Eros und Nemesis - Adrian Renshaw - E-Book

Eros und Nemesis E-Book

Adrian Renshaw

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Beschreibung

Der ehemals erfolgsverwöhnte Leiter des Dezernats für Kapitalverbrechen, Arturo Romero, muss einen gehörigen Dämpfer einstecken. Seine geliebte Sandra wird wegen Mittäterschaft in einem Erpressungsfall zu einer längeren Haftstrafe verurteilt. Doch damit nicht genug, wird er kurz darauf von seinen früheren Kollegen festgenommen und aufs Revier gebracht. Die Beschuldigung, er hätte die knapp zuvor stattgefundene Entführung des Bürgermeisters von Glenrock zu verantworten. Obwohl ihm etliche verbrecherische Taten zur Last gelegt werden und er sich in einem Netz von belastenden Indizien wiederfindet, schafft es Romero rasch, alle Verdachtsmomente zu zerstreuen. Doch dadurch gelingt es ihm noch lange nicht, in sein luxuriöses Privatleben zurückzukehren, das er sich durch einen überraschenden Lotteriegewinn vor einigen Jahren ermöglicht hatte. Die Entführer melden sich und bestehen darauf, dass er ihnen anstelle des Bürgermeisters ausgeliefert werden müsse. Ansonsten würde der erste Mann der Stadt verstümmelt werden. Obwohl Romero nicht die geringste Absicht hegt, sich in die Hände der Verbrecher zu begeben, fühlt er sich aufgrund seines abgelegten beruflichen Eids und seines Gewissens verpflichtet, diesem Handel zuzustimmen. Es werden alle technischen Maßnahmen ergriffen, um seinen Aufenthaltsort während der Geiselhaft laufend überwachen zu können. Dennoch begibt sich der Mordermittler mit einem unguten Gefühl in die Hände der Verbrecher. Wie geplant wird er gefangengenommen und ins Versteck der Entführer gebracht. Nachdem er sich angekettet in einem finsteren Verlies wiederfindet und von seiner erwarteten Rettung weit und breit nichts zu bemerken ist, begreift Romero, dass er sich in höchster Lebensgefahr befindet. Fieberhaft überlegt er, wie er sich aus seiner misslichen Lage befreien könnte. Da öffnet sich die Kellertür und ein maskierter Entführer nähert sich ihm. Begleiten Sie den gutaussehenden Special Agent Arturo Romero bei seiner dritten abenteuerlichen, aber auch humorvollen Verbrecherjagd, bei der sein ausschweifendes, detailgetreu geschildertes Liebesleben mit aufregenden Frauen nie zu kurz kommt.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Adrian Renshaw

Eros und Nemesis

Ein Special-Agent Arturo Romero Krimi

Inhaltsverzeichnis

1 – Die Gerichtsverhandlung

2 – Die Verhaftung

3 – Die Entführung

4 – Pfeilspuren

5 – Verhandlungen

6 – Im Spital

7 – Ausgeliefert

8 – Die Infanterie trifft ein

9 – Die Brüder

10 – The California Institution for Women

11 – Verhandlungen

12 - Entscheidungen

13 – Der richtige Fingerabdruck

14 – Alles eine Frage der Beweise

15 – Epilog

Impressum

1 – Die Gerichtsverhandlung

„Erheben Sie sich“, rief der Gerichtsdiener, „für den ehrenwerten Richter Benjamin Mitchell.“

Gehorsam stand ich auf, ebenso alle anderen Zuhörer im vollgepackten Gerichtssaal von Santa Barbara, die sechs Geschworenen, die Ankläger sowie die Verteidigerin und die Angeklagte. Die Tür zum Richterzimmer öffnete sich und Benjamin Mitchell, ein älterer Jurist, der knapp vor seiner Pensionierung stehen musste, betrat pünktlich um 9 Uhr, in seine schwarze Robe gehüllt, den Saal, bestieg das Podium und nahm hinter dem mahagonigetäfelten Pult Platz. Alle Anwesenden setzten sich ebenfalls wieder nieder.

„Haben die Mitglieder der Jury ein Urteil gefällt?“, wollte er sofort mit energischer Stimme wissen.

Ein dunkelhäutiger Mann erhob sich von der Geschworenenbank. „Ja, Euer Ehren.“

Mitchell machte eine einladende Handbewegung. „Dann geben Sie dem Gericht Ihren Spruch bekannt.“

Der Sprecher der Jury nahm ein Blatt Papier zur Hand und las vor. „In Bezug auf die Mittäterschaft an den beiden geschilderten Morden und dem Mordanschlag erachten die Geschworenen die Angeklagte für nicht schuldig.“

Ich atmete etwas auf.

„In Bezug auf den Vorwurf der Planung der geschilderten Erpressungen, deren Ausführung und der daraus resultierenden Bereicherungsabsicht erachten die Geschworenen die Angeklagte für nicht schuldig.“

Ich atmete ein weiteres Mal tief durch.

„In Bezug auf die Mittäterschaft bei den geschilderten Erpressungen und die Unterlassung der Informationsweitergabe an die Behörden, wodurch die Verbrechen rechtzeitig hätten unterbunden werden können, erachten die Geschworenen die Angeklagte für schuldig im Sinne der Anklage.“

Mir stockte der Atem.

Der Sprecher der Geschworenen setzte sich wieder hin. Richter Mitchell nickte wohlwollend. Dann wandte er sich der Anklagebank zu.

„Angeklagte Sandra Burrell, erheben Sie sich für die Urteilsverkündung.“

Sie stand langsam auf, unsicher in ihren Bewegungen. Ihre Arme hatte sie hinter dem Rücken verschränkt, eine Hand quetschte die andere als Ausdruck ihrer verständlichen Nervosität. Ich ertappte mich dabei, wie ich meine Finger in ähnlicher Weise misshandelte.

