2,99 €
Was hat Morsen mit Sex zu tun, wie hängen Primzahlen mit Stellungen im Bett zusammen und können Aquarienpumpen Beziehungen fördern? Die Eros-Episoden verknüpfen Alltägliches mit ungewöhnlichen Erlebnissen. Manche Geschichten sind kurz und bündig und kommen nach wenigen Sätzen auf den Punkt. Andere lassen Welten entstehen. Begegnungen und Sex im Alltag sowie Wege aus der Tristesse sind überraschend, skurril und pointiert und frei von moralischem Ballast geschildert. Übrigens, der erhobene Zeigefinger wird hier nicht zur Mahnung eingesetzt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 266
Veröffentlichungsjahr: 2020
Ana und Tom Lieven
Eros-Episoden
Eindeutig zweideutig
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Copyright: © 2020 Ana und Tom Lieven
Lektorat: Sabine Dreyer, www.tat-worte.de
Satz: Sabine Dreyer, www.tat-worte.de
Cover Konzept und Foto: Constanze Claudia Lorenz, www.cclo-photo.com
Foto Weingläser: André Suter
Cover-Models: Ana María Pérez; Pablo Herranz
Verlag und Druck: tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
978-3-347-20448-5 (Paperback)
978-3-347-20449-2 (Hardcover)
978-3-347-20450-8 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Zum Buch
Was hat Morsen mit Sex zu tun, wie hängen Primzahlen mit Stellungen im Bett zusammen und können Aquarienpumpen Beziehungen fördern?
Die Eros-Episoden verknüpfen Alltägliches mit ungewöhnlichen Erlebnissen. Manche Geschichten sind kurz und bündig und kommen nach wenigen Sätzen auf den Punkt. Andere lassen Welten entstehen. Begegnungen und Sex im Alltag sowie Wege aus der Tristesse sind überraschend, skurril und pointiert und frei von moralischem Ballast geschildert. Übrigens, der erhobene Zeigefinger wird hier nicht zur Mahnung eingesetzt.
Die Handlungen und Personen sind frei erfunden. Dieses Buch enthält explizit beschriebene sexuelle Darstellungen.
Alex war für Maßvoll die Inspirationsquelle und Frank für Zahlenspiele. Dafür danken wir.
Eine Hommage an DieStickerin, eine Bekanntschaft aus dem ›JOYclub‹, ist Klassenkameraden. Sie hat im Wechsel mit uns einige Passagen geschrieben. Leider ist sie kurz, nachdem die Geschichte fertig war, verstorben. Wir wollen ihr hiermit posthum gedenken, und zwar so frivol, wie sie es war. Der Roman Die Abenteuer des Röde Orm des großartigen Frans Gunnar Bengtsson stand Pate für die Stilistik von Vinland.
Inhalt
Sündig?
Verständigung
Hallebynge
Versuche
Redensart
Gelandet
Überraschungen
Mitkommen
Maßvoll
Frei
Feucht
Zahlenspiele
Ritterlich
Klassenkameraden
Vinland
Badetag
Schlagbar
Professionalität
Festlich
Vorfreude
Das Autorenduo
Sündig?
»Was für eine Orgie«, sagte Jakob erschöpft, aber befriedigt.
»Hast du gesehen, wie mich die beiden Frauen begehrt haben?«, fragte Hannah.
»Allerdings, ich dachte schon, du hättest mich vergessen, so wart ihr ineinander verschlungen.«
»Nein, mein Geliebter, aber es war so erregend, dass mein Denken aussetzte und ich nur noch Körper war.«
»Gut jedenfalls, dass die Priester davon nichts wissen. Deshalb im nächsten Monat vorsichtshalber Sodom«, schlug Jakob vor, als sie Gomorrha hinter sich ließen.
Verständigung
Ronnie war seit einem halben Jahr bei der Bundeswehr, und aktuell standen diverse Kommunikationssysteme auf dem Unterrichtsprogramm. Der Ausbilder erklärte ihnen, dass vor allem scheinbar veraltete Techniken, wie Morsen, enorm wichtig seien. Denn hiermit sei es möglich, ohne Hilfsmittel eine Nachricht zu übermitteln. Außerdem sei das Winkeralphabet, das sie ebenfalls lernten, aufgrund der reinen Zeichensprache für Gegner nicht leicht nachvollziehbar. Er schilderte verschiedene reale Begebenheiten, in denen Soldaten sich damit aus gefährlichen Situationen retten konnten. Einmal hatten sie einen Leutnant zu Besuch, der ihnen aus eigener Erfahrung aus dem Kosovo berichtete.
Diese Techniken wurden nicht nur vorgestellt, sondern erlernt und so lange geübt, bis sie im Notfall angewendet werden konnten. Es dauerte gut drei Wochen, bis Ronnie und die anderen so weit waren. Dann aber beherrschten sie es wie im Schlaf. Da zudem immer wieder in der fortlaufenden Ausbildung Elemente vorkamen, die darauf abhoben, prägte er es sich gründlich ein.
