließ ihre langen blonden Haare offen, steckte den Pony mit einer Spange zurück und legte einen Hauch Make-Up auf. Während sie sich schminkte, stand Jen mit gekreuzten Armen im Türrahmen und sagte im Minutentakt die Zeit an.

„Wenn du nicht sofort damit aufhörst, brauche ich noch weitere dreißig Minuten, um mir die Stressflecken am Hals überzuschminken!“, schimpfte Brenda. Jen lachte.

„Soll ich dir schon mal dein kleines Schwarzes raushängen?“, fragte sie.

„Nein. Ich ziehe den Jeansrock und dieses neue Oberteil an. Liegt auf dem Bett, und jetzt nerv mich nicht länger!“

„Schon gut, schon gut. Ich bin nur nervös, weil Lucius auch kommt. Und ich will beim ersten Treffen mit ihm nicht zu spät sein. Und das auch noch wegen dir.“

Das erklärte alles. Brenda konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Ich weiß noch, wie du Lucius immer gehasst hast“, rief sie, lief in ihr Zimmer und zog sich an. „Erinnerst du dich, als Iggy und er uns nach der Schule mal mit dem Auto seines Vaters mitgenommen haben? Und dann hat er diesem Typ die Vorfahrt genommen und ist ihm voll in die Karre gefahren! Hat das einen Ärger gegeben! Und du bist ausgestiegen und einfach abgehauen. Und ich konnte mich mit den Jungs und der Polizei rumschlagen.“

„Ja, ich erinnere mich.“ Jen, die ihr gefolgt war, musterte sie. Viel zu lange. Und plötzlich wusste Brenda, wieso sie das tat. Sofort war ihre gute Laune dahin.

„Na los, komm her“, sagte Jen und streckte die Arme aus.

„Ich seh es dir doch an.“

„Schon okay. Danke. Nicht nötig.“ Brenda schluckte die Erinnerung an Iggy herunter, stand vor dem Spiegel, strich ihr enganliegendes Oberteil glatt und bemerkte, dass sie schon wieder abgenommen hatte. „Zu dumm aber auch. Muss am Catering liegen. So langsam hängt mir dieser Flughafenfraß aber auch zum Hals raus.“

„Lenkst du etwa vom Thema ab?“

„Ich freu mich, dass du Lucius jetzt nicht mehr hasst. Irgendwie hab ich schon immer gefunden, dass ihr gut zusammenpassen würdet.“

„Oh Mann, Nan!“ Jen zog ein trauriges Gesicht. „Du könntest mir glatt leidtun. Wenn du Biest es nur nicht selbst verschuldet hättest. Tja, was soll ich sagen? Irgendwie hast du es verdient.“

Brenda schmiss einen Pullover in Jens Richtung und knurrte.

„Raus aus meinem Zimmer!“

„Bin schon weg!“ Jen flüchtete lachend über den Flur.

„Weißt du zufällig, ob er auch kommt?“, rief Brenda ihr nach.

„Wer? Iggy?!“

„Nein! Sean!“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Hast du sie noch alle?

Wie kannst du nur! Echt, du hast es nicht besser verdient, Nan!“

Kapitel 2

„Wohin fahren wir?“, fragte Brenda, als sie in ihren Van stiegen. Wegen der sieben Sitze hatten die Freunde beschlossen, das geräumige Auto zu nehmen.

„Flannerys Bar“, erklärte Moira, die sich zwischen Ira und Jude Mackenzie auf die Rückbank quetschte. Brenda war erleichtert, dass es die Leute waren, die sie schon immer gemocht hatte. Sie fragte sich, wieso sie wegen des Abends so nervös gewesen war. Vermutlich hatte sie befürchtet, es würden ausschließlich Iggy und Sean kommen.

„Das ist mit Abstand mein Lieblingspub“, fuhr Moira fort.

„Er ist rustikal und modern zugleich und liegt am zentralsten. Klasse, dass es heute Abend klappt und ihr alle spontan Zeit hattet! Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.“

„Ja“, sagte Dylan, der sich einen der beiden Notsitze im Kofferraum ausklappte, während Jen den Beifahrersitz für sich beanspruchte. „Wir haben uns lange nicht gesehen. Bin gespannt darauf, was ihr alle so treibt.“

„Okay, dann anschnallen, bitte.“ Brenda fuhr los und musterte ihre beste Freundin aus den Augenwinkeln. Jen trug ein olivgrünes Etuikleid, das ihre helle Haut und die kupferfarbenen Haare zum Ausdruck brachte. Sie sah wunderschön aus.

„Und Lucius stößt dann im Flannerys zu uns?“, wollte Brenda wissen.

„Ja“, erwiderte Moira, „hat er zumindest gesagt.“

Jude und Dylan unterhielten sich über das letzte Fußballspiel. Limerick hatte haushoch gegen die Shamrock Rovers verloren, aber wen interessierte das schon?

Brenda freute sich, die Mädels wiederzusehen. Vor allem Ira, Judes Zwillingsschwester. Sie war direkt nach dem Abi für ein Jahr nach Australien gegangen, um dort ein Praktikum in einem meeresbiologischen Institut zu absolvieren, und war erst vor kurzem zurückgekommen. Darüber wollte Brenda gern mehr erfahren. Und sie hätte eine Gesprächspartnerin, für den Fall, dass Moira und Jen sich an Dylan und Lucius schmissen.

Das Flannerys war gut gefüllt. Es war Freitag, und an den Wochenenden war die halbe Stadt plus Touristen auf den Beinen. Zudem spielte eine Live-Band. Die sechs Freunde bahnten sich einen Weg durch die schmale Tür, an der Bar vorbei und in den hinteren Teil des Pubs, wo Moira einen Tisch reserviert hatte.

„Hoffentlich findet Lucius uns hier ...“, flüsterte Jen Brenda zu.

„Hey, du bist ja richtig nervös!“, rief Brenda und lachte.

„Sei still!“, schimpfte Jen und knuffte ihr in die Seite.

Sie setzten sich und bestellten Drinks, als die Live-Band The Wild Rover anstimmte. Brenda musterte ihre Schulfreunde.

Kaum einer von ihnen hatte sich im letzten Jahr groß verändert. Vielleicht waren sie alle ein bisschen erwachsener geworden.

„Ich hab gehört, du bist Flugbegleiterin, Nan“, rief Ira in ihre Richtung.

„Ja, das stimmt. Jen und ich haben die Ausbildung bei Aer Lingus gemacht, und ab Montag fange ich bei British Airways an.“

„Und wie kommt es, dass Jen jetzt beim Radio ist?“ Ira klimperte neugierig mit den Augenlidern. „Das hab ich zumindest gehört.“

„Die Geschichte soll sie besser selbst erzählen!“ Brenda lachte und klopfte Jen auf die Schulter. „Das wird sie ein bisschen auf andere Gedanken bringen, bis Lucius endlich auftaucht.“

„Sehr witzig!“ Jen brummte und lief rot an.

„Na los, ich will die Story auch hören!“, rief Jude und nahm einen Schluck Guinness.