„Angeklagte, Sie wurden einer schweren Straftat für schuldig befunden. Es wird oftmals missverständlich als Kavaliersdelikt betrachtet, wenn man gedankenlos, wie ich Ihnen hiermit unterstelle, an strafrechtlich relevanten Plänen und deren Ausführung teilnimmt. Als ob es vernachlässigbar wäre, würde man in dienstlichem und familiär bedingtem Gehorsam nur seine Pflicht erfüllen. Ich darf Ihnen versichern, diese Annahme ist grundsätzlich verfehlt.“

Richter Mitchell machte eine Kunstpause. Der Gerichtsaal, obwohl sich die Schaulustigen drängten, war gespenstisch still. Man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können.

„Faktum ist jedoch“, setzte Mitchell in souveränem Ton fort, „dass es in Ihrer Hand gelegen wäre, unmittelbar nach den ersten geäußerten Wünschen Ihres Bruders, die Korrespondenz mit aktiven Teilnehmern in fünf nachgewiesenen Erpressungsfällen zu führen, sich diesen zu widersetzen. Und nicht nur das, es wäre auch Ihre Bürgerpflicht gewesen, sofort nach Vorliegen der nachweislich verbrecherischen Anweisungen umgehend die Bundesbehörden darüber in Kenntnis zu setzen. Ungeachtet dessen, dass Sie dadurch den familiären Zusammenhalt aufs Spiel gesetzt hätten mit all den emotionalen wie auch finanziell negativen Auswirkungen, die die Folge gewesen wären. Der Schutz der Menschen vor Angriffen auf ihre persönliche wie finanzielle Unversehrtheit muss immer an erster Stelle stehen.“

Die Sätze des Richters waren unerbittlich in ihrem moralischen Urteil und mussten sich für Sandra wie Schläge in die Magengrube anfühlen.

„Damit muss man unausweichlich zum Schluss kommen, dass vor allem Ihre Untätigkeit in diesem Zusammenhang mit dazu beigetragen hat, dass zwei Menschen ihr Leben verloren, ein Mensch knapp davor bewahrt werden konnte und sich fünf Personen gezwungenermaßen von ihren Kunstschätzen trennen und dabei auch finanzielle Nachteile in Kauf nehmen mussten.“

Mitchell setzte sich seine richterliche Kopfbedeckung auf. „Ich verlese nun das Urteil, im Namen des Gesetzes.“

„Bitte erheben Sie sich“, verlangte erneut der Saaldiener. Alle folgten seiner Anordnung.

„Sandra Burrell, auch wenn man Ihre strafrechtliche Unbescholtenheit als Milderungsgrund heranzieht, verlangt die Schwere Ihrer Taten eine maßgebliche Strafe. Ich verurteile Sie daher zu drei Jahren unbedingter Haft, abzubüßen im California Institution for Women in Chino. Auf Grund der Tatsache, dass es sich bei Ihnen um keine gewaltbereite Person handelt und sich Ihre gezeigte Reue ebenfalls mildernd auswirkt, werden Sie im Trakt mit niedrigen Sicherheitsvorkehrungen untergebracht werden. Die Strafe ist sofort anzutreten. Die Verhandlung ist hiermit geschlossen.“

Richter Mitchell schlug geräuschvoll mit dem Hammer auf die Tischplatte, stand auf und verließ den Gerichtssaal. Kaum hatte er die Tür zum Richterzimmer hinter sich geschlossen, brach die Hölle los. Die Besucher der Verhandlung sprangen auf und drängten laut diskutierend dem Ausgang zu, die anwesenden Reporter aus näherer und weiterer Umgebung zückten ihre Telefone, um das Urteil so rasch wie möglich ihren Redaktionen durchzugeben.

Gegen den Menschenstrom drängte ich mich vorwärts, um Sandra möglichst noch sehen oder sprechen zu können, bevor sie abgeführt wurde. Als ich an der Barriere, die den Zuschauerraum von der Verhandlungszone trennte, ankam, waren jedoch schon zwei Wachen an sie herangetreten und hatten sie an jeweils einem Oberarm ergriffen. Sandra drehte sich in meine Richtung um, offensichtlich auch um eine Kontaktaufnahme bemüht. Ich sah ihr Gesicht und was ich erblickte, schnürte mir die Kehle zu. Sie warf mir einen verzweifelten Blick zu, Tränen rannen unaufhörlich ihre Wangen herab. Sie rief mir irgendetwas zu, doch wegen des Geräuschpegels konnte ich es nicht verstehen. Wenn ich ihre Mundbewegungen richtig deuten konnte, handelte es sich um „Arturo, hilf mir, ich brauche dich!“

Unfähig auch nur ein Wort hervorzubringen, bildete ich aus beiden Händen ein Herz. Ob sie es noch gesehen hat, wusste ich nicht, denn schon hatten sie die Wachen vorwärtsbewegt und waren mit ihr innerhalb von Sekunden in einem Seitenausgang des Gerichtssaals verschwunden. Entgeistert blieb ich etliche Sekunden regungslos stehen und blickte verständnislos auf die geschlossene Tür. Man hatte Sandra mitgenommen, geschlagene drei Jahre würde ich nicht mehr ihre Nähe spüren können. Mein Verstand versuchte krampfhaft die Bedeutung dieser Tatsache zu verdrängen.

Schließlich drehte ich mich um und ließ mich vom Strom der Hinausdrängenden mitziehen. Im Gang angekommen, sah ich eine Holzbank und ließ mich auf dieser nieder. Ich musste die Geschehnisse irgendwie einordnen und mir bewusstwerden lassen.

Ich hatte Sandra Burrell im Rahmen meiner letzten Ermittlungen vor einigen Monaten kennengelernt. Ursprünglich handelte es sich bei ihr um eine Verdächtige oder eine Zeugin und ich wollte von ihr Anhaltspunkte für die Aufklärung einer oder mehrere Straftaten erhalten. Doch bald schon war ich von ihrem bezaubernden Aussehen, ihrer herzlichen Art, ihrer intelligenten Gesprächsführung und ihrer Ausstrahlung in ihren Bann gezogen worden. Noch am selben Abend hatte sie mich zu ihr in die Wohnung mitgenommen und mich verführt. Wobei ich zugeben musste, dass es sich dabei nicht um ein schwieriges Unterfangen handelte, zu sehr war ich ihrem Reiz schon erlegen. Schließlich stellte die gemeinsam verbrachte Nacht die Krönung dar. Ihr Körper war die reinste Offenbarung und die sexuellen Spielarten, die ihr die größte Lust bereiteten, waren für mich neuartig gewesen. Nichtsdestoweniger erkannte ich rasch, dass meine innersten, erotischen Wünsche perfekt zu den ihren passten und diese ergänzten.