Mit einer Kameradin namens Friederike, genannt Fritzi, hatte er sich angefreundet. Bald wurde daraus Ernsteres, was sie aber nur außerhalb der Kaserne ausleben konnten. Aus Kostengründen hatten die beiden Zeitsoldaten keine externen Wohnungen. Daher mieteten sie sich übers Wochenende in Hotels oder Pensionen ein. Jetzt im Frühjahr verlegten sie sich auf Trekking-Touren, blieben oft im Gelände und zelteten wild. Manchmal suchten sie sich einen Campingplatz. Dabei hatten sie Freude daran, die erlernten Fähigkeiten zu benutzen. So verständigten sie sich häufig über Morsezeichen, die sie sich gegenseitig auf die Hände tippten. Eine andere Methode war, dass sie weit voneinander entfernt wanderten und sich mithilfe des Winkeralphabets unterhielten.
Es war ihnen klar, dass dies nicht ewig so weitergehen konnte. Erstens wurden intime Beziehungen unter Soldaten bei der Bundeswehr nicht geduldet, selbst wenn es zaghafte Ansätze gab, hier mehr Toleranz walten zu lassen. Zweitens war vorgesehen, dass Ronnie zum neuen Afghanistan-Einsatz und Fritzi in den Kosovo einberufen werden würde. Deshalb versuchten sie in der kurzen Zeit, die ihnen blieb, möglichst viel zu erleben. Für dieses Wochenende hatten sie sich eine Tour zusammengestellt, die in Waren an der Müritz startete und die sie bis nach Rheinsberg führen sollte. Dabei durchwanderten sie den Nationalpark, und später würden sie das Seengebiet um den Stechlin herum erreichen. Weite Teile davon waren wenig bevölkert, sodass sie sich auf ungestörte Momente freuten. Gänzlich verzichten wollten sie nicht auf Zivilisation und hatten sich schon einige Kneipen oder Wirtshäuser herausgesucht, die sie auf dem Weg zu besuchen beabsichtigten.
Aktuell wanderten sie auf dem Weg aus Kratzeburg nach Südosten. Sie waren dort mittags in einem Gasthof eingekehrt und hatten sich für eine leckere Soljanka und deftiges Schweinegulasch mit Kartoffeln entschieden. Dazu gab es einen halben Liter Bier. Das Wetter war warm, und sie kamen gut voran am östlichen Rand einer der nicht betretbaren Kernzonen des Nationalparks.
Beide hatten sich inzwischen ihre T-Shirts ausgezogen, weil es immer heißer wurde, sodass Fritzi nur ihr Bikini-Oberteil anhatte. Ihre Rucksäcke trugen sie daher auf der nackten Haut. Sie hatte auf die Mitnahme eines BHs verzichtet, denn außerhalb des Trainings bei der Bundeswehr oder beim Sport benötigten ihre festen Brüste keine Stütze. Und den Bikini zog sie nur an, falls ihnen jemand begegnete und zum Baden, wenn FKK nicht zugelassen war.
Ronnie liebte ihre sportliche, sehnige Figur und ihre schwarzen Haare, was ihn wunderte, denn üblicherweise hatten es ihm eher üppig ausgestattete, blonde Frauen angetan. Doch durch die gemeinsame Ausbildung waren sie sich nahegekommen, und er stand auf ihre Kraft, Körperspannung und Wildheit beim Sex. Wenn sie fickte, dann mit vollem Körpereinsatz, und einen Orgasmus kostete sie bis zur letzten Zuckung aus, was meistens zu triefender Nässe führte. Überhaupt entwickelte sie manchmal von einer Minute auf die andere gewaltige Lust, die sie unmittelbar befriedigen musste. Das war in der Kaserne nicht unkompliziert. Sie hatte ihm erzählt, dass sie in solchen Fällen vorgab, dringend auf die Toilette zu müssen, und dort besorgte sie es sich stürmisch und heftig. An das Einführen eines Dildos oder den Einsatz eines Vibrators war nicht zu denken. Denn wenn sie es sich damit selbst machte, konnte sie nicht verhindern, zu spritzen. So was benötigte Vorbereitung, und die war eben kurzfristig nicht möglich. Sie rieb sich kräftig ihre Klitorisspitze und unterdrückte mit vehementer Anstrengung das Stöhnen.
Nachdem sie Ronnie das bei einem ihrer früheren Ausflüge berichtet hatte, wollte sie, dass er sie aufgrund ihrer Geilheit ausgiebig fingerte und fickte. Er befolgte diese Wünsche, oder eher Befehle, immer gerne, denn auch er kam auf seine Kosten. Manchmal bat sie ihn, ihr ins Gesicht zu spritzen, was sie sich nicht abwischte, manchmal in sie hinein. Und dann ließ sie langsam das Sperma herauslaufen, wenn sie in ihrem Lager am Feuer saßen. Sie gestand ihm, dass sie es als eine Art Trophäe für sein Begehren ansah, weshalb sie es lange an oder in sich haben wollte. Es war Machtgewinn für sie. Er liebte diese Form der Wertschätzung seines Körpersaftes.