„Na, meinetwegen“, sagte Jen. Sie beugte sich vor, dass alle sie hören konnten und begann zu erzählen. „Vor etwa einem halben Jahr hatten wir den Flug nach München. Das Briefing verlief gut, laut Wettervorhersage war mit keinen größeren Turbulenzen zu rechnen. Naja und dann – irgendwo über Frankreich – gerieten wir in eine Schlechtwetterfront. Ich kann euch sagen, so was hatte ich noch nie erlebt! Die Maschine rappelte, polterte und rumpelte. Der Kapitän befahl uns, hinzusetzen und anzuschnallen. Sämtliche Notleuchten blinkten. Mir wurde übel, und als ein Blitzschlag eines der Triebwerke ausfallen ließ und die Fluggäste vor Angst schrien, da sagte ich zu mir: ‚Jen, wenn du das hier heile überstehst, dann packst du deine Sachen und verschwindest! Du bist gerade mal zwanzig und kannst weiß Gott besseres mit deinem Leben anfangen, als es jeden Tag zu riskieren.‘ Naja. Wie ihr seht, habe ich es heile überstanden. Und ich habe meine Sachen gepackt. Und das Schlimmste, was mir bisher im Sender passiert ist, war, dass ich mir eine Tasse Kaffee über die Schuhe gekippt habe. Es waren welche von Gucci, wohlgemerkt. Aber – ich habe es überlebt.“

Alle lachten. Jen hob ihr Glas und nahm einen kräftigen Schluck Bier.

„Sláinte!“

„Hey“, rief Brenda. „Wie ihr seht, habe ich auch überlebt! Und diese Geschichte war nicht mal halb so spektakulär, wie Jen sie erzählt hat! Es hat ein bisschen geregnet. Nicht mehr und nicht weniger. Und deswegen hatte Jen die Hosen voll!“

„Pass bloß auf, was du sagst, sonst ...!“

„Guten Abend“, unterbrach eine Stimme Jens Drohung. Alle schauten auf. Jen hielt die Luft an. Lucius war kaum wiederzuerkennen. Aus dem kleinen, schmächtigen Teenager war ein gut gebauter, durchtrainierter Mann geworden. Moira rutschte augenblicklich auf, um ihn auf die Couch zu lassen. Alle begrüßten ihn, und als die Gespräche irgendwann leiser wurden und sich auf die jeweiligen Sitznachbarn beschränkten, lehnte Brenda sich zurück, um der Band zu lauschen.

Einer der Jungs kam ihr bekannt vor. Er hatte wohl mal einen Gig mit ihren Brüdern Jimmy und Ian gespielt. Wie gern hätte sie jetzt mit Ira über Australien gesprochen. Nur leider saß die am anderen Ende des Tisches und plauderte angeregt mit Dylan. Brenda ließ ihren Blick durch die Menge schweifen und plötzlich traf sie der Schlag.

„Ignatius Sullivan“, murmelte sie vor sich hin.

„Was sagtest du?“, fragte Jen, die sich gerade mit glühenden Wangen von Lucius abwandte.

„Er ist hier“, flüsterte Brenda und klammerte sich an den Arm ihrer Freundin.

„Wer ist hier? Sean?“

„Nein! ... Iggy!“

„Was? Wo denn? Ich seh ihn nicht.“ Jen reckte den Kopf nach allen Seiten.

„Was ... Was soll ich denn jetzt machen?“ Brenda konnte den Blick nicht von ihm lassen. Es kam ihr vor, als müsste sie seinen Anblick, seine Mimik, seine Gestik in sich aufsaugen, um sich an all die lustigen Jahre mit ihm zu erinnern. An alles, was sie gemeinsam erlebt hatten.

„Ach, da!“, rief Jen und hatte ihn an der Bar ausgemacht.

„Mit wem sitzt er denn da? Kennst du die?“

„Wen?“, fragte Brenda. „Er ist doch nicht mit dieser ... dieser Schnepfe hier, oder?“

„Sieht aber ganz danach aus. Wer ist das?“

Brenda schluckte. Jen hatte recht. Iggy war nicht allein. Er saß am Tresen, neben ihm eine gut aussehende Frau. Sie lachten, flirteten und tranken Drinks.

„Oh, seht mal, da drüben sitzen Iggy und Fiona McMilton“, rief Jude, der offensichtlich in die gleiche Richtung schaute. Brenda schlug sich die Hände vors Gesicht.

„Fiona McMilton! Oh, mein Gott! Die aus der Parallelklasse.“

„Wollen wir ihn zu uns rüber holen?“, fragte Dylan und war schon im Begriff, aufzustehen.

„Nein.“ Jen winkte ab. „Lasst ihn ruhig schön da sitzen. Die beiden sehen so nach Zweisamkeit aus.“

Brenda knuffte ihr in die Seite.

„Autsch!“, protestierte Jen. „Hallo? Ich rette dir gerade den Hintern! Also hör auf, mich zu boxen!“

„Lass uns abhauen, ja?“, flüsterte Brenda ihr zu. „Bitte!“

„Bist du irre?“ Jen deutete mit den Augen zu Lucius hinüber.

„Ich lass mir das von dir nicht versauen! Kapiert? Außerdem sind wir mit deinem Wagen hier, schon vergessen? Willst du gleich alle zu Fuß nach Hause laufen lassen?“

„Ja. Es ist mir egal, wie die nach Hause kommen.“

„Was treibt Iggy eigentlich?“, fragte Moira in die Runde. „Ich hab ihn ewig nicht mehr gesehen.“ Sie lachte so laut, dass Brenda fürchtete, Iggy könnte zu ihnen herüberschauen. Aber er hatte wohl nur Augen für Fiona.

„Er studiert Medizin in Dublin“, sagte Lucius. „Am Royal College of Surgeons.“

„Er studiert Medizin“, flüsterte Brenda Jen zu. „Das war schon immer sein Traum. Wow. Er hat es echt geschafft.“

„Und du hast alles kaputtgemacht“, antwortete Jen. „Tja. Jetzt schaust du dumm aus der Wäsche. Das hättest du dir wirklich mal früher überlegen sollen. Anstatt ihn jetzt so anzuschmachten.“

„Ich schmachte ihn nicht an!“

„Nein! Natürlich nicht.“

„Wieso bist du immer so gemein zu mir?“, rief Brenda.

„Kannst du endlich damit aufhören? Ich hab ihn verloren und damit die Rechnung gezahlt, okay? Verzeih mir einfach! Immerhin bist du meine beste Freundin und musst mich nicht ständig an mein schlechtes Gewissen erinnern.“

Der Abend war gelaufen. Je enger Jen und Lucius aneinander klebten, je vertrauter Moira und Dylan miteinander umgingen, desto einsamer und verratener kam Brenda sich vor. Sie wechselte von Cola zu Bier und irgendwann von Bier zu Baileys. Sie wollte gerade das Glas an ihre Lippen setzen, als jemand seine Hand darauf legte.

„Ich glaube, das reicht jetzt. So kannst du nicht mehr fahren, Nan.“

Sie schaute auf und entdeckte Judes Gesicht vor ihren Augen.

„Was ist los mit dir?“, fragte er und setzte sich zu ihr.

„Lass mich in Ruhe, Jude. Geh und amüsier dich. So wie all die anderen hier.“

„Ich amüsiere mich“, sagte er mit einem Lächeln. „Es ist amüsant, dir beim Trinken zuzuschauen. Also. Was ist los mit dir?“

„Ich fühle mich schrecklich.“

„Ja, das ist offensichtlich.“

„Kannst du noch fahren? Jude? Würdest du den Van fahren?“

„Klar, ich fahre den Van.“

„Das ist sehr edel von dir.“

„Ist es wegen Iggy?“, fragte er.