Mir war sehr wohl bewusst gewesen, dass eine sexuelle Beziehung eines Kriminalisten zu einer möglichen Straftäterin beziehungsweise zu einer Zeugin eine Übertretung der Dienstpflichten darstellte. Doch einerseits war ich mir sicher gewesen, dass sie in keiner Weise etwas mit den Verbrechen zu tun haben konnte, andererseits war ich ohnedies nur befristet in meinen alten Job als Ermittler des Morddezernats von Glenrock County zurückgekehrt. Und als Privatmann konnte ich mit jeder Frau, mit der ich wollte, eine Beziehung beginnen.

Es hatte auch die längste Zeit den Anschein, als wäre meine Annahme richtig, sie wäre in keine Straftaten involviert gewesen. Doch nachdem erst ihr Bruder Eric überführt werden konnte und danach ihr Vater in massivem Verdacht geriet, der eigentliche Drahtzieher gewesen zu sein, kam ich eher zufällig dahinter, dass Sandra sehr wohl ein Teil der verbrecherischen Pläne ihrer Verwandten gewesen war. Zwar hatte sie lediglich die Korrespondenz zwischen den Auftraggebern und den Ausführern der Erpressungen übernommen und nur Texte geschrieben, deren Inhalt ihr Eric vorgegeben hatte, doch wie Richter Mitchell in seiner Urteilsbegründung präzise ausgeführt hatte, dieser Umstand machte sie zweifelsfrei zu einer Mittäterin.

Nach der Erkenntnis ihrer Mithilfe bei diesen Erpressungen wusste ich einige Zeit nicht, wie ich mich verhalten sollte. Der Kriminalist in mir sagte laut und deutlich, dass sie schuldig wäre und ausgeliefert gehörte. Auf der anderen Seite war ich derart von ihrer entzückenden und erotischen Art gefangen, dass ich es nicht übers Herz brachte, meinen ehemaligen Kollegen im Dezernat über ihre Mittäterschaft zu berichten. Außerdem war ich zu diesem Zeitpunkt wieder in mein Privatleben zurückgekehrt, wodurch ich mein dienstliches Gewissen leichter ignorieren konnte.

Die Entscheidung wurde mir aber ohnedies abgenommen. In den Befragungen nach seiner Verhaftung war Sandras Bruder Eric sehr gesprächig und hatte auch die Rolle seiner Schwester zu Protokoll gegeben. Daraufhin wurde Sandra zu diesen Behauptungen befragt und verhaftet, nachdem sie ihre Taten zugegeben hatte. Glücklicherweise hatte sie nicht ausgesagt, dass ich ebenfalls über ihre Rolle informiert war. Dieser Umstand hätte auch mich in die größten Schwierigkeiten bringen können, meine Verhaftung wäre auch nicht ausgeschlossen gewesen.

Nachdem die Beweisaufnahme von Erics Straftaten noch lange nicht abgeschlossen war und sicher noch viele Monate bis zu seiner Verhandlung vergehen würden, schließlich ging es auch um drei Mordaufträge, für die er sich zu verantworten hatte, war Sandras Prozess vorgezogen worden. Nach wenigen Verhandlungstagen kam es also heute Vormittag, etwa drei Monate nach ihrer Verhaftung zu dem vorhin ergangenen Urteil.

Wobei ich immer noch nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Es ist schon richtig, dass ich nur wenige Tage in den Genuss ihrer Nähe gekommen war, bevor sie abgeführt wurde. Dennoch fühlte ich mich in ihrer Gegenwart so wohl wie noch selten bei einer Frau. Ihre Gespräche, ihr Witz, ihre künstlerische Ader und nicht zuletzt ihre Zärtlichkeiten und ihre sexuelle Hingabe hatten doch emotional einiges mit mir gemacht. Ich war keinesfalls soweit, dass ich behaupten könnte, dass ich mich verliebt hätte, auf der anderen Seite fehlte auch nicht viel bis dorthin. Dazu hätten wir bei Weitem länger Zeit miteinander verbringen müssen, was uns aber nicht vergönnt war. Und wie es aussah, dies auch in den nächsten Jahren nicht möglich sein würde.

All diese Gedanken schwirrten durch meinen Kopf, während ich auf der Besucher- oder besser gesagt Zeugenbank vor dem Gerichtssaal saß. Die Beobachter der Verhandlung waren mittlerweile alle gegangen, ich war allein zurückgeblieben. Nicht ganz allein, wie ich einen Moment später feststellte, als sich die Tür zum Gerichtssaal noch einmal öffnete und Sandras Anwältin, Victoria Joyner, heraustrat.

„Warten Sie auf mich?“, fragte sie, als sie mich erkannte. Ihr Tonfall ließ erkennen, dass sie ein Ja nicht hören wollte.

Auf wackeligen Beinen erhob ich mich. „Nein. Ja. Keine Ahnung.“ Mein mentaler Ausnahmezustand war mir deutlich anzumerken.

Joyner lächelte geringschätzig. „Ich schätze Personen ungemein, die genau wissen, was sie wollen.“ Sie schloss die Tür hinter sich und war dabei, an mir vorüberzugehen.

„Warten Sie“, rief ich ihr nach.

Sie blieb stehen und drehte sich zu mir um. Sie musste Anfang 50 sein, wobei man ihr das Alter ansah. Dafür sprachen nicht nur deutliche Gesichtsfalten, sondern auch ihre grauen halblangen Haare, die mit einigen wenigen schwarzen Strähnen durchzogen waren. Das seriöse, dunkelgraue Business-Kostüm, das sie trug und die hochgeschlossene weiße Bluse strahlten eine strenge Aura aus. Sie legte tatsächlich ein hartes Verhalten an den Tag, darüber konnte ich mich in den vergangenen Wochen überzeugen. Sandra hatte darauf bestanden, dass ich bei den Gesprächen mit ihr anwesend war. Dabei hatte ich auch den Eindruck gewonnen, dass man sie besser nicht zur Feindin hatte.