Fritzi, die vorausging, drehte sich unvermittelt um. »Ronnie, ich stell mir die ganze Zeit vor, wie es wäre, jetzt hier am Weg zu ficken, wo uns jeder sehen kann. Ich bin schon ganz nass bei dem Gedanken.«
Ah, dachte er, es ist wieder so weit. »Das hört sich geil an. Zeig mir doch mal die Bescherung!«, forderte er sie auf.
Sie drehten sich beide nach allen Seiten um, niemand war auf dem langen, geraden Weg zu sehen, der von Wald gesäumt war. Nur ein Specht hämmerte in der Nähe. Ein umgefallener Baumstamm lag am Weg. Fritzi nahm ihren Rucksack ab und stellte ihn auf den Boden. Ronnie tat es ihr gleich. Genau wie er hatte sie eine knapp knielange, weit geschnittene Cargohose in Camouflage-Muster und feste Wanderschuhe an. Die waren schnell ausgezogen, und in dem schwarzen Slip, den sie ihm zeigte, glitzerte in der Sonne die Nässe, die noch nicht vollständig eingezogen war. Ihre Vulva trug sie rasiert, sie war auf diesen Trend aus der neuen Serie Sex and the City aufgesprungen. Ronnie gefiel das ausnehmend gut.
Sie hielt ihm ihre Unterhose hin. »Riech doch mal, wie dringend meine Fotze es braucht.«
Er wusste, wie sie darauf abfuhr, wenn er daran roch. Er tat ihr den Gefallen, und sie fingerte sich dabei.
»Damit ich es dir richtig fett besorgen kann, musst du mir den Schwanz erst hochblasen«, sagte er und öffnete seine Hose, aus der er seinen Penis befreite.
Sie zog sich das Bikini-Oberteil aus, denn sie wusste, dass es ihn anmachte, ihre Brüste zu sehen, sobald sie ihn blies, und er spielte gerne an ihren festen kleinen Nippeln. Sie setzte sich auf den Baumstamm und nahm seinen Schwanz in den Mund und saugte gierig. Dabei fingerte sie sich hörbar schmatzend ihre Möse. Wenn sie in dieser ekstatischen Stimmung war, bestand sie aus reiner Geilheit und spendete Lust genauso verschwenderisch, wie sie sich selbst bearbeitete.
Oh verdammt, dachte Ronnie, so werde ich bald spritzen. Dann hatte er eine Idee, wie er seinen Erguss hinauszögern könnte. Sachte tippte er mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf ihren Rücken. Immer wieder, und auf einmal spuckte sie buchstäblich seinen Schwanz aus, stand auf und sah sich hektisch um.
»Wo kommt einer?«, fragte sie, »ich sehe keinen.«
»Na ich gleich, wenn du so weitermachst. Und wir wissen jetzt, dass du Morsezeichen auch beim Blasen verstehst.«
Er musste ruckartig ausweichen, um sich nicht eine Ohrfeige einzufangen.
Hallebynge
Wie es seit Menschengedenken Tradition war, hatte sich der gesamte Stamm der Margotoy auf den Weg in den Südosten begeben. Vor allem die Schweineherde bremste ihren Marsch. Ständig waren die Hirten dabei, sie anzutreiben, was manchen Tieren nicht gefiel. Störrisch blieben sie immer wieder stehen und gruben im Boden nach Essbarem. Nachdem die Menschen ihr Stammesgebiet verlassen hatten und auf dem uralten Weg angelangt waren, der gen Osten führte, begegneten sie zunehmend Pilgern anderer Stämme.
Da waren die Doronoy von den sturmumtosten Inseln im Norden, deren Sprache hart und abgehackt klang und schwer zu verstehen war. Vom Ostmeer kamen die Rydroy aus ihren Siedlungen in den Seemarschen mit ihren Werkzeugen aus Knochen der atmenden Fische. Auf der Höhe der weiten Bucht, die aus dem endlosen Meer von Westen in das Land griff, begegneten sie den schweigsamen und stolzen Astyrkoy. Markant waren ihre Gesichter, die mit geheimnisvollen Zeichen geschmückt waren, und ihre Frauen mit den hüftlangen Haaren, die sie immer zu drei Zöpfen flochten. Gemeinsam waren ihnen die Schweineherden, die sie mitbrachten.
Und obwohl längst nicht alle hier Wandernden Freundschaft verband und es bisweilen offene Fehden gab, war dies die Zeit des Friedens unter den Völkern der großen und kleinen Inseln. Jeder Mensch wusste, dass Eifersüchteleien, Gezänk oder gar Raufhändel für das kommende Jahr Unglück bringen würden. So blieb es bei einigen Bemerkungen zu Grenzstreitigkeiten, behauptetem Viehdiebstahl und Frauenraub.