Wieso war er so hartnäckig? Er kannte die Geschichte doch. So wie alle. Brenda schwieg.

„Etwa immer noch wegen damals?“

„Ach, verdammt, Jude. Er fehlt mir! Das tut er wirklich.“

„Dann habt ihr keinen Kontakt mehr?“

„Nein.“ Brenda trank von ihrem Baileys. „Ich habe ihn seit der Sache mit Sean nicht mehr gesehen. Und außerdem jetzt das da!“, rief sie und zeigte mit der flachen Hand in Richtung Iggy und Fiona.

„Verständlich.“

„Hör zu, Jude, ich will nicht mehr darüber reden, okay? Es reicht schon, wenn Jen mich täglich damit nervt. Ich weiß, dass ich schuld an der Sache bin, und glaub mir, es gibt keine Minute, in der ich nicht bereue, was ich getan habe. Aber es lässt sich nicht mehr rückgängig machen.“

„Wenn es dir so wichtig ist, wieso sprichst du nicht mit ihm?“, fragte Jude.

„Deswegen“, sagte Brenda, und deutete mit ihrem Glas erneut zum Tresen hinüber, wo Iggy und Fiona sich gerade küssten. „Selbst wenn er mir verzeihen würde, der Zug ist abgefahren.“

So war es nun mal. Und das wusste auch Jude.

Später am Abend verschwand Fiona in der Damentoilette, während Iggy die Rechnung bezahlte. Die meisten Gäste hatten den Pub verlassen, da schaute er in ihre Richtung. Beim Anblick seiner alten Schulfreunde lächelte Iggy. Bis zu dem Moment, als er Brenda entdeckte, ihre Blicke sich begegneten und sein Lächeln erstarb. Für wenige Sekunden, die ihr wie eine Ewigkeit erschienen, sah er in ihre Augen. Brenda konnte nicht in Worte fassen, was ihr dabei durch den Kopf ging. Ob er sie auch vermisste?

Iggy, der kleine Junge in den blauen Shorts, der an ihrer Tür klingelte und mit ihr Fangen spielen wollte. Iggy, ihr Spielkamerad, mit dem sie auf die Obstbäume im Garten ihrer Großeltern kletterte. Iggy, der ihr während der Matheklausur heimlich Spickzettel zusteckte. Iggy, der beste Freund der Welt! Iggy, der im Schultheater den Romeo spielte, als Brenda die Julia mimte. Iggy, der erste Junge, der sie je geküsst hatte.

Iggy, der ihr in einer lauen Vollmondnacht seine Liebe gestand. Iggy, den sie ausgenutzt, belogen und betrogen hatte. Die Sekunden waren verstrichen. Fiona kehrte von der Toilette zurück. Er reichte ihr die Handtasche, sie drehten sich um und verließen den Pub.

Auf der Rückfahrt hatte Brenda den Beifahrersitz eingenommen. Jude fuhr den Van, während die anderen hinten drin saßen, sangen und kicherten.

„Die Idee mit dem Karaoke war genial, Moira!“, rief Ira.

„Und euer Duett erst, Lucius und Jen! Ich sehe da großes Potenzial!“

Irgendwer erwiderte was. Lucius hatte den zweiten Notsitz im Kofferraum mobilisiert und jetzt war der Van bis zum Anschlag mit lustigen Menschen gefüllt. Naja, nicht ganz. Brenda war zum Heulen zumute.

„Alles okay mit dir?“, fragte Jude.

„Hm-hm.“

„Du bist so still. Ich fand es jedenfalls schön, euch alle mal wiederzusehen. Das sollten wir öfters machen.“

„Nur zu.“

„Hey.“ Er stieß sie mit dem Ellenbogen an. „Er ist ganz sicher nicht jedes Wochenende hier. Wo er doch in Dublin studiert. So oft wird er dir also nicht über den Weg laufen.“

„Sag mal, Jude, seit wann bist du denn so ein Frauenversteher?“, fragte Brenda und sah ihn schräg von der Seite an.

„Na, ich war immerhin neun Monate lang mit einer Frau im Bauch einer Frau. Glaub mir, diese Zeit hat mich sehr geprägt.“

Brenda lachte und vergaß ihren Frust für den Moment.

„Geht doch.“ Jude zwinkerte ihr zu.

Brenda begann zu singen: „Better, better, better, better! Woah!“

Gleich darauf antworteten die anderen von der Rückbank: „Na, na, na, nananana, hey Jude!“

Und alle lachten. Oh, wie sie ihre Freunde in dem Moment liebte!

Kapitel 3

„Und wie ist es da so?“, fragte Kathleen, bevor sie sich ein großes Stück Torte in den Mund schob. „Üch meine, bei den Brüten.“

„Mann, friss nicht so!“, schimpfte Mary und rollte die Augen.

„Außerdem wird es ab zehn Gramm undeutlich.“

„Hör auf, sie ständig anzukeifen, Mary!“, intervenierte Mom.

„Wenn du glaubst, die guten Manieren mit Löffeln gefressen zu haben, muss ich dich leider enttäuschen.“

„Du meinst, wie es mir bei British Airways gefällt, Kat?“, fragte Brenda und schenkte sich Kaffee nach. Es war der Geburtstag ihres Vaters. Eine ganz normale Tischkonversation, wie es sie zwischen sich liebenden, pubertierenden Geschwistern eben gab.

Kathleen nickte.

„Mir hat die grüne Uniform besser gefallen“, gestand sie.

„Ja klar! Sie hat auch wegen der Farbe den Job gewechselt!“ Mary knabberte an ihren blaulackierten Fingernägeln.

„Mom! Sag ihr, sie soll mich in Ruhe lassen!“ Kathleen war den Tränen nahe. Sie war elf. Eigentlich konnte sie sich sehr gut gegen ihre ältere Schwester behaupten. Aber nur, wenn Mom gerade nicht in der Nähe war. Wenn Mom da war, ging Kat vollkommen in der Rolle des kleinen, behüteten Nesthäkchens auf.

„Heulsuse!“, rief Mary und stand vom Tisch auf.

„Mary, rauf in dein Zimmer!“, sagte Mom mit strengem Ton.

„Wieso bin ich jetzt schuld? Nur weil die so stopft und mit vollem Mund redet?“

„Mary!“

Brenda zwinkerte Kathleen zu und während Mom und Mary in eine Grundsatzdiskussion verfielen, erklärte Brenda ihrer kleinen Schwester, dass es ihr bei der neuen Fluggesellschaft sehr gut gefiel. Trotz dunkelblauer Uniform.

„Cool! Ich will auch mal Stewardess werden!“, rief Kat.

„Ich dachte, du willst in unserer Band mitsingen“, sagte Ian, ohne von dem Gitarrenkatalog aufzusehen, in dem er gerade blätterte.

„Kann ich doch auch. Wenn ich gerade mal nicht fliegen muss.“

„Wenn du meinst.“

„Apropos Band“, sagte Jimmy und erhob sich feierlich. „Ian und ich würden dir gern ein Ständchen bringen, Dad.“

„So?“ Dad schaute von der Tageszeitung auf. Brenda schmunzelte und fragte sich, wie abwesend er wirklich war, wenn er sich in die News vertiefte. Manchmal kam es ihr vor, als würde er gewisse Dinge absichtlich überhören.