„Ja?“, fragte sie.

„Mrs. Joyner“, begann ich, „ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich über den Schuldspruch und vor allem über das Strafausmaß erschüttert war. Hatte es keine Möglichkeit gegeben, sie freizubekommen?“

„Mr. Romero, Sie werden sich erinnern können, dass ich in den Vorgesprächen mit meiner Mandantin darauf hingewiesen habe, dass sie nur bei einem sehr nachsichtigen Richter mit einer bedingten Strafe würde rechnen können. Richter Mitchell gehört allerdings nicht zu jener Kategorie Menschen, wie Sie feststellen konnten.“

„Was ich dennoch nicht verstehe“, gab ich mich noch nicht geschlagen, „war Sandras Beteiligung wirklich so dramatisch zu sehen? Sie war doch nur die, wie soll man sagen, die Schriftführerin und hatte keinen Anteil an den Erpressungen.“

„Sie haben dem Richter wohl nicht genau zugehört“, fuhr mich Joyner schärfer an. „So leicht kann man es sich nicht machen, sich so zu rechtfertigen, man hätte mitgemacht, nur um Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen. Jeder hat seinen Mitbürgern gegenüber klare Verpflichtungen, die einzuhalten sind.“

Sie hatte recht, das war mir ohnedies klar. Dennoch wollte ich nichts unversucht lassen, Sandra einen Lichtblick zu verschaffen.

„Werden Sie in Berufung gehen?“, fragte ich deshalb nach.

„Nur wenn meine Mandantin ausdrücklich darauf bestehen sollte“, gab die Anwältin entschieden zurück. „Eine Appellation kann auch durchaus dazu führen, dass die Strafe verschärft wird. Sehen Sie, Mr. Romero, wir können noch froh sein, dass unser Prozess vor den Verhandlungen von Eric Burrell und Gary Johnson, die ich auch vertrete, wie Sie wissen, stattgefunden hat. Wer weiß, was da noch an schmutzigen Dingen ans Tageslicht kommt. Da könnte Sandra Burrells Rolle in einem noch trüberen Licht erscheinen.“

Ich blickte Joyner niedergeschlagen an. „Also gibt es keine Hoffnung, Sandras Strafe zu verkürzen.“

„Ich sehe keine Chance dafür.“ Sie machte sich bereit, mich zu verlassen. Dann hielt sie nochmals inne. „Bevor Sie zu sehr mit Sandras und ihrem Schicksal hadern, sollten Sie auch einmal darüber nachdenken, wem sie in letzter Konsequenz das alles zu verdanken hat.“

Ich sah sie verständnislos an. „Ihrem Bruder und ihrem Vater, wem denn sonst?“

Joyner sah mich aus halb zugekniffenen Augen an. „Haben Sie sich nie die Frage gestellt, was gewesen wäre, wenn Sie den Fall nicht mit einer solchen Ausdauer und unfassbarem Engagement, sogar unter Einsatz Ihres Lebens, verfolgt hätten?“

Ich fühlte, wie mein Blutdruck rasant anstieg. Wollte diese Dame mir mitteilen, dass ich für Sandras Lage die Verantwortung trug?

„Was wollen Sie damit sagen?“, schnauzte ich sie an. „Ich hätte die Verbrechen geschehen und meine Augen davor geschlossen lassen sollen?“

Sie zog ihre Mundwinkel arrogant nach oben. „Ich bewerte nicht Ihre Entscheidungen, die müssen Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren. Ich möchte Ihnen nur zu bedenken geben, was gewesen wäre, hätten Sie nicht wieder Ihrem Perfektionismus nachgegeben.“ Ein arrogantes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Die Aufklärungsquote muss immer 100 Prozent betragen, richtig?“

Sie drehte sich um und ging mit raschen Schritten den Gang entlang. Ich musste mich zurückhalten, nicht hinter ihr herzulaufen und sie anzuschreien, was Sie sich einbildet. Oder um mich überhaupt an ihr zu vergreifen. Doch ich sah ihr, innerlich kochend, nur nach, bis sie hinter der nächsten Ecke aus meinem Blickwinkel verschwunden war.

Ich bemühte mich, meine innere Gelassenheit wiederzufinden, was mir mehr als schwerfiel. Schließlich hatte ich mich wieder halbwegs im Griff und versuchte die Worte der Anwältin einzuordnen. Einem kriminalistisch tätigen Menschen vorzuhalten, durch seine Mörderjagd hätte er seine eigene missliche Lage und jene Sandras verschuldet, war natürlich ein völlig unzulässiger Tiefschlag. Vergleichsweise könnte man einem Chirurgen vorwerfen, er hätte zu gut operiert, oder einem Formel 1-Piloten, dass er seine Rennen gewonnen hat. Das war eben der Beruf, den man so gut wie nur möglich ausfüllen wollte.

Doch dann musste ich ihr zugestehen, dass sie sehr wohl auch die Kehrseite der Medaille angesprochen hat. Wäre ich an der Aufklärung der Verbrechen gescheitert, hätte nichts dagegengesprochen, dass Sandra und ich unsere Beziehung in Ruhe weiterführen hätten können. Doch das hatte mein Ego nicht zugelassen.

In diesem Zusammenhang fiel mir auch wieder ein, dass mich ihr Vater, Malcolm Burrell, im Laufe meiner Recherchen zu einem Treffen geladen hatte, in dessen Verlauf er mir unumwunden die Hand seiner Tochter offeriert und für uns beide ein geräumiges Appartement in seiner schlossähnlichen Residenz vorgesehen hatte. Im Austausch für die Einstellung meiner Aufklärungstätigkeiten natürlich. Und natürlich war mein Stolz diesem Angebot im Wege gestanden.

Egal wie ich es drehte und wendete, eine zufriedenstellende Lösung hätte es für mich ohnedies nicht gegeben. Hätte ich mich für Malcolm Burrells Angebot entschieden, hätte ich mit Sandra zusammen sein können, nur wäre die Beziehung glücklich verlaufen? Wohl kaum, zu sehr hätte mich der Gedanke gequält, nur für mein psychisches und physisches Wohlergehen Erpresser und Mörder ungestraft frei herumlaufen zu lassen. Diesen Zwiespalt hätte ich nicht lange ausgehalten, da war ich mir sicher.