Sie waren mittlerweile einen Mond lang unterwegs. Der breite Weg durch die ausgedehnten Wälder, die jetzt vom Singen der Vögel und dem Schwirren von Fliegen und Schmetterlingen angefüllt waren, beschrieb einen großen Bogen, und dann sahen sie die heilige, fast baumlose Ebene des Gurotan. Sie war besetzt von den Lagern zahlreicher Stämme und erfüllt vom geschäftigen Treiben der Vorbereitungen. Denn heute Abend würden die Feierlichkeiten stattfinden.
Falrir, das Oberhaupt der Margotoy, beschied, dass sie sich am Ostrand neben den befreundeten Shordoroy platzieren sollten. Das war Krodan lieb, weil dort auch Miritir war. Er hatte sie seit Beginn ihrer Wanderung nicht mehr gesehen, und seine Sehnsucht nach ihr war überwältigend. Aber er musste sich gedulden, das wusste er. Heute war die Nacht der Nächte und er für seinen Stamm erwählt worden, die Zeremonie des Lebenskreises, der Hallebynge, durchzuführen.
Falrir hatte ihn im Frühjahr eines Tages bei der Feldarbeit beiseitegenommen und ihm den Beschluss der Ältesten offenbart. »Krodan, du wirst unseren Stamm an Hallebynge vertreten. Dies ist der Wille unseres Rates«, sagte sie, und obwohl er sie um einen Kopf überragte, strahlte sie eine Bestimmtheit aus, die keinen Widerspruch duldete. Seit er denken konnte, war sie das Oberhaupt der Margotoy, und es kam ihm nicht in den Sinn, eine Entscheidung von ihr oder dem Rat in Zweifel zu ziehen.
»Ich werde uns Ehre machen«, sagte er in der Hoffnung, entschlossen zu klingen.
Ein Lächeln erschien auf ihrem vom Wetter gegerbten Gesicht und verlieh ihr eine Sanftheit, die er so noch nie gesehen hatte. »Ja, da sind wir uns sicher. Wir haben darüber schnell Einigkeit erzielt.«
»Wie soll ich mich vorbereiten?«, fragte er und senkte die Lider, denn den Blick von Falrirs stechenden dunkelblauen Augen war er nicht imstande zu ertragen.
»Vorbereiten?« Unwillkürlich kokett schüttelte sie ihre grauen langen Haare, kicherte dabei wie ein Mädchen, und auf ihrem Gesicht erschienen Lachfalten wie Wellen auf einem windgepeitschten See. »Du kannst dich nicht vorbereiten. Das kann niemand. Für jeden ist es anders, aber glaub mir, es wird für dich eine wichtige Erfahrung werden, die du nie vergessen wirst.« Wieder lachend strich sie ihm durch seine schwarzen langen Haare und verließ ihn.
Seitdem stand Krodan häufig neben sich. Zum ersten Mal überhaupt war es ihm erlaubt, den gesamten Feierlichkeiten beiwohnen, denn er war seit diesem Jahr mit seinen fünfzehn Wintern ein Mann. Den Kindern war die Teilnahme an Hallebynge, dem Auftakt zum Mittsommerfest, verboten. Natürlich hatte er schon Gerüchte gehört, aber er gab nicht viel darauf, schließlich waren seine Freunde bisher nicht dabei gewesen, auch wenn Lordun behauptete, genau zu wissen, was sich dort abspielte. Und so gern er ihn mochte, so wenig gefiel ihm seine Aufschneiderei. Es klang alles unglaubwürdig in Krodans Ohren, was er berichtete. Die anderen jungen Männer und Frauen durften ebenfalls teilnehmen, aber nicht als der eine ausgewählte Vertreter seines Stammes, sondern sie waren Zuschauer. Er fühlte die Verantwortung jeden Tag. Dabei wusste er nicht einmal, was ihn erwartete, und niemand erzählte ihm mehr als Falrir, und das war ja schon wenig genug. Nur sein Vater Borkan nahm ihn eines Tages beiseite und wollte etwas wissen zu seinem Lombon, was anscheinend mit Hallebynge zu tun habe.
Und bald war es so weit. Er lenkte sich ab mit den Arbeiten, die zu erledigen waren, wie das Aufbauen der Jurten oder das Pferchen der Schweine, die in den nächsten Tagen zu den Festlichkeiten geschlachtet werden würden. Zwei wurden durch drei Männer ausgewählt. Sie quiekten kurz und zappelten eine Zeit lang, als sie sie festhielten und ihnen die Kehlen durchschnitten. Das Blut wurde aufgefangen und die Tiere ausgenommen. Als er mithelfen wollte, erhielt er zur Antwort, dass ein Auserwählter des Stammes solche Arbeiten heute nicht verrichten dürfe.
Während er in sich hinein brummelte, wie ungerecht das sei, kam seine Mutter. »Krodan, komm bitte her, wir müssen dich für den Abend vorbereiten.«
Er folgte ihr in eine Jurte, in der ausschließlich ältere Frauen zugegen waren.