„Ja. Ian hat was geschrieben. Extra für dich.“ Jimmy grinste.

„Oh, das ist aber sehr gescheit von dir, Ian!“ Mom griff nach Dads Hand und lächelte. „Dann lasst doch mal hören.“

Die Jungs rührten mit ihrem Gesang alle zu Tränen. Ian war der ruhigste von den Geschwistern. Mit seinen sechzehn Jahren war er sehr vernünftig und ehrgeizig. Wenn Jimmy für die Musik verantwortlich war, dann war Ian es für die Songtexte.

Die beiden hatten den Bogen echt raus, und Brenda war von Stolz erfüllt. Während sie dem Ständchen lauschte, versank sie in Gedanken.

Sie war jetzt bereits seit fünf Wochen bei der BA und hatte sich gut eingelebt. Die Crew passte, die Arbeitszeiten passten und Brendas Traum hatte sich erfüllt, auch Ziele außerhalb Europas anzufliegen. So wie morgen. Da war sie für Shannon – Boston eingeteilt. Wie jeden Freitag.

„Pass auf dich auf, Liebes“, sagte Mom, als ihre Eltern am Abend in der Tür standen und Brenda verabschiedeten. „Melde dich bitte, wenn ihr gelandet seid.“

„Du weißt aber schon, dass ein gewisser Zeitunterschied zwischen Boston und Limerick besteht, Mom, ja?“

„Ist mir egal. Ich will wissen, dass du gut angekommen bist.“

„Also gut, versprochen!“ Brenda winkte und stieg in ihren Wagen.

Es war spät, als sie die Wohnungstür aufschloss. Brenda gähnte und bemerkte den Zettel am Schlüsselkasten. Das war der Ort, an dem Jen und sie wichtige Mitteilungen hinterließen.

Bin unterwegs. Mit Lucius. Es wird spät. Falls wir uns morgen früh nicht mehr sehen, guten Flug! Bis Samstag! HDL, Jen

Seit dem Treffen mit ihren Schulfreunden waren Jen und Lucius ein Paar. Brenda freute sich für die beiden. Für sich selbst aber nicht. Sie kam sich überflüssig vor, manchmal sogar störend. Jen schwebte in anderen Sphären und war kaum noch in der WG.

Mit einem müden Seufzer ließ Brenda sich aufs Sofa fallen. Sie wollte noch nicht schlafen gehen. Ihre Gedanken kreisten um Iggy. Ob er dieses Wochenende in Limerick war? Ob er noch mit Fiona ausging? Das hätte sie gern gewusst. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und klickte sich durchs Telefonbuch. Seine Nummer war noch immer darin gespeichert.

Für ein paar Sekunden kreiste Brendas Daumen über der grünen Taste. Wieso sollte sie ihn nicht einfach anrufen? Es würde gut tun, seine Stimme zu hören. Und wenn es nur ein Hallo war. Um der alten Zeiten willen. Ob er seit dem Abend im Pub genauso oft an sie dachte wie sie an ihn?

„Ach, verdammt, Brenda!“, rief sie und raufte sich die Haare.

„So kann das nicht weitergehen! Ruf ihn an oder lass es! Aber entscheide dich!“

Eine SMS. Sie könnte ihm eine unverbindliche, kleine SMS schicken. Weiter nichts.

Hey, tippte sie. Löschte es wieder und tippte es erneut. Es war schön, dich wiederzusehen. Im Flannerys. Wenn du mir irgendwann verzeihen kannst ... Ich würde gern mit dir reden. Nan Immer wieder las sie die Zeilen. Abschicken oder nicht? Ja oder nein? Was würde er denken, wenn er ihre Nachricht las?

War das albern? Brenda haderte mit sich selbst. Dann schloss sie die Augen und drückte auf die Senden-Taste.

Es war abgeschickt. Schnell warf sie das Handy neben sich aufs Sofa und versuchte, sich mit dem vor sich hin dröselnden Fernsehprogramm abzulenken. Ein Blick auf die Uhr. Es war nach elf am Abend. Wahrscheinlich schlief Iggy schon, weil er früh morgens raus musste um ... um ... Was genau tat man im Medizinstudium? Leichen sezieren?

Ein Joghurt tanzte über den Fernsehbildschirm, rollte durch das Wohnzimmer, um einem schlanken Sportler zu entkommen. Er wollte sich lieber von einem kleinen Jungen essen lassen, der dafür seine No-Name-Schokolade beiseite schob.

Was für ein lebensferner Scheiß!, dachte Brenda und stellte sich ihre Schwester Mary vor, die die Wahl zwischen Schokolade und einem Joghurt hatte.

Brendas Handy piepte. Sie erstarrte. Iggy hatte die Nachricht gelesen. Und geantwortet. Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Telefon und klickte sich zur SMS. Dabei raste ihr Herz.

Cool! Kannst du so lassen. Echt mutig, dass du den Schritt auf ihn zu wagst!

„Was?!“ Brenda fixierte das Display. Es dauerte einen Moment, bis sie begriff. Dann schlug sie wütend auf ein Kissen ein und heulte verzweifelt. Wie dumm konnte man sein und eine SMS mit geschlossenen Augen abschicken? Vor allem, weil J im Alphabet direkt nach I kam! Sie hatte die Nachricht nicht an Iggy sondern an Jude verschickt ...

So ein Mist! Jetzt nur keine Schwäche zeigen. Jude schien das ganz locker zu sehen.

Okay, tippte sie. Danke für deine Hilfe!

Auf keinen Fall würde sie sich die Blöße geben und ihm sagen, dass sie sich vertan hatte!

Immer wieder gern ;), kam von Jude zurück.

Brenda kaute auf ihrer Unterlippe herum. Jude tippte gleich noch eine Nachricht:

Und, wo steckst du gerade? Malediven? Im kalten Grönland?

Ich bin zu Hause, antwortete sie. Morgen früh geht’s nach Boston.

Wow! Du Glückliche! Ich bin noch nie weiter als bis England gekommen. Dann gute Reise und lass mal hören, wenn’s was Neues von Iggy gibt.

Brenda lächelte. Was für ein neugieriger Kerl! Aber schließlich war es ihre Schuld, dass er jetzt Bescheid wusste.

Mach ich! Gute Nacht, Jude.

Dann verschickte sie die ursprüngliche Nachricht an Iggy, schaltete das Handy aus und ging zu Bett. Die Aufregung um die falsch verschickte SMS hatte Brenda den Rest gegeben.

Was immer Iggy auch antworten würde; sie war todmüde.

Und vielleicht war es sogar ein cleverer Schachzug, nicht sofort zu antworten.

Der nächste Morgen war durchwachsen. Sonne und Regen wechselten sich ab, hin und wieder frischte der Wind auf. Iggy.

Brenda erstarrte. Sie traute sich nicht, auf ihr Handy zu schauen, verkroch sich unter der Bettdecke und fragte sich, ob er geantwortet hatte. Dann stand sie auf, nahm eine Dusche, packte ein paar Dinge für das Hotel in Boston ein und kochte sich einen Kaffee. Iggy. Sie sollte dringend auf ihr Handy schauen. Wo steckte Jen bloß? Sie hätte ihr beistehen können.