Auf der anderen Seite hatte ich meine beruflichen Ziele verwirklicht und die privaten waren den Bach hinunter gegangen. Was hieße eigentlich berufliche Ziele, widersprach ich mir sofort wieder. Schließlich waren mehr als eineinhalb Jahre vergangen, seitdem mich ein überraschender Lotteriegewinn dazu verleitet hatte, meinen Job als Teamleiter des Dezernats für Kapitalverbrechen im Polizeirevier von Glenrock County aufzugeben und ins Privatleben zu wechseln. Ich hatte demnach keinen Beruf mehr, für den es wert gewesen wäre, private Wünsche zu opfern. Auf der anderen Seite wurde ich in dieser Zeit bereits drei Mal für wichtige Einsätze hinzugezogen. Oder aber konnte ich es nicht verhindern, dass mich Kriminalfälle verfolgten und mich immer wieder veranlassten, sich mit ihrer Aufklärung zu befassen.

Ich merkte, wie sich meine Gedanken immer weiter im Kreis bewegten. Wenn ich so weitermachte, würde ich durchdrehen, da war ich mir sicher. Ich musste so rasch wie möglich hier aus dem Gerichtsgebäude verschwinden. Vielleicht tat mir ein volles Glas mit bestem Scotch gut, mich wieder zu fangen, überlegte ich. Oder gar eine Flasche?

Ich verließ das helle einstöckige Gerichtsgebäude in Santa Barbara, jenes Bezirksgericht, das auch für Glenrock County zuständig war, und ging zu meinem Wagen auf dem Parkplatz. Ich bestieg meinen roten Ferrari Portofino Cabrio und ließ gleich das Verdeck herab. Der heutige warme und frühlingshafte Maitag war nur einer der Gründe dafür. Der andere war, dass ich mir vom Fahrtwind versprach, mir die geistigen Spinnweben aus dem Gehirn zu wehen.

Mein Wunsch ging nicht in Erfüllung. So verkehrsmäßig entspannt die Rückfahrt auch war, so waren meine Gedanken bei Sandra und wie es ihr in ihrem neuen Zuhause ergehen würde. Mit dem Kopf voll mit diesen Überlegungen erreichte ich Glenrock und war schon in die Nähe meines Hauses gelangt, als ich eine Notbremsung hinlegen musste. Eine schwarze Limousine war von links herangeschossen gekommen und hätte meinen Ferrari beinahe um die Kühlerhaube kürzer gemacht. Das Fahrzeug bog mit quietschenden Reifen um die Kurve und beschleunigte mit aufheulendem Motor. Nach wenigen Sekunden war vom Fahrzeug nichts mehr zu sehen.

„Verdammt“, fluchte ich über mich. „Kannst du nicht aufpassen?“

Diese ungeregelte Kreuzung hatte ich sicher schon hunderte Male gefahrlos überquert. Und jedes Mal war mir bewusst gewesen, dass ich eine Nachrangtafel zu berücksichtigen hatte. Nur eben heute nicht, und das wäre fast ins Auge gegangen. Es war Zeit, dass ich mich wieder in der Realität zurechtfand, schwor ich mir.

Mit deutlich klarerem Kopf setzte ich die kurze Fahrt fort, parkte den Wagen in der Garage und betrat mein Domizil. Mein erster Weg führte mich zur Bar, ein Trostspender aus Scotch stand ganz oben auf meiner To-Do-Liste. Nachdem ich das Glas mit wenigen Schlucken geleert hatte, überlegte ich, was ich weiter tun sollte. Um mit einem Besäufnis zu starten, war es noch zu zeitig, überlegte ich.

Der Tag war nach wie vor ein prächtiger, Sonnenschein, milde Temperaturen, kein Wind. Ich würde mir ein wenig die Beine vertreten, beschloss ich. Also tauschte ich meinen Anzug gegen bequeme Jeans und ein T-Shirt und die schwarzen Lederschuhe gegen Sneakers. Ich steckte nur mein Smartphone und meine Brieftasche ein, versperrte die Haustür und machte mich auf den Weg.

Entlang ging es die ruhige Nebenstraße, in der mein geräumiges, einstöckiges Haus inmitten einer Grünoase stand, bis ich nach etwa zehn Minuten bei einer Abzweigung in eine Sackgasse vorüberkam. Ich zögerte kurz, da ich plötzlich bemerkte, wohin mich meine Schritte unbewusst geführt hatten. Ich bog in das Gässchen ein und erreichte deren Ende nach wenigen 100 Metern. Beim letzten Grundstück auf der linken Seite blieb ich stehen. Flatternde Wäsche auf einer Leine und spielende Kinder im Garten zeigten mir, dass das Haus neue Besitzer gefunden hatte.

Deutliche Erinnerungen an die frühere Besitzerin Cora Rinner, genannt Corinne, tauchten auf, deren Bekanntschaft ich anlässlich eines Kriminalfalls gemacht hatte und die mir nicht nur unabsichtlich einen wesentlichen Hinweis auf die Aufklärung der Verbrechen gegeben, sondern mir auch unvergessliche erotische Erlebnisse beschert hatte. In der Ausübung ihres Berufs als exklusive Sexarbeiterin.

Ich überlegte leicht amüsiert, wie die neuen Besitzer des Anwesens reagiert hatten, als sie die umfangreiche Rotlichtausstattung im Keller das erste Mal zu Gesicht bekommen haben. Vielleicht hatten sie entschieden, die Räumlichkeiten für eigene Zwecke zu nutzen. Ihre Kinder, da war ich mir sicher, hatten keinen Zugang zu dem Untergeschoss.

Mit angenehmeren Gedanken versehen, setzte ich meine Wanderung fort. Nach dem Ende der Gasse begannen ausgedehnte Gemüsefelder, auf denen Blattsalate und Tomaten angebaut waren. Ein Feldweg führte durch die Plantagen, den ich gemütlich entlangspazierte. Menschen waren weit und breit keine zu sehen.