»Wir müssen dir erklären, was du heute zu tun hast«, sagte sie, »und wir müssen dich waschen und deine Haare schneiden.«
»Aber ich bin sauber, und meine Haare sind doch nicht verfilzt. Warum also schneiden?«, fragte er verwirrt.
Seine Mutter erklärte ihm, um was es ging, und er hörte stumm und mit wachsender Unsicherheit zu. »Und deshalb ist es wichtig, dass wir diese Arbeiten sehr sorgfältig durchführen«, beendete sie ihre Ausführungen ernst.
Der Tag neigte sich dem Ende, und Männer aus allen Stämmen schafften kniehohe Holzblöcke herbei und bauten diese hintereinander auf. Die Abstände, die sie dabei einzuhalten hatten, waren im Boden markiert. Jeder war vom nächsten annähernd eine Manneslänge entfernt. Wie an einer Schnur reihten sie sich auf, knapp dreißig an der Zahl, genauso viele, wie es Stämme gab. Über sie hinwegblickend sah man am einen Ende der Reihe die mächtigen Steine, und am anderen setzte sich der Weg fort, bis er im sanft welligen Gelände verschwand. Parallel davon wurden mannshohe brennende Pechfackeln aufgestellt. Allmählich kamen Zuschauer und formierten sich beiderseits der Holzblöcke.
Es müssen alle Menschen der Inseln sein, dachte Krodan, der mit den ausgewählten jungen Männern zwischen den Steinen verborgen wartete. Er überragte die meisten, denn er war ungewöhnlich hochgewachsen. Seine Gesichtszüge waren überraschend weiblich. Früher war er manchmal von den anderen Kindern deshalb verspottet worden, aber als er sie später mit seiner Größe übertraf, verstummten diese Stimmen, erinnerte er sich. Und jetzt bin ich hier, und es werden so viele sein, die uns zusehen. Einerseits fühlte er sich flau und andererseits stolz und stark, weil er hier sein durfte. Allen scheint es ähnlich zu gehen, dachte er, als er sich umsah. Die weißen Leinenhemden, die sie trugen, die fast so lang wie Kleider waren, schienen zu leuchten, so hell wirkten sie in dieser dunkler werdenden Umgebung.
Die Sonne zog ihre Bahn, und bald würde sie hinter dem Horizont verschwinden. Immer mehr Menschen strömten auf beiden Seiten des durch die Fackeln beleuchteten Weges herbei.
Fardron, der Älteste des Stammes der Gurotadoy, die hier in der Umgebung des Gurotan lebten, war als diesjähriger Hüter des Hallebynge bei den jungen Männern. »Es geht los. Ihr macht alles so, wie besprochen, und dann wird nichts schiefgehen«, sagte er mit seiner tiefen Stimme. Seinem hohen Alter geschuldet, schritt er leicht gebeugt und gemessen voran. Sobald die Menschen ihn zwischen den riesigen Steinblöcken erscheinen sahen, hob großer Jubel an. Er wurde sogar noch lauter, als die Jungen kamen, einer nach dem anderen. Krodan war als Letzter dran und hatte den kürzesten Weg. Er stand jetzt vor dem Holzblock, der den Steinen am nächsten war, und blickte Richtung Westen. Er wusste, dass die anderen Auserwählten es ihm gleichtun würden. Auf einen gerufenen Befehl von Fardron zog er sich sein Leinenhemd aus und ließ es links neben dem Block auf den Boden fallen, wie es ihm gesagt worden war. Die untergehende Sonne und der Schein der Fackeln offenbarten, dass er bis auf seinen Kopf vollständig unbehaart war. Die Frauen hatten gründlich gearbeitet. Nachdem sie fertig gewesen waren, hatten sie ihn mit einem Öl, das nach Fichte roch, eingerieben. Im Rot des verblassenden Tageslichts zeigte seine Haut einen schwachen Glanz, durch den die Muskeln seines Körpers deutlich zur Geltung kamen.
Ein weiterer Befehl ertönte, und Krodan setzte sich auf den Holzblock. Die Menge begleitete das Vorgehen mit lauten Ausrufen, von denen viele anfeuernd klangen. Trommeln wurden geschlagen. Er hörte den monotonen und treibenden Takt von überall. Den tiefen Tönen nach zu urteilen, hatten die Musiker nur die größten Instrumente ausgewählt. Als er sich fragte, wann es denn weitergehen würde, brach die Menge erneut in Jubel aus. Erst weit hinter ihm und dann, wie bei einer heranrollenden Welle, kam er immer näher. Den Jungen war eingeschärft worden, dass sie sich nicht umdrehen durften und zu schweigen hatten. Krodan hielt sich daran. Er wollte seinem Stamm keine Schande durch ungebührliches Benehmen bereiten. Rechts neben ihm erschien eine Gestalt, ebenfalls in einem weißen Gewand, die sich dann vor ihn stellte und in Richtung der Steine blickte. Auf einen weiteren Befehl von Fardron drehte sie sich um.