Aber von Jen war keine Spur. Entweder war sie schon sehr früh aus dem Haus gegangen oder erst gar nicht heimgekommen. Woran Lucius sicher nicht unschuldig war.

Ach, so ein Mist!, dachte Brenda und schaltete ihr Handy ein.

Ein Piepen kündigte eine neue Nachricht an. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die SMS und las Iggys Antwort von gestern Abend: Verzeihen ja, reden nein.

Sie las noch einmal. Und noch einmal. Beim ersten Mal mit Entsetzen. Beim zweitem Mal mit Enttäuschung. Beim dritten Mal mit Wut im Bauch.

„Idiot!“, sagte sie zu ihrem Handy. „Dann eben nicht!“

Brenda verbrannte sich die Finger am Wasserkocher, trat gegen die Fußleiste der Einbauküche und weinte. Das war nicht Iggy! Das war nicht ihr Iggy! Wieso sagte er so was?

Verzeihen ja, reden nein. Das war nicht seine Art! So kalt, so herzlos. Irgendwas stimmte nicht. Hatte Fiona die Nachricht gelesen und eine Antwort getippt?

Egal; sie hatte es versucht und würde sich später nicht vorhalten können, untätig geblieben zu sein. Es war Zeit für einen Neuanfang! Irgendwo da draußen gab es jemanden, der auf sie wartete und der es gut mit ihr meinte. Und das war weder Iggy noch Sean!

Brenda stürzte entschlossen ihren Kaffee runter, schnappte sich Rollkoffer und Wagenschlüssel und zog die Tür hinter sich zu.

Sie war viel zu früh dran. Das Briefing war erst in zwei Stunden angesetzt. Also nahm sie die Landstraße und ließ sich viel Zeit dabei, Iggy ein für alle Mal zu vergessen. Genau genommen waren sie quitt. Sie hatte ihm wehgetan, und er hatte ihr wehgetan. Er hatte es mit Fiona überwunden, und sie ... würde es auch überwinden.

Zum Beispiel mit dem da, schoss es ihr durch den Kopf, als sie in einiger Entfernung einen jungen Mann ausmachte, der am Straßenrand stand und trampte. Er schien in ihrem Alter zu sein, hatte leichtes Gepäck und einen Gitarrenkoffer dabei.

Auf den ersten Blick sah er ziemlich gut aus! Auf den zweiten Blick drosselte Brenda ihr Tempo, hielt auf seiner Höhe an, ließ das Fenster herunter und rief: „Hey, wohin soll die Reise denn gehen?“

Er musterte sie kurz, dabei fielen ihr seine grünen Augen auf.

„Vergiss es“, sagte er, und lief weiter über den Seitenstreifen.

Brenda stutzte. Waren denn plötzlich alle Männer zu dämlichen Mutanten geworden?

„Was soll das heißen?“, rief sie ihm nach. „Machst du jetzt einen auf Anhalter oder nicht?“

Ach, er konnte ihr auch schnuppe sein! Es würde jeden Moment anfangen zu regnen, und dann würde er schon sehen, wo er blieb!

„Ich fahre nur mit einem Mann mit“, erklärte er. „Nicht, dass es am Ende heißt, ich hätte irgendwen belästigt oder so. Ich will einfach nur keinen Stress. Nimm’s nicht persönlich.“

„Ach, du Scheiße! Soll das ‘ne Diskriminierung sein?“ Der hatte echt Nerven! „Vielleicht belästige ich dich am Ende!“, rief Brenda.

Er grinste, während die Regenwolken fast bis auf den Asphalt herabhingen.

„Also, was jetzt?“, fragte sie. „Letzte Chance.“

„Fährst du zum Flughafen?“

„Könnte sein, dass er auf meinem Weg liegt.“

„Na, meinetwegen“, sagte er.

Brenda fuhr links ran, öffnete den Kofferraum ihres Vans und half ihm, seine Gitarre und den Rucksack zu verstauen.

Irgendwas an ihm gefiel ihr. Vielleicht seine warme Stimme.

Oder der Hauch von Freiheit, der ihn umgab. Er machte sie neugierig, und das schaffte nicht jeder Mann. Kaum saßen sie im Wagen, prasselte es los wie aus Kübeln.

„Da hat wohl jemand ein Händchen für perfektes Timing“, sagte er und schaute sie an.

„Wer weiß? Vielleicht bin ich dein Schutzengel“, erwiderte Brenda. „Wohin verreist du denn mit so spärlichem Gepäck?“

Er gefiel ihr wirklich. Und er war ganz anders als Iggy. Oder war es, weil er sie an den alten Iggy, an den von früher, erinnerte?

„Wieso spärlich? Meine Gitarre ist alles, was ich brauche. Und der Rucksack enthält den Rest meines Lebens.“

Wow! Ein beneidenswerter und unkomplizierter Mann. Und obendrein noch ein Musiker. Wie gern hätte sie ihn mal spielen hören. Ob Jimmy und Ian ihn kannten? Zeit, sich einander vorzustellen.

„Mein Name ist übrigens Brenda. Ich bin Flugbegleiterin.“

„Nicht im Ernst!“

Die Überraschung war ihr gelungen.

„Ich sagte doch, dass der Flughafen auf meinem Weg liegt.“

„Dann müsste ich ja fragen, wohin die Reise geht“, sagte er.

„Ich bin heute für Boston eingeteilt. Einen Tag Aufenthalt und zurück. Beneidenswert, oder? Ich freue mich jedes Mal auf den Jetlag.“

„Glaub ich dir aufs Wort.“

„Und du?“, fragte Brenda und folgte der Ausfahrt Richtung Flughafen. Die Scheibenwischer hatten Mühe, den Platzregen auf der Windschutzscheibe zu bewältigen. „Es wär nur fair, mir zu sagen, wohin du fliegst. Findest du nicht?“

„Weiß noch nicht. Ich bin da recht flexibel.“

„Wie bitte?“ Sie starrte ihn fasziniert an. „Soll das heißen, dass ...?“

„Ja. Ich fahre hin, zähle den vierten Flug auf der Tafel runter und buche ihn.“

„Das ist ein Witz!“, rief Brenda. „Hör auf damit!“

„Kein Witz. Ich mache das.“

So entschlossen, wie er klang, hatte sie keine Zweifel mehr an seinem Vorhaben.

„Wow! So was nenne ich spontan. Kein Job, keine Bindung, keine Verantwortung, die dich hier hält?“

„Sagen wir, ich genehmige mir eine kleine Auszeit über den Sommer“, erwiderte er.

Klar. Mal eben in die Welt jetten. Brenda schwärmte längst bis über beide Ohren für ihn.

„Hey, ich bin jung“, fuhr er fort. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Er hatte recht. Aber so was von recht! Während seine Worte in ihr nachhallten, hatte sie die Flugtafel vor Augen.

„Okay, lass mich mal nachdenken“, sagte sie. „Wenn du von Shannon aus fliegst, hast du heute nicht gerade die große Qual der Wahl. Da gehen um diese Zeit nur Flüge nach Dublin, München, Birmingham, vielleicht einer nach Frankfurt.