Und weiter führte mich mein Weg immer geradeaus, bis ich einen kleinen Hügel erreichte, der mit Weinreben bewachsen war. Ohne meine Schritte zu verlangsamen, marschierte ich den Anstieg hinauf, bis sich mir, oben angekommen, ein hübscher Rundumblick über die Landschaft bot.

Ich stand unter einem kräftigen Blaueichenbaum mit einem ausladenden Blätterdach und betrachtete die Umgebung. Vor mir befand sich in einer Senke ein Schotterteich, an dessen Rändern Schilf wuchs. Auf dem Wasser tummelte sich eine Entenfamilie. Auf den Gemüsefeldern rund um mich war nach wie vor niemand zu sehen. Lediglich auf einem grasbewachsenen Fahrweg stand in geringer Entfernung ein dunkler PKW, dessen Besitzer auch nirgends auszumachen war. Die Szenerie war friedlich und ruhig. Nach langer Zeit fühlte ich mich endlich wieder entspannter und ich begann, mich wieder ein wenig des Lebens zu erfreuen.

Ich suchte mir unter dem Baum einen Flecken, auf dem es trocken aussah, und setzte mich nieder. Mit dem Rücken an den Stamm gelehnt, merkte ich, wie mich die Anspannungen der letzten Wochen gemeinsam mit den Beschwerlichkeiten der zurückgelegten Strecke erschöpft hatten. Eine bleierne Müdigkeit führte dazu, dass mir bald die Augen zufielen. Das Gezwitscher einiger Vögel und das Zirpen der Grillen trugen dazu bei, dass ich bald in Richtung Schlaf driftete.

Knapp, bevor ich einnicken konnte, hörte ich allerdings ein unangenehmes Surren. Eine Wespe, dachte ich, ohne die Augen zu öffnen, sie würde von allein wieder verschwinden. Doch das zornige Summen blieb und verstärkte sich sogar noch, also öffnete ich wieder die Augen.

Kaum fünf Meter von mir entfernt schwebte eine etwa hutschachtelgroße Drohne, die mich anvisierte.

2 – Die Verhaftung

Regungslos starrte ich der Drohne in ihr elektronisches Auge. Sie rührte sich, ebenso wie ich, keinen Millimeter. Kurz war ich an das Spiel, wer sich zuerst bewegt, verliert, erinnert. Auf einmal tauchte eine zweite fliegende Wespe auf, die sich allerdings nicht um mich kümmerte, sondern rund um den geparkten Wagen schwebte. Innerlich amüsierte ich mich darüber, in welchem sinnbefreiten Traum ich steckte.

Dann wurde das Summen der Drohnen von dem lautstarken Dröhnen eines Hubschraubers übertönt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass ich doch nicht schlief, sondern mich die reale Welt eingeholt hatte. Und wie es schien, wieder einmal eine ungewöhnliche Abart der Realität.

Der Helikopter kam näher und bezog gefühlsmäßig exakt über mir Position. Gleichzeitig kam in die Drohnen Bewegung, sie entfernten sich wieder von mir und der Anhöhe, auf der ich mich befand, und waren bald nicht mehr zu sehen. Weiter bewegungslos unter der Blaueiche sitzend, war ich neugierig, was als nächstes geschehen würde. Nicht einmal die Landung eines UFOs könnte mich noch in Erstaunen versetzen, dachte ich. Doch die Geschehnisse hatten eben erst begonnen, außergewöhnlich zu werden.

Ich brauchte nicht lange auf weitere Ereignisse zu warten. Gleichzeitig mit dem Abdrehen des Hubschraubers näherten sich mir zwei Polizeifahrzeuge über den grasüberwucherten Feldweg. Das vordere fuhr weiter, bis es knapp vor dem Baum und mir zum Stehen kam. Das zweite hatte sich noch vor dem dunklen Fahrzeug, das am Rand des Weges stand, eingeparkt. Ein stämmiger Mann in Zivil und drei weiß gekleidete Männer, die ich problemlos als Forensiker identifizieren konnte, verließen den Wagen. Ich richtete jedoch meine Aufmerksamkeit wieder auf den mir näheren Streifenwagen, aus dem drei Personen in Polizeiuniformen stiegen. Alle drei näherten sich mir. Zwei Männer blieben in einiger Entfernung stehen, die Frau kam auf mich zu, die Hand auf den Griff der Pistole an ihrer Hüfte gelegt.

„Stehen Sie auf“, herrschte sie mich an. „Aber langsam, keine hastigen Bewegungen.“

Also tat ich, wie sie mir befohlen hatte. Als ich ihr in Augenhöhe gegenüberstand, stellte ich erfreut fest, dass ich die schlanke, junge Frau mit ihren kurz geschnittenen braunen Haaren kannte. Sehr gut sogar.

„Sheila“, sagte ich, sie anlächelnd. „Schön dich wiederzusehen.“

„Drehen Sie sich um, die Füße einen Meter vom Baum entfernt, die Hände an den Stamm. Los, wird es bald“, setzte sie lautstark hinzu, als ich mir damit Zeit ließ.

Aus irgendeinem Grund wollte oder konnte sie mich nicht mehr erkennen, stellte ich erstaunt fest. Dabei verbanden mich mit Sheila Campbell einige maßgebliche Erinnerungen. Vorerst in ihrer Funktion als Leibwächterin einer verdächtigen Unternehmerin mir alles andere als wohlgesonnen, retteten wir einander im Laufe der Ermittlungen gegenseitig das Leben, wodurch sich unser Kontakt nachhaltig verbesserte. Schlussendlich waren wir im Bett gelandet, wobei wir uns für unsere beiden Heldentaten ausgiebig bedankt hatten. Doch daran wollte sie sich offensichtlich nicht mehr erinnern.