Krodan konnte sich gerade noch beherrschen, nicht Miritir auszurufen. Dort stand sie vor ihm und sah ihn von oben herab durch ihre schwarzen Haare an, die ihr zartes Gesicht umkränzten. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als ein Befehl von Fardron kam. Darauf zog sie ihr Hemd aus und warf es auf die andere Seite des Holzblocks. Sie stand nackt vor ihm. Auch sie war am Körper haarlos. Ihre festen Brüste waren für eine Frau seines Stammes üppig gewachsen. Das war oft ein Gesprächsthema bei den Jungen gewesen. Wie albern wir waren, dachte Krodan an diese Zeit zurück und fühlte sich jetzt hin- und hergerissen zwischen der Welt der Kinder und der Erwachsenen, zu denen er ja nun gehörte. Die Vorhöfe ihrer Brustwarzen waren dunkler als ihre Haut, die sogar noch brauner als seine war. Und in der Mitte erhoben sich die durch die abendlich kühlere Luft steifen Knospen. Ihre Spalte sieht aus wie bei einem Mädchen, das eine Frau ist, dachte er verwirrt. Er hatte bei sich im Dorf häufig nackte Mädchen gesehen, im Sommer war das üblich, aber nie eine in diesem Bereich haarlose Frau, denn es war keine Sitte in seinem Stamm, die Haare dort zu entfernen. Die Lippen sind voller als bei einem kleinen Mädchen. Sie sehen geschwollen aus … Es erregte ihn. Er spürte, wie sich sein Lombon verhärtete. Das war ihm seit zwei Wintern vertraut.
Beim ersten Mal hatte es ihn erschrocken, gleichzeitig war Lust in ihm entfacht worden. Er hatte gelernt, damit zu spielen und die Haut über dem dicken, angeschwollenen Teil an der Spitze, den sie Nuss nannten, so hin- und herzuschieben, dass der Lombon immer härter wurde. Es fühlte sich gut an. Er machte das nur, wenn ihn keiner beobachtete. Warum, das wusste er gar nicht. Es kann doch nicht falsch sein, dachte er damals, denn sonst hätte Weitrir, die Göttin der Menschen, den Männern diese Fähigkeit nicht gegeben. Aber auch dieses Bewusstsein half ihm nicht. Und so suchte er sich immer dafür einsame Stellen. Eines Tages, ungefähr einen Mond, bevor sie zum diesjährigen Mittsommerfest aufbrechen wollten, stand er am Fluss in seinem oberen Teil, der weit entfernt vom Dorf gelegen lag, um die Reusen zu kontrollieren. Er schob die Haut über der Nuss kräftig vor und zurück und steigerte Druck und Tempo, dass es fast schon wehtat. Und urplötzlich wurde ihm schwindelig. Es fühlte sich so an, als ob ihm jemand die Beine wegziehen würde und gleichzeitig alles Blut seinen Kopf verlassen wolle. Dann spritzte in immer neuen Stößen eine weiße Flüssigkeit aus der Öffnung in der Nuss heraus. Es war für ihn zugleich erschreckend und erfüllend. Er wollte sich gerade wieder anziehen, da hörte er in unmittelbarer Nähe ein Knacken. Er ließ die Hose fallen, griff seinen Speer und drang so in den Wald ein, der den Fluss säumte.
»Miritir, was machst du hier?«, fragte er verblüfft, als er das Mädchen fand, das sich hinter einen Baumstamm gestellt hatte. Menschen der Margotoy und Shordoroy begegneten sich häufig, denn den Fluss nutzten sie gemeinsam, und außerdem waren sie die Hüter der Steinbrüche. Es herrschte Freundschaft zwischen ihnen, und oft kam es zu Vermählungen zwischen Männern und Frauen beider Stämme.
»Ich habe dich beobachtet«, sagte sie ohne Scheu und blickte ihn dabei an. Irgendwas in ihren Augen ließ Krodan eine Schuld fühlen, und er spürte, wie er rot anlief, denn er kannte Miritir schon lange. Sie hatten hier häufig gespielt, und sie war seine beste Freundin.
»Du hast so glücklich ausgesehen, als es aus dir gespritzt ist.«
Er suchte nach einer Erwiderung, als sie fortfuhr und auf seinen Lombon zeigte, der ein wenig angeschwollen war. »Ich würde das gerne auch bei dir machen, dir dabei helfen.«
Falls möglich, wurde er noch röter und stammelte: »Aber wie soll … also wo, ich meine, wann … und wenn das jemand …«
»Hierher kommen doch nur selten Menschen. Und denk an die Stelle oben am Adlerberg. Da können wir sogar sehen, wenn sich jemand nähert«, sagte sie eifrig. »Komm, lass uns dahingehen. Ich möchte es so gerne, und du doch auch.«
»Miri, ich verspreche dir, wir treffen uns in den nächsten Tagen, aber jetzt muss ich die Reusen leeren. Ich bekomme mit Sicherheit Ärger, weil ich so säumig bin.«
»Aber dann treffen wir uns morgen«, ordnete sie an, und ihre wasserblauen Augen, die heller als Krodans waren, leuchteten.