Boston ist wohl das weiteste, was heute geht. Enttäuscht?“

„Nicht im geringsten“, antwortete er völlig entspannt. „Ich zähle den vierten von oben ab. Wenn das gerade Dublin ist, habe ich eben Pech gehabt. Aber so mache ich es.“

Seine lässige Art begeisterte sie. In der Ferne erkannte Brenda den Flughafen, und obwohl sie diesen Kerl erst vor zehn Minuten kennengelernt hatte, machte es sie traurig, ihn bald wieder zu verlieren.

Bitte, Gott, lass Boston der vierte Flug von oben sein!, flehte sie innerlich. Noch nie im Leben hatte sie so etwas Verrücktes für einen fremden Menschen empfunden wie in diesem Moment für ihn.

„Verrätst du mir noch deinen Namen?“, wollte sie wissen, während sie nach einem Parkplatz suchte. Der Regen hatte nachgelassen, und die Sonne blinzelte durch die Wolken.

Er lachte. Wenn seine Sprechstimme schon so melodisch klang, wie würde sie erst klingen, wenn er sang?

„Mein Name ist Bayless.“

„Und du stammst hier aus der Gegend, Bayless?“

„Nein. Ich komme aus Cork.“

„Soweit ich weiß, habt ihr da selbst einen Flughafen. Wieso Shannon?“, fragte Brenda und parkte den Wagen.

„Keine Ahnung.“ Er fuhr sich durch die kurzen schwarzen Haare, als suchte er nach einer Antwort. „Ich hab Verwandte in Limerick. Bin seit ein paar Wochen zu Fuß unterwegs und hab sie besucht. Und jetzt nehme ich eben den Flieger.“

Sie stiegen aus, Brenda öffnete den Kofferraum und nahm sein Gepäck und ihren Rollkoffer heraus. Er war zu Fuß von Cork nach Limerick gelaufen. Unfassbar!

„Dann bist du sozusagen ein Landstreicher?“, fragte sie, um ihn noch einen Moment zu halten.

„Sozusagen“, erwiderte er mit einem Lächeln. „Ich danke dir für die Mitfahrgelegenheit. Alles Gute und auf Wiedersehen.“

„Ist das alles?“ Enttäuschung lag in ihren Worten. „Danke und auf Wiedersehen? Du gibst mir nicht mal deine Handynummer?“

„Das ist alles. Keine Handynummer – nichts. Nur die Gewissheit, dass man sich immer zweimal im Leben sieht, Brenda. Wir könnten uns einfach darauf freuen, oder?“

Das war jetzt nicht sein Ernst! Dann lag es wohl doch an ihr, dass alle Männer einen Bogen um sie machten.

„Na los“, sagte sie. „Verschwinde schon.“

Bayless drehte sich um und lief ins Flughafengebäude. Brenda blieb zurück und machte sich quälende Vorwürfe, ihm nicht hinterherzulaufen. Sie war drauf und dran, es einfach zu tun.

Man sieht sich immer zweimal im Leben. Na, wenigstens passte dieser Satz zu seiner wunderbaren Einstellung. Wie sehr sie hoffte, dass er recht behielt.

Kapitel 4

„Schade, dass wir uns nicht mehr gesehen haben“, rief Jen ins Telefon. „Lucius und ich waren noch im Kino und danach was trinken, und wie du ja weißt, werde ich von Wein so müde, dass er mich nicht mehr nach Hause lassen wollte, weil ich im Pub fast eingepennt bin. Mann, war das peinlich.“

„Ja, schade, dass wir uns nicht mehr gesehen haben.“ Brenda war mit ihren Gedanken ganz woanders und hatte keine große Lust darauf, sich über das Thema Lucius auszulassen. Verliebte konnten so anstrengend sein!

„Ich bin ja morgen schon zurück. Hör zu, Jen, ich mache jetzt Schluss, okay? Das Boarding beginnt gleich. Ich hab dich lieb!“

„Oh, ich dich auch! Guten Flug!“

Jen legte auf und Brenda fragte sich, ob sie ihr von Bayless hätte erzählen sollen. Aber das konnte sie immer noch tun, sobald sie zurück war. Dazu hätte die Zeit am Telefon ohnehin nicht ausgereicht.

Dieser Flug war der erste seit ihrer Zeit bei BA, bei dem Brenda nicht die unbeliebte Position vorn an der Tür innehatte. Die Aufgabe war Gabby zugeteilt worden, weil sie eine Woche nach Brenda angefangen hatte. Zum ersten Mal bedauerte Brenda, nicht jeden einzelnen Fluggast persönlich begrüßen zu müssen. Dann nämlich hätte sie Bayless die Hand reichen können, für den Fall, dass er tatsächlich den Flieger nach Boston nahm.

„Ach, bitte, könnten Sie mir behilflich sein, Miss?“, fragte eine alte Dame mit amerikanischem Südstaatenakzent. „Diese Tasche bekomme ich einfach nicht verstaut.“

Die Frau versuchte vergebens, an die Gepäckklappe zu gelangen.

„Aber selbstverständlich“, antwortete Brenda und bahnte sich einen Weg durch das Gedränge im schmalen Gang. „Geben Sie sie mir, ich kümmere mich darum. Wollen Sie schon Platz nehmen?“

„Ja, vielen Dank. Ich habe meinen Enkel besucht, wissen Sie?

Er lebt hier in Irland. Wir sind doch noch in Irland, hab ich recht?“

„Ja, Ma’am, wir sind noch in Irland.“ Brenda schmunzelte, während sie die schwere Ledertasche in das Gepäckfach schob. „Aber Sie wissen, wohin Sie fliegen? Soll ich Ihr Ticket noch einmal überprüfen?“

„Man hat mir gesagt, dass diese Maschine nach Boston fliegt.

Hab ich recht?“

„Sie haben recht.“

„Dann ist alles gut. Dann bin ich richtig hier. Meine Tochter holt mich dort am Flughafen ab.“

Die alte Dame war zu niedlich. Einer der Gründe, wieso Brenda Flugbegleiterin geworden war, war, dass sie sich genau diesen Kontakt zu den Passagieren gewünscht hatte. An Bord eines Flugzeugs kamen die unterschiedlichsten Menschen aus den verschiedensten Ländern und Kulturkreisen zusammen.

Das war einfach faszinierend. Brenda liebte es, die vielen Charaktere zu beobachten und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

„So, Ma’am. Ihr Handgepäck ist jetzt sicher verstaut. Und wenn Sie während des Fluges einen Wunsch haben, scheuen Sie sich nicht, nach mir zu rufen.“

Die alte Dame schaute auf Brendas Namensschild.

„B. Spencer“, las sie laut vor. „Wofür steht das B?“

„Das steht für Brenda“, mischte sich ein junger Fluggast aus der Reihe hinter der alten Frau ein. „Also, wenn Sie einen Wunsch haben, rufen Sie einfach nach Brenda. Oder nach mir. Mein Name fängt übrigens auch mit einem B an“, sagte er und zwinkerte Brenda zu.

Dann lehnte er sich frech zurück und schloss die Augen, als hätte er vor, den Flug zu verschlafen.

„Das glaube ich jetzt nicht“, rief Brenda. Ihr Herz vollführte einen Freudensprung. Er war tatsächlich hier!

„Ich sagte doch, man sieht sich immer zweimal im Leben“, erwiderte Bayless.