Also drehte ich mich widerstrebend um und ließ meinen Oberkörper nach vorne fallen, bis meine Hände die Rinde des Stammes berührten. Danach begann mich Sheila nach Waffen zu durchsuchen. Erst tastete sie die Innen- und Außenseiten meiner Beine, danach meinen Rücken, die Brust und den Bauch ab. Während sie weiter schweigend an meiner Visitation arbeitete, sagte ich leise, sodass es ihre Kollegen, die in wenigen Metern das Geschehen aufmerksam verfolgten, nicht hören konnten, „Das erinnert mich an eine Sequenz in einer Duschkabine, bei der du dich mehr auf andere Körperregionen konzentriert hast.“

Ich hörte ein unterdrücktes Kichern. „Ich habe eben auch an dieselbe Situation denken müssen“, antworte sie flüsternd. „Und musste mich zurückhalten, dich nicht auch dort gründlich abzutasten.“

Grinsend richtete ich mich auf und drehte mich um. Sie lächelte mich an, unsere Vertrautheit war wiederhergestellt.

„Und ich dachte schon, du hättest mich und unsere Erlebnisse vergessen“, mahnte ich sie.

„Wie könnte ich“, gab sie zurück. „So eine Nacht vergisst man nicht so schnell.“

„Da bin ich ja beruhigt“, entgegnete ich. „Mein Selbstbewusstsein hätte sonst einen Knacks bekommen.“

„Mach dich nicht lächerlich“, antwortete sie grinsend. „Dein Selbstbewusstsein könnte man nicht einmal mit einem Vorschlaghammer umbringen.“

„Womit du sicher recht hast“, gestand ich. „Ich sehe, du hast meinen Rat angenommen, zur Polizei zu gehen?“

Sheila wollte damals ihren Bodyguard-Beruf aufgeben. Nachdem sie ausgezeichnete Kenntnisse bei Schusswaffen und Selbstverteidigung aufweisen konnte, hatte ich ihr empfohlen, doch die Polizeilaufbahn einzuschlagen.

„Ja, habe ich, wie du siehst. Die Grundausbildung habe ich in kürzester Zeit hinter mich gebracht, jetzt bin ich bei der Verkehrspolizei gelandet.“

„Gratuliere, ich bin stolz auf dich. Nur würde mich langsam interessieren, was ihr hier macht. Und wieso das Interesse an mir?“

Bevor sie antworten konnte, hatte sich uns der Mann in Zivil aus dem zweiten Fahrzeug genähert. Ich sah ihn an und musste mit der nächsten Überraschung fertig werden.

„Danny“, sagte ich freudig überrascht. „Auch du bist hier. Wollt ihr beide mir nicht verraten, um was es hier geht?“

Daniel Moreno, ein großer, kräftiger Kerl, der aber die meiste Zeit gutmütig war und einen Hang zu trockenen, humorigen Bemerkungen hat, war lange Jahre ein unverzichtbarer Bestandteil meines Teams gewesen. Doch auch nach meinem Abgang hatten sich unsere Wege immer wieder gekreuzt. Bei jedem meiner ungeplanten Einsätze für die Mordkommission hatte er mir und dem Team unschätzbare Dienste erwiesen.

„Hi, Sheila“, begrüßte er zuerst die Polizistin. Sie erwiderte den Gruß mit einem angedeuteten Salutieren.

Sie kannten sich, da die beiden im Rahmen der Aufklärung des Netham-Falles einige Male miteinander zu tun hatten.

Dann sah er mich an. „Arturo, du bist wie Falschgeld und tauchst überall auf, wo man es nicht vernutet.“

„Ich hoffe, es ist nicht strafbar“ antwortete ich, „dass ich in der Natur ein wenig Ruhe gesucht habe.“

Sheila und Daniel sahen mich nur wortlos an.

„Also“, wiederholte ich ungeduldig, „was soll die ganze Aufregung? Warum darf ich nicht gemütlich unter einem Baum sitzen und den Frühlingstag genießen?“

Statt einer Antwort konterte Daniel mit einer Gegenfrage. „Gehört dir der Wagen dort?“ Er deutete mit dem Daumen auf das Fahrzeug, das hinter seinem Rücken stand.

„Machst du Witze?“, fragte ich ihn. „Du weißt genau, dass ich einen offenen Ferrari fahre.“

„Man kann seinen Geschmack auch ändern“, brummte er nur.

„Ich leide doch nicht unter Geschmacksverwirrung“, widersprach ich ihm. „Was ist das überhaupt? Ein BMW? Und warum ist das wichtig?“

„Wir von der Polizei stellen die Fragen, erinnerst du dich?“

„Spare dir deinen Sarkasmus für andere auf“, entgegnete ich ungehalten. Ich hatte von dem Gespräch langsam genug. „Wenn sonst nichts anliegt, dann werde ich mich auf den Weg nach Haus machen.“

Ich machte Anstalten, mich in Bewegung zu setzen, als Daniels Mobiltelefon zu läuten begann. Er deutete mir mit einem ausgestreckten Arm noch zu warten, während er das Gespräch entgegennahm.

„Hallo Karen … was sagst du? … ah, ich verstehe … ja, den Wagen haben wir gefunden, er wird soeben untersucht.“ Daniel machte nun eine längere Gesprächspause, während er aufmerksam zuhörte und nur gelegentlich ein „Hm“ von sich gab. „Sehr interessant“, sagte er dann, „was steht drauf? … wer?“ Daniel warf mir einen Blick zu. „Er steht vor mir … nein, kein Scherz … zwei Meter entfernt … keine Ahnung … was soll ich machen? … meinst du das ernst? … ja, ja, schon gut … alles klar.“ Daniel beendete das Gespräch und sah mich ein paar Sekunden an, seine Stirn nachdenklich in Falten gelegt. Dann wandte er sich an Sheila.

„Officer Campbell, verhafte bitte Arturo Romero und leg ihm Handschellen an. Ich lese ihm in der Zwischenzeit seine Rechte vor.

Ich sah Daniel Moreno entgeistert an. „Was ist los? Spinnst du jetzt völlig? Was soll ich getan haben?“

„Los, dreh dich wieder um, Art“, befahl mir Sheila, während sie die Handschellen von ihrem Gürtel löste. „Und halte die Hände ausgestreckt hinter deinen Rücken.“

„Ich denke nicht daran“, erwiderte ich erbost, „wenn ihr mir nicht sofort sagt, weswegen ihr mich verhaften wollt.“

„Tut mir leid“, sagte Daniel. Man sah es ihm an, dass ihm nicht wohl zumute war. „Das hörst du im Revier. Ich habe meine Befehle.“

„Von Karen?“ Karen Walsh war meine Nachfolgerin als Teamleiterin im Morddezernat.