»Ja, vielleicht morgen«, sagte er verwirrt. Er zog fahrig seine Hose an, warf sich sein Hemd über, griff nach seinem Speer und wandte sich wieder dem Fluss zu.
»Ich werde da sein, Krodan.« Miritir winkte zum Abschied und verschwand im Wald, denn das Dorf ihres Stammes lag in dieser Richtung.
Er kümmerte sich um die Reusen, verstaute den Fang in zwei Weidenkörben und begab sich auf den Rückweg. Im Dorf angekommen, wurde er von seinem Vater vor der Hütte abgefangen. Krodan ärgerte sich innerlich, weil er ahnte, dass sein Zuspätkommen Anlass für Schelte war. Umso überraschender war es für ihn, als Borkan sagte, er möge den Fang abstellen und ein paar Schritte mit ihm gehen.
»Weißt du, an Hallebynge wirst du viel Neues und dir Unbekanntes erleben«, fing er an, und Krodan hatte die Hoffnung, mehr zu erfahren über die bevorstehende Zeremonie. Aufgeregt erwartete er weitere Erklärungen. Sie waren auf dem Weg zu den Trockenplätzen für die gegerbten Felle, die nur aufgesucht wurden, wenn es nötig war. Der Geruch dort lud nicht zum Verweilen ein. Deshalb waren sie hier ungestört.
»Es ist eine große Ehre, auserwählt zu sein. Alles muss gut vorbereitet sein«, fuhr der Vater fort, der wie eine ältere Ausgabe seines Sohnes aussah. Der Junge hörte zu, denn er wollte nicht durch Zwischenfragen die Erklärungen unterbrechen. Schweigend gingen sie weiter. Er wünschte sich sehnlichst, dass sein Vater sich beeilen möge. Aber dieser machte keine Anstalten. Stattdessen folgte er dem Pfad, der an den Gestellen mit den Häuten entlang und dann in den Wald führte Richtung Steinbruch.
»Die Hauer müssen besser aufpassen«, sagte der Ältere erzürnt und trat einen spitzen blauen Stein beiseite, der auf dem Weg lag und zu Verletzungen führen könnte. »Ich muss mich wieder mit Falrir darüber besprechen, dass auch kleine Bruchstücke sorgfältig beseitigt werden müssen.« Dann setzte er seinen Weg fort, und sein Sohn folgte ihm. Unvermittelt fragte Borkan: »Hast du dich schon einmal selbst angefasst?«
»Natürlich, das macht doch jeder.« Er wunderte sich insgeheim über diese Frage.
»Ja, da hast du recht, mein Sohn«, lachte sein Vater, wobei sich seine blauen Augen verengten und der Hauch eines Lächelns über sein Gesicht huschte. Der junge Mann verstand wenig und vor allem nicht, was daran so lustig war.
Borkan wurde wieder ernst. »Auch wenn es für dich eigenartig sein mag, so muss ich von dir heute etwas sehr Wichtiges wissen.«
»Was immer es ist, ich will versuchen, es bestmöglich zu beantworten«, sagte Krodan.
»Hast du schon einmal an deinem Lombon gespielt?«. Der Vater sah seinem Sohn direkt ins Gesicht. Dieser errötete augenblicklich. Borkan lachte. »Mein lieber Junge, auch ohne zu sprechen, gibst du mir die Antwort. Ich bin froh, dass ich das nun weiß.« Er stellte sich vor ihn und nahm ihn in die Arme. Lange standen sie schweigend da. Dann löste er die Umarmung.
»Du bist mein ältester Sohn. Das ist nichts, für das du dich schämen musst. Alle Männer tun das. Es ist ein Zeichen unserer Manneskraft, die so stark ist, dass sie raus muss. Sonst werden wir krank. Später, wenn du eine Frau hast, wird sie glücklich sein, wenn du ihr viel von dieser Kraft spenden kannst. Aber ihr wird es manchmal nicht gefallen, vor allem dann nicht, wenn sie die Dordrir hat. Und dann musst du es selbst machen. Damit dienst du auch ihr. Nur so erreichst du den Ausgleich zwischen Begierde und der Zeit, in der sie ihre Ruhe benötigt«, erklärte er, und Krodan war überrascht, denn selten sprach sein Vater so viele Worte.
»Du musst nur eines wissen: Damit du eine Frau mit einem prallen Lombon wirklich glücklich machen kannst, muss die Haut ganz über die Nuss zu streifen sein. Ist das bei dir so?«, fragte er.
Er nickte, sein Kopf gesenkt.
»Da bin ich sehr froh, mein Sohn, denn das erspart uns den Maklob.«
»Maklob?«
»Es gibt Männer, bei denen die Haut, wenn der Lombon prall ist, nicht über die Nuss zu ziehen ist. Dann leidet der Mann sehr viele Schmerzen beim Liebesspiel mit einer Frau. Und dann muss der Maklob durchgeführt werden.«
»Und was geschieht dabei?«
»Der Teil der Haut, der zu eng ist, wird entfernt«, erklärte der Vater.