„Echt jetzt? Boston war wirklich der vierte Flug von oben?

Oder hast du geschummelt, weil du mich wiedersehen wolltest?“

„Boston war wirklich der vierte Flug von oben. Und ich wusste, dass ich dich wiedersehen werde.“

Sie seufzte in der Gewissheit, für die nächsten sechs Stunden mit ihm in ein und derselben Maschine zu sitzen. Hier konnte er nicht einfach so abhauen, wie er es am Flughafen getan hatte. Sie lächelte ihn an, drehte sich um und kümmerte sich um die anderen Passagiere.

Während des Take-offs musste sich auch die Crew setzen und anschnallen. Kurz zuvor hatte Brenda ihr Handy ausgeschaltet, was sie um ein Haar vergessen hätte. Zu ihrem Bedauern war keine weitere Nachricht von Iggy eingegangen. Dafür aber eine von Jude. Er wollte wissen, wie Iggy reagiert hatte.

Brenda schaute aus dem Fenster, raus auf die Startbahn. Die Büsche und Sträucher jenseits des Rollfeldes hatten es immer eiliger, bis sie weit unter ihnen zurückblieben und der endlose Ozean in Sichtweite kam.

Sie hatte Jude nicht geantwortet. Und das war wohl Antwort genug.

„Darf ich dir einen Tee anbieten?“, fragte Brenda, als sie mit dem Trolley bei Bayless stehenblieb. Er schaute auf, wobei ihr erneut das satte Grün seiner Augen auffiel.

„Gibt’s auch was anderes? Vielleicht ein Bier oder so?“

„Klar. Was immer du willst.“

„Dann hätte ich gern ein Kilkenny.“

„Was hast du vor, wenn du in Boston bist?“, fragte sie, während sie das Kühlfach öffnete und ein Bier herausnahm. Er zuckte die Schultern.

„Ich bin für alles offen.“

„Du hast keinen Plan?“ Brenda öffnete das Getränk und reichte es ihm.

„Nein“, sagte er. „Danke.“

Sie schüttelte den Kopf und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Wow“, flüsterte sie. „Und wovon willst du leben?“

„Wenn ihr meine Gitarre da unten drin nicht schrottet, dann werde ich mir ein paar Dollar mit Straßenmusik verdienen.“

Herrje, wie gern sie noch eine Ewigkeit weiter so mit ihm geplaudert hätte. Wären da nicht die anderen Fluggäste, die auch auf einen Imbiss warteten.

„Bist du so gut?“, fragte sie und war im Begriff, weiterzugehen.

„Für irische Verhältnisse vermutlich nicht. Aber ich denke, dass es für die Amerikaner reichen wird.“

„Also wenn du nur halb so gut singst, wie du arrogant bist, dann bist du am Ende deines Trips Millionär.“

Sein melodisches Lachen folgte ihr durch den schmalen Gang.

Der Flug verlief ruhig, jedoch meldete sich ständig ein Passagier, weswegen Brenda gut zu tun hatte und sich kaum Gelegenheit bot, mit Bayless zu plaudern. Das machte sie traurig.

Kurz vor der Landung lief sie an ihm vorbei, blieb stehen und sagte, um sich wenigstens zu verabschieden: „Ich habe einen Tag Aufenthalt in Boston. Dann fliege ich zurück. Ich wünsche dir eine schöne Zeit in den Staaten. Vielleicht sieht man sich ja auch dreimal im Leben.“

„Ja, vielleicht“, erwiderte er. „Aber sicherheitshalber gebe ich dir meine Handynummer.“

„Wer war das?“, fragte Gabby, als Brenda und sie die Maschine als letzte verließen.

„Wen meinst du?“ Brenda gähnte. Sie war todmüde, obwohl es in Boston gerade mal halb elf am Morgen war.

„Na, der gut aussehende Mann, mit dem du die ganze Zeit über gequatscht hast. Kennt ihr euch aus Limerick?“

„Nein“. Brenda lachte und zog ihr Köfferchen hinter sich her. „Ich hab ihn auf der Landstraße beim Trampen aufgesammelt.“

„Du hast was?“

„Ja!“ Sie erzählte ihrer Kollegin alles, was sie über Bayless wusste und bemerkte dabei, wie sehr sie über ihn ins Schwärmen geriet. Sie klang ja fast schon wie Jen, wenn sie von Lucius redete.

Brenda und Gabby teilten sich das Hotelzimmer. Gabby hatte gerade erst ausgelernt und war zum zweiten Mal mit in Boston. Sie verstanden sich sehr gut, was Brenda ein bisschen an Jen und ihre gemeinsame Zeit bei Aer Lingus erinnerte.

„Schauen wir uns die Stadt an?“, fragte Gabby.

Sie hatte italienische Wurzeln, kurze schwarze Haare und wunderschön geschwungene Augenbrauen.

Der Gedanke, sich die Stadt anzusehen, reizte Brenda. Sie stellte sich vor, auf einen jungen Straßenmusiker zu treffen und seinem Gesang zu lauschen.

„Sehr gern“, sagte sie. „Aber ich lege mich kurz für eine halbe Stunde hin. Nur, um das Blei aus den Gliedern zu bekommen. Danach können wir losziehen!“

Das Rasseln ihres Telefons weckte sie. Brenda streckte sich und musste sich kurz orientieren. Sie war fest eingeschlafen und Gabby offenbar allein losgezogen, um sich Boston anzuschauen. Sie gähnte und griff nach ihrem Handy.

„Hallo?“, sagte sie in die Muschel.

„Hey, hier ist Jude! Ich hab die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen.“

Jude ... Brenda rieb sich durch die Augen und zwang sich, richtig wach zu werden.

„Oh, das ist keine gute Idee, dass du auf meinem Handy anrufst“, sagte sie, setzte sich auf, schlug die Bettdecke zurück und fuhr sich durch die Haare.

„Nicht?“, fragte Jude.

„Nein. Ich bin in Boston.“ Sie gähnte erneut. „Könnte teuer werden.“

„Oh. Richtig.“

„Also dann! Mach’s gut.“

„Nein! Warte!“, protestierte er.

„Jude, ich rufe dich vom Hotel aus auf dem Festnetz an. Bist du zu Hause?“

„Nein, nein, nein, nein. Ich bezahle deine Rechnung. Ehrenwort. In bar oder mit einem Essen. Such dir was aus.“

„Du hast sie nicht mehr alle, du Stalker! Ist Iggy dir das echt wert?“

Er lachte leise.

„Hat er sich gemeldet?“

„Nein“, sagte Brenda, stand auf und suchte sich das luftige Sommerkleid aus dem Koffer. Sie hatte immer zwei Garnituren dabei. Eine für schlechtes Wetter und eine für gutes. Boston hatte sie mit strahlender Junisonne erwartet. „Das heißt, doch.“

„Wirklich?“, fragte Jude. „Und wann trefft ihr euch?“

„Gar nicht.“

Er schwieg.

„Er verzeiht mir. Aber das war’s auch schon. Er will nicht reden.“

„Das tut mir leid.“

„Mir auch.“

„Was treibst du jetzt so? Ich meine in Boston?“

„Mir wäre nach einer Tea Party zumute.“

Jude lachte. Es war schön, in der Ferne mit einem alten Freund aus der Heimat zu plaudern. Vor allem, wenn er wirklich ihre Rechnung übernahm.