„Und vom Captain.“

„Was? Von Ryker? Ist er jetzt auch schon übergeschnappt?“ Ich war derart verblüfft, dass ich keine Abwehrreaktion zeigte, als mich Sheila umdrehte und mir die Metallfesseln anlegte.

In der Zwischenzeit hatte Daniel begonnen, mir die Miranda-Belehrung vorzulesen. Ich hörte ihm nicht zu. Einerseits kannte ich den Wortlaut auswendig, andererseits rauschte mein Blut vor Zorn derart durch meine Adern, dass ich ohnedies nichts verstanden hätte.

Nachdem Daniel mit seinem Monolog fertig war, sah er Sheila nachdenklich an. „Arturo soll schnellstmöglich aufs Revier gebracht werden. Ich kann aber nicht gleichzeitig lenken und darauf achten, dass er keinen Blödsinn macht. Kannst du mitkommen?“

Sie zuckte die Schultern. „Würde ich gern. Nur bin ich derzeit bei der Verkehrstreife eingesetzt. Du musst zuerst meinen Boss fragen.“ Sie deutete auf die beiden abseitsstehenden Männer. „Der rechte ist es.“

„Ich regle das“, erklärte Daniel, der sich schon auf den Weg gemacht hatte. Und wenn der einen Meter 90 große und muskelbepackte Schrank von einem Mann bekanntgab, dass er etwas regele, dann bewahrheitete es sich immer. Auch dieses Mal dauerte das Gespräch nur kurz und Daniel trabte wieder zurück.

„Alles in Ordnung“, sagte er. „Sheila kann mitkommen. Auf geht’s, Art, wir bringen dich in deine berufliche Heimat.“

Sheila ergriff meinen Oberarm und war dabei nicht zimperlich.

„Autsch“, sagte ich. „Das kannst du auch anders.“

„Andere Situationen, andere Handgriffe“, gab sie seelenruhig zurück und zog mich, hinter Daniel hergehend, mit sich.

Wir näherten uns dem Wagen, mit dem Daniel und die Spurensucher eingetroffen waren. Die drei weißgekleideten Personen hatten mittlerweile ein Absperrband rund um das verlassene Fahrzeug am Wegesrand gezogen und waren eifrig bemüht, das Äußere und das Innere des dunklen Autos zu fotografieren und nach verdächtigen Anhaltspunkten zu durchsuchen. Nur nach welchen war mit völlig unklar.

Als wir bei den Forensikern ankamen, konnte ich das erste Mal einen genaueren Blick auf das geparkte Fahrzeug machen. Es handelte sich um einen schwarzen BMW der Vierer-Serie, soweit ich es ausmachen konnte, der mir ein wenig bekannt vorkam.

„Den Wagen habe ich schon gesehen“, rief ich dann aus, als mir die Erkenntnis kam, dass ich erst vor nicht allzu langer Zeit fast mit ihm kollidiert wäre.

„Wenn du das hast“, antwortete Daniel, während er in den Fahrersitz seines Polizeifahrzeugs stieg, „dann solltest du ehestens einen Rechtsanwalt hinzuziehen.“

Noch bevor ich nachfragen konnte, hatte Sheila schon die rechte hintere Wagentür geöffnet und mich in den Fond genötigt. Sie schloss die Tür hinter mir und setzte sich in den Beifahrersitz und behielt mich dabei im Auge. Nun saß ich also wieder im sogenannten Käfig auf der hinteren Sitzreihe eines Polizeiwagens, die mit einem stabilen Gitter von den Vordersitzen getrennt war. Es waren erst wenige Monate vergangen, seitdem ich schon einmal dieses fragwürdige Vergnügen hatte, in einem fahrenden Gefängnis Platz zu nehmen. Damals hatte ich geschworen, dass es keine Wiederholung dieser Erfahrung geben würde. So konnte man sich täuschen, dachte ich verdrossen.

Daniel steuerte den Wagen im Rückwärtsgang, bis er einen Platz zum Wenden gefunden hatte. Dann ging es entlang des holprigen Feldwegs, bis wir nach wenigen 100 Metern auf eine befestigte Straße trafen. Ab diesem Zeitpunkt ging es flotter voran und wir erreichten die Ausläufer der Stadt in wenigen Minuten. Nach einer weiteren Viertelstunde waren wir auf dem Parkplatz des Reviers angekommen. Während der gesamten Fahrzeit hatte ich mich mit Fragen und Kommentaren zurückgehalten. Ich würde erst im Dezernat erfahren, worum es wirklich ging, das war mir klar.

Zu dritt überquerten wir den Parkplatz, betraten das Revier und gingen an erstaunt blickenden Officers vorbei zum Aufzug. Ich hatte ein starkes Déjà-vu-Erlebnis. Erst wenige Wochen zuvor war ich im Konvoi ins Dezernat geschafft worden. Mit dem einzigen Unterschied, dass mich Karen an Stelle von Sheila abgeführt hatte. Auch als wir im zweiten Stock angekommen waren, änderten sich die Ähnlichkeiten nicht. Wieder sah mich Lucy, die entzückende, zierliche Asiatin, die eine wahre Künstlerin bei Internetrecherchen aller Art war, erst erfreut, dann bestürzt an, als sie mich in Handschellen vorgeführt sah.

Karen Walsh sah uns eintreten, stand auf und öffnete die Tür zum vorderen Verhörraum. „Da rein“, forderte sie mich ungehalten auf.

Die Situation wurde immer eigentümlicher. Mit Karen verband mich eine jahrelange, erfolgreiche Zusammenarbeit. Als ich während meines Privatlebens immer wieder meist gegen meinen Willen für Ermittlungen hinzugezogen wurde, hatte es Krisen zwischen uns gegeben. Karen hatte sich verständlicherweise dagegen gewehrt, dass ich – kaum retour – jedes Mal die Nachforschungen und die Teamführung an mich gezogen hatte.

---ENDE DER LESEPROBE---