»Du meinst, er wird abgeschnitten?« Krodan fröstelte es.
»Ja, aber nicht einfach so, sondern der Mann wird in einen Dämmer versetzt. Außerdem wird die Haut noch geschmeidiger gemacht. Wenn du es genau wissen willst, musst du Krerdron fragen.«
»Oh, so wichtig ist es nicht für mich, denn ich brauche es ja nicht«, entgegnete der Sohn schnell. Der Schamane war ihm immer unheimlich gewesen, und er mied er ihn, wenn es irgend ging.
»Komm, lass uns zurückgehen«, sagte der Ältere.
»Aber was hat das jetzt alles mit Hallebynge zu tun?«
»Eigentlich gar nichts. Es ist nur gut, zu wissen, dass mein Sohn seine Manneskraft einsetzen kann«, meinte sein Vater leichthin. Mehr bekam er aus ihm nicht heraus. Trotzdem konnte er nicht recht glauben, dass das der einzige Beweggrund für das Gespräch war.
Am folgenden Tag bekam er so viel Arbeit aufgebürdet, dass er es nicht schaffte, zum Adlerberg hochzusteigen. Die nächste Gelegenheit war erst wieder in drei Tagen. Dann war er dran mit der Leerung der Reusen. Die Vorbereitungen für die Wanderung zum Gurotan waren in vollem Gang, und die Aufregung stieg bei allen Stammesmitgliedern. Krodans Freunde löcherten ihn in einem fort, ob er nicht etwas erzählen könne, was ihn erwarte, aber sie gaben sich schließlich mit seiner wiederholten Erklärung zufrieden, dass er es genauso wenig wisse wie sie. So war er froh, als er endlich zum Fluss konnte. Schon vor den Reusen bog er ab Richtung Adlerberg und war kurz vor dem höchsten Stand der Sonne an der vereinbarten Stelle. Er sah sich um, aber Miritir war nicht zu sehen. Er fand nur Fußspuren und schätzte sie auf ein Alter von zwei Tagen. Krodan nahm sich vor, häufiger herzukommen, denn er musste sich eingestehen, dass er Gefallen und Lust bei der Vorstellung empfand, dass sie mit seinem Lombon spielte.
Noch einige Male kam er wieder hierher, aber sie blieb verschwunden. Und so näherte sich die Zeit des Aufbruchs. Die Schweine wurden eingefangen, die Jurten gepackt. Die Schleppen mussten gebaut werden, um alles befördern zu können. Trockenfisch, eingelegtes Gemüse, hartes Brot, Honig, Met und vieles mehr an Nahrungsmitteln wurde zusammengetragen, denn für die Jagd blieb während der Reise keine Zeit. Daher waren sie auf Vorräte angewiesen, die sie mitnahmen.
Endlich war es so weit, und der Marsch begann. Nach einem Tag trafen sie auf die Shordoroy, und da sah Krodan Miritir wieder. Sie konnten miteinander sprechen, bevor sie neue Aufgaben zu erfüllen hatten.
»Ich war häufig am Adlerberg, habe aber nur einmal Fußspuren von dir gefunden«, sagte er.
»Ich konnte leider kurz danach nicht mehr zum Berg. Das wurde mir verboten«, antwortete sie traurig.
»Aber warum? Du warst ganz häufig dort, und wir haben früher da gespielt.« Krodan war verwirrt, denn obwohl er Pflichten hatte, gab es, solange er sie ordentlich ausführte, wenige Verbote. Und auch ihr Stamm, die Shordoroy, war nicht bekannt für übermäßig gestrenge Sitten.
»Weil ich mich nicht in Gefahr bringen durfte«, sagte sie so leise zu ihm, dass die Menschen in ihrer Umgebung wegen den Geräuschen der Schleppen, der anderen Gesprächen und dem Quieken und Grunzen der Schweine nichts davon hörten. »Ich bin die Auserwählte meines Stammes für Hallebynge.«
»Im Ernst?«, fragte Krodan so laut, dass sich Leute zu ihm drehten. Er machte eine Pause, bis sie wieder unbeachtet waren, und flüsterte dann: »Miri, ich auch.«
»Nein, wirklich? Ich freue mich für dich«, jetzt war sie es, die die Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie setzte leise nach: »Es ist bei unserem Stamm Sitte, dass eine Auserwählte bis zum Hallebynge besonders gut geschützt wird. Sie darf nirgendwo mehr alleine hin. Die Ältesten sagen, dass in früheren Zeiten Auserwählte geraubt wurden und dass so etwas ein Jahr Unglück bringt.«
»Wie schade, dann können wir uns ja gar nicht in die Büsche schlagen.« Krodan war betroffen.
»Nein, und du kannst mich auch nicht besuchen. Sie würden dich abweisen. Wir müssen uns bis zum Mittsommer gedulden«, sagte Miritir ebenfalls traurig.