„Hey“, sagte er. „Gib ihm Zeit. Ich meine Iggy. Ich wette, er wird sich bei dir melden.“

„Danke, Jude.“ Brenda schlüpfte in das Kleid und verrenkte sich beinahe, als sie den Reißverschluss auf dem Rücken hochzog. „Soll ich dir was mitbringen? Wo du doch noch nie weiter als bis England gekommen bist?“

„Klar. Wie wär’s mit ‘nem Cheeseburger? Mit extra Käse!“

Diesmal lachte Brenda.

„Mach’s gut, Jude.“

Brenda genoss es, sich ganz allein durch die Straßen der Stadt zu schlagen. Sie lief entlang des Charles River, besuchte Souvenirläden und ein Café. Bayless entdeckte sie leider nicht.

Aber zu wissen, dass sie seine Nummer hatte, ließ sie entspannt durchatmen.

Nachdem sie eine Tasse Kaffee getrunken hatte, folgte sie vom Boston Common aus ein Stück weit dem Freedom Trail.

Ihre Beine taten kaum mehr weh, nachdem sie geschlafen hatte. Das Hin- und Herlaufen während der Arbeit hatte sie auf dem langen Flug erschöpft. Brendas Handy piepte. Sie nahm es aus der Tasche und las die Nachricht von Jen:

Wann geht es morgen zurück?

Direkt um neun, tippte Brenda eine SMS. Nach Limericker Zeit bin ich also am späten Abend wieder zu Hause.

Klasse!, antwortete Jen. Morgen ist Samstag. Hast du Lust auf einen gemütlichen Ausklang bei uns? Mit Lucius und jemandem deiner Wahl?

Brenda schüttelte den Kopf, als könnte Jen sie sehen.

Ich denke, nicht! Bin bestimmt platt und werde nur noch in mein Bett wollen!

Jen antwortete mit einem traurig schauenden Emoji, bevor Brenda das Handy wieder in der Tasche verschwinden ließ.

Am frühen Abend kehrte sie zum Hotel zurück. Sie wollte gerade um die Straßenecke biegen, als Essensgeruch aus einem Imbiss in ihre Nase stieg.

„Na, das hätte ich doch glatt vergessen“, sagte sie mit einem Schmunzeln zu sich selbst.

„Ähm, warum liegt hier ein Burger im Bad?“, rief Gabby, die gerade aus der Dusche kam.

„Oh, Shit!“ Brenda sprang vom Bett auf und eilte zu der kleinen Nasszelle. „Der ist für einen Kumpel ... Ich sollte ihm ... Ach, egal. Ist so ’n Insider-Ding, weißt du? Vergiss es.“

„Aha. Das muss ich jetzt nicht verstehen, oder?“ Gabby hüllte sich in ein Handtuch und frottierte sich die kurzen Haare.

„Nein, musst du nicht.“ Brenda schnappte sich den Burger und legte die Tüte neben ihren Koffer.

„Und ich hab mich schon gefragt, wieso ich trotz Dusche nach ranzigem Fett stinke!“, rief Gabby lachend. „Du bist echt speziell, Nan! Aber im positiven Sinne.“

„Hauptsache der Burger riecht jetzt nicht nach Himbeer-Vanille-Duschbad“, erwiderte Brenda, als ihr Handy zum zweiten Mal an diesem Tag klingelte.

„Ach, Leute! Ich bin im teuren Ausland!“, murrte sie und ging ran. „Hallo?“

„Hier ist Bayless.“

„Was?“

„Na, der Typ, der es vom Straßenmusiker zum Millionär macht. Du erinnerst dich doch sicher an mich.“

„Und ob ich mich erinnere! Wo steckst du? Hat dich ein Musikproduzent in seinem Penthouse aufgenommen?“

„Fast richtig. Aber das Penthouse ist eher Modell Heuboden.

Ich übernachte in einem Pferdestall.“

Brenda stand der Mund offen.

„Du bist da aber nicht eingestiegen, oder?“

„Bist du wahnsinnig? Der Stall gehört Katies Onkel.“

„Katie? Ich wusste nicht, dass du Bekannte in der Stadt hast.“

„Hab ich auch nicht ...“, stammelte Bayless. „Ist ‘ne längere Geschichte. Eine ziemlich verrückte, um genau zu sein. Erzähle ich mal bei Gelegenheit. Ich wollte dir eigentlich nur eine gute Rückreise wünschen und noch mal Danke für alles sagen.“

Brenda schluckte. Katie. Wer um alles in der Welt war Katie?

„Gern geschehen“, flüsterte sie. „Dann genieß deine Zeit und den Sommer in den Staaten. Und ... meine Nummer hast du ja.“

„Es wäre schön, hin und wieder von dir zu hören“, sagte er.

„Meld dich, wenn du wieder hier bist.“

„Mach ich. Also dann ... Gute Nacht, Bayless.“

„Gute Nacht, Brenda.“

„Ach, ... ähm ..., übrigens, meine Freunde nennen mich Nan. “

„Okay. Dann gute Nacht, Nan.“

Kapitel 5

Brenda gähnte, als sie am Samstagabend die WG betrat. Der Jetlag hatte sie geschlaucht und sie freute sich auf ihr eigenes Bett. Aus dem Wohnzimmer tönte Gelächter herüber und Brenda verharrte einen Moment in der Tür. Bitte nicht!, dachte sie. Hatte Jen etwa doch Leute eingeladen? Auf leisen Sohlen schlich sie zur Garderobe, dann in ihr Zimmer, wo sie den Koffer auspackte und ihre Uniform gegen Shorts und T-Shirt eintauschte. Sie schminkte sich ab, löste den Dutt und bürstete ihre langen blonden Haare. Sie hatte nicht vor, noch ins Wohnzimmer zu gehen. Ihr war nach Schlafen zumute, und sie freute sich auf den freien Sonntag, den sie mit ihrer Familie verbringen wollte.

„Nan?“, rief eine Stimme über den Flur. „Bist du zurück?“

Es war Jen, die im gleichen Moment zur Tür hereinschaute.

„Hey, sorry! Lucius ist schon auf dem Sprung. Ich hab ihm gesagt, dass du müde bist, wenn du heimkommst.“

„Danke. Ihr könnt gern dort sitzen. Aber ich gehe schlafen, wenn das okay ist.“

„Klar ist das okay! Wie war Boston?“

„Super! Und stressig.“ Und Bayless könnte es locker mit Iggy aufnehmen, wollte sie dranhängen. Aber das würde sie Jen lieber in aller Ruhe erzählen.

„Wer ist denn noch da?“, fragte Brenda, als sie Stimmen vernahm.

„Oh, gerade kam Jude. Er will Lucius noch auf einen Absacker mitnehmen.“

„Na, dann soll er das tun. Ich hau mich aufs Ohr.“ Brenda gähnte erneut, als jemand in ihr Zimmer platzte.

„Pass doch auf!“, rief Jen, die beinahe von ihm umgestoßen worden war.

„Tut mir leid, ich wollte nur ...“, sagte Jude und brach den Satz jäh ab, als er Brenda erblickte. Dann zog er ein langes Gesicht. „Ach, zu dumm aber auch. Ich komme wohl zu spät